Paroxysmale Gluten-sensitive Dyskinesie beim Border Terrier
veröffentlicht 12/12/2019
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English
Bestimmte Hunderassen neigen bekanntermaßen zu bestimmten Erkrankungen, und viele dieser Erkrankungen sind in der veterinärmedizinischen Gemeinde gut bekannt. Mark Lowrie beschreibt eine jüngst bei Border Terriern beschriebene seltene Erkrankung unbekannter Ätiologie, die jedoch auf eine glutenfreie Ernährung anzusprechen scheint.
Kernaussagen
Die Paroxysmale Gluten-sensitive Dyskinesie (PGSD) ist eine Form der paroxysmalen Dyskinesie.
Paroxysmale Dyskinesien sind umschriebene Anfälle mit gestörten Bewegungen ohne Bewusstseinsverlust.
Border Terrier mit PGSD sprechen gut auf eine strikt Gluten-freie Diät an.
Ein serologischer Test auf Transglutaminase-2- und Gliadin- Antikörper kann die Diagnose unterstützen.
Paroxysmale Dyskinesien sind in der Regel selbstlimitierend und von gutartigem Verlauf.
Einleitung
Das Canine Epileptoid Cramping Syndrome (CECS) ist Züchtern und Haltern von Border Terriern bereits seit der Jahrhundertwende bekannt. Die Erkrankung wird gelegentlich auch als „Spike’s Disease“ bezeichnet nach einem der ersten Hunde, bei dem diese Erkrankung festgestellt worden war (Abbildung 1). In der Tat handelt es sich bei dem Terminus CECS jedoch um eine fehlerhafte Bezeichnung, da das Wort „epileptoid“ eine epileptische Erkrankung impliziert. Jüngste Arbeiten zeigen jedoch, dass es sich bei diesem Syndrom um die Manifestation einer Gruppe von bis dahin unbekannten, aber relativ häufigen Erkrankungen handelt, die als paroxysmale Dyskinesien oder Bewegungsstörungen bezeichnet werden. Für diese spezifische Erkrankung des Border Terriers sollte heute der erst vor kurzem geprägte Begriff Paroxysmale Gluten-sensitive Dyskinesie (PGSD) verwendet werden, da er die Erkrankung und ihre Pathophysiologie sehr viel genauer beschreibt.
Was ist das?
Der Begriff Dyskinesie stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „Schlechte Bewegung“, während das Adjektiv „paroxysmal“ die intermittierende Natur des Problems beschreibt. Paroxysmale Dyskinesien oder Bewegungsstörungen sind eine Gruppe von Erkrankungen, die durch Episoden abnormer Bewegungen bei Hunden und Katzen gekennzeichnet sind. Diese Ereignisse sind selbstlimitierend, und zwischen den Episoden haben die betroffenen Tiere lang anhaltende normale Perioden ohne Anfälle.
Paroxysmale Dyskinesien können bei Hunden jeder Rasse auftreten. Werden Symptome einer paroxysmalen Dyskinesie festgestellt, erfolgt zunächst eine Klassifizierung nach auslösender Ursache (Abbildung 2). Die große Mehrzahl der bei Hunderassen beschriebenen paroxysmalen Dyskinesien wird als paroxysmale nicht-kinesiogene Dyskinesien bezeichnet. Eine Ausnahme bildet eine paroxysmale kinesiogene Dyskinesie beim Deutsch Kurzhaar, ausgelöst durch plötzliche Bewegungen 1 12. PGSD ist eine sehr spezifische Form der paroxysmalen Dyskinesie, bei der es sich um eine Manifestation der Glutenunverträglichkeit beim Border Terrier zu handeln scheint. Bei anderen Hunderassen wurde PGSD bislang nicht festgestellt. Zeigen Hunde anderer Rassen ähnliche Symptome, sollte man deshalb von einer Gluten-unabhängigen paroxysmalen Dyskinesie ausgehen. Dyskinesien können zwar grundsätzlich bei jeder Rasse auftreten, es gibt jedoch einige bekannte rassespezifische Dyskinesien, z. B. das Episodic Falling Syndrome beim Cavalier King Charles Spaniel und die paroxysmale Dyskinesie des Soft Coated Wheaten Terriers 1. Diese beiden Beispiele werden hier lediglich deshalb genannt, weil eine ursächliche genetische Mutation nachgewiesen ist, die bei diesen beiden Rassen für die endgültige Diagnose dieser Erkrankungen herangezogen werden kann.
Wie sieht eine Dyskinesie aus?
Während einer Dyskinesie-Episode bleibt die Aufmerksamkeit des betroffenen Hundes vollständig erhalten. Dies ist ein diagnostischer Schlüsselfaktor, da jeglicher Verlust des Bewusstseins oder der Aufmerksamkeit während einer Episode zum differenzialdiagnostischen Ausschluss dieser Erkrankung führen würde. Während des Ereignisses zeigen betroffene Hunde unwillkürliche Bewegungen einer oder mehrerer Gliedmaßen. Diese abnormen Bewegungen können gelegentlich von kurzer Dauer und relativ geringgradiger Ausprägung sein, wobei der Hund lediglich eine leichte Unsicherheit oder Inkoordination einer einzelnen Gliedmaße erkennen lässt. Möglich sind aber auch sehr hochgradige Episoden, die bis hin zu einem Kollaps führen und den gesamten Körper erfassen können, dies aber wie oben erwähnt immer bei vollständig ungetrübtem Bewusstsein und vollständig erhaltener Aufmerksamkeit. Diese schweren Anfälle können für Hund und Besitzer jedoch sehr belastend sein. Während solcher extremen Episoden kann es zu sehr hochgradigen Muskelkontraktionen kommen. Einige geringgradige Episoden können von relativ kurzer Dauer sein, hochgradige Episoden können dagegen mehr als eine Stunde anhalten. Sobald eine Episode vorüber ist, erfolgt eine unmittelbare Erholung, das heißt, der betroffene Hund kommt sofort wieder auf die Beine und erscheint dann nahezu sofort wieder vollkommen normal. Dies unterscheidet die Dyskinesie von einem länger anhaltenden epileptischen Anfall, bei dem im Anschluss an die Anfallsaktivität zunächst eine mehr oder weniger lange Phase der Desorientierung zu beobachten ist. Im Unterschied zur Epilepsie gibt es vor einer Dyskinesie-Episode also keine „Aura“, und nach einer dyskinetischen Episode werden keine postiktalen Symptome beobachtet. Zwischen einzelnen dyskinetischen Episoden sind die betroffenen Hunde vollständig normal und zeigen keinerlei Probleme, bis die nächste Episode auftritt. Häufigkeit, Grad und Dauer der dyskinetischen Episoden können sich dramatisch unterscheiden, und zwar sowohl zwischen verschiedenen betroffenen Hunden als auch bei ein und demselben Individuum. Wichtig ist, dass paroxysmale Dyskinesien weder als lebensbedrohend gelten noch die Lebenserwartung beeinflussen, das heißt, betroffene Hunde haben oft ein langes Leben bis zum Ende ihrer antizipierten Lebenserwartung. Ein Video mit einem typischen Beispiel einer PGSD ist online zu finden.*
* www.youtube.com/watch?v=hkqrFinzqxE&t=21s.
Die PGSD zeigt sämtliche der oben genannten Merkmale, ist aber verglichen mit anderen paroxysmalen Dyskinesien dennoch einzigartig, da bis zu 50 % der betroffenen Border Terrier begleitend auch Symptome zeigen können, die den Verdacht einer gastrointestinalen (GI) Erkrankung nahelegen, entweder zwischen oder während den Episoden. Potenzielle GI-Symptome sind Erbrechen, Diarrhoe und/oder Borborygmus. Zudem können unspezifische Episoden vorkommen, während denen ein Hund leer in den Raum starrt, aber dennoch ansprechbar bleibt (Abbildung 3), seine Lippen leckt und bei aufgekrümmtem Rücken und angespannter Bauchmuskulatur Schmerzen zu haben scheint 2. Bei der letztgenannten Symptomatik könnte es sich um die klinische Manifestation eines ösophagealen Refluxes („Sodbrennen“) handeln, der wie beim Menschen erhebliche Beschwerden hervorrufen kann. Weitere gelegentlich bei Border Terriern mit PGSD beschriebene Symptome sind eher typisch für eine Atopie, wie zum Beispiel häufiger Juckreiz der Haut und der Ohren (Abbildung 4) oder häufiges Belecken oder Bekauen an den Pfoten. Es sind insbesondere diese vielfältigen Merkmale, die die PGSD so einzigartig machen im Vergleich zu anderen Formen paroxysmaler Dyskinesien.
Wann treten die ersten Symptome auf?
Border Terrier zeigen PGSD-Symptome in der Regel erstmals als junge Tiere und durchleben ihre erste Episode häufig im Alter von etwa zwei Jahren. Bei einigen Hunden können die Episoden durch Erregung, eine plötzliche explosionsartige Energieleistung oder Dinge, die die Tiere aufschrecken, ausgelöst werden, während andere betroffene Hunde entsprechende Episoden ohne erkennbaren Trigger entwickeln.
Was kann eine PGSD imitieren?
Bei Border Terriern, die aufgrund von paroxysmalen Episoden vorgestellt werden, muss zunächst charakterisiert werden, welche zugrundeliegende Erkrankung durch die vorliegenden Episoden am wahrscheinlichsten widergespiegelt wird. Am häufigsten verwechseln Tierärzte und Besitzer eine PGSD mit epileptischen Anfällen. Es gibt jedoch einige typische Merkmale, mit deren Hilfe die korrekte Diagnose einer paroxysmalen Dyskinesie gestellt werden kann 1 (Tabelle 1).
Aufmerksamkeit |
Über die gesamte dyskinetische Episode sollte der Hund seine normale Aufmerksamkeit beibehalten, z. B. in die Richtung schauen, aus der man seinen Namen ruft. Jeder Verlust von Aufmerksamkeit würde die Diagnose einer paroxysmalen Dyskinesie ausschließen. |
Autonome Symptome |
Einer der hilfreichsten Hinweise für die Unterscheidung zwischen paroxysmalen Dyskinesien und epileptischen Anfällen ist das Fehlen autonomer Symptome. Die Mehrzahl der epileptischen Anfälle wird von autonomen Symptomen begleitet, meist Salivation bzw. Schaumbildung an der Maulhöhle und/oder Harnabsatz. |
Dauer und Erholung |
Paroxysmale Dyskinesien können über Stunden anhalten, im Anschluss kommt es aber im Unterschied zu längeren epileptischen Anfällen zu einer schnellen Erholung. Epileptische Anfälle sind in der Regel geprägt von einer kurzen iktalen Phase (meist weniger als eine Minute) und abnormem Verhalten nach dem Ereignis (postiktale Phase). Wenn Anfälle länger anhalten (d. h. im Status epilepticus oder bei Clusteranfällen), würde man eine relativ lange Periode (Stunden) abnormen Verhaltens in der Erholungsphase erwarten (mit Erblindung, Umherlaufen, Desorientierung und Ataxie). Eine langsame Erholung nach Ende einer Anfallsepisode würde die Diagnose einer paroxysmalen Dyskinesie also weniger wahrscheinlich machen. |
Muskeltonus |
Weitere Erkrankungen, die eine paroxysmale Dyskinesie imitieren können, sind Synkopen und Kataplexie/Narkolepsie (d. h. plötzlicher Verlust des Muskeltonus bei normalem Bewusstsein). Beide Erkrankungen können anhand der klinischen Manifestation eines plötzlichen akuten Verlustes des Muskeltonus von paroxysmalen Dyskinesien unterschieden werden. Hunde mit paroxysmaler Dyskinesie sollten dagegen einen normalen oder erhöhten Muskeltonus aufweisen. |
Bewegung |
Bei einer paroxysmalen Dyskinesie sollte, wie der Name impliziert, die eine oder andere Form abnormer Bewegungen einer oder mehrerer Gliedmaßen zu beobachten sein. Paroxysmale Episoden mit fokalem oder den gesamten Körper erfassendem Zittern oder Zuckungen können fälschlicherweise für paroxysmale Dyskinesien gehalten werden. Zeigt ein Hund während einer Episode keine deutlich erkennbare Bewegung, kann PGDS ausgeschlossen werden. Beispiele für tendenziell episodisch auftretende Ereignisse ohne Bewegung sind das Idiopathic Benign Head Bobbing, bei dem die betroffenen Hunde längere Episoden mit Kopftremor zeigen, entweder in der horizontalen Ebene oder vertikal. Myokimie bezeichnet ein episodisches, fokales oder generalisiertes kontinuierliches Muskelzucken, das sich wellenförmig ausbreitet und wie unter der Haut kriechende Würmer erscheinen kann. Myoklonien sind plötzliche, kurze Muskelzuckungen (erscheinen wie ein elektrischer Schlag), die als einzelnes oder unregelmäßig rezidivierendes Ereignis auftreten. |
Stereotypie |
Epileptische Anfälle sind bezüglich ihres Erscheinungsbildes und ihrer Dauer tendenziell eher einheitlich. Dies unterscheidet sie von paroxysmalen Dyskinesien, deren Episoden sich bezüglich der zu beobachtenden Bewegungen, der Häufigkeit und der Dauer dramatisch voneinander unterscheiden können. |
Trigger |
Epileptische Anfälle treten meist in Phasen der Ruhe auf oder wenn der Hund schläft. Dagegen werden paroxysmale Dyskinesien häufig durch Erregung oder eine Schreckreaktion (z. B. die Türglocke läutet) ausgelöst oder durch plötzliche körperliche Anstrengung, z. B., wenn der Hund plötzlich aufsteht, nachdem er eine Weile gelegen hat. |
Ansprechen auf Antiepileptika |
Ein vollständiges Nicht-Ansprechen auf Anitepileptika kommt bei Hunden mit epileptischen Anfällen selten vor, wird aber relativ häufig bei Hunden mit paroxysmaler Dyskinesie beobachtet. Bei einem Hund mit Verdacht auf epileptische Anfälle, die auf eine geeignete antiepileptische Behandlung nicht ansprechen, sollten daher andere paroxysmale Erkrankungen in Betracht gezogen werden, die eine alternative therapeutische Strategie erfordern. |
Was passiert bei PGSD?
Wie bei den meisten paroxysmalen Dyskinesien geht man davon aus, dass die PGSD das Ergebnis einer Dysfunktion in der Region der Basalganglien unter der Großhirnrinde ist. Ungeachtet dessen müssen wir aber noch sehr viel darüber lernen, wie und warum paroxysmale Dyskinesien im Allgemeinen und die PGSD beim Border Terrier im Speziellen auftreten.
Vermutet wird, dass die Mehrzahl der paroxysmalen Dyskinesien einen genetischen Hintergrund hat. Bestätigt wurde dies unter anderem durch Studien an Cavalier King Charles Spaniels (sogenanntes Hypertonizitätssyndrom [3, 4]) und Soft Coated Wheaten Terriern 5, bei denen jeweils eine genetische Mutation gefunden wurde (BCAN bzw. PIGN), die bei diesen Rassen auch für diagnostische Tests auf diese Erkrankungen herangezogen werden kann. Weitere betroffene Rassen sind Jack Russell Terrier, Labrador Retriever, Chinook, Scottish Terrier und Norwich Terrier. Dies spricht für einen familiären Zusammenhang.)
Was verursacht PGSD?
Bereits nach den ersten Berichten über PGSD erkannten Besitzer und Züchter, dass betroffene Border Terrier auf spezifische Diäten ansprachen. Eine jüngste Studie mit einem Besitzerfragebogen fand heraus, dass etwa 50 % der befragten Hundehalter Border Terrier besaßen, deren Zustand sich bei Fütterung einer hypoallergenen oder Gluten-freien Diätnahrung verbessert 6. Eine sorgfältige Analyse einiger dieser Diätnahrungen führte zu der Schlussfolgerung, dass alle Hunde, die ansprachen, tatsächlich auf einer Gluten-freien Diät waren.
Studien in der Humanmedizin zeigen, dass Glutensensitivität eine häufige Ursache zahlreicher Erkrankungen ist 7. Eine der am besten bekannten Gluten-assoziierten Erkrankungen bei Menschen ist die Zöliakie, bei der das Immunsystem irrtümlicherweise Antikörper gegen Gluten bildet, die dann die den Intestinaltrakt auskleidenden Zotten zerstören und so letztlich zu Malnutrition führen. Bluttests zum Nachweis dieser Antikörper wurden entwickelt, um die Diagnose dieser Erkrankung zu unterstützen. Mit Hilfe dieser Tests kann die Erkrankung auch bei zahlreichen Menschen nachgewiesen werden, die nur geringgradige Symptome haben und sich ihrer Erkrankung oft gar nicht bewusst sind. Die Spezifität der Tests ist zwar hervorragend, ihre Sensitivität aber niedrig, sodass in der Regel eine Kombination verschiedener Tests durchgeführt wird, um Letztere zu maximieren.
Gluten wird heute auch bei vielen Menschen ohne entsprechende Immunreaktion als Ursache von Blähungen, GI-Schmerzen, Kopfschmerzen und Lethargie verantwortlich gemacht. Dieses Syndrom bezeichnet man als Non-Celiac Gluten Sensitivity (NCGS) oder Nicht-Zöliakie Glutensensitivität. Die tatsächliche Prävalenz ist zwar umstritten, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bis zu einem Fünftel aller Menschen betroffen ist 8. Nachgewiesen ist darüber hinaus auch eine seltene, als Gluten-Ataxie bezeichnete neurologische Erkrankung. Hierbei beeinträchtigen Antikörper gegen Gluten die Kleinhirnfunktion und führen zu einem abnormen Gang und eingeschränkten motorischen Fähigkeiten, die einen Verlust der Koordination und in einigen Fällen eine fortschreitende Behinderung zur Folge haben 9. In den meisten Fällen liegen keine Symptome einer GI-Erkrankung vor, bei einem kleinen Anteil betroffener Menschen können jedoch Diarrhoe und Magenkrämpfe auftreten.
Die Forschung über PGSD beim Border Terrier steckt noch in den Kinderschuhen. Eine kleine Studie untersuchte sechs Border Terrier mit Verdacht auf PGSD. Die Antikörperlevel gegen Gluten (Anti-Gliadin-IgG-Antikörper und Transglutaminase-2-IgA-Antikörper) wurden mittels ELISA gemessen, bevor die Hunde auf eine Gluten-freie Diät gesetzt wurden, und anschließend nach drei, sechs und neun Monaten unter der Diät erneut bestimmt. Im Vergleich zu gesunden Border Terriern hatten die betroffenen Tiere vor Beginn der Gluten-freien Diät viel höhere Konzentrationen von Gluten-Antikörpern. Nach Einleitung der Diät sanken die Antikörperkonzentrationen jedoch und hatten neun Monate später Normalwerte erreicht. Darüber hinaus zeigten diese Hunde keine paroxysmalen Dyskinesie-Episoden mehr. Lediglich ein Hund in der Studie hatte Pferdemist (reich an Gluten) aufgenommen und zeigte weiterhin Episoden, bis die Besitzer darauf aufmerksam wurden und die weitere Aufnahme unterbanden. Zwei andere Hunde sprachen gut an, erhielten nach Ende der Studie jedoch versehentlich glutenhaltige Snacks, die rezidivierende Episoden verursachten. Nach Rückkehr zu einer strikt Glutenfreien Diät kam es bei diesen Hunden jedoch erneut zur Remission 10.
Wie diagnostiziere ich PGSD?
Videoaufnahmen sind ein integraler Bestandteil der Diagnose durch den Tierarzt. Das Sprechzimmer ist nämlich nur selten der geeignete Ort für die Diagnose solcher offensichtlich intermittierender Episoden, da die Hunde zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Praxis in aller Regel völlig normal erscheinen. Es ist daher immer ratsam, den Halter zu bitten, Videos von Anfallsepisoden zu Hause aufzuzeichnen, damit der Tierarzt die Aufnahmen anschließend in der Praxis auf die typischen Symptome einer paroxysmalen Dyskinesie durchsehen kann. Eine Studie stellt fest, dass viele Hunde mit der Diagnose einer paroxysmalen Dyskinesie einer gründlichen neurologischen Untersuchung und neurologischen Tests unterzogen wurden, die in allen Fällen physiologische Ergebnisse hervorbrachten 11. Neurologische Standardtests sind aber dennoch wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen, die lebensbedrohliche Probleme verursachen könnten.
Wird ein Border Terrier mit Symptomen vorgestellt, die typisch für eine PGSD sind, sollten nach Möglichkeit immer Tests auf Anti-Gliadin- und Transglutaminase-2-Antikörper durchgeführt werden, da diese heute von vielen Laboren angeboten werden. Zuverlässige Ergebnisse liefern diese Tests aber nur dann, wenn der Hund nicht bereits eine Gluten-freie Diätnahrung erhält. Ist ein Tier bereits auf einer Gluten-freien Diät, sind die Konzentrationen der Gluten-Antikörper künstlich herabgesetzt, sodass ein negatives Testergebnis herauskommen kann, obwohl der Hund unter einer PGSD leidet. Entsprechende Tests bei anderen Rassen außer Border Terriern sind bislang nicht evaluiert.
Wie behandle ich PGSD?
An dieser Stelle muss betont werden, dass es sich bei der PGSD (und in der Tat bei jeder anderen Form der paroxysmalen Dyskinesie) nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt (Abbildung 5). Es kann zwar sehr belastend sein, Anfallsepisoden zu beobachten, Todesfälle im Zusammenhang mit Dyskinesie-Episoden sind aber nicht beschrieben. Ungeachtet dessen wirken sich solche dyskinetischen Episoden aber eindeutig negativ auf die Lebensqualität eines Hundes aus, sodass jede Behandlung, die angeboten werden kann, auch eine Überlegung wert ist.
Die Einleitung einer Gluten-freien Diät ist heute ein integraler Bestandteil der Behandlung der PGSD, wie oben erwähnt aber erst nach erfolgter Durchführung einer serologischen Untersuchung. Gluten ist eine Proteinquelle, die aus zwei Aminosäureketten (Gliadin und Glutenin) zusammengesetzt ist und im Endosperm des Korns grasartiger Pflanzen wie Weizen, Gerste und Roggen vorkommt. Proteine von Mais und Reis werden oft fehlerhaft als Gluten bezeichnet, ihnen fehlt aber das Gliadin. Eine tatsächlich Gluten-freie Ernährung bedeutet, dass eine große Zahl von Nahrungs- bzw. Futtermitteln, die diese Getreidearten enthalten, vermieden werden muss. Erforderlich ist oft auch der Ausschluss jeglicher Komponenten, die Hafer enthalten, da diese oft in denselben Anlagen prozessiert werden, in denen zuvor schon Weizen verarbeitet wurde. Nach Erfahrung des Autors ist Hypoallergenic von Royal Canin (enthält hydrolysierte Proteine) die wirksamste Diätnahrung für die Behandlung betroffener Hunde 10. Andere Diätnahrungen können zwar ebenfalls wirksam sein, dieses Produkt führt jedoch durchweg zu einer Besserung bei Border Terriern mit PGSD und wird daher vom Autor bevorzugt für die diätetische Testbehandlung von Hunden mit PGSD-Verdacht. An dieser Stelle sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Serumantikörpertests immer vor der Einleitung der Diät durchgeführt werden sollten.
Wie kann ich PGSD überwachen?
Empfohlen wird, die Antikörperkonzentrationen nach einem positiven Test auf Gluten-Antikörper und Einleitung einer Gluten-freien Diät alle drei Monate zu messen, um sicherzustellen, dass die Werte auf einen normalen Level zurückgehen. Darüber hinaus sollte der Besitzer ein Anfallstagebuch führen, um sicherzustellen, dass die Häufigkeit der Anfalls-episoden nach Einleitung der Diät tatsächlich sinkt. Wenn die Antikörperkonzentration nicht abnimmt und der Hund weiterhin unvermindert Anfallsepisoden erleidet, muss zunächst die strikte diätetische Compliance sichergestellt werden, und es muss überprüft werden, ob der Hund unkontrolliert Aas aufnimmt oder versehentlich andere Nahrung bekommt.
Wie lautet die Prognose bei PGSD?
Wie oben erwähnt handelt es sich bei Hunden mit paroxysmaler Dyskinesie oder PGSD abgesehen von den intermittierenden Anfallsepisoden um glückliche und gesunde Tiere. Die Lebenserwartung ist nicht reduziert, und die Einleitung einer Gluten-freien Diät nach der Diagnose mit Hilfe serologischer Tests sollte zu einer guten Langzeitremission führen.
Literatur
- Lowrie M, Garosi L. Classification of involuntary movements in dogs: Paroxysmal dyskinesias. Vet J 2017;220:65-71.
- Lowrie M, Hadjivassiliou M, Sanders DS, et al. A presumptive case of gluten sensitivity in a Border Terrier: a multisystem disorder? Vet Rec 2016;179:573.
- Forman OP, Penderis J, Hartley C, et al. Parallel mapping and simultaneous sequencing reveals deletions in BCAN and FAM83H associated with discrete inherited disorders in a domestic dog breed. PLoS Genetics 2012;8:e1002462.
- Gill JL, Tsai KL, Krey C, et al. A canine BCAN microdeletion associated with episodic falling syndrome. Neurobiol Disease 2012;45:130-136.
- Kolicheski AL, Johnson GS, Mhlanga-Mutangadura T, et al. A homozygous PIGN missense mutation in Soft-Coated Wheaten Terriers with a canine paroxysmal dyskinesia. Neurogenetics 2016;doi:10.1007/s10048-016-0502-4.
- Black V, Garosi L, Lowrie M, et al. Phenotypic characterisation of canine epileptoid cramping syndrome in the Border Terrier. J Small Anim Pract 2014;55:102-107.
- Czaja-Bulsa G. Non-coeliac gluten sensitivity – a new disease with gluten intolerance. Clin Nutr 2015;34:189-194. doi: 10.1016/j.clnu.2014.08.012.
- Rona RJ, Keil T, Summers C, et al. The prevalence of food allergy: a meta-analysis. J Allergy Clinical Immun 2007;120:638-646.
- Hadjivassiliou M, Grünewald R, Sharrack B, et al. Gluten ataxia in perspective: epidemiology, genetic susceptibility and clinical characteristics. Brain 2003;126:685-691.
- Lowrie M, Garden O, Hadjivassiliou M, et al. The clinical and serological effect of a gluten-free diet in Border Terriers with canine epileptoid cramping syndrome. J Vet Int Med 2015;29:1564-1568.
- Lowrie M, Garosi L. Natural history of canine paroxysmal movement disorders in Labrador retrievers and Jack Russell Terriers. Vet J 2016;213:33-37.
- Harcourt-Brown T. Anticonvulsant responsive, episodic movement disorder in a German shorthaired pointer. J Small Anim Pract 2008;49:405-407.
Mark Lowrie
Dr. Lowrie schloss sein Studium an der University of Cambridge ab und ist ein RCVS (Royal Collage of Veterinary Surgeons) sowie European Specialist in Mehr lesen