Helfen Sie Katzen und Hunden, ihr gesündestes Leben zu führen
Veterinary Focus

Sonstiges Wissenschaft

Chiari-ähnliche Malformation und Syringomyelie

veröffentlicht 05/12/2019

Geschrieben von Sandra Sanchis Mora und Ludovic Pelligand

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Diese Erkrankung tritt am häufigsten beim Cavalier King Charles Spaniel auf und kann hochgradige Auswirkungen auf die Lebensqualität eines betroffenen Hundes haben. Sandra Sanchis Mora und Ludovic Pelligand geben einen Überblick über die Erkrankung, die zugrundeliegende Pathophysiologie und die gegenwärtig verfügbaren Behandlungsoptionen.

Chiari-ähnliche Malformation und Syringomyelie

Kernaussagen

Chiari-ähnliche Malformation und Syringomyelie sind zwei zusammenhängende Erkrankungen, die neuropathische Schmerzen verursachen.


Ein großer Anteil der Cavalier King Charles Spaniels ist betroffen, aber auch andere (in der Regel kleine) Rassen können empfänglich sein.


Die klinischen Symptome neuropathischer Schmerzen sind unspezifisch, und die Bestätigung der Diagnose wird unterstützt durch die Magnetresonanztomographie.


Die Behandlungsoptionen umfassen eine Kombination verschiedener Analgetika oder eine chirurgische Dekompression der Fossa cranii caudalis. Besitzer sollten jedoch wissen, dass neuropathische Schmerzen schwierig zu behandeln sind und dass das Hauptziel der Erhalt einer guten Lebensqualität des Patienten ist.


Einleitung

MRT eines Hundes mit Chiari-ähnlicher Malformation und Syringomyelie. Das Bild zeigt eine weite Syrinx, die das Rückenmark auf Höhe der Halswirbel C2-C5 einbezieht, und eine große Syrinx im Bereich des thorakalen und lumbalen Rückenmarks.
Abbildung 1. MRT eines Hundes mit Chiari-ähnlicher Malformation und Syringomyelie. Das Bild zeigt eine weite Syrinx, die das Rückenmark auf Höhe der Halswirbel C2-C5 einbezieht, und eine große Syrinx im Bereich des thorakalen und lumbalen Rückenmarks.© Sandra Sanchis Mora

Syringomyelie (SM) ist definiert als eine abnorme Akkumulation von Flüssigkeit im Parenchym des Rückenmarks, die zur Bildung eines als Syrinx bezeichneten Hohlraums führt (Abbildung 1). Man geht davon aus, dass SM primär durch Anomalien des Liquorflusses entsteht. Mehrere Erkrankungen gelten als kausale Faktoren der SM beim Hund, wobei die Chiari-ähnliche Malformation (CM) die häufigste Ursache ist 1. CM und SM können bei betroffenen Individuen unabhängig voneinander oder kombiniert (CM/SM) auftreten und symptomatisch oder asymptomatisch sein.

MRT eines Hundes mit Chiari-ähnlicher Malformation mit Vorfall von Kleinhirnanteilen durch das Foramen magnum.
Abbildung 2. MRT eines Hundes mit Chiari-ähnlicher Malformation mit Vorfall von Kleinhirnanteilen durch das Foramen magnum.© Prof. Holger Volk

Die CM bei Hunden ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein eines abnorm geformten Os supraoccipitale, das zu rostraler Kompression im kaudalen Bereich des Kleinhirns führt (Abbildung 2). Es besteht ein Missverhältnis zwischen den Strukturen der Fossa cranii caudalis (hinteren Schädelgrube), das dazu führt, dass Anteile des Kleinhirns in das Foramen magnum (Hinterhauptsloch) vorfallen 2 3. Auffällig ist eine Analogie vieler Merkmale der caninen CM mit der Chiari-Malformation Typ 1 (CM1) beim Menschen 4. Bei Letzterer handelt es sich entweder um eine kongenitale Erkrankung oder um eine erworbene Erkrankung, die zu einer Veränderung der Proportionen in der Schädelhöhle führt. Zwischen 70 und 80 % aller Menschen mit CM1 weisen eine begleitende SM auf.

Pathophysiologische Mechanismen

Anatomische Veränderungen

Einige Toyrassen wie der Cavalier King Charles Spaniel (CKCS) haben im Vergleich zu mesocephalen Hunden eine kleinere Fossa cranii caudalis und ein abnormes Os occipitale (Hinterhauptbein) 2. Zudem haben Hunde dieser Rasse eine um 80 % höhere Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Verschlusses der Synchondrosis sphenooccipitalis bereits in einem früheren Alter als andere brachycephale Rassen oder mesocephale Hunde 5. Dadurch verlieren betroffene Individuen die Fähigkeit, sich Veränderungen des Volumens des Hinterhirns anzupassen 3 4.

Wie Menschen mit CM1 weisen betroffene Hunde ein erhöhtes Volumen des Hirnparenchyms in Relation zu den Dimensionen der Fossa cranii caudalis 6 7 auf. Bekannt ist zudem, dass je größer das Foramen magnum ist, desto höher die Gefahr eines Vorfalls von Kleinhirnanteilen 8 9.

Flüssigkeitsdynamik

Normalerweise zirkuliert die Zerebrospinalflüssigkeit (Liquor) vom ventrikulären System zum Subarachnoidalraum. Eine Abnahme des venösen Abflusses aufgrund eines reduzierten Volumens der venösen Sinus und eines engen Foramen jugulare könnte zu einer Reduktion der Liquorresorption führen 10. Der Liquorfluss innerhalb des Subarachnoidalraums der Schädelhöhle und in das Rückenmark ist abhängig von der Herzsystole und intrakraniellen arteriellen Pulsationen. Zur Entwicklung einer Syrinx bei SM kommt es durch eine Obstruktion des normalen Liquorflusses und einen Ansaugeffekt (Venturi-Effekt) infolge einer Abnahme des Querschnitts des Subarachnoidalraumes im Zervikalbereich zwischen C1 und C3 11. Diese Kräfte sind das Resultat der unterschiedlichen Drücke während der Pulsationen, die beim CKCS mit SM signifikant stärker sind 12. Eine Studie berichtet, dass ein Zusammenhang besteht zwischen einem turbulenten Liquorfluss am Foramen magnum und dem Grad der SM und dass die Geschwindigkeit des Liquors dorsal von C2/C3 umgekehrt proportional ist zum Vorhandensein einer SM 13.

Prävalenz und Genetik

Eine CM findet man am häufigsten bei der Rasse Cavalier King Charles Spaniel, wo bis zu 92 % der Population betroffen sind 9, wobei dieser prozentuale Anteil sowohl asymptomatische als auch symptomatische Hunde umfasst. Die Erkrankung wird aber auch beim Griffon Bruxellois 14 und bei zahlreichen anderen kleinen Hunderassen wie Französische Bulldogge, Chihuahua, Zwergspitz, Malteser, Mops und Yorkshire Terrier diagnostiziert.

In einer Studie wurde eine asymptomatische SM bei 25 % der CKCS bis zum Alter von 12 Monaten nachgewiesen, und 70 % der Hunde hatten eine SM (symptomatisch oder asymptomatisch) bis zum Alter von sechs Jahren entwickelt 15. Eine weitere Studie analysierte den klinischen Status von 54 Hunden über fünf Jahre mit bekannter CM/SM. Die mittlere Follow-up Dauer lag bei 71 Monaten nach der initialen Diagnose, und 32 % der Hunde, die anfangs asymptomatisch waren, erwiesen sich bei der Nachuntersuchung als symptomatisch 16.

Einer jüngsten Studie zufolge liegt die Prävalenz der symptomatischen CM/SM bei der Rasse CKCS nach Diagnose in erstversorgenden Praxen in Großbritannien bei 1,6 % 17, wobei die Autoren einräumen, dass die tatsächliche Anzahl betroffener Tiere durch diese Zahl wahrscheinlich unterschätzt wird. Weitere Rassen, bei denen eine symptomatische CM/SM diagnostiziert wurde, waren King Charles Spaniel, Affenpinscher, Chihuahua und Zwergspitz.

Die Erblichkeit der SM wird beim CKCS als moderat eingeschätzt. Eine jüngste Studie stellte fest, dass Mischlingshunde zwar ein niedrigeres CM/SM-Risiko haben 18, es aber nach wie vor notwendig ist, eine sorgfältige Selektion entsprechender morphologischer Charakteristika vorzunehmen, mit dem Ziel einer Reduzierung des Grades der abnormen Form des Os supraoccipitale. So konnte mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) in der Tat auch bei einigen CKCS-Mischlingen eine symptomatische CM/SM diagnostiziert werden 17.

Eine Quantitative Trait Loci (QTL)-Analyse für CM/SM wurde beim Griffon Bruxelles durchgeführt und ergab sechs hochsignifikante Merkmale für CM/SM 19. Diese sind assoziiert mit dem Canis familiaris Autosom 2, das stark in Zusammenhang steht mit der Höhe der Fossa cranii und ein einzelnes Kandidatengen – Sall-1 – enthält, das zuvor bereits mit CM1 bei Menschen in Verbindung gebracht worden war. Genetische Untersuchungen sind zweifellos erforderlich, um die Heritabilität der Erkrankung besser zu verstehen und um zu versuchen, die Malformation aus betroffenen Linien herauszuzüchten. Bis jedoch bessere Zuchtstrategien auf der Grundlage dieser Untersuchungen etabliert werden können, sollten ganz im Sinne einer Palliation an erster Stelle eine Verbesserung des Tierwohls, das bessere Verständnis der Auswirkungen von CM/SM auf die Lebensqualität betroffener Hunde und deren Besitzer und schließlich die Entwicklung besserer Behandlungsoptionen stehen.

Klinische Symptome

Bei Menschen mit CM1 werden klinische Symptome wie Schmerzen, Kopfschmerzen, eine veränderte Sensorik, Schwäche, Dysphagie, Schlafapnoe, sensorische Defizite, Schwäche der Extremitäten und Muskelatrophie beschrieben. Der Schmerz bei SM wird als zentraler neuropathischer Schmerz beschrieben. Neuropathischer Schmerz wird definiert als „Schmerz infolge einer Läsion oder Dysfunktion des somatosensorischen Nervensystems “. Zentraler neuropathischer Schmerz kann somit eine Folge jeglicher Form von Schädigung des Zentralnervensystems sein. Im Falle einer SM wird neuropathischer Schmerz durch eine direkte Schädigung des Dorsalhorns und des Tractus spino-thalamicus verursacht. Bei humanen Patienten wird dieser Schmerz unterschiedlich beschrieben, als brennende oder kalte Empfindungen, Stechen, Prickeln, Kribbeln, einschießender Schmerz, lanzinierender Schmerz, Gespanntheit, Schwellung oder quetschende Empfindung. Zu berücksichtigen ist, dass auch unsere caninen Patienten unter sämtlichen dieser Symptome eines neuropathischen Schmerzes leiden können, ohne dass wir diese in jedem Fall als solche erkennen.

Hunde jeden Alters können mit einer symptomatischen CM vorgestellt werden. Am häufigsten entwickeln sich Symptome jedoch bei jüngeren Hunden im Alter zwischen zwei und vier Jahren, mit einer Altersspanne von wenigen Monaten bis über 10 Jahren 8 20. Symptomatische Hunde können auch CM ohne SM aufweisen. Die bei CM/SM am häufigsten beschriebenen Symptome sind unterschiedliche Manifestationen generalisierter Schmerzen (Abbildung 3) oder lokale Schmerzen im Bereich des Rückenmarks (meist im Hals-Nackenbereich), einschließlich spontaner Lautäußerungen, Empfindlichkeit bei Palpation und der Vermeidung von Schmerz auslösenden Bewegungen/Körperhaltungen 11 17. Besitzer betroffener Hunde können bei ihren Tieren aber auch Verhaltensänderungen beobachten, wie zum Beispiel vermehrte Angst. Weitere häufige Symptome bei Hunden mit CM/SM sind das sogenannte „Phantomkratzen“ (Kratzbewegungen in der Luft ohne Hautkontakt der Pfote) (Abbildung 4), das im Zusammenhang mit einer Dysästhesie (Empfindungsstörungen) oder Juckreiz stehen kann. Neuropathischer Schmerz kann sich manifestieren als Allodynie (Schmerzen infolge eines Stimulus, der normalerweise nicht schmerzhaft ist), Hyperalgesie (gesteigerte Schmerzempfindung bei schmerzhaftem Stimulus) und Parästhesie (Fehlempfindungen wie z. B. plötzliches Nadelstichgefühl).

Diagramm der bei Hunden mit symptomatischer CM/SM in erstversorgenden tierärztlichen Praxen beschriebenen klinischen Symptome, kategorisiert nach Haupttypen: Juckreiz/Kratzen (violett), Schmerz (orange), neurologische Symptome (grün), Verhaltensänderungen (blau) und unspezifisch (rosa).
Abbildung 3. Diagramm der bei Hunden mit symptomatischer CM/SM in erstversorgenden tierärztlichen Praxen beschriebenen klinischen Symptome, kategorisiert nach Haupttypen: Juckreiz/Kratzen (violett), Schmerz (orange), neurologische Symptome (grün), Verhaltensänderungen (blau) und unspezifisch (rosa). © Sandra Sanchis Mora
Ein Cavalier King Charles Spaniel mit Chiari-ähnlicher Malformation und Syringomyelie zeigt das typische „Kratzen in der Luft”.
Abbildung 4. Ein Cavalier King Charles Spaniel mit Chiari-ähnlicher Malformation und Syringomyelie zeigt das typische „Kratzen in der Luft”. © Sandra Sanchis Mora

Wie beim Menschen geht man auch bei Hunden mit SM davon aus, dass die Schmerzempfindung die Folge einer Disruption der an der synaptischen Übertragung in den Laminae des Dorsalhorns beteiligten Fasern ist. Nachgewiesen ist, dass asymmetrische Syringen neuropathischen Schmerz verursachen, wobei sich der Syrinxquerschnitt (gemessen mittels MRT) in einer Studie als der stärkste Prädiktor von Schmerz, Juckreiz/ Kratzen und Skoliose erwies 21. In derselben Studie waren die Liquorkonzentrationen von Substanz P (eines exzitatorischen Neurotransmitters) und Interleukin-6 bei Hunden mit neuropathischen Schmerzen und SM im Vergleich zu asymptomatischen Hunden signifikant erhöht. Die Freisetzung dieser Substanzen kann pro-nozizeptive Effekte auslösen, und so zur Entstehung neuropathischer Schmerzen und einer Fortdauer der Sensibilisierung und Aktivierung beteiligter Rezeptoren führen.

Diagnose

Aufgrund von Überlappungstendenzen und der geringen Spezifität der klinischen Symptome, die zu Verwechslungen mit anderen Erkrankungen führen können (z. B. dermatologische Erkrankungen, die zu Juckreiz oder Otitis externa führen), ist die Magnetresonanztomographie (MRT) das diagnostische Verfahren der Wahl. Insbesondere in Fällen, in denen ein MRT nicht zur Verfügung steht oder die finanziellen Möglichkeiten des Hundehalters übersteigt, kann sich das Erreichen einer endgültigen Diagnose als schwierige Herausforderungerweisen. Eine jüngste Studie fand heraus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose – und damit einer entsprechenden Behandlung – höher ist, wenn die Hunde versichert sind 17. Aber auch wenn eine endgültige Diagnose aufgrund von finanziellen Einschränkungen nicht zu erreichen ist, muss der behandelnde Tierarzt in der Lage sein, die Schmerzen dieser Patienten zu erkennen und entsprechend zu therapieren, insbesondere, wenn es sich um chronische Schmerzen handelt.

Vorbericht und klinische Untersuchung unterstützen die Diagnose, insbesondere den Nachweis neuropathischer Schmerzen. Beim Menschen müssen folgende diagnostische Kriterien für neuropathische Schmerzen evaluiert werden:

  1. (1) Die neuroanatomische Verteilung (d. h. im Rückenmark)
    (2) Anamnestische Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Schmerz und einer relevanten Läsion (Widerstand gegen das Berührtwerden am Hals/Nacken im Zusammenhang mit der Lokalisation der Syrinx)
    (3) Nachweis einer Läsion (d. h. Nachweis einer Syrinx) im MRT und Nachweis somatosensorischer Störungen, die übereinstimmen mit der Verteilung des Schmerzes (Allodynie/Hyperalgesie im Hals-/Nackenbereich mittels quantitativer sensorischer Testung)

Quantitative Sensorische Testung (QST) bei einem Hund mit Chiari-ähnlicher Malformation und Syringomyelie zum Nachweis einer mechanischen Allodynie mit Hilfe von Frey-Haaren (Nylonfilamente).
Abbildung 5. Quantitative Sensorische Testung (QST) bei einem Hund mit Chiari-ähnlicher Malformation und Syringomyelie zum Nachweis einer mechanischen Allodynie mit Hilfe von Frey-Haaren (Nylonfilamente). © Sandra Sanchis Mora

Ein ähnliches Vorgehen mit quantitativer sensorischer Testung (QST) zur Beurteilung neuropathischer Schmerzen könnte auch bei betroffenen Hunden in Frage kommen. Voraussetzung hierfür sind spezifische Präzisionsinstrumente, mit deren Hilfe ein kontrollierter Stimulus an einer Körperregion appliziert wird, um die sensorischen und nozizeptiven Schwellen zu quantifizieren (Abbildung 5). Bei Human- und Veterinärpatienten werden Tests zum Erkennen von Berührung und Vibration und zum Erkennen noxischer Stimuli durch mechanische oder thermische (Hitze und Kälte) Reize verwendet. In der Veterinärmedizin wird die QST gegenwärtig nur zu Forschungszwecken eingesetzt, um das Vorhandensein einer zentralen Sensibilisierung und Hyperalgesie bei Hunden mit chronischen Schmerzen nachzuweisen 22. Eine zukünftige Anwendung dieses Verfahrens auch im klinischen Bereich könnte sehr hilfreich sein.

Skalen zur Bestimmung chronischer Schmerzen sind sehr hilfreich für die Diagnose möglicher chronischer neuropathischer Schmerzen und darüber hinaus für die Evaluierung von Veränderungen und das Ansprechen auf die Behandlung im weiteren Verlauf. Das „Canine Brief Pain Inventory“* könnte bei diesen Patienten hilfreich sein, obgleich diese hundespezifische Schmerzskala bislang nur bei Hunden mit Osteoarthritis und Tumorerkrankungen validiert ist.

www.vet.upenn.edu/research/clinical-trials/vcic/pennchart/cbpi-tool *

Behandlung

Wie in der Humanmedizin umfassen die Behandlungsmöglichkeiten für Hunde mit CM/SM chirurgische und medikamentöse Optionen. Ziel einer chirurgischen Intervention ist die Wiederherstellung einer gewissen Normalität der Liquordynamik auf dem Wege einer Dekompression des kaudalen Foramen magnum durch Resektion eines Teils des Os supraoccipitale. Ein Artikel über 15 CKCS berichtet, dass sich 80 % der Hunde postoperative besserten, während bei 20 % keine Besserung festzustellen war 20. Die klinischen Ergebnisse wurden postoperativ über mehr als 12 Monate überwacht, der Autor stellte jedoch fest, dass der Eingriff offenbar nicht zu einem Kollaps und zu einer Resolution der Syringen führt und jegliche klinische Verbesserung somit möglicherweise nicht dauerhafter Natur ist, wobei es bei einigen Hunden nach anfänglichem Ansprechen im weiteren Verlauf wieder zu einer Verschlechterung kommt.

Visual Analogue Scale (VAS)
Box 1. Die einfachste Visual Analogue Scale (VAS) ist eine horizontale Linie, in der Regel 100 mm lang, deren Enden jeweils als die extremen Limits der zu messenden Parameter definiert werden. Für die Schmerzbeurteilung würde man ein Ende definieren als „kein Schmerz“ und das andere als den „stärksten vorstellbaren Schmerz“. Die Besitzer können den Schmerz ihres Hundes beurteilen und auf der Linie eine Markierung setzen, wo sie die Schmerzempfindung des Hundes verorten würden. Die Beurteilung kann dann in bestimmten Intervallen wiederholt werden. Ein Vergleich der Scores ermöglicht so eine Überwachung der Parameter über eine bestimmte Zeitperiode.

Die medikamentöse Behandlung der caninen CM/SM stützt sich auf drei Säulen: Analgesie, Reduktion der Liquorproduktion und empirische Anwendung antiinflammatorischer Wirkstoffe, wie zum Beispiel Glucocorticoide. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Schmerzlinderung. Das Ziel ist eine Verbesserung der Lebensqualität des Patienten, in der Regel mit Hilfe einer Kombination von zwei oder mehr Arzneimitteln, da die gegenwärtig verfügbaren Behandlungsoptionen den Schmerz nicht vollständig zurückdrängen können. Halter betroffener Hunde müssen zudem darüber aufgeklärt werden, dass diese Form von Schmerz wahrscheinlich über das gesamte Leben des Tieres persistieren wird und dass eine dauerhaft erfolgreiche Schmerzbehandlung eine große Herausforderung darstellen kann. In einer Studie kam es unter medikamentöser Behandlung bei lediglich 13 % der symptomatischen Hunde mit CM/ SM zu einer Besserung und bei 56 % trotz Behandlung sogar zu einer Verschlechterung 16. Besitzer betroffener Tiere sollten deshalb realistische Erwartungen bezüglich der Behandlungsziele haben und für eine dauerhafte und langfristige Kontrolle ein auch zu Hause einfach anwendbares Schmerzbewertungssystem zur Verfügung gestellt bekommen, wie z. B. die Visual Analogue Scale (VAS) (Box 1).

Die für die Behandlung von Tieren mit neuropathischen Schmerzen am häufigsten empfohlenen Arzneimittel sind Gabapentin, Pregabalin und trizyklische Antidepressiva. Bei CM/SM werden am häufigsten Gabapentin und NSAIDS verordnet 17. In der veterinärmedizinischen Literatur findet man jedoch nur wenige Evidenzen über die Wirksamkeit und Sicherheit analgetischer Arzneistoffe bei neuropathischen Schmerzen. Bei mangelhaftem Ansprechen können die Dosierungen entsprechend angepasst und andere Therapieoptionen getestet werden. In einigen Fällen kann bei unzureichender Schmerzkontrolle auch eine Überweisung des Patienten an einen Schmerzspezialisten ratsam sein. Neben der Arzneimitteltherapie können aber auch nicht-medikamentöse Optionen (z. B. Elektroakkupunktur) in Betracht gezogen werden.

Antikonvulsiva

Gabapentin wurde als Antikonvulsivum entwickelt, wird aber sowohl bei Menschen als auch bei Hunden zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt. Der Wirkstoff hemmt die Freisetzung des exzitatorischen Neurotransmitters Glutamat durch Blockade spannungsabhängiger Calciumkanäle. Bislang wurde ein vorteilhafter Effekt bei Hunden mit neuropathischen Schmerzen jedoch erst in einer einzigen Studie demonstriert 23, in der die zusätzliche Gabe von Gabapentin (10 mg/kg) zu einer Carprofenbehandlung zu einer Verbesserung der Lebensqualität (beurteilt mittels VAS) im Vergleich zur Baseline und zur Monotherapie mit Carprofen führte. Empfohlen wird eine Dosierung von 10-20 mg/kg Gabapentin PO alle 8 Stunden, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass die mit klinischen Effekten assoziierte Plasmakonzentrationsspanne bislang noch unklar ist. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse beim Menschen sind Benommenheit, Somnolenz, periphere Ödeme, Gewichtszunahme, Asthenie, Kopfschmerzen und eine trockene Mundhöhle.

Pregabalin hat denselben Wirkungsmechanismus wie Gabapentin und wird bei Menschen aufgrund des schnellen Eintritts der analgetischen Wirkung bevorzugt. Darüber hinaus ist Pregabalin potenter als Gabapentin und führt zu weniger unerwünschten Ereignissen. Eine pharmakokinetische Studie bei Hunden zeigt, dass eine Dosierung von 2-4 mg/kg zweimal täglich oral zu Plasmakonzentrationen führt, die die aus humanmedizinischen Studien extrapolierte therapeutische Spanne erreichen 24. In einer Studie wurden Cavalier King Charles Spaniels mit CM/SM erfolgreich mit Pregabalin behandelt 25, und gegenwärtig laufen Untersuchungen zur Evaluierung des analgetischen Effektes dieser Substanz bei CM/SM. Topiramat ist ein Antiepileptikum mit verschiedenen Wirkungsmechanismen, einschließlich einer Hemmung der Carboanhydrase. Dieser Effekt kann zu einer Reduktion der Liquorbildung führen, die wiederum eine Minderung der Größe der Syringen und eine Schmerzlinderung zur Folge haben kann. In einer Studie wurden jedoch keine signifikanten Unterschiede gefunden zwischen Topiramat und der Baseline oder einem Placebo 23, und Besitzer von mit Topiramat behandelten Hunden berichten von vermindertem Appetit, einem unerwünschten Ereignis, das auch bei humanen Patienten festgestellt wird.

Antidepressiva

Amitriptylin gilt als First-Line-Therapeutikum bei Menschen mit neuropathischen Schmerzen. Es handelt sich um einen Serotonin- und Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmer, einen NMDA-Antagonisten und einen spannungsabhängigen Calciumkanalblocker. Zusätzlich verstärkt Amitriptylin die Aktivität von Adenosin- und GABAB-Rezeptoren und hat antiinflammatorische Effekte. Anekdotischen Evidenzen aus einer Fallserie zufolge wurde bei zwei Hunden mit Verdacht auf neuropathische Schmerzen eine Besserung nach Applikation von Amitriptylin beobachtet 26.

Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs)

Prostaglandine modulieren multiple Lokalisationen entlang des nozizeptiven Pathways und verstärken sowohl die Transduktion nozizeptiver Information als auch die Transmission über eine Aktivierung von Glutamat und Substanz P im Rückenmark (zentrale Sensibilisierung). Gegenwärtig gibt es jedoch keine Evidenzen dafür, dass NSAIDs neuropathische Schmerzen lindern. In einer klinischen Crossover-Studie führte eine einwöchige Behandlung mit Carprofen bei Hunden mit CM/SM nicht zu einer Verbesserung der Lebensqualität (beurteilt mittels VAS im Vergleich zur Baseline) 23.

Tramadol

Tramadol ist ein schwacher Opioidagonist, kann aber auch die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin auf der Ebene des Rückenmarks hemmen und so die Behandlung neuropathischer Schmerzen unterstützen. Aus diesem Grund sollte Tramadol nicht mit Antidepressiva kombiniert werden, zur Behandlung neuropathischer Schmerzen bei Hunden werden aber empirische Dosierungen von 1-5 mg/kg PO alle 6-8 Stunden empfohlen. Opioid-artige Nebenwirkungen (Sedation und Nausea) sind zu erwarten.

NMDA–Antagonisten

Ähnlich wie Ketamin hat Amantadin Eigenschaften von N-Methyl D-Aspartat-Antagonisten. Es kann die zentrale Schmerzsensibilisierung umkehren und die Toleranz gegenüber Anästhetika, wie zum Beispiel Opioiden, reduzieren. Amantadin in einer Dosierung von 3-5 mg/kg PO alle 24 Stunden könnte bei Hunden mit neuropathischen Schmerzen wirksam sein, die Dosierungshäufigkeit muss aufgrund der kurzen Halbwertszeit unter Umständen jedoch erhöht werden auf alle 12 Stunden 27. Ein Einzelfallbericht beschreibt die Anwendung von Amantadin zur Behandlung eines Hundes mit neuropathischen Schmerzen 28, es gibt aber keine kontrollierten Studien zur Evaluierung des analgetischen Effekts spezifisch bei neuropathischen Schmerzen.

Die fortschreitenden klinischen Symptome, die Hochgradigkeit der Erkrankung und die hohen Kosten für Diagnose und Behandlung haben in der Kombination substanzielle emotionale und ökonomische Folgen für die Besitzer von Hunden mit CM/SM. Erforderlich sind weitere Studien zur Evaluierung möglicher Analgetika für die Behandlung neuropathischer Schmerzen bei Tieren, da die meisten heute zum Einsatz kommenden Arzneimittel lediglich empirisch verabreicht werden in Dosierungen, die von anderen Spezies extrapoliert sind. Aber auch ein besseres Verständnis der Pathogenese neuropathischer Schmerzen bei CM/SM wird in der Zukunft für die Wahl der besten Behandlung entscheidend sein.

Literatur

  1. Rusbridge C, Carruthers H, Dubé MP, et al. Syringomyelia in Cavalier King Charles Spaniels: the relationship between syrinx dimensions and pain. J Small Anim Pract 2007;48(8):432-436.
  2. Carrera I, Dennis R, Mellor DJ, et al. Use of magnetic resonance imaging for morphometric analysis of the caudal cranial fossa in Cavalier King Charles Spaniels. Am J Vet Res 2009;70(3):340-345.
  3. Shaw TA, McGonnell IM, Driver CJ, et al. Caudal cranial fossa partitioning in Cavalier King Charles Spaniels. Vet Rec 2013;172(13):341.
  4. Driver CJ, Volk HA, Rusbridge C, et al. An update on the pathogenesis of syringomyelia secondary to Chiari-like malformations in dogs. Vet J 2013;551-559.
  5. Schmidt MJ, Volk H, Klingler M, et al. Comparison of closure times for cranial base synchondroses in mesaticephalic, brachycephalic, and Cavalier King Charles Spaniel dogs. Vet Radiol Ultrasound 2013;54(5):497-503.
  6. Cross HR, Cappello R, Rusbridge C. Comparison of cerebral cranium volumes between Cavalier King Charles Spaniels with Chiari-like malformation, small breed dogs and Labradors. J Small Anim Pract 2009;50(8):399-405.
  7. Driver CJ, Rusbridge C, Cross HR, et al. Relationship of brain parenchyma within the caudal cranial fossa and ventricle size to syringomyelia in Cavalier King Charles Spaniels. J Small Anim Pract 2010;51(7):382-386.
  8. Lu D, Lamb CR, Pfeiffer DU, et al. Neurological signs and results of magnetic resonance imaging in 40 Cavalier King Charles Spaniels with Chiari type 1-like malformations. Vet Rec 2003;153(9):260-263.
  9. Cerda-Gonzalez S, Olby NJ, McCullough S, et al. Morphology of the caudal fossa in Cavalier King Charles Spaniels. Vet Radiol Ultrasound 2009;50(1):37-46.
  10. Fenn J, Schmidt MJ, Simpson H, et al. Venous sinus volume in the caudal cranial fossa in Cavalier King Charles Spaniels with syringomyelia. Vet J 2013;197(3):896-897.
  11. Rusbridge C, Greitz D, Iskandar BJ. Syringomyelia: current concepts in pathogenesis, diagnosis, and treatment. J Vet Intern Med 2006;20(3): 469-479.
  12. Driver CJ, Watts V, Bunck AC, et al. Assessment of cerebellar pulsation in dogs with and without Chiari-like malformation and syringomyelia using cardiac-gated cine magnetic resonance imaging. Vet J 2013;198(1):88-91.
  13. Cerda-Gonzalez S, Olby NJ, Broadstone R, et al. Characteristics of cerebrospinal fluid flow in Cavalier King Charles Spaniels analyzed using phase velocity cine magnetic resonance imaging. Vet Radiol Ultrasound 2009;50(5):467-476.
  14. Freeman AC, Platt SR, Kent M, et al. Chiari-like malformation and syringomyelia in American Brussels Griffon dogs. J Vet Intern Med 2014;28(5):1551-1559.
  15. Parker JE, Knowler SP, Rusbridge C, et al. Prevalence of asymptomatic syringomyelia in Cavalier King Charles Spaniels. Vet Rec 2011;168(25):667.
  16. Cerda-Gonzalez S, Olby NJ, Griffith EH. Longitudinal study of the relationship among craniocervical morphology, clinical progression, and syringomyelia in a cohort of Cavalier King Charles Spaniels. J Vet Intern Med 2016;30(4):1090-1098.
  17. Sanchis-Mora S, Pelligand L, Thomas CL, et al. Dogs attending primary-care practice in England with clinical signs suggestive of Chiari-like malformation/ syringomyelia. Vet Rec 2016;179:436.
  18. Knowler SP, van der Berg H, Angus McFadyen A, et al. Inheritance of Chiari-like malformation: Can a mixed breeding reduce the risk of syringomyelia? PLoS One 2016;11(3): p. e0151280.
  19. Lemay P, Knowler SP, Bouasker S, et al. Quantitative trait loci (QTL) study identifies novel genomic regions associated to Chiari-like malformation in Griffon Bruxellois dogs. PLoS One 2014;9(4): p. e89816.
  20. Rusbridge C. Chiari-like malformation with syringomyelia in the Cavalier King Charles Spaniel: long-term outcome after surgical management. Vet Surg 2007;36(5):396-405.
  21. Finnerup, NB, Haroutounian S, Kamerman P, et al. Neuropathic pain: an updated grading system for research and clinical practice. Pain 2016;157(8):1599-1606.
  22. Knazovicky D, Helgeson ES, Case B, et al. Widespread somatosensory sensitivity in naturally occurring canine model of osteoarthritis. Pain 2016;157(6):1325-1332.
  23. Plessas IN, Volk HA, Rusbridge C, et al. Comparison of gabapentin versus topiramate on clinically affected dogs with Chiari-like malformation and syringomyelia. Vet Rec 2015;177(11):288.
  24. Salazar, V, Dewey CW, Schwark W, et al. Pharmacokinetics of single-dose oral pregabalin administration in normal dogs. Vet Anaesth Analg 2009;36(6):574-580.
  25. Plessas IN, Rusbridge C, Driver CJ, et al. Long-term outcome of Cavalier King Charles Spaniel dogs with clinical signs associated with Chiari-like malformation and syringomyelia. Vet Rec 2012;171(20):501.
  26. Cashmore RG, Harcourt-Brown TR, Freeman PM, et al. Clinical diagnosis and treatment of suspected neuropathic pain in three dogs. Aust Vet J 2009;87(1):45-50.
  27. KuKanich B. Outpatient oral analgesics in dogs and cats beyond nonsteroidal antiinflammatory drugs: an evidence-based approach. Vet Clin North Am Small Anim Pract 2013;43(5):1109-1125.
  28. Madden M, Gurney M, Bright S. Amantadine, an N-Methyl-D-Aspartate antagonist, for treatment of chronic neuropathic pain in a dog. Vet Anaesth Analg 2014;41(4):440-441.
Sandra Sanchis Mora

Sandra Sanchis Mora

Dr. Sanchis Mora schloss ihr Studium 2007 an der Universidad Cardenal Herrera CEU in Valencia, Spanien, ab und ist zurzeit Anästhesistin in Vorbereitung ihres Diploms des European College of Veterinary Anesthesia. Mehr lesen

Ludovic Pelligand

Ludovic Pelligand

Dr. Pelligand schloss sein Studium 2001 an der Tierärztlichen Hochschule Maisons-Alfort in Frankreich ab und ist zurzeit Dozent (Senior Lecturer) für klinische Pharmakologie und Anästhesie am Royal Veterinary College in London Mehr lesen