Lewisburg Pet Health and Nutrition Center
Je mehr wir wissen, desto mehr müssen wir wissen…
veröffentlicht 12/12/2018
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español , English und ภาษาไทย
Wenn uns ein Hund mit einem ernsten Problem vorgestellt wird, können wir manchmal allzu leicht übersehen, welche Bedeutung die Rasse für die Anfälligkeit eines Individuums gegenüber einer Erkrankung hat. Giacomo Biagi gibt uns einen kurzen Überblick über einige häufige rasseassoziierte Probleme, bei denen die Ernährung eine wichtige Rolle spielen kann.
Bestimmte Hunderassen sind prädisponiert für die Entwicklung spezifischer Harnsteintypen. Insbesondere gilt dies für Urat-, Cystin- und Xanthinsteine.
Zinkmangel sollte immer in Betracht gezogen werden im Rahmen der Suche nach möglichen Ursachen von Dermatitiden bei Hunden nordischer Rassen, insbesondere, wenn bestimmte Effloreszenzen vorhanden sind.
Kupferspeicherkrankheiten treten nicht nur bei Bedlington Terriern auf, sondern können auch zahlreiche andere Rassen betreffen.
Einige Hunde, insbesondere die Gruppe der nordischen Hunde, können gastrointestinale Symptome entwickeln aufgrund einer erblichen Unfähigkeit zur Stärkeverdauung im Zusammenhang mit einem Mangel an Pankreasamylase.
Viele Erkrankungen bei Hunden können die Folge einer nicht vollwertigen oder nicht ausgewogenen Ernährung sein. Der Ernährungsbedarf von Hunden ist heute sehr gut bekannt 1. Zudem kennen wir verschiedene definierte Mangelsyndrome, die entstehen können, wenn dieser Bedarf nicht adäquat gedeckt wird. Heute wissen wir darüber hinaus, dass einige essenzielle Nährstoffe bei übermäßiger Aufnahme auch toxische Wirkungen haben können, wie zum Beispiel im Falle der Hypervitaminose A und D. Gleiches gilt auch für einige Spurenelemente wie Selen, Cobalt und Jod.
Darüber hinaus gibt es bei Hunden aber noch eine ganze Reihe von weiteren Erkrankungen, die infolge einer inadäquaten Ernährung entstehen können. Denken wir zum Beispiel daran, wie die Ernährung einen Einfluss haben kann auf das Auftreten von Erkrankungen der Harnwege – und hier insbesondere der Urolithiasis –, aber auch an ernährungsassoziierte Probleme im Bereich des Verdauungssystems, einschließlich verschiedener Erkrankungen mit Beteiligung der Leber und der Bauchspeicheldrüse. Auch Futtermittelunverträglichkeiten (Futtermittelallergien und Futtermittelintoleranzen) können dieser Kategorie zugeordnet werden. Klinisch gehen diese Erkrankungen in erster Linie mit dermatologischen und/oder gastrointestinalen Symptomen einher. Eine übermäßige Kalorienaufnahme führt zu Adipositas, einem pathologischen Zustand, der betroffene Hunde für zahlreiche weitere gesundheitliche Probleme prädisponiert. In der Humanmedizin ist darüber hinaus ein Zusammenhang zwischen den Ernährungsgewohnheiten von Menschen und dem Risiko der Entwicklung bestimmter Tumoren belegt. Bei Tieren wurde diese Verbindung bislang noch nicht in umfangreichem Maße untersucht.
Bei Hunden kennen wir unzählige ernährungsassoziierte Erkrankungen, dieser Artikel wird sich jedoch nur mit denen befassen, die ausschließlich oder deutlich gehäuft bei bestimmten Rassen auftreten und bei Rassen, die aufgrund von nachweislicher Erblichkeit für bestimmte Erkrankungen prädisponiert sind.
Der Begriff „Urolithiasis“ beschreibt das Vorhandensein von Steinen im Harntrakt. Grundsätzlich kann diese Erkrankung jeden Hund betreffen, es gibt jedoch sehr viele Evidenzen dafür, dass bestimmte Rassen besondere Prädispositionen für die Entwicklung bestimmter Harnsteintypen aufweisen.
Ein typisches Beispiel für eine Erkrankung bei Hunden, die eine solche Rasseprädisposition widerspiegelt, ist die Ammoniumuraturolithiasis bei Dalmatinern. Bei den meisten Hunden wird Harnsäure im Rahmen des Purinkatabolismus gebildet und über die Wirkung des Enzyms Uricase in Allantoin umgewandelt, das schließlich über den Harn ausgeschieden wird (Abbildung 1). Bei Dalmatinern ist die hepatische Transformation von Harnsäure in Allantoin jedoch trotz des Vorhandenseins des Enzyms Uricase aufgrund eines autosomal-rezessiven genetischen Defekts relativ ineffizient. Die Folge ist, dass Dalmatiner sehr viel größere Mengen Harnsäure über den Harn ausscheiden als andere Hunderassen. Zusätzlich kompliziert wird diese Situation durch die Tatsache, dass sich bei dieser Rasse auch die Reabsorption von Harnsäure auf der Ebene der Nierentubuli durch eine geringere Effizienz auszeichnet. Die Kombination dieser Faktoren führt schließlich dazu, dass die Prävalenz von Uratsteinen (vorwiegend Ammoniumurat) bei Dalmatinern besonders hoch ist, wobei die Erkrankung bei Rüden sehr viel häufiger zu beobachten ist als bei Hündinnen (Abbildung 2) 2.
Ammoniumuratsteine werden jedoch nicht ausschließlich bei Dalmatinern festgestellt. Andere Rassen wie die Englische Bulldogge, Zwergschnauzer, Shih-Tzu und Yorkshire Terrier zeigen ebenfalls eine im Vergleich zur durchschnittlichen Hundepopulation höhere Prävalenz dieses Problems.
Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung von Ammoniumuratsteinen – neben der genetischen Prädisposition – sind das Vorhandensein eines portosystemischen Shunts oder, noch häufiger, jegliche ernste Lebererkrankung, die zu einer Beeinträchtigung der enzymatischen Umwandlung von Harnsäure in Allantoin und Ammoniak in Harnstoff führt.
Aus diätetisch-therapeutischer Sicht sollte man bei Hunden mit einer Prädisposition für die Entwicklung dieses Harnsteintyps insbesondere Nahrungen mit hohem Puringehalt vermeiden. Große Mengen Purine findet man tendenziell in Futtermitteln mit einem hohen Anteil an Fleisch und Innereien. Vorzuziehen sind bei diesen Hunden deshalb Proteinquellen wie Eier und Käse oder eine der heute weithin erhältlichen kommerziellen purinarmen Hundenahrungen1 . Futtermittel mit tendenziell Harn ansäuernder Wirkung sollten ebenfalls vermieden werden, und falls erforderlich, kann die Nahrung betroffener Hunde durch Zusatz von Kaliumcitrat (80-150 mg/kg/24 Stunden) leicht alkalisiert werden 3. Wie bei allen Harnsteintypen ist es wichtig, die Trinkwasseraufnahme des Hundes anzuregen, um eine stärkere Harnverdünnung zu erreichen und somit die Salzpräzipitation im Harn zu reduzieren 4. Schließlich kann die Bildung von Harnsäure auch durch orale Gabe von Allopurinol (15 mg/kg alle 12 Stunden) reduziert werden. Allopurinol hemmt die Aktivität der Xanthinoxidase und damit die Umwandlung von Hypoxanthin und Xanthin zu Harnsäure. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein mit Allopurinol behandeltes Tier zur Bildung von Xanthinkristallen in der Harnblase neigt, wenn die Nahrung einen hohen Gehalt an Purinen aufweist.
1 Royal Canin Urinary U/C low purine
Cystin besteht aus zwei Molekülen der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein. Wenn Cystin in hoher Konzentration im Harn vorhanden ist, neigt es aufgrund seiner geringen Löslichkeit zur Bildung von Kristallen. Mit einer Inzidenz von lediglich 1-3 % aller Fälle caniner Harnsteine ist die Cystinurolithiasis bei Hunden insgesamt jedoch eine relativ seltene Erkrankung (Abbildung 3) 5. Bei verschiedenen Hunderassen wie Dackel, Basset Hound, Irish Setter und Englische Bulldogge beobachtet man jedoch Formen einer erblichen Cystinurie mit höherer Prävalenz bei Rüden.
Bei Hunden mit Neigung zu Cystinurolithiasis wird eine Diätnahrung mit moderatem Proteingehalt (zur Begrenzung der Aufnahme schwefelhaltiger Aminosäuren) und Harn alkalisierender Wirkung (falls erforderlich durch Zusatz von Kaliumcitrat in oben genannter Dosierung) empfohlen. In saurem Harn ist Cystin nur schlecht löslich, die Löslichkeit nimmt jedoch zu, wenn der pH-Wert alkalischer wird. Bereits existierende Cystinsteine können durch eine gezielte Alkalisierung des Harns allein auf dem Wege einer diätetischen Therapie aufgelöst werden. Reicht eine entsprechende diätetische Umstellung nicht aus, um vorhandene Cystinsteine aufzulösen, können zusätzlich Arzneimittel zur Steigerung der Löslichkeit von Cystin eingesetzt werden, wie zum Beispiel Tiopronin (30-45 mg/ kg alle 24 Std. PO) oder D-Penicillamin (10-15 mg/kg alle 12 Stunden PO). Wenn Cystinsteine in der Blase vorhanden sind, empfiehlt es sich zudem, die Trinkwasseraufnahme zu steigern, um die Verdünnung des Harns zu fördern. Da eine Studie aus der Humanmedizin zeigt, dass eine erhöhte diätetische Natriumzufuhr eine höhere Cystinausscheidung im Harn zur Folge hat, sollte bei Hunden eine übermäßige Kochsalzaufnahme zur Induzierung von Durst und damit zur Erhöhung des Harnvolumens vermieden werden 5.
Giacomo Biagi
Xanthin entsteht ebenfalls im Rahmen des Katabolismus von Purinen und ist die Vorläufersubstanz von Harnsäure. Bei hohen Konzentrationen kann Xanthin aufgrund seiner geringen Löslichkeit im Harn zur Bildung von Kristallen und gelegentlich auch von Urolithen führen. Wie oben erwähnt sind Xanthinkristalle und Xanthinsteine im Harn (Abbildung 4) im Allgemeinen die iatrogene Folge einer Allopurinoltherapie. Neben der Behandlung der Ammoniumuraturolithiasis wird Allopurinol oft auch zur Therapie der caninen Leishmaniose eingesetzt. Es gibt darüber hinaus aber auch eine erbliche Form der Xanthinurie, die bei Menschen gut bekannt ist und auch beim Cavalier King Charles Spaniel (CKCS) beschrieben wird 6. Dabei scheint es sich jedoch um ein eher seltenes Problem zu handeln, denn im Verlauf einer jüngsten Studie mit 35 CKCS wurde bei keinem einzigen Hund eine Xanthinurie festgestellt 7. Wie bei Uratsteinen wird bei Hunden mit nachgewiesener Xanthinurolithiasis eine purinarme Ernährung empfohlen2.
2 Royal Canin Urinary U/C low purine
Die Nahrung von Tieren muss zahlreiche Nährstoffe zur Unterstützung der Hautgesundheit enthalten. Einer der diesbezüglich wichtigsten diätetischen Bestandteile ist Zink. Bei Hunden mit zinkdefizitärer Ernährung besteht grundsätzlich die Gefahr der Entwicklung einer Dermatose. Es gibt darüber hinaus aber zwei spezifische Formen zinkresponsiver Hauterkrankungen bei Hunden. Die erste Form tritt im typischen Fall bei Hundewelpen auf, insbesondere großer Rassen, die eine zinkarme Nahrung erhalten oder eine Nahrung mit hohem Gehalt an Substanzen, die Zink binden oder seine Absorption verhindern können, wie zum Beispiel Phytate, die in einigen Pflanzenrohmaterialien vorkommen. Die zweite Form ist erblicher Natur und wird in der Regel bei nordischen Hunderassen wie Alaskan Malamute und Siberian Husky festgestellt, aber auch Dobermann und Bull Terrier können betroffen sein (Abbildung 5). Literaturberichte über diese Form der zinkresponsiven Dermatitis gehen davon aus, dass die klinischdermatologischen Symptome – z. B. Krustenbildung und Erythem in der periorbitalen Region – die Folge einer geringen Zinkabsorption im Darm sein können 8. Die Behandlung dieser Dermatose erfolgt durch orale Gabe von Zinksalzen wie Zinkmethionin, Zinksulfat oder Zinkgluconat. Die empfohlene Dosierung liegt im typischen Fall bei 2-3 mg elementaren Zinks pro kg Körpergewicht alle 24 Stunden. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, da die Kennzeichnung der Produkte verwirrend sein kann. So enthält zum Beispiel eine Tablette mit der Kennzeichnung „Zinksulfat 220 mg“ tatsächlich 50 mg Zink, während eine Tablette eines Medikaments mit der Bezeichnung „Zinkgluconat 50 mg“ ebenfalls 50 mg elementaren Zinks enthalten kann 8.
Die erbliche Kupferspeicherkrankheit (KupferspeicherHepatopathie) wird typischerweise mit dem Bedlington Terrier in Verbindung gebracht und weist Parallelen zur Wilson-Krankheit bei Menschen auf. Beim Bedlington Terrier wird die Erkrankung über ein autosomalrezessives Gen vererbt, das die Ausscheidung von Kupfer über die Galle limitiert und so eine Akkumulation von Kupfer in der Leber hervorruft 9. Die hohen hepatischen Kupferkonzentrationen sind toxisch und fördern das Einsetzen und die Progression der Lebererkrankung. Selektive Zuchtprogramme haben dieses Problem beim Bedlington Terrier heute aber weitgehend eliminiert. Erbliche Kupferspeicher-Hepatopathien werden jedoch auch bei Hunderassen wie Skye Terrier, West Highland White Terrier, Dobermann, Dalmatiner und Labrador Retriever beobachtet. Zu berücksichtigen ist, dass der Nachweis einer chronischen Kupferspeicher-Hepatopathie mittels Biopsie auch auf eine Kupferakkumulation als Folge einer primären Lebererkrankung hinweisen kann und nicht unbedingt die Ursache der Lebererkrankung sein muss, da auch eine (primäre) Lebererkrankung zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Kupfer in das Gallensystem führen kann 10.
Wenn bei einem Hund mit Lebererkrankung eine Kupferakkumulation nachgewiesen wird (via Leberbiopsie), muss eine diätetische Therapie mit einer Nahrung mit einer Kupferkonzentration unterhalb des normalen Mindestbedarfs eines adulten Hundes eingeleitet werden. Darüber hinaus sollte die Diätnahrung einen hohen Zinkgehalt aufweisen (mindestens 200 mg Zink pro kg Nahrung in der Trockensubstanz) 11, da Zink Metallothionein aktiviert, ein Protein, das Kupfer in den intestinalen Epithelzellen bindet und seine Absorption verhindert. Bei sehr hohen hepatischen Kupferkonzentrationen sollten zusätzlich zur Diätnahrung Kupfer-Chelatbildner verabreicht werden (z. B. D-Penicillamin 10-15 mg/kg alle 12 Std. PO), um die intestinale Absorption von Kupfer zu minimieren. Schließlich muss die gewählte Diätnahrung auch für das diätetische Management chronischer Lebererkrankungen geeignet sein. Der Tierarzt sollte in Frage kommende Diätnahrungen deshalb individuell, insbesondere bezüglich ihres Protein- und Fettgehaltes, auf ihre Eignung für das im Einzelfall vorliegende klinische Bild beurteilen. Ebenfalls in Betracht zu ziehen ist der Einsatz von Nutraceuticals, die als Antioxidanzien wirken und die Regeneration des Lebergewebes fördern, wie zum Beispiel eines Extrakts der Mariendistel. Empfohlen werden insbesondere S-Adenosylmethionin (SAM 20 mg/kg alle 24 Std.), Ursodeoxycholsäure (15 mg/kg alle 24 Std.) oder Silymarin. Die therapeutische Dosis bei Letzterem ist nicht eindeutig festgelegt, aber der Autor empfiehlt 4-8 mg/kg alle 24 Std. 12.
Der Begriff „Gluten“ bezeichnet Weizenproteine aus der Gruppe der Gliadine und Glutenine. Weizengliadine sind den in anderen Cerealien wie Gerste, Roggen und Hafer enthaltenen Prolaminen sehr ähnlich. Beim Menschen ist das mit der Nahrung aufgenommene Gluten verantwortlich für die Zöliakie, eine erbliche chronische Enteropathie, von der etwa 1 % der Weltbevölkerung betroffen ist 13. In der Tiermedizin ist die Glutenenteropathie des Irish Setters weithin bekannt 14. Mit Hilfe einer gezielten selektiven Zucht ist es inzwischen gelungen, dieses Problem bei Irish Settern in vielen Ländern zu eliminieren oder in erheblichem Maße zu reduzieren.
Giacomo Biagi
Histologisch ist eine Glutenenteropathie gekennzeichnet durch eine Atrophie der Darmzotten unterschiedlichen Grades, einhergehend mit einem zellulären Infiltrat in der Lamina propria und im Epithel. Diese Veränderungen der intestinalen Architektur haben verschiedene Auswirkungen, einschließlich einer herabgesetzten Enzymaktivität im Bürstensaum. Bekommen betroffene Irish Setter glutenhaltige Nahrung, zeigen sie im typischen Falle klinische Symptome einer Malabsorption wie chronische Diarrhoe und Gewichtsverlust, unter Umständen bis hin zur Auszehrung. Diese Symptome können sich ab einem Alter von etwa sechs Monaten entwickeln. Weizengluten ist sicherlich der Trigger der Erkrankung, bis heute ist aber nicht klar, ob Gerste, Roggen und (wahrscheinlich) Hafer bei Hunden mit einer Gluten-Enteropathie ebenfalls schädliche Auswirkungen haben können. Bei Menschen mit Zöliakie wirken sich alle diese Cerealien im Allgemeinen schädlich aus. Die Eliminierung von Gluten aus der Nahrung führt zu einer Besserung der klinischen Symptome sowie zur Resolution der Läsionen im Darmepithel und dient aus diesem Grund nicht nur der Therapie, sondern auch als einzige sichere Methode zur Diagnose dieser Erkrankung 13.
Seit kurzem wird eine mögliche Rolle von Gluten in der Ätiologie zweier weiterer Erkrankungen bei zwei anderen Hunderassen diskutiert. Zum einen scheint Gluten eine wichtige Rolle beim sogenannten „Epileptoid Cramping Syndrome” des Border Terriers zu spielen. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch neurologische Symptome mit Episoden paroxysmaler Dyskinesien, gelegentlich assoziiert mit gastrointestinalen Störungen 15. Postuliert wird, dass es sich bei dieser Erkrankung um die Folge einer erblichen Glutenintoleranz handelt, und mindestens eine Studie zeigt, dass die Fütterung einer glutenfreien Nahrung bei betroffenen Tieren zu einer Resolution klinischer Symptome führen kann 16. Zum anderen gibt es Untersuchungen zur Rolle von Gluten bei der Proteinverlustenteropathie (PLE) und bei der Proteinverlustnephropathie (PLN) des Soft-Coated Wheaten Terriers 17. Die Autoren dieser Studie beobachteten, dass die Gabe von Gluten bei betroffenen Hunden zu einer Reduzierung der Globuline im Blut führte. Sie schlussfolgerten aber, dass an der Pathogenese der Erkrankungen noch weitere Faktoren beteiligt sind und dass es bei dieser Rasse keine echte Glutenintoleranz zu geben scheint.
Im Verlauf der Evolution oder – genauer gesagt – im Verlauf des Prozesses der Domestikation durch den Menschen hat die Spezies Hund die Fähigkeit erworben, Stärke zu verdauen 18. Dies unterscheidet den Hund von seinem Vorfahren, dem Wolf, der diese Fähigkeit zur Stärkeverdauung nicht besitzt. Gut bekannt ist jedoch, dass diese Kapazität nicht bei allen Hunderassen in gleichem Maße entwickelt ist. Einige Hunde, insbesondere die nordischen Rassen, weisen eine niedrigere Stärkeverdauungskapazität auf. Bei Fütterung stärkereicher Nahrung können betroffene Hunde intestinale Störungen entwickeln mit Symptomen wie ungeformtem Kot und Diarrhoe. Ein jüngster Bericht zeigt, dass die Produktion des für die Stärkeverdauung verantwortlichen Pankreasenzyms Amylase bei einigen Hunden nordischer Rassen wie Siberian Husky, Alaskan Malamute, Akita Inu und Shiba Inu eine geringere Effizienz aufweist (Abbildung 6) 19. Zu beachten ist, dass diese Erkrankung von der häufiger zu beobachtenden exogenen Pankreasinsuffizienz unterschieden werden muss. Postuliert wird, dass Stärke bei nordischen Hunderassen während ihrer evolutionären Selektion keine wichtige Energiequelle darstellte. Derselbe Defekt der Stärkeverdauung scheint aber auch bei einigen anderen Rassen vorzukommen, wie zum Beispiel dem Tschechoslowakischen Wolfshund (Abbildung 7), bis heute gibt es aber keine wissenschaftlichen Daten, die diese Ätiologie beweisen würden. Aus diätetischer Sicht sollten stärkeintolerante Hunde also eine stärkefreie Nahrung erhalten oder allenfalls eine Nahrung mit einem Stärkegehalt, den das betroffene Tier noch vertragen kann.
Bei Hunden gibt es zahlreiche weitere Erkrankungen mit einer erblichen Grundlage und einer wie auch immer gearteten Verbindung zur Ernährung. Eine ausführliche Diskussion würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, zwei dieser Erkrankungen sollen hier dennoch kurz erwähnt werden. Zum einen handelt es sich dabei um die bei Zwergschnauzern beschriebene Hypertriglyceridämie 20. Vermutet wird, dass Hunde mit hochgradiger Hypertriglyceridämie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Pancreatitis und/oder Anfälle haben könnten, auch wenn der Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Hypertriglyceridämie bislang nicht bewiesen ist 21. Empfohlen wird für betroffene Tiere eine fettarme Nahrung, angereichert mit Fischöl (Quelle für Omega 3 Fettsäuren, die die Triglyceridkonzentrationen im Serum senken können). Zum anderen wird bei einigen Rassen wie Riesenschnauzer, Border Collie und Beagle gelegentlich ein Defekt der intestinalen Absorption von Vitamin B12 (Cyanocobalamin) beobachtet 22. Hunde, die unter diesem auch als Imerslund-Gräsbeck-Syndrom (IGS) bezeichneten Defekt leiden, können Appetitmangel, mangelnde Gewichtszunahme, Lethargie und ein nach der Nahrungsaufnahme verstärktes Unwohlsein zeigen. Klinisch beobachtet man eine Anämie und eine Proteinurie. Die Behandlung besteht lediglich aus der Langzeitapplikation von Cyanocobalamin.
Die gute Kenntnis der Hunderassen und spezifischer Erkrankungen, für die die verschiedenen Rassen prädisponiert sind, ist eine große Hilfe in der täglichen Praxis und kann den Tierarzt in die Lage versetzen, schneller zur richtigen Diagnose der entsprechenden Erkrankungen zu gelangen. Viele Erkrankungen mit Rasseprädisposition sind ernährungsbasiert und verlangen diätetische Maßnahmen, um die Probleme dauerhaft in den Griff zu bekommen.
Giacomo Biagi
Prof. Biagi schloss sein Studium 1994 in Bologna mit Auszeichnung ab und promovierte (PhD) zum Thema „Qualitative improvement of food for humans”. Mehr lesen
Je mehr wir wissen, desto mehr müssen wir wissen…
Halbtrockene und trockene Tiernahrungen haben in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen...
Die Vielfalt der heute von spezialisierten Tiernahrungsherstellern für Hunde mit chronischen gastrointestinalen...
Wir alle müssen Nahrung aufnehmen, um zu überleben...