Helfen Sie Katzen und Hunden, ihr gesündestes Leben zu führen
Veterinary Focus

Sonstiges Wissenschaft

Entmystifiziert: Der Biofilm bei caniner Otitis

veröffentlicht 14/06/2024

Geschrieben von Caroline Léonard

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português , Español und English

Biofilme können ein großes Problem bei der Behandlung der infektiösen Otitis externa darstellen. Dieser Artikel erörtert, warum Biofilme so problematisch sind und wie man sie am besten erkennt und bekämpft.

Pseudomonas

Kernaussagen

Die Bildung von Biofilmen spielt eine signifikante Rolle für die Arzneimittelresistenz bei infektiösen Otitiden.


Planktonische Bakterien weisen andere physiologische Eigenschaften auf als Bakterien in einem Biofilm, was sich auch auf deren Virulenzfaktoren auswirkt.


Eine Bildung von Biofilmen kann sowohl bei monomikrobiellen als auch bei polymikrobiellen Infektionen beobachtet werden, an denen nicht nur Bakterien, sondern auch Pilze wie Malassezia spp. beteiligt sind.


Die Behandlungsoptionen zielen in erster Linie auf eine Zerstörung des Biofilms ab, um die Wirksamkeit von Antibiotika gegen Bakterien zu verstärken.


Einleitung

Otitis externa ist eine häufige Erkrankung in der erstbehandelnden tierärztlichen Praxis, und bei Hunden sind Allergien der häufigste Auslöser. Die Entzündung des Gehörgangs kann im weiteren Verlauf zu einer sekundären Überwucherung mit Bakterien oder Hefen führen, und ohne adäquate Behandlung kann eine Otitis zu einer chronischen Erkrankung fortschreiten. Zusätzlich können in solchen Fällen fördernde Faktoren ins Spiel kommen, wie zum Beispiel eine Otitis media, eine Verkalkung des Gehörgangs oder Veränderungen in der Zusammensetzung der mikrobiellen Flora des Ohrs, die zu einer Zunahme von Bakterienstämmen mit höherer Virulenz führen 1.

In bestimmten Fällen, insbesondere wenn spezifische pathogene Erreger wie Pseudomonas spp. beteiligt sind, kann die Bildung eines Biofilms beobachtet werden can be observed 1. Bei einem Biofilm handelt es sich um eine komplexe, lebende Biomasse mit einer spezifischen Struktur, die eine Bekämpfung und Eliminierung des Biofilms sehr schwierig macht, sobald sich dieser einmal etabliert hat. Die Mikroorganismen innerhalb eines Biofilms nutzen verschiedene Faktoren, um ihre Resistenz gegenüber dem Immunsystem des Wirts sowie gegenüber einer antibiotischen Behandlung zu erhöhen 2. Dieser Artikel erläutert das Prinzip des Biofilms und vermittelt das nötige Wissen, um das Vorhandensein eines Biofilms zu erkennen und um die Implementierung geeigneter Behandlungsstrategien zu erleichtern.

Was sich dahinter verbirgt: Die Entschlüsselung des Geheimnisses von Biofilmen 

Biofilme sind komplexe Strukturen, die durch Akkumulation von Mikroorganismen gebildet werden und so ein bakterielles Aggregat mit einer einzigartigen Zusammensetzung schaffen. Ein Biofilm setzt sich zu 90 % aus Wasser zusammen, während die restlichen 10 % aus der mikrobiellen Biomasse bestehen 2. Die Hauptbestandteile der Biofilm-Matrix sind neben Wasser extrazelluläre Polysaccharide (EPS), DNA und Proteine. Diese einzigartige Kombination verschiedener Bestandteile verleiht einem Biofilm bemerkenswerte Eigenschaften, die signifikante Auswirkungen auf das Überleben und die Persistenz der darin lebenden Bakterien haben 3.

Die Entstehung der dreidimensionalen Struktur eines Biofilms erfolgt in mehreren Phasen. In einem ersten Schritt kommt es zu einer zunächst reversiblen Adhäsion freischwimmender, so genannter planktonischer Bakterien an einer Oberfläche. Diese Adhäsion wird schließlich irreversibel, und die planktonischen Bakterien gehen in einen sessilen Zustand über. Anschließend aggregieren diese Bakterien zu einer Mikrokolonie und leiten durch Aktivierung spezifischer Gene die Bildung einer extrazellulären Matrix ein. Während der Ausreifung des Biofilms lösen sich Fragmente mit planktonischen Bakterien ab und verteilen sich in die benachbarte Umgebung, wodurch die Disseminierung von Biofilmen gefördert wird 2. Ein bemerkenswerter Vorteil der Bildung von Biofilmen ist die Fähigkeit zum Aufbau eines Gradienten von den äußersten zu den innersten Schichten bezüglich Nährstoffen, Sauerstoffkonzentrationen, Wachstumsraten und Genetik 4 (Abbildung 1).

Diagramm des bakteriellen Biofilmzyklus: Phasen der dreidimensionalen Bildung und Ausbreitung

Abbildung 1. Beispiel für den bakteriellen Biofilmzyklus mit den verschiedenen Phasen der dreidimensionalen Bildung und Ausbreitung. EPS: extrazelluläre Polysaccharide
© Caroline Léonard/gezeichnet von Sandrine Fontègne

Einer der Schlüsselfaktoren bakterieller Biofilme ist ihre Fähigkeit, eine protektive, gegenüber Antibiotika resistente Barriere zu generieren. In einen Biofilm eingebettete Bakterien sind somit besser gegen die Wirkungen von Antibiotika geschützt, was dazu führt, dass Biofilm-assoziierte Infektionen schwieriger zu bekämpfen und zu eliminieren sind 5. Darüber hinaus weisen Biofilme eine erhöhte Resistenz gegenüber Belastungen aus der Umwelt auf, zum Beispiel gegen Angriffe durch das wirtseigene Immunsystem, und können so beispielsweise resistent sein gegen die Phagozytose durch Leukozyten 6. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei Biofilmen ist ihre Fähigkeit zum horizontalen Gentransfer. Aufgrund der engen räumlichen Nähe der Bakterienzellen innerhalb des Biofilms kann ein genetischer Austausch effizienter erfolgen, und dadurch die Verbreitung von vorteilhaften Eigenschaften oder Antibiotikaresistenzen innerhalb der Bakterienpopulation erleichtern 7

Quorum Sensing (also die Fähigkeit von Einzellern, die Zelldichte der Populationen zu messen und durch einen genetischen Regulationsprozess darauf zu reagieren) spielt eine wichtige Rolle beim komplexen Prozess der Biofilmbildung. Im Wesentlichen ermöglicht es das Quorum Sensing den Bakterien, ihr Verhalten auf der Grundlage der Zelldichte ihrer eigenen Population zu koordinieren, wodurch die Bakterien in einem Biofilm in die Lage versetzt werden, die Produktion von Schlüsselkomponenten der extrazellulären Matrix, wie zum Beispiel EPS, zu koordinieren und zu synchronisieren 2.

Biofilmbildung untersuchen: Welche Organismen sind beteiligt? 

Sowohl grampositive als auch gramnegative Bakterien sind in der Lage, Biofilme zu bilden. Unter den Bakterien, die bei Hunden häufig im Zusammenhang mit Ohrinfektionen nachgewiesen werden, sticht insbesondere Pseudomonas spp. als häufiger Übeltäter mit hoher Inzidenz einer Biofilmbildung heraus 8. Biofilme können aus einem einzelnen Organismus bestehen oder aus multiplen Organismen zusammengesetzt sein, ein Phänomen, das als polymikrobieller Biofilm bezeichnet wird. Diese Diversität der Zusammensetzung von Biofilmen verdeutlicht einmal mehr die Komplexität dieser Strukturen und ihre Rolle bei verschiedenen Infektionen 9.

Neben anderen für die Bildung von Biofilmen bekannten Spezies haben Forscher in der Humanmedizin Staphylococcus epidermidis, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Streptococcus viridans, Staphylococcus aureus und Enterococcus faecalis identifiziert 2. In der Veterinärmedizin werden biofilmbildende Bakterien auch in anderen Lokalisationen außer bei Ohrinfektionen nachgewiesen, darunter unter anderem Staphylococcus spp. und E. coli 10. Das Konzept des Biofilms ist aber nicht nur auf Bakterien beschränkt, denn auch Pilze wie Malassezia spp. besitzen die Fähigkeit, Biofilme zu bilden 11. Diese Diversität unterstreicht die breitere Bedeutung der Biofilmbildung über verschiedene mikrobielle Spezies hinweg und zeigt, wie wichtig es ist, Biofilme und ihre Bekämpfung in verschiedenen klinischen Kontexten zu verstehen. Zudem machen diese Befunde deutlich, dass man sich bei Biofilmen nicht ausschließlich auf Pseudomonas spp., also die Erreger mit der höchsten Inzidenz, fokussieren darf, sondern immer auch potenziell vorhandene andere Mikroorganismen abklären sollte. Denn ganz entscheidend für die Optimierung des Managements dieser Infektionen ist die exakte Identifizierung der beteiligten Erreger. Da Biofilme also sehr komplexe Gemeinschaften bilden können, die sich aus verschiedenen Spezies zusammensetzen, ist eine sorgfältige und vielschichtige Herangehensweise erforderlich, um die klinischen und therapeutischen Herausforderungen in Angriff zu nehmen, und ein ganz entscheidender Punkt dabei ist der präzise Nachweis der verantwortlichen Krankheitserreger.

Das Ausmaß einer bakteriellen Biofilmbildung wird häufig auf einer Skala von „schwach“ bis „stark“ kategorisiert und hängt unter anderem von den beteiligten Bakterien- oder Pilzstämmen ab 12. So zeigt zum Beispiel eine Studie, dass Pseudomonas aeruginosa im Vergleich zu anderen Spezies ein starker Biofilmbildner ist 13. Diese Klassifizierung der Biofilmbildung nach ihrem Grad könnte ein Instrument für die Beurteilung der potenziellen Virulenz und der Behandlungsresistenz verschiedener Bakterienstämme sein und so die klinische und therapeutische Entscheidungsfindung unterstützen, es muss aber noch untersucht werden, ob eine solche Klassifizierung tatsächlich eine klinische und therapeutische Relevanz haben kann 12.

Biofilme entdecken: Methoden zum Nachweis und zur Visualisierung 

Der Nachweis eines Biofilms kann sich als Herausforderung erweisen, da diese Strukturen mit bloßem Auge oft nicht ohne Weiteres zu erkennen sind und vielfach spezielle Nachweisverfahren erfordern 14. Aus klinischer Sicht kann das makroskopische Erscheinungsbild von Biofilmen je nach Reifegrad, Typ der beteiligten Mikroorganismen und betroffenen Körperstellen variieren (Abbildung 2 und 3). Im Allgemeinen ist auf verschiedene Merkmale zu achten 14:

  • Farbe: weiß/durchscheinend bis grau/grün 
  • Textur: schmierig, klebrig oder mukoid 
  • Form: flaches oder dreidimensionales Erscheinungsbild 
Äußerer Gehörgang eines Hundes mit klebrigem Exsudat und strukturellen Veränderungen

Abbildung 2. Äußerer Gehörgang eines Hundes mit klebrigem Exsudat und chronischen strukturellen Veränderungen.
© Caroline Léonard

Gehörgang: Exsudat reicht bis zur medialen Seite der rechten Ohrmuschel

Abbildung 3. Derselbe Hund wie in Abbildung 2, mit Ausdehnung des Exsudats auf die mediale Seite der rechten Ohrmuschel.
© Caroline Léonard

Eine typische klinische Beobachtung bei Infektionen mit Pseudomonas spp. ist das Auftreten eines klassischen gräulich-grünlichen, klebrigen oder schleimigen Biofilms. Zurückzuführen sind diese Eigenschaften auf das Polysaccharid Alginat, eines wichtigen Bestandteils der extrazellulären Matrix, sowie auf die Bildung von Pyocyanin 15.

Das zytologische Erscheinungsbild von Biofilmen hängt von den beteiligten Mikroorganismen und der Technik der Probenvorbereitung ab. Spezielle Färbungen, wie zum Beispiel Periodic Acid Schiff (PAS) können zur Hervorhebung der Polysaccharidmatrix verwendet werden, sind aber in der Routinepraxis in der Regel nicht verfügbar, was die Identifizierung von Biofilmen zusätzlich erschwert 16. Mikroskopisch können Biofilme als Zellcluster (Bakterien, Sporen, Pilzhyphen) erscheinen, die von einer extrazellulären Matrix umgeben sind (die nicht immer sichtbar ist) und von polymorphkernigen Neutrophilen oder mononukleären Zellen begleitet sein können 17 (Abbildung 4).

Zytologie mit Biofilm von Pseudomonas

Abbildung 4. Dieser zytologischer Befund einer Ohrprobe mit einem aus Pseudomonas spp. bestehenden Biofilm, zeigt eine hohe Dichte von Mikroorganismen in Clustern. x100- Objektiv (Öl). (Diff Quick®-Färbung)
© Caroline Léonard

Eines der diagnostischen Kriterien für die Identifizierung von Biofilmen ist der kulturelle Nachweis von bakteriellen oder mykotischen Mikroorganismen, von denen man weiß, dass sie Biofilme bilden können. Die kulturelle Methode sollte in diesen Fällen jedoch nicht als Goldstandard betrachtet werden, da falsch negative Kulturen vorkommen können und zudem Diskrepanzen zwischen Bakterienkulturen und 16S-Amplikon-Profilen festgestellt wurden 18. Traditionelle Kulturmethoden unterstützen in erster Linie das Wachstum planktonischer Bakterien und sind nicht in der Lage, die Bedingungen in Biofilmen exakt nachzuahmen. Therapieentscheidungen auf der Grundlage von Antibiogrammen, die von planktonischen Bakterien abgeleitet wurden, spiegeln also möglicherweise nicht das tatsächliche antimikrobielle Empfindlichkeitsprofil in einem Biofilm wider. Darüber hinaus kann die Nachbildung von Bedingungen eines Biofilms mit Hilfe von planktonischen Kulturen schwierig sein, aufgrund von potenziellen Unterschieden in der Biofilmreife zwischen den als Probe entnommenen Bakterien und den kultivierten Bakterien. Sessile Bakterien in Biofilmen weisen im Vergleich zu ihren planktonischen Pendants eine wesentlich höhere Antibiotikaresistenz auf, so dass die Beurteilung der Empfindlichkeit Letzterer weniger Aussagekraft für die Wirksamkeit der antibiotischen Behandlung insgesamt besitzt 15

Diese Einschränkungen unterstreichen die Notwendigkeit alternativer diagnostischer Methoden, wie zum Beispiel des Crystal-Violet-Biofilm-Assays unter Verwendung von Kulturmedien auf Basis von Brühe (z. B. Luria-Bertani-Medium, Mueller-Hinton-Agar oder Tryptischer-Soja-Agar) zur Beurteilung der Biofilmbildung auf der Grundlage von Messungen der optischen Dichte. Diese Methoden ermöglichen ein sehr viel umfassenderes Verständnis bakterieller Biofilme und ihrer potenziellen Auswirkungen auf das Outcome einer Antibiotikabehandlung 8, sie werden aber im Rahmen der routinemäßigen Bakterienkultur in der Regel nicht verwendet. Weitere Methoden, die gewöhnlich ebenfalls nicht für die Routinediagnostik zur Verfügung stehen, sind 19:

  • Rasterelektronenmikroskopie
  • Transmissionselektronenmikroskopie 
  • Konfokale Laserrastermikroskopie
  • Fluoreszenz-In-situ-Hybridisierung
  • Molekularbiologie, z. B. Polymerase-Kettenreaktion (PCR), die spezifische Gene nachweist, die mit der Bildung des Biofilms assoziiert sind

Da eine direkte Visualisierung von Biofilmen schwierig ist, müssen oft mehrere Methoden kombiniert angewendet werden, um eine möglichst genaue und umfassende Identifizierung zu erreichen. 

Bändigung von Biofilmen: Wirksame Bekämpfungsstrategien

Wie bereits erwähnt, verleihen Biofilme den darin enthaltenen Bakterien eine signifikant erhöhte Antibiotikaresistenz, die oft um den Faktor 100 bis 1000 stärker ausgeprägt ist als bei entsprechenden planktonischen Bakterien 5. Es ist daher zwingend erforderlich, strategische Ansätze zur Durchbrechung von Biofilmen zu entwickeln, damit antibiotische und antimykotische Behandlungen entsprechende bakterielle und mykotische Infektionen gleichermaßen wirksam bekämpfen können. Innovative Lösungen zur Reduzierung von Biofilmen verbessern nicht nur die Wirksamkeit von Antibiotika insgesamt, sondern sind auch ein vielversprechender Ansatz für die Bewältigung der Herausforderungen durch antibiotikaresistente Bakterien. Dies unterstreicht, wie wichtig fortgesetzte Anstrengungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung im Bereich Biofilme auch in der Veterinärmedizin sind. Es lohnt sich daher, an dieser Stelle einen kurzen Überblick über einige Wirkstoffe zu geben, die häufig als Adjuvans eingesetzt werden und sich als wirksam gegen Biofilme erwiesen haben.

NAC (N-Acetylcystein) ist eine mukolytische Verbindung, die auch antimikrobielle Eigenschaften besitzt. Die genauen Wirkungsmechanismen bei der Bekämpfung von Biofilmen werden bislang zwar nur teilweise verstanden, es konnte aber gezeigt werden, dass NAC in erster Linie als ein Biofilm auflösendes Molekül wirkt. NAC hemmt spezifisch die bakterielle Adhäsion, verringert die Produktion der extrazellulären Polysaccharidmatrix und fördert die Auflösung reifer Biofilme, indem es Disulfidbindungen innerhalb der extrazellulären Matrix aufbricht. Dadurch wird der Biofilm permeabler und empfindlicher für antimikrobielle Wirkstoffe 20. Mit Hilfe von Bakterienstämmen aus dem Gehörgang – Staphylococcus pseudintermedius und Pseudomonas aeruginosa – wurde darüber hinaus in vitro nachgewiesen, dass NAC in der Lage ist, Biofilme zu zerstören. Die Wirksamkeit hängt von der verwendeten NAC-Konzentration ab, wobei etwa 1-2 % empfohlen werden 13. Ein wichtiger Aspekt ist zudem, dass sich NAC bei intratympanischer Injektion unter experimentellen Bedingungen als sicher erwiesen hat, so dass es bei chronisch sezernierenden Otitiden eine potenziell nicht-ototoxische und praktikable Behandlungsoption ist 21.

Tris-EDTA (Tromethamin-Ethylendiamintetraessigsäure) entfaltet seine antimikrobiellen Effekte über einen gut definierten Wirkungsmechanismus. Die EDTA-Komponente wirkt als Chelatbildner und sequestriert zweiwertige Kationen, was zu einer Disruption der äußeren Zellmembran von gramnegativen Bakterien führt. Die Folgen sind eine Freisetzung von Lipopolysacchariden und eine Erhöhung der Permeabilität von Bakterienzellen für andere antimikrobielle Wirkstoffe. Gleichzeitig wirkt die Tris-Komponente als Puffer, der die Chelat-bildenden Fähigkeiten von EDTA verstärkt 22. Während Tris-EDTA eine Anti-Biofilm-Aktivität gegen P. aeruginosa gezeigt hat, unterscheidet sich die Wirkung auf Staphylococcus-Biofilme, in denen Tris-EDTA oft nur deren Wachstum hemmt, anstatt sie auszumerzen 13. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Kombination von Tris-EDTA mit bestimmten antimikrobiellen Wirkstoffen zu einer Verringerung der antibakteriellen Wirksamkeit führen könnte. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um diese Wechselwirkungen vollständig zu verstehen. Kombiniert mit bestimmten antimikrobiellen Wirkstoffen eignet sich Tris-EDTA jedoch hervorragend als Adjuvans, da es zu einer synergistischen Anti-Biofilm-Aktivität kommt. So zeigen Studien, dass Tris-EDTA die minimalen bakteriziden Konzentrationen (MBKs) und die minimalen Hemmkonzentrationen (MHKs) senken kann, und dadurch in vitro die Wirksamkeit von Antibiotika wie Marbofloxacin und Gentamicin, insbesondere gegen multiresistente P. aeruginosa erhöht 22.

Neben Tris-EDTA zeigen auch einige weitere Verbindungen eine Wirkung gegen Biofilme, wodurch sich das Arsenal verfügbarer Mittel im Kampf gegen bakterielle Infektionen zusätzlich erweitert. So sind beispielsweise Silber-Nanopartikel, Povidon-Jod und Honig wirksame Alternativen für die Bekämpfung von Biofilmen 23,24. Die fortgesetzte Forschung auf dem Gebiet der Biofilme bringt aber auch weiterhin spannende neue Entdeckungen hervor. Innovationen wie kaltes atmosphärisches Plasma, Quorum-Sensing-Inhibitoren und Bakteriophagen kommen zunehmend als potenzielle Behandlungsmethoden mit Anti-Biofilm-Effekt auf 23,25. Diese neuen Ansätze versprechen eine weitere Verbesserung unserer Fähigkeiten zur Bekämpfung Biofilm-assoziierter Probleme, und geben Anlass zur Hoffnung auf noch wirksamere Behandlungsstrategien in der Zukunft.

Caroline Léonard

Einer der Schlüsselfaktoren bakterieller Biofilme ist ihre Fähigkeit, eine protektive Barriere zu bilden, die gegen Antibiotika resistent ist. In einen Biofilm eingebettete Bakterien sind besser gegen die Wirkung von Antibiotika geschützt, mit der Folge, dass Biofilm-assoziierte Infektionen schwieriger zu eliminieren sind.

Caroline Léonard

Schlussfolgerung

Die Biofilmbildung ist ein wichtiger Virulenzfaktor für verschiedene bakterielle Infektionen, zum Beispiel durch Pseudomonas spp. und Staphylococcus spp., insbesondere im Zusammenhang mit chronischer Otitis. Nicht zu vernachlässigen bei der Bildung von Biofilmen ist allerdings auch die Rolle von Hefen wie Malassezien. Insbesondere im Falle eines Therapieversagens, oft gekennzeichnet durch spezifische makroskopische und mikroskopische Charakteristika, ist die Abklärung der potenziellen Beteiligung einer Biofilmbildung von größter Bedeutung. Der verbesserte Nachweis von Biofilmen kann zu einem effizienteren und effektiveren Einsatz therapeutischer Strategien führen und damit Hoffnung auf eine wirksamere vollständige Eliminierung solcher hartnäckiger Infektionen geben.

Literatur

  1. Paterson S. Discovering the causes of otitis externa. In Pract. 2016;38(S2):7-11. DOI:10.1136/inp.i470

  2. Sharma S, Mohler J, Mahajan SD, et al. Microbial biofilm: a review on formation, infection, antibiotic resistance, control measures, and innovative treatment. Microorganisms 2023;11(6):1614. DOI:10.3390/microorganisms11061614

  3. Mann EE, Wozniak DJ. Pseudomonas biofilm matrix composition and niche biology. FEMS Microbiol. Rev. 2012;36(4):893-916. DOI:10.1111/j.1574-6976.2011.00322.x

  4. Stewart PS, Franklin MJ. Physiological heterogeneity in biofilms. Nat. Rev. Microbiol. 2008;6(3):199-210. DOI:10.1038/nrmicro1838

  5. Høiby N, Bjarnsholt T, Givskov M, et al. Antibiotic resistance of bacterial biofilms. Int. J. Antimicrob. Agents 2010;35(4):322-332. DOI:10.1016/j.ijantimicag.2009.12.011

  6. Ciofu O, Moser C, Jensen PØ, et al. Tolerance and resistance of microbial biofilms. Nat. Rev. Microbiol. 2022;20(10):621-635. DOI:10.1038/s41579-022-00682-4

  7. Jolivet-Gougeon A, Bonnaure-Mallet M. Biofilms as a mechanism of bacterial resistance. Drug Discov. Today Technol. 2014;11:49-56. DOI:10.1016/j.ddtec.2014.02.003

  8. Robinson VH, Paterson S, Bennett C, et aI. Biofilm production of Pseudomonas spp. isolates from canine otitis in three different enrichment broths. Vet. Dermatol. 2019;30(3):218-e67. DOI:10.1111/vde.12738

  9. Orazi G, O’Toole GA. “It Takes a Village”: Mechanisms underlying antimicrobial recalcitrance of polymicrobial biofilms. J. Bacteriol. 2019;202(1):10.1128/jb.00530-19. DOI:10.1128/jb.00530-19

  10. Abdullahi UF, Igwenagu E, Mu’azu A, et al. Intrigues of biofilm: A perspective in veterinary medicine. Vet. World 2016;9(1):12-18. DOI:10.14202/vetworld.2016.12-18

  11. Brilhante RSN, Rocha MG da, Guedes GM de M, et al. Malassezia pachydermatis from animals: Planktonic and biofilm antifungal susceptibility and its virulence arsenal. Vet. Microbiol. 2018;220:47-52. DOI:10.1016/j.vetmic.2018.05.003

  12. Monfredini PM, Souza ACR, Cavalheiro RP, et al. Clinical impact of Candida spp. biofilm production in a cohort of patients with candidemia. Med. Mycol. 2018;56(7):803-808. DOI:10.1093/mmy/myx133

  13. Chan WY, Hickey EE, Page SW, et al. Biofilm production by pathogens associated with canine otitis externa, and the antibiofilm activity of ionophores and antimicrobial adjuvants. J. Vet. Pharm. Ther. 2019;42(6):682-692. DOI:10.1111/jvp.12811

  14. Aparna MS, Yadav S. Biofilms: microbes and disease. Braz. J. Infect. Dis. 2008;12:526-530. DOI:10.1590/S1413-86702008000600016

  15. Høiby N, Bjarnsholt T, Moser C, et al. ESCMID guidelines for the diagnosis and treatment of biofilm infections 2014. Clin. Microbiol. Infect. 2015;21:S1-S25. DOI:10.1016/j.cmi.2014.10.024

  16. Parnell-Turner H, Griffin CE, Rosenkrantz WS, et al. Evaluation of the use of paired modified Wright’s and periodic acid Schiff stains to identify microbial aggregates on cytological smears of dogs with microbial otitis externa and suspected biofilm. Vet. Dermatol. 2021;32(5):448-e122. DOI:10.1111/vde.13009

  17. Gelardi M, Giancaspro R, Cassano M. Biofilm in sino-nasal infectious diseases: the role nasal cytology in the diagnostic work-up and therapeutic implications. Eur. Arch. Otorhinolaryngol. 2023;280(4):1523-1528. DOI:10.1007/s00405-022-07748-2

  18. Léonard C, Thiry D, Taminiau B, et al. External ear canal evaluation in dogs with chronic suppurative otitis externa: comparison of direct cytology, bacterial culture and 16S amplicon profiling. Vet. Sci. 2022;9(7):366. DOI:10.3390/vetsci9070366

  19. Kishen A, Haapasalo M. Biofilm models and methods of biofilm assessment. Endodontic Topics 2010;22(1):58-78.

  20. Dinicola S, De Grazia S, Carlomagno G, et al. N-acetylcysteine as powerful molecule to destroy bacterial biofilms. A systematic review. Eur. Rev. Med. Pharmacol. Sci. 2014;18(19):2942-2948.

  21. Chan CY, Conley SF, Salameh S, et al. Otologic safety of intratympanic N-acetylcysteine in an animal model. Int. J. Pediatr. Otorhinolaryngol. 2023;173:111702. DOI:10.1016/j.ijporl.2023.111702

  22. Buckley LM, McEwan NA, Nuttall T. Tris-EDTA significantly enhances antibiotic efficacy against multidrug-resistant Pseudomonas aeruginosa in vitro. Vet. Dermatol. 2013;24(5):519-e122. DOI:10.1111/vde.12071

  23. Sadekuzzaman M, Yang S, Mizan M, et al. Current and recent advanced strategies for combating biofilms. Compr. Rev. Food Sci. Food Saf. 2015;14(4):491-509. DOI:10.1111/1541-4337.12144

  24. Hoekstra MJ, Westgate SJ, Mueller S. Povidone-iodine ointment demonstrates in-vitro efficacy against biofilm formation. Int. Wound J. 2017;14(1):172-179. DOI:10.1111/iwj.12578

  25. Kim EJ, Hyun JE, Kang YH, et al. In-vitro antibacterial and antibiofilm effects of cold atmospheric microwave plasma against Pseudomonas aeruginosa causing canine skin and ear infections. Vet. Dermatol. 2022;33(1):29-e10. DOI:10.1111/vde.13030

Caroline Léonard

Caroline Léonard

Dr. Léonard schloss ihr Tiermedizinstudium 2017 ab und absolvierte anschließend ein rotierendes Internship an der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Lüttich Mehr lesen