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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 27.1 Verdauungstrakt

Persönliche Empfehlungen… Die Katze mit chronischer Diarrhoe

veröffentlicht 05/09/2019

Geschrieben von Craig B. Webb

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Tierärzte kennen das Problem der rezidivierenden Diarrhoe bei Katzen nur allzu gut. Diese Fälle können sich als sehr frustrierend erweisen, sowohl für den Tierarzt als auch für den Tierhalter. In seinem fallbasierten Artikel gewährt uns Craig Webb einen Einblick in seine Gedanken zur Herangehensweise an betroffene Katzen und stellt die zentralen Punkte für ein erfolgreiches Outcome heraus.

Persönliche Empfehlungen… Die Katze mit chronischer Diarrhoe

Kernaussagen

Bei einer Katze mit chronischer Diarrhoe kann der Tierarzt eine Vielzahl verschiedener diagnostischer Strategien anwenden. Zwei der hilfreichsten Methoden sind das „Clinical Reasoning“ und die „Script Recognition“.


Zunächst geht man den Fall als Kliniker an, und die Auswahl der diagnostischen Tests sollte sich aus einer klinischen Diagnose ergeben.


Wichtige Inkongruenzen und „Key Features“ müssen im Signalement, im Vorbericht und in der klinischen Untersuchung gefunden werden.


Eine genaue, vollständige und umfassende Definition des Problems unterstützt die Diagnose.


Ein positiver prädiktiver Wert ist eine Funktion der Prävalenz der Erkrankung in der zu testenden Population.


Die Ernährung ist eine entscheidende Komponente sowohl bei der Diagnose als auch bei der Behandlung von Katzen mit chronischer Diarrhoe.


Einleitung

Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen der Art und Weise, wie ein klinisches Symptom oder ein Krankheitsprozess in einem Lehrbuch dargestellt ist, und der Art und Weise, wie sich eine Katze mit diesem speziellen klinischen Symptom oder Krankheitsprozess dem praktischen Tierarzt präsentiert. Auch wenn das lehrbuchmäßige Verständnis eines Falles durchaus eine sehr wichtige Bedeutung hat, so ist dies doch weit davon entfernt, den Fall einer Katze zu verstehen, die vor Ihnen auf dem Untersuchungstisch sitzt. Im Folgenden möchte ich beschreiben, was tatsächlich zwischen dieser Katze und mir als Tierarzt passiert, während ich versuche, dieses Verständnis zu erlangen.

Die Herangehensweise

Mein Herangehen an eine Katze mit chronischer Diarrhoe – definiert als kontinuierliche oder intermittierende Diarrhoe (reduzierte Konsistenz, erhöhtes Volumen oder erhöhte Frequenz) mit einer Dauer von mehr als drei Wochen – kann in der Tat aus verschiedenen Richtungen erfolgen. Folgende Optionen können in Erwägung gezogen werden:

• Ich beginne gern zusammen mit der Katze und dem Besitzer. Auf der Grundlage des Vorberichts über die Katze, der klinischen Anamnese und meiner klinischen Untersuchung erstelle ich meine Rangliste der Differenzialdiagnosen für feline chronische Diarrhoe, von der wahrscheinlichsten bis zur unwahrscheinlichsten Ursache. Auf Basis dieser Liste priorisiere ich nun die diagnostischen Tests, die mir am besten geeignet scheinen, um meine Differenzialdiagnose auf Platz 1 der Liste zu bestätigen oder aber zu widerlegen. Ergänzende diagnostische Tests werden eine mögliche Diagnose in meiner Rangliste dann entweder nach oben oder nach unten verschieben, bis ich schließlich die eine Differenzialdiagnose gefunden habe, die sich an der Spitze meiner Liste festsetzt. Dieses Vorgehen bezeichnet man als „Clinical Reasoning“, was wörtlich übersetzt „klinische Argumentation, Schlussfolgerung, Beweisführung“ bedeutet, wobei man durch ein logisches Prozedere von einer Verdachtsdiagnose zur endgültigen Diagnose gelangt.

• Die nächste Herangehensweise ist weniger komplex. Auch hier beginne ich wieder damit, die Katze anzuschauen und dem Besitzer zuzuhören. Dann betrachte ich, wie sich der Fall darstellt, erstelle also das sogenannte „Illness Script“, und gehe dabei ganz einfach nach dem, was mir mein Instinkt sagt. Diese Vorgehensweise bezeichnet man auch als „Script Recognition“, sie basiert in sehr hohem Maße auf dem „Bauchgefühl“.

• Bei der Erhebung des Vorberichts und bei der Durchführung der klinischen Untersuchung achte ich ganz besonders auf Aspekte des Falles, die zunächst keinen Sinn ergeben oder offenbar nicht richtig in den Kontext passen. Diese Inkongruenzen stellen sich später oft als wichtige Hinweise heraus. Zudem lasse ich mir den Fall immer wieder Bild für Bild von Anfang bis Ende durch den Kopf gehen und versuche, die Situation für mich jedes Mal ein wenig vollständiger und genauer zu beschreiben, bis ich schließlich alle noch fehlenden Puzzleteile gefunden habe. Dies sind die Komponenten des sogenannten „Key Features Approach“, bei dem wichtige Informationen von unwichtigeren Hintergrundgeräuschen getrennt werden.

• Trotz meiner guten Argumente für ein determiniertes diagnostisches Work-up und nicht selten auch aufgrund finanzieller Zwänge, kann sich der Besitzer letztlich dafür entscheiden, zunächst mit einer Versuchsbehandlung zu beginnen. In einer solchen Situation verordne ich also die Behandlung X und terminiere eine Nachuntersuchung in zwei Wochen. Dieses Vorgehen wird auch als die „Ready-Fire-Aim-Strategie“ bezeichnet, (also „Fertig-Feuern-Zielen“), die sich leider allzu oft in eine „Ready- Fire-Fire-Fire-Strategie“ verwandelt.

Zahlreiche Variablen können einen Einfluss auf die Art und Weise meines Herangehens an einen Fall haben. Einige auf positive Weise, einige aber durchaus so, dass es zu (einigermaßen vorhersehbaren) Fehlern in der medizinischen Beurteilung kommt. Die oben beschriebenen Methoden sind keineswegs exklusiv zu verstehen, denn in vielen Fällen kann eine dieser Herangehensweisen eine andere ergänzen und vervollständigen. Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, „darüber nachzudenken, wie Sie über Fälle nachdenken“ 1. Am besten kann ich Ihnen dies anhand einiger konkreter Fallbeispiele erläutern.

Fallbeispiel Nr. 1

Ich beginne zunächst mit den Informationen, die im Terminbuch stehen. Diese liefern in der Regel nur einige wenige Details zu einer Katze mit einem bestimmten Signalement und dem Grund für die Terminvereinbarung, nämlich „chronische Diarrhoe“. Ausgehend vom Signalement und dem Grund des Tierarztbesuches, beginne ich also, ein „Illness Script“ oder ein Bild des Falles in meinem Kopf zu erstellen. Wenn mir das Terminbuch beispielsweise sagt, dass mir gleich ein Katzenwelpe mit chronischer Diarrhoe zur Untersuchung vorgestellt wird, ist mein „Illness Script“ mit Sicherheit ein ganz anderes, als wenn ich eine 14 Jahre alte Siamkatze mit chronischer Diarrhoe erwarten würde (Tabelle 1). Wenn ich die Katze dann im Sprechzimmer sitzen habe, eine klinische Untersuchung durchführe und den Vorbericht zusammen mit dem Besitzer erhebe, verwende ich diese Informationen, um weitere Details in mein „Illness Script“ einzutragen, und mein Bild des Falles auf diese Weise weiter zu verdeutlichen. An diesem Punkt meines Vorgehens erstelle ich dann eine Verdachtsdiagnose auf dem Weg der sogenannten „Script Recognition“. 

 

Signalement, Grund der Vorstellung, Vorbericht, klinische Untersuchung
Signalement: Alter, Geschlecht, Rasse
Alter
Katzenwelpe Adult Geriatrisch
Primär GI > Sekundär GI Primär GI & Sekundär GI Primär GI < Sekundär GI

• Diätetisch
• Infektiös

 • Parasiten
 • Viren
 • Protozoen
 • Bakterien
• Stress
• Anatomie – Invagination

•Nahrungsresponsiv
• IBD
• GI LSA
• Infektiös
• Ileus
• CNE
• Pancreatitis
• Neoplasie
• Cholangitis
• Hyperthyreose
• EPI
Intestinale Neoplasie Extraintestinale Neoplasie
Alle in der Spalte „Adult“ aufgelisteten Ätiologien 

Tabelle 1. Erstellung eines „Illness Script” für Katzen mit chronischer Diarrhoe: Das Alter eines Tieres hat einen großen Einfluss auf die Ätiologie.
GI = gastrointestinal; IBD = Inflammatory Bowel Disease; GI LSA = gastrointestinales Lymphosarkom; EPI = Exokrine Pankreasinsuffizienz; CNE = Chronische Nierenerkrankung

 

So einfach wie dies klingt, zeigt es sich, dass mit zunehmender Erfahrung des Tierarztes die „Script Recognition“ eine immer größere Rolle spielt bei seiner Herangehensweise an einen Fall. Der Erfolg dieser Strategie hängt in erster Linie davon ab, wie genau und wie vollständig mein „Illness Script“ ist, und dann natürlich auch ganz entscheidend von meiner Fähigkeit, dieses spezifische „Illness Script“ vor dem Hintergrund meiner Erfahrung und meiner Ausbildung aufzurufen, zu erkennen und zu identifizieren.

Eine „Katze mit chronischer Diarrhoe“ könnte fast alles haben. Bei einer fünf Monate alten, weiblichen, kastrierten Kurzhaarhauskatze (Signalement) mit chronisch intermittierender Dickdarmdiarrhoe (Grund der Vorstellung und Vorbericht), adoptiert aus dem Tierheim und ansonsten gesund (Vorbericht), mit einem Body Condition Score von 5/9 und geringgradiger perianaler Entzündung (klinische Untersuchung), die auf wiederholte Behandlungen mit Metronidazol und Fenbendazol nicht angesprochen hatte (Vorbericht), ist von einem Befall mit Tritrichomonas foetus* auszugehen, zumindest solange, bis dieser ausgeschlossen werden konnte 2 (Abbildung 1). 

Fall 1: Fünf Monate alte weibliche kastrierte Kurhaarhauskatze mit chronisch intermittierender Dickdarmdiarrhoe.
Abbildung 1. Fall 1: Fünf Monate alte weibliche kastrierte Kurhaarhauskatze mit chronisch intermittierender Dickdarmdiarrhoe. © Craig Webb

*Tritrichomonas foetus wird möglicherweise bald umbenannt in T. blagburni, basierend auf molekularen Tests, Wirtsspezifität und Pathologie. Dies geschieht vor allem deshalb, um den felinen T. foetus-Erreger vom bovinen Erreger zu unterscheiden und hat keinen Einfluss auf die Diagnose oder Behandlung der felinen Trichomonose.

In diesem Fall hatte die „Ready-Fire-Aim-Strategie“ im Vorfeld bereits zu mehreren Versuchsbehandlungen mit einem Breitspektrum- Anthelminthikum (Fenbendazol 50 mg/kg alle 24 Std. über 5 Tage) und Metronidazolbenzoat (25 mg/kg alle 24 Std. über 7 Tage) durch den überweisenden Tierarzt geführt. Hierbei handelt es sich um eine Standardbehandlung bei Katzenwelpen vor dem Hintergrund der allgemein hohen Prävalenz von Parasiten in Tierheimpopulationen dieser Altersgruppe. In diesem Fall ist das fehlende Ansprechen auf diese Therapie ein „Key Feature“ des „Illness Scripts“.

Ein anderes „Key Feature“ meines „Illness Scripts“ bei dieser Katze ist es, herauszufinden, ob die Diarrhoe ihren Ursprung überwiegend im Dünndarm oder eher im Dickdarm hat (Tabelle 2). Häufig lautet die Antwort in diesen Fällen, dass es sich um eine „gemischte Diarrhoe“ handelt, und bei den Ursachen beider Formen gibt es signifikante Überlappungen. Die genaue Differenzierung erweist sich in diesem Fall aber als sehr wichtig in Anbetracht der Tatsache, dass der Katzenwelpe offenbar keine gegenüber Standard-Anthelminthika empfindlichen GI-Parasiten aufwies. Es bleiben letztlich also T. foetus und arzneimittelresistente Giardia spp. als meine beiden infektiösen Top-Differenzialdiagnosen, und aufgrund der in Richtung Dickdarmdiarrhoe weisenden Symptome sind Erstere meine favorisierte Option. 

 

Klinisches Symptom Dünndarm Dickdarm
Schleim Nicht vorhanden Häufig
Frisches Blut Nicht vorhanden Häufig
Melaena +/- Nicht vorhanden
Volumen Erhöht Normal, vermindert
Charakter Weich bis wässrig Weich bis geformt
Häufigkeit Normal, leicht erhöht Erhöht
Dyschezie Nicht vorhanden +/-
Tenesmus Nicht vorhanden +/-
Erhöhte Dringlichkeit Nicht vorhanden Häufig
Gewichtsverlust Häufig Selten
Erbrechen +/- Selten
Appetit Variabel Oft normal
Aktivität Oft vermindert Oft normal
Borborygmus +/- Nicht vorhanden
Flatulenz +/- +/-
Tabelle 2. Unterscheidung zwischen Dünndarmdiarrhoe und Dickdarmdiarrhoe bei Katzen.

 

Eine Kotuntersuchung (Abbildung 2) wäre ein naheliegender und wichtiger diagnostischer Schritt in den meisten Fällen von chronischer Diarrhoe bei Katzen, insbesondere in dieser Altersgruppe und bei diesem Vorbericht über Herkunft und Umweltbedingungen der Katze. Eine Beschreibung der diagnostischen Methoden zur Kotuntersuchung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Der Leser sei an dieser Stelle auf zahlreiche hervorragende Ressourcen verwiesen, die praktischen Tierärzten helfen, in diesen Situationen vernünftige diagnostische Wahlen zu treffen** 3

Kotprobe einer Katze mit gemischter Diarrhoe: Wässrig und in geringer Menge, wobei die Katze nicht in der Lage ist, die Katzentoilette zu nutzen.
Abbildung 2. Kotprobe einer Katze mit gemischter Diarrhoe: Wässrig und in geringer Menge, wobei die Katze nicht in der Lage ist, die Katzentoilette zu nutzen. © Craig Webb

**Companion Animal Parasite Council (CAPC)™ www.capcvet.org

Auf die Bedeutung diätetischer Interventionen bei Patienten mit chronischer Diarrhoe werde ich in diesem Artikel noch mehrfach zurückkommen. Zudem möchte ich an dieser Stelle auch auf die Relevanz diätetischer Modifikationen als diagnostisches Werkzeug hinweisen. In Anbetracht der hohen Wahrscheinlichkeit einer ernährungsbedingten Diarrhoe bei Katzenwelpen (Tabelle 1) wäre eine diätetische Versuchsbehandlung (Eliminationsdiät) in diesem Fall sicherlich sehr stark in Betracht zu ziehen. Die diagnostische Anwendung von hypoallergenen Diätnahrungen und Diätnahrungen mit hydrolysierten Proteinen werden wir bei der Besprechung der älteren Altersgruppen diskutieren, bei diesem Katzenwelpen hätte ich jedoch für eine hochverdauliche Diätnahrung optiert 4 oder (weil das Problem eine Dickdarmdiarrhoe war) möglicherweise auch für eine faserreiche GI-Diätnahrung 5, wobei man bei diesen diätetischen Modifikationen stets den Kalorienbedarf eines im Wachstum befindlichen Katzenwelpen im Hinterkopf haben muss. Meine bevorzugte Faserquelle für die unspezifische Behandlung einer Diarrhoe sind Flohsamen (nicht aromatisiertes Pulver, 425 mg pro 1/8 Teelöffel; 0,25-0,5 Teelöffel pro Mahlzeit). Flohsamen (Psyllium) sind eine lösliche Faserquelle, deren Anwendung bei Hunden mit Dickdarmdiarrhoe eine starke Evidenzbasis besitzt 6.

Unter Erweiterung der Definition einer diätetischen Intervention über die Gabe einer spezifischen Nahrung hinaus, würde ich bei diesem Katzenwelpen eine Supplementierung mit einem Probiotikum sehr stark empfehlen. Ob nun als Ursache oder als Folge, ein auch als Dysbiose bezeichnetes Ungleichgewicht des intestinalen Mikrobioms ist wahrscheinlich ein sehr wichtiger beitragender Faktor zu gastrointestinalen Erkrankungen und den damit zusammenhängenden Symptomen, und zwar sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Eine Studie zeigt, dass die Gabe von Probiotika bei Tierheimkatzen die Anzahl der Tage, an denen die Katzen unter Diarrhoe leiden, reduziert 7. Die Behandlung der Wahl bei T. foetus-Diarrhoe ist die Gabe von Ronidazol (30 mg/ kg/Tag über 14 Tage) 8. Eine Kombination von Ronidazol und einem Probiotikum scheint die Wahrscheinlichkeit der ansonsten häufig auftretenden Rezidive reduzieren zu können 9. Auch wenn unsere Fähigkeit zur Beurteilung oder Überwachung des Mikrobioms bislang nur relativ begrenzt ist, hat mindestens ein Labor erst kürzlich einen fäkalen „Dysbiosis Index” Test*** entwickelt. Mit Hilfe dieses Tests kann ich mein „Illness Script“ weiter verfeinern und meine Behandlung bei Patienten mit chronischer Diarrhoe besser überwachen. Generell ist bei der Anwendung von Probiotika jedoch Vorsicht geboten, da mindestens eine Studie zeigt, dass es bei frei verkäuflichen Probiotika-Produkten oft eine große Diskrepanz gibt zwischen dem, was auf dem Etikett angegeben ist und dem, was sich tatsächlich in der Flasche befindet 10. Ich verwende deshalb nur vertrauenswürdige Marken von Unternehmen, die tief in der Veterinärmedizin verwurzelt sind.

*** Gastrointestinal Laboratory, Texas A&M University – Der Dysbiose-Test ist gegenwärtig zwar nur für den Hund validiert, jüngste Evidenzen weisen jedoch darauf hin, dass er auch bei Katzen sinnvoll sein kann.

In diesem Fall kombinierte ich also eine Reihe von unterschiedlichen Herangehensweisen, vermied dadurch zahlreiche potenzielle Fehler bei der Beurteilung und behandelte den Katzenwelpen vor dem Hintergrund eines positiven fäkalen PCR-Tests auf T. foetus mit Ronidazol, einer hochverdaulichen Diätnahrung, Flohsamen und einem Probiotikum – und konnte die chronische Diarrhoe damit stoppen.

Fallbeispiel Nr. 2

Mein nächster Termin ist eine drei Jahre alte weibliche kastrierte Kurzhaarhauskatze (Signalement) mit chronisch-intermittierender Dünndarmdiarrhoe (Grund der Vorstellung und Vorbericht), aus dem Tierheim adoptiert und ansonsten gesund bis auf gelegentliches Erbrechen von Haarballen (Vorbericht), einem Body Condition Score von 4/9 und einer geringgradigen interdigitalen Entzündung (klinische Untersuchung). Die Diarrhoe hatte auf wiederholte Behandlungen mit Metronidazol und Fenbendazol nicht angesprochen (Vorbericht) (Abbildung 3). 

Fall 2: Drei Jahre alte weibliche, kastrierte Kurzhaarhauskatze mit chronischer intermittierender Dünndarmdiarrhoe.
Abbildung 3. Fall 2: Drei Jahre alte weibliche, kastrierte Kurzhaarhauskatze mit chronischer intermittierender Dünndarmdiarrhoe. © Craig Webb

Die Labordiagnostik ergibt einen positiven PCR-Test auf T. foetus. Ich freue mich, dass ich ein positives Ergebnis bei minimalem finanziellem Aufwand erhalte, und da ich gerade erst Fall Nr. 1 erfolgreich mit Ronidazol behandelt habe, verordne ich natürlich auch bei dieser Katze mit chronischer Diarrhoe dasselbe Arzneimittel – hier allerdings ohne Wirkung.

Dieses Beispiel zeigt, wie meine Herangehensweise an einen Fall in ganz erheblichem Maße durch Erfolge oder Misserfolge in vorangegangenen Fällen beeinflusst werden kann. Das ergibt durchaus einen Sinn, denn schließlich sollen wir ja von unseren Erfahrungen lernen. In diesem Beispiel führte der Einfluss meines vergangenen Erfolges jedoch leider zu einer fehlerhaften Fokussierung bei der Erstellung meines „Illness Scripts“. In Fall Nr. 2 handelt es sich nämlich um eine junge adulte Katze, und nicht etwa um einen Katzenwelpen wie in Fall Nr. 1. Diese Katze hatte zudem eine Dünndarmdiarrhoe, und keine Dickdarmdiarrhoe. Und schließlich haben nicht alle Katzen, die aus Tierheimen stammen, tatsächlich Parasiten. Das Erbrechen von Haarballen wurde als Zufallsbefund bewertet. Der Body Condition Score lag bei 4/9. Die geringgradige interdigitale Entzündung wurde ebenfalls als Zufallsbefund gewertet. Und das Nichtansprechen auf die Entwurmungen wurde als unterstützender Befund für einen Befall mit T. foetus interpretiert…, denn schließlich war dies auch das klare Ergebnis der Labordiagnostik.

Dieser Fall zeigt auch das, was ich für eine ganz entscheidende Komponente meines Work-Ups von Fällen in der Veterinärmedizin halte: Den richtigen Einsatz diagnostischer Tests zum richtigen Zeitpunkt. Das Testen auf Infektionserreger bei Katzen mit chronischer Diarrhoe ist hierfür ein hervorragendes Beispiel. Studie um Studie erinnert uns daran, dass die Durchführung eines diagnostischen Tests zum Nachweis eines Erregers nicht bedeutet, dass man dabei auch die tatsächliche Ursache der Diarrhoe findet. Selbst mit den heute verfügbaren fortschrittlichen Technologien wie der PCR-basierten Identifizierung intestinaler Parasiten, ist das gute alte „Clinical Reasoning“, also die klinische Argumentation, Schlussfolgerung und Beweisführung, keineswegs obsolet, sondern nach wie vor eine ganz entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Diagnose und Behandlung 11. Wann setze ich also diagnostische Tests ein, und welche Tests setze ich im Rahmen meiner Strategie bei einer Katze mit chronischer Diarrhoe ein?

Der positive prädiktive Wert ist eine Funktion der Prävalenz der Erkrankung in der Population, die ich teste. Jede individuelle Katze wird Teil einer „Population“ von Patienten, bei der ich entscheide, dieses oder jenes zu testen… oder aber nicht zu testen. Je besser es mir gelingt, diejenigen Patienten zu definieren, die wahrscheinlich Krankheit X haben, desto höher wird die Prävalenz von Krankheit X in meiner „Population“ von Patienten sein. Der Wert des diagnostischen Tests, den ich veranlasse, und meine Fähigkeit, das Ergebnis des Tests sicher zu interpretieren, hängen letztlich also ganz entscheidend von meiner Fähigkeit als praktischer Tierarzt ab, zunächst eine richtige klinische Diagnose zu stellen, bevor ich einen diagnostischen Test in Auftrag gebe. Zusammengefasst heißt das: Meine diagnostischen Testergebnisse sind nur so gut wie ich es bin!

Nun aber zurück zu Fall Nr. 2, in dem die Behandlung mit Ronidazol keine Wirkung zeigte. Frustriert durch mein Therapieversagen wende ich mich der Literatur über chronische Diarrhoe bei Katzen zu, in der Hoffnung, erfolgreichere Strategien für diesen Fall zu finden. Eine Reihe jüngst erschienener Artikel beschreibt die Diagnose chronischer Dünndarmerkrankungen bei adulten Katzen und die intestinalen Histologiebefunde bei Katzen mit Verdacht auf eine chronische Erkrankung des Dünndarms 12 13. Eine Schlüsselkomponente des diagnostischen Work-Ups, der in diesen Studien beschriebenen Fällen, war die abdominale Sonographie, bei der häufig ein verdickter Dünndarm festgestellt wurde. Nachfolgend durchgeführte Vollwandbiopsien zeigten, dass bei etwa der Hälfte der Katzen eine chronische Enteritis vorlag und bei der Mehrzahl der Katzen der anderen Hälfte ein GI-Lymphom. Ein mögliches Szenario für die Katze in meinem aktuellen Fall wäre also, dass ich eine abdominale Ultraschalluntersuchung durchführe, dabei einen verdickten Dünndarm feststelle, mittels Endoskopie intestinale Biopsieproben für die Histopathologie entnehme, eine lymphoplasmazelluläre Enteritis (IBD) diagnostiziere und schließlich eine Behandlung mit Prednisolon einleite.

Bevor ich mich nun aber für diese Strategie entscheide, lasse ich mir zunächst noch einmal, wie oben beschrieben, mein „Illness Script“ durch den Kopf gehen. Ich gehe den Fall in Gedanken wieder und wieder durch, suche nach Inkongruenzen und „Key Features“, die ich zunächst übersehen haben könnte, und frage mich schließlich, „Was wäre, wenn diese Katze lediglich aufgrund einer interdigitalen Entzündung vorgestellt worden wäre?“ Bei einer jungen adulten Katze mit pruriginösen, entzündeten Zehen kommt das „Illness Script“ letztlich zu der Schlussfolgerung, dass es sich um eine Allergie handeln könnte. Wenn ich jetzt noch die in meinem Fall vorhandenen GI-Symptome hinzunehme, führt das „Clinical Reasoning“ und das differenzialdiagnostische Ausschlussverfahren dazu, dass die Diagnose Futtermittelallergie an der Spitze der Rangliste meiner Differenzialdiagnosen landet. Der diagnostische Test der Wahl bei einem Verdacht auf Futtermittelallergie ist aber weder eine abdominale Sonographie, noch eine intestinale Biopsie, sondern vielmehr eine Eliminationsdiät.

Eine Reihe von Artikeln über Katzen mit chronischer Diarrhoe 14 15 beschreibt eine signifikante Anzahl betroffener Katzen (30 %) mit chronischen GI-Symptomen (Diarrhoe oder Erbrechen), Pruritus oder beidem. Die klinischen Symptome konnten in besagten Studien mit Hilfe einer Eliminationsdiät unter Verwendung einer kommerziellen hypoallergenen Dosennahrung mit einer einzigen Proteinquelle zurückgedrängt werden. Die Autoren verwenden hier den Begriff „Food sensitivity“, also „Futtermittelempfindlichkeit“, um die Ursache der chronischen Diarrhoe bei diesen Katzen zu charakterisieren, und schließen damit sowohl die (nicht-allergische) Futtermittelintoleranz als auch die Futtermittelallergie ein. Von klinischer Relevanz ist insbesondere die Tatsache, dass bei den in diesen Studien untersuchten Katzen mit Futtermittelempfindlichkeit bereits nach zweiwöchiger hypoallergener Diät eine Resolution der GI-Symptome festzustellen war. Das diagnostische Work-Up bei diesen Katzen war sehr aufwendig. In der Tat wiesen 50 % der Katzen mit der Diagnose „ Food sensitivity“, also Futtermittelempfindlichkeit, histopathologisch eine gering- bis hochgradige lymphoplasmazelluläre Enteritis auf, das heißt eine Inflammatory Bowel Disease. Paradoxerweise wurden zwar abdominale Röntgenaufnahmen angefertigt, um GI-Obstruktionen und abdominale Zubildungen auszuschließen, eine abdominale Ultraschalluntersuchung war bei diesen Katzen jedoch nicht Teil des diagnostischen Work-Ups.

Vor dem Hintergrund dieser Studien lautet die Botschaft für mich, dass ich bei einer ansonsten gesunden (d. h. keine Evidenz einer sekundären GI-Erkrankung) und stabilen (d. h. kein signifikanter Gewichtsverlust oder Abnahme des Appetits) jungen adulten oder adulten Katze, die mir mit einer chronischen Diarrhoe vorgestellt wird, immer zuerst an eine diätetische Diagnostik denke. Die Besitzer betroffener Katzen bereite ich darauf vor, dass im Rahmen dieser diagnostischen Strategie unter Umständen mehrere aufeinanderfolgende, jeweils zweiwöchige Versuchsdiäten notwendig sein können. Ich beginne zunächst mit einer Prescription-Diätnahrung mit einem neuen, das heißt bei dieser Katze noch nie gefütterten Protein oder mit einer Prescription-Diätnahrung mit hydrolysierten Proteinen (Futtermittelallergie), da zwischen diesen beiden Formen kein signifikanter klinischer Unterschied zu bestehen scheint 16. Führt dies nicht zum Erfolg, ziehe ich eine leicht verdauliche Diätnahrung in Betracht (evidenzbasiert) oder eine faserreiche gastrointestinale Diätnahrung (bei Dickdarmdiarrhoe) 17 18. Schließlich setze ich möglicherweise eine individuell auf den Patienten zugeschnittene Eliminationsdiät ein, in der Hoffnung, auf diese Weise den einen auslösenden Nahrungsbestandteil zu finden.

Fallbeispiel Nr. 3 

 

Alter Ätiologie*
Jung Infektiös
Jung adult Nahrung
Adult Entzündung
Älter adult Neoplasie

Tabelle 3. Häufige Ätiologien nach Alter.
* Die gepunkteten Linien zwischen den Entitäten weisen auf Überlappungen zwischen den Ätiologien hin.

Wenn mir eine adulte oder ältere Katze mit chronischer Diarrhoe vorgestellt wird (Tabelle 3) oder eine junge bzw. junge adulte Katze, bei der die chronische Diarrhoe ein lokales Symptom eines systemischen und schwerwiegenderen Problems zu sein scheint, wähle ich eine aggressivere Strategie, sowohl den zeitlichen Rahmen betreffend als auch bezüglich der Art meiner diagnostischen Maßnahmen. Zwar können eine Futtermittelempfindlichkeit und infektiöse Ursachen einer chronischen Diarrhoe durchaus systemische Symptome hervorrufen, bei einer Katze mit hochgradiger systemischer Erkrankung stehen diese Ursachen aber dennoch sehr viel weiter unten in der Rangliste meiner Differenzialdiagnosen. Fallbeispiel Nr. 3 beschreibt eine 12 Jahre alte männliche kastrierte Perserkatze mit chronischer Dünndarmdiarrhoe, einschließlich eines signifikanten Gewichtsverlusts und einer schlechten Körperkondition (Abbildung 4). In einem solchen Fall ist die „Ready-Fire-Fire-Fire- Strategie“ mit prophylaktischer Entwurmung, Diätversuchen, diätetischen Supplementen oder empirischen Antibiotika auf gut Glück nicht mehr angebracht. Da sekundäre GI-Ursachen einer Diarrhoe bei Katzen mit zunehmendem Alter mit höherer Inzidenz auftreten (z. B. im Zusammenhang mit Erkrankungen der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder der Schilddrüse), versuche ich zunächst, diejenigen Erkrankungen auszuschließen, die eine aufwendige weiterführende Diagnostik rechtfertigen würden. Wenn ich meinen Job als Kliniker getan habe, bleibt am Ende wahrscheinlich nur noch die Notwendigkeit, zwischen einer IBD und einem GI-Lymphom zu unterscheiden. Ich beginne wieder mit einem „Illness Script“ und der „Script Recognition“: Sieht diese Katze so aus, als habe sie eine Tumorerkrankung (Kachexie, Muskelschwund, verdickter Darm) und verhält sie sich so, wie man es von einer tumorkranken Katze erwarten würde (lethargisch, hyporektisch)? 

Fall 3: Zwölf Jahre alter kastrierter Perserkater mit chronischer Dünndarmdiarrhoe, einschließlich signifikantem Gewichtsverlust und schlechter Körperkondition.
Abbildung 4. Fall 3: Zwölf Jahre alter kastrierter Perserkater mit chronischer Dünndarmdiarrhoe, einschließlich signifikantem Gewichtsverlust und schlechter Körperkondition. © Craig Webb

Dann kommt das „Clinical Reasoning“ mit besonderem Augenmerk auf Inkongruenzen und „Key Features“: Ergibt es einen Sinn, dass klinische Symptome eines GI-Lymphoms bereits erstmals vor zwei Jahren aufgefallen sind? Ergibt es einen Sinn, dass eine IBD zu einem Gewichtsverlust von 35 % innerhalb von nur zwei Monaten geführt haben soll? Ergibt es einen Sinn, dass die Katze trotz Polyphagie kachektisch ist? Könnte diese Katze mehr als ein signifikantes Problem haben, wie zum Beispiel in Fällen einer felinen Triaditis (Krankheitskomplex aus Cholangiohepatitis, IBD und Pancreatitis)?

Ich messe TT4 zur Überprüfung der Schilddrüsenfunktion und erstelle ein Profil mit Folsäure, Cobalamin, fTLI und fPLI beim gefasteten Tier. Niedrige Folsäure- und Cobalaminkonzentrationen sprechen für eine Erkrankung des proximalen bzw. distalen Dünndarms. Eine Disparität zwischen diesen beiden Konzentrationen, also ein hoher Folsäurespiegel und ein niedriger Cobalaminspiegel, spricht für eine gewisse Dysbiose. Eine Erhöhung des fPLI-Wertes spricht für eine Pancreatitis, obgleich ich in einem solchen Verdachtsfall immer auch sehr genau auf zusätzliche klinische Symptome wie Dysrexie und Lethargie achten würde oder auf Erhöhungen der Blutglucose und des Gesamtbilirubins. Exokrine Pankreasinsuffizienz kommt bei Katzen nur selten vor, kann aber eine chronische Dünndarmdiarrhoe hervorrufen mit Gewichtsverlust, in der Regel bei gut erhaltenem Appetit 19. Für mich ist Cobalamin in der Regel der informativste Wert des GI-Profils 20. Niedrige Cobalaminwerte gehen mit einer signifikanten Erkrankung des Dünndarms einher, und sehr niedrige Werte können für ein GI-Lymphom sprechen 21. Zudem kann Cobalamin einfach supplementiert werden (Tabelle 4). 

 
Arzneimittel Mechanismus Indikation Dosierung Nebenwirkungen
 Prednisolon  Immunsuppression  Fehlendes Ansprechen auf Ernährungsumstellung/antibiotische Therapie oder histopathologisch bestätigte IBD 2-4 mg/kg/Tag über 2-3 Wochen, dann ausschleichen um 25-50 % alle 2 bis 4 Wochen bis die niedrigste Dosierung erreicht ist, mit der Symptome unter Kontrolle gehalten werden
PU/PD, Polyphagie, Kardiomyopathie, Infektionen
Methylprednisolon Immunsuppression
Alternative für Patienten, die sich einer oralen Medikation widersetzen
10 mg/kg SC alle 2-4 Wochen, Reduzierung alle 4-8 Wochen
Wie oben, Diabetes mellitus 
Chlorambucil Alkylierung von Nukleinsäuren
ScLSA oder therapieresistente IBD
Katzen > 4 kg: 2 mg PO alle 48 Std.
Katzen < 4 kg: 2 mg PO alle 72 Std.
Knochenmarkssuppression, Neurotoxizität
Ciclosporina Hemmung der T-Zellfunktion
Hochgradige oder therapieresistente IBD
5 mg/kg PO alle 12-24 Std.
Erbrechen, Diarrhoe, Hepatopathie
Azathioprin Beeinflussung der DNASynthese
Hochgradige oder therapieresistente IBD
0,3 mg/kg PO alle 48 Std.
Hochgradige Knochenmarkssuppression
Metronidazol Wirkung gegen anaerobe Erreger, mögliche immunmodulatorische Eigenschaften
Hochgradige oder therapieresistente IBD
10-15 mg/kg/Tag PO einmal täglich (25 mg/kg/Tag bei Verwendung von Metronidazolbenzoat)
Neurotoxizität bei Langzeitanwendung
Cobalamin (B12) Co-Faktor der Methylierung
Cobalaminspiegel < 300 ng/l

250 mg SC/Katze einmal wöchentlich über 6 Wochen, dann eine Dosis nach 30 Tagen und erneute Messung nach 30 Tagen; weitere monatliche Injektion, wenn der Spiegel innerhalb des Referenzbereiches liegt

Nicht beschrieben 

Tabelle 4. Häufig eingesetzte Arzneimittel zur Behandlung der Inflammatory Bowel Disease bei Katzen.

In diesen schwerwiegenderen Fällen kann die abdominale Sonographie Befunde ergeben, die für eine Dünndarmerkrankung sprechen, obgleich dabei zu beachten ist, dass ein sonographisch verdickter Darm oder vergrößerte abdominale Lymphknoten auch unspezifische Symptome sein können (Abbildung 5). Der Charakter und die anatomische Verteilung verdickter Darmwände können einen Einfluss auf meine Empfehlung pro endoskopische oder pro chirurgische Biopsie haben. Eine einzelne fokale Verdickung könnte zudem meinen Verdacht in Richtung eines intestinalen Adenokarzinoms verstärken. Eine Ultraschalluntersuchung kann darüber hinaus auch sehr hilfreich sein für die Abklärung möglicher extraintestinaler Erkrankungen, wie zum Beispiel einer Pancreatitis (Abbildung 6). Wie alle anderen diagnostischen Tests ist die Sonographie jedoch am effizientesten und am aussagekräftigsten, wenn sie im Anschluss an eine sorgfältige klinische Beurteilung des Patienten erfolgt – mit einer Ultraschalluntersuchung sollte man nie „im Trüben fischen“.

Die Frage, ob Biopsieproben am besten auf endoskopischem Weg gewonnen werden (Partial-Thickness-Biopsie, begrenzter Zugang) wie in (Abbildung 7) oder mittels Laparotomie (Full-Thickness-Biopsie, unbegrenzter Zugang) wird in einigen kürzlich erschienenen Veröffentlichungen zu einem großen Teil aus historischer Sicht diskutiert und ist letztlich nicht leicht zu beantworten. Unabhängig davon auf welchem Weg ich Gewebe gewinne, stelle ich zunächst mit meinem diagnostischen Labor sicher, die Proben so zu präparieren, dass ich den maximalen Nutzen aus den verfügbaren diagnostischen Tests (z. B. spezielle Medien) ziehen kann. Ich bitte den Pathologen, die histopathologischen Ergebnisse gemäß den WSAVA-Richtlinien zu interpretieren und Angaben zu machen über den Zelltyp, den Grad der Veränderungen und die Veränderungen der Gewebe-und Zellarchitektur. In vollem Umfang nutze ich auch fortschrittliche diagnostische Techniken wie die Immunhistochemie, die Durchflusszytometrie und die PCR, um die genaue Bestimmung des Zellphänoytps zu unterstützen und nach Klonalitäten zu suchen 22

Abdominale Sonographie: Sagittalebene des Dünndarms einer Katze mit deutlich verdickter Darmwand.
Abbildung 5. Abdominale Sonographie: Sagittalebene des Dünndarms einer Katze mit deutlich verdickter Darmwand. © Dr. Angela Marolf, CSU
Abdominale Sonographie: Vergrößerte, hypoechogene Bauchspeicheldrüse einer Katze mit hyperechogener mesenterialer Umgebung. Dieser Befund spricht für Pancreatitis.
Abbildung 6. Abdominale Sonographie: Vergrößerte, hypoechogene Bauchspeicheldrüse einer Katze mit hyperechogener mesenterialer Umgebung. Dieser Befund spricht für Pancreatitis. © Dr. Angela Marolf, CSU
Endoskopische Sicht in das Duodenum einer Katze. Die histopathologische Untersuchung ergab eine mittelgradige lymphoplasmazelluläre Inflammatory Bowel Disease. Inflammatory Bowel Disease.
Abbildung 7. Endoskopische Sicht in das Duodenum einer Katze. Die histopathologische Untersuchung ergab eine mittelgradige lymphoplasmazelluläre Inflammatory Bowel Disease. Inflammatory Bowel Disease. © Dr. Sara Wennogle, CSU

Wenn die histopathologischen Ergebnisse und die Resultate molekularer Assays mit meiner „Script Recognition“ und meinem „Clinical Reasoning“ übereinstimmen, schreite ich zur Behandlung. Finde ich keine Übereinstimmung, lasse ich den Film des Falles erneut mehrfach in meinem Kopf ablaufen und versuche, eine Erklärung für die festgestellte Inkongruenz zu finden.

Meine bevorzugte Behandlung, sowohl für die feline IBD als auch für das feline intestinale Lymphom, entspricht weitgehend der im Artikel „Chronische Enteropathie bei Katzen“ beschriebenen Therapie. Dabei behalte ich gern die Übersicht über die Anzahl der Arzneimittel, die ich den Besitzer bitte, seiner Katze zu verabreichen, um eine Polypharmakotherapie (Übermedikation) nach Möglichkeit zu vermeiden.

Zusammenfassend nähere ich mich einer Katze mit chronischer Diarrhoe in erster Linie als Kliniker. Das habe ich gelernt und dafür bezahlt mich der Patientenbesitzer. Zum Glück ist diese Herangehensweise für mich auch der beste Weg, um zu einer korrekten Diagnose und damit zu einer wirksamen Behandlung zu gelangen.

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Craig B. Webb

Craig B. Webb

Craig Webb ist zurzeit Professor für Kleintiermedizin und Interims-Klinikdirektor an der CSU. Nach Abschluss seines Tiermedizinstudiums an der University of Mehr lesen

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