Persönliche Empfehlungen… Die Katze mit chronischer Diarrhoe
Tierärzte kennen das Problem der rezidivierenden Diarrhoe bei Katzen nur allzu gut...
Ausgabe nummer 27.1 Verdauungstrakt
veröffentlicht 27/06/2019
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español , English und Українська
Chronische gastrointestinale Erkrankungen bei Katzen haben ihre Ursache in vielen Fällen entweder in einer Inflammatory Bowel Disease oder in einem intestinalen Lymphosarkom. Die Differenzierung zwischen diesen beiden Ursachen kann jedoch problematisch sein. Dr. Al-Ghazlat und Dr. Eriksson de Rezende geben praktischen Tierärzten einige interessante Hinweise.
Klinische Symptome, Blutergebnisse und bildgebende Befunde bei Inflammatory Bowel Disease und kleinzelligem intestinalem Lymphom überlappen sich häufig. Da sich Behandlung und Prognose dieser beiden Erkrankungen jedoch unterscheiden, muss eine genaue Diagnose gestellt werden.
Die endgültige Diagnose beider Erkrankungen erfordert eine histopathologische Beurteilung, wobei transmurale („full-thickness“) Gewebeproben endoskopisch gewonnenen Biopsieproben überlegen sind. Ergänzend zur traditionellen Histopathologie eingesetzte hochentwickelte diagnostische Methoden können die Genauigkeit der Diagnose verbessern.
Diätnahrungen mit neuen oder hydrolysierten Proteinen können zu einer Besserung der Symptome einer IBD führen, für die Aufrechterhaltung der Remission können jedoch Corticosteroide erforderlich sein.
In Fällen einer therapieresistenten IBD sollten vor einer Änderung der Behandlung zunächst Faktoren wie eine mangelhafte Besitzercompliance, weitere Komorbiditäten und eine fehlerhafte Diagnose abgeklärt werden.
Besitzer sollten darüber aufgeklärt werden, dass Katzen mit kleinzelligen intestinalen Lymphomen eine günstige Prognose haben können.
Die Inflammatory Bowel Disease (IBD) und das kleinzellige Lymphosarkom (engl: Small cell Lymphosarcoma oder ScLSA) des Gastrointestinaltraktes (GIT) sind zwei bei Katzen häufig auftretende Erkrankungen mit ähnlichen klinischen Symptomen. IBD bezeichnet eine Gruppe von idiopathischen und chronischen entzündlichen Erkrankungen, die durch persistierende oder rezidivierende klinische Symptome gekennzeichnet sind. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose. Die Ätiopathogenese der IBD ist wahrscheinlich multifaktoriell und umfasst Interaktionen von Wirtsgenetik, Immunsystem und intestinaler Mikroumwelt. Die Ätiologie des ScLSA ist ähnlich komplex, wenig bekannt und wahrscheinlich ebenfalls multifaktorieller Natur. Das in letzter Zeit zunehmende („emerging“) Auftreten des ScLSA des Gastrointestinaltraktes stellt eine diagnostische und therapeutische Herausforderung bei Katzen mit chronischer Enteropathie dar. Zahlreiche Bemühungen zur Standardisierung der Beschreibung endoskopischer und histopathologischer Befunde, kombiniert mit der Anwendung hochentwickelter diagnostischer Methoden, wie zum Beispiel der Immunhistochemie (IHC) und der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), erweisen sich in diesem Zusammenhang als große Hilfe für den Katzenpraktiker.
Die Beurteilung einer Katze mit chronischen Symptomen einer Erkrankung des GIT (Erbrechen, Diarrhoe, Gewichtsverlust und/oder Appetitschwankungen) beginnt mit einem gründlichen, sequenziellen, nicht-invasiven diagnostischen Work-up und einem gut durchdachten und umgesetzten, individuell auf den Patienten zugeschnittenen Behandlungsversuch. Primäres Ziel ist der Ausschluss extragastrointestinaler Erkrankungen, gastrointestinaler Parasiten, nahrungs- oder antibiotikaresponsiver Enteropathien und struktureller intestinaler Anomalien, um die Differenzialdiagnosen letztlich auf IBD oder ScLSA einzugrenzen (Tabelle 1) (Abbildung 1) (Abbildung 2) (Abbildung 3). Die differenzialdiagnostische Unterscheidung zwischen ScLSA und IBD ist schwierig und erfordert eine Reihe relativ invasiver und kostspieliger diagnostischer Maßnahmen 1 2 3 4 5 6 7 8.
Minimale Datenbasis (großes Blutbild, biochemisches Profil und Harnanalyse) zur Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung und für ein Screening auf zugrunde liegende oder begleitende extragastrointestinale Erkrankungen. |
Kotuntersuchung auf Parasiten oder antiparasitäre Versuchsbehandlung mit einem Breitspektrumantiparasitikum. Je nach Indikation im Einzelfall eventuell auch Versuchsbehandlungen auf nahrungs- und antibiotikaresponsive Erkrankungen. |
Bestimmung des Schilddrüsenhormonspiegels bei Katzen > 6 Jahren, insbesondere bei Gewichtsverlust, Polyphagie, Erbrechen und/oder gelegentlicher Diarrhoe. |
Test auf Pancreatitis bei Katzen mit Lethargie, Dehydratation, Hyporexie, Erbrechen und Diarrhoe. |
Test auf exokrine Pankreasinsuffizienz bei Katzen mit Gewichtsverlust, Diarrhoe und gesteigertem Appetit. |
Beurteilung des Cobalaminspiegels zur Bestimmung von Grad und Lokalisation der GIT-Erkrankung und Klärung der Notwendigkeit einer entsprechenden Supplementierung. |
Abdominale Bildgebung: Röntgenaufnahmen können auf Zubildungen und Organomegalie hinweisen oder eine verminderte Detailzeichnung der Serosa zeigen, die auf Ergüsse oder eine Auszehrung hindeutet. Ultraschall ermöglicht eine bessere Beurteilung der Architektur des GIT, des Erscheinungsbildes anderer Organe und einer Lymphadenopathie. |
Spezifische Tests auf regional vorkommende Infektionskrankheiten nach Indikation (z. B. Histoplasmose). |
Endoskopische/chirurgische Biopsie, wenn mit den oben genannten diagnostischen Tests keine zugrunde liegende Ursache ermittelt werden kann. |
Tabelle 1. Vorschlag für ein diagnostisches Workup bei Katzen mit chronischen GIT-Symptomen.
Chronische (> 2 Wochen) persistierende oder rezidivierende gastrointestinale Symptome. |
Unzureichendes Ansprechen auf diätetische, antibiotische und anthelmintische Behandlungen. |
Histopathologische Evidenzen einer Schleimhautentzündung. |
[Keine nachweisbaren anderen Ursachen gastrointestinaler Symptome oder einer gastrointestinalen Entzündung. |
Klinisches Ansprechen auf antiinflammatorische oder immunsuppressive Wirkstoffe. |
Tabelle 2. Kriterien fur die klinische Diagnose einer IBD ( 1 ).
Das Fehlen geeigneter diagnostischer und therapeutischer Standards für Katzen mit chronischer Enteropathie stellt den praktischen Tierarzt oft vor große Probleme. Das insgesamt geringe Verständnis der IBD und die vagen diagnostischen Kriterien führen wahrscheinlich zu Über-/Fehldiagnosen dieses Syndroms 1. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts haben zahlreiche Fachverbände große Anstrengungen unternommen, um Richtlinien und Standards für die Erhebung des Vorberichts, die klinische Untersuchung, labordiagnostische Tests, bildgebende Diagnostik, Endoskopie und Biopsie, histopathologische Befundinterpretation, Versuchsbehandlungen und das Ansprechen des Patienten sowie das Outcome bei Hunden und Katzen mit chronischen Erkrankungen des GIT zu erstellen 1 4 5 6 7. Mit Hilfe einer methodischen Berücksichtigung systematischer Kriterien für die klinische Diagnose der IBD (Tabelle 2) können kostspielige und invasive diagnostische Maßnahmen sowie unnötige antiinflammatorische Langzeitbehandlungen vermieden werden 1.
Das Lymphosarkom (LSA) ist die häufigste hämatopoetische Neoplasie bei Katzen und kann an multiplen anatomischen Lokalisationen auftreten, wobei der GIT am häufigsten betroffen ist 8. Beim gastrointestinalen ScLSA der Katze handelt es sich um eine neu auftretende („emerging“) Erkrankung mit einer bislang nur wenig verstandenen, wahrscheinlich aber multifaktoriellen Pathogenese. Mögliche Risikofaktoren sind chronische Entzündungen, Helicobacter-Infektionen, Retroviren (FeLV, FIV) und eine Zigarettenrauchexposition 8 9 10 11. Sowohl ScLSA als auch IBD sind auf zellulärer Ebene charakterisiert durch eine Infiltration des GIT mit kleinen Lymphozyten. Beide Erkrankungen zeigen überlappende Befunde bei Vorbericht, klinischer Untersuchung, Blutuntersuchung, bildgebender Diagnostik und Histopathologie. Trotz dieser Ähnlichkeiten gibt es zwischen IBD und ScLSA jedoch einige wichtige Unterschiede beim Verlauf der Erkrankung, bei den Behandlungsoptionen und bei der Prognose, die die Notwendigkeit einer genauen Diagnose deutlich machen (Tabelle 3).
Signalment | Keine deutliche geschlechts-, alters- und rassespezifische Prädisposition. Katzen mit LSA sind tendenziell älter mit einem medianen Alter von 9-13 Jahren. |
Klinische Symptome | Häufige klinische Symptome sind unspezifisch bei beiden Erkrankungen und umfassen Gewichtsverlust, Appetitschwankungen, Erbrechen, Diarrhoe und Lethargie. |
Klinische Untersuchung | Dünne Körperkondition, verdickter Darm und mesenteriale Lymphadenopathie kommen bei beiden Erkrankungen vor. Abdominale Zubildungen können bei LSA palpierbar sein. |
Klinische Pathologie | Großes Blutbild und Blutchemie sind bei Katzen mit IBD im typischen Fall normal. Anämie und Hypalbuminämie werden bei 50 % aller Katzen mit LSA gefunden. Hypocobalaminämie ist ein häufiger Befund bei beiden Erkrankungen. |
Bildgebende Diagnostik | Abdominale Röntgenaufnahmen sind nur selten hilfreich. Häufige Ultraschallbefunde bei beiden Erkrankungen sind Verdickungen der GIT-Wand, mesenteriale Lymphadenopathie und eine herabgesetzte Motilität. Befunde, die LSA stützen, sind ein Verlust des normalen Schichtenaufbaus der Darmwand, eine disproportional verdickte Muscularis, fokale intestinale Masseneffekte und Aszites. |
Tabelle 3. Vergleich verschiedener Faktoren bei IBD und ScLSA ( 12 ) ( 13 ).
Wenn es mittels einer gründlichen initialen Diagnostik und entsprechenden Versuchsbehandlungen nicht gelingt, die Ursache einer chronischen Enteropathie festzustellen, wird häufig eine intestinale Biopsie für eine histologische Evaluierung empfohlen. Die Histologie gilt zwar als das Verfahren der Wahl für die Diagnose von IBD und LSA, zahlreiche Faktoren können sich hierbei jedoch als problematisch erweisen. Potenzielle Problemfelder sind eine unzureichende Probengröße, eine fehlerhafte Verarbeitung entnommener Proben, ein segmentaler Charakter der Erkrankung, die Koexistenz von ScLSA und Entzündung beim selben Patienten, das Überlappen histologischer Befunde dieser beiden Entitäten und nicht zuletzt unterschiedliche Meinungen unter Pathologen 1 3 5. Zusätzlich kompliziert wird die Diagnose dadurch, dass eine IBD das Potenzial zum Fortschreiten zu einem LSA besitzt 9.
Eine der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Biopsie des GIT ist die Notwendigkeit, Gewebeproben der richtigen Lokalisation und einer ausreichenden Tiefe zu gewinnen. Die Problematik, dass eine Beurteilung der architektonischen Integrität sämtlicher Gewebekompartimente in endoskopisch gewonnenen Biopsieproben nicht möglich ist, und die Tatsache, dass einige Patienten segmentale pathologische Veränderungen aufweisen, befeuern die Debatte um die für eine Differenzierung zwischen IBD und ScLSA am besten geeignete Methode (also endoskopische Biopsie oder transmurale chirurgische Biopsie?) 5.
Einige wenige Studien befürworten transmurale Biopsien (alle Schichten der gastrointestinalen Wandung umfassend, „full thickness“), indem sie zeigen, dass es bei LSA (im Unterschied zu IBD) häufig zu einer Infiltration über die Schleimhaut hinaus in tiefere Schichten hinein kommt, die die normale Gewebearchitektur zerstört 5. Hinzu kommt, dass intestinale LSAs bei Katzen häufig im Bereich des ileozäkokolischen Übergangs und im Jejunum auftreten, in zwei anatomischen Lokalisationen also, die bei der routinemäßigen Gastroduodenoskopie nicht beprobt werden. Eine vor etwa einem Jahrzehnt durchgeführte prospektive Studie über 22 Katzen, bei denen unmittelbar vor einer Laparotomie oder einem laparoskopischen chirurgischen Eingriff eine Gastroduodenoskopie durchgeführt worden waren, kam zu der Schlussfolgerung, dass endoskopisch gewonnene Biopsieproben nicht geeignet sind, um zwischen IBD und LSA des GIT zu differenzieren, und dass stattdessen transmurale intestinale Proben genommen werden sollten, um zu einer genauen Diagnose zu gelangen 2. Eine erhebliche Einschränkung dieser Studie war jedoch die Tatsache, dass das Endoskop bei acht Katzen nicht durch den Pylorus geführt werden konnte, so dass einige duodenale Proben blind entnommen wurden. Wahrscheinlich hätten die endoskopisch gewonnenen Proben eine höhere Aussagekraft besessen, wenn es in diesen Fällen gelungen wäre, das Duodenum erfolgreich endoskopisch zu penetrieren.
Das ACVIM* sagt, dass Biopsien nicht bei jedem Tier mit chronischer gastrointestinaler Erkrankung geeignet sind, in Fällen aber, in denen Biopsien angezeigt sind, eine endoskopische Methode bevorzugt werden sollte 1. Dieses Statement erkennt aber auch die Vorteile einer chirurgischen Biopsie an, zum Beispiel die Möglichkeit der Entnahme transmuraler Proben und der direkten Adspektion und Beprobung anderer abdominaler Organe. Die Endoskopie bietet auf der anderen Seite aber die Möglichkeit einer direkten visuellen Beurteilung von Schleimhautveränderungen, einer gezielten, direkten Entnahme von Biopsieproben an entsprechend veränderten Stellen (Abbildung 4) und einer Gewinnung multipler Gewebeproben von verschiedenen intestinalen Lokalisationen. Zudem ermöglicht die Endoskopie eine gezielte Diagnose ausgewählter Läsionen (z. B. Ulzera, Erosionen, Lymphangiektasie). Eine umfassende retrospektive Studie über GIT-Proben von insgesamt 63 Katzen (50 chirurgische Proben und 13 endoskopische Proben) ergab eine klare Evidenz, dass die histopathologische Diagnose von ScLSA sowohl falsch-negative als auch falsch-positive Ergebnisse hervorbringen kann, selbst wenn transmurale Proben evaluiert werden 5. Eine weitere retrospektive Studie zeigt, dass die standardmäßige Gastroduodenoskopie bei 44 % der Studienpopulation zu Fehldiagnosen führte 14. Bei acht der 18 Katzen mit der Diagnose LSA wurden neoplastische Zellen ausschließlich im Gewebe des Ileums gefunden, was die Autoren zu der Schlussfolgerung veranlasste, dass die Aussagekraft von Gewebeproben verbessert werden kann, wenn eine Endoskopie sowohl des oberen als auch des unteren GIT durchgeführt wird (14).
* American College of Veterinary Internal Medicine
Die endgültige Bestätigung der Diagnose eines ScLSA des Gastrointestinaltraktes und die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber einer IBD allein auf der Grundlage der traditionellen Histopathologie kann sich aufgrund der zahlreichen oben genannten Gründe als große Herausforderung erweisen. In Forschung und Wissenschaft wurden deshalb zahlreiche hochentwickelte diagnostische Verfahren untersucht, um Pathologen bei der Erstellung genauer Diagnosen dieser Erkrankungen zu unterstützen. Im Zentrum des Interesses stehen in diesem Zusammenhang die Immunhistochemie (IHC) und die Polymerase- Kettenreaktion (PCR) 5 6 7 8 16. Der Nachweis einer klonalen Zellpopulation in einer Läsion ist ein wichtiges Kriterium für die Diagnose einer Neoplasie. Mit Hilfe der PCR kann eine Klonalität bei Lymphozyten nachgewiesen werden, und mit der IHC beurteilt man die phänotypische Uniformität eines lymphozytären Infiltrates. Es handelt sich somit um wertvolle Ergänzungen zur Histopathologie für eine weitergehende und detailliertere Charakterisierung einer Läsion. Zahlreiche Studien belegen, dass IHC und PCR aufgrund ihrer Sensitivität und Spezifität wertvolle ergänzende Tools für eine genaue Differenzierung zwischen ScLSA und IBD sind, selbst wenn nur geringe Gewebemengen zur Verfügung stehen, wie z. B. bei endoskopisch gewonnenen Biopsieproben 5 6 7 8 16 (Abbildung 5) (Abbildung 6). Darüber hinaus könnten die Immunphänotypisierung und die Bestimmung der Klonalität bei Katzen mit LSA des Gastrointestinaltraktes auch einen prognostischen Wert haben 15 16.
Eine Studie untersuchte, welche Auswirkungen eine zusätzliche Berücksichtigung von IHC- und PCR-Ergebnissen ergänzend zur traditionellen Histopathologie auf die Diagnose von LSA des Gastrointestinaltraktes oder IBD hat 5. Die in der Studie untersuchten Katzen wurden zunächst allein auf Basis der routinemäßigen histologischen Untersuchung unterteilt in Tiere mit IBD (19 Katzen) und Tiere mit intestinalem LSA (44 Katzen). Bei zusätzlicher Berücksichtigung der IHC- und PCR-Ergebnisse wurden 10 der ursprünglich 19 IBD-Fälle als Lymphome und 3 der ursprünglich 44 ScLSA-Fälle als IBD reklassifiziert. Diese Studie weist darauf hin, dass es bei ausschließlicher Untersuchung mittels traditioneller Histopathologie bei einer signifikanten Anzahl von Katzen mit intestinalem ScLSA zu Fehldiagnosen kommt, selbst wenn es sich um chirurgisch gewonnene Gewebeproben handelt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse schlagen die Autoren der Studie eine neue diagnostische Herangehensweise vor, bestehend aus einer Schritt-für-Schritt-Strategie. Im ersten Schritt erfolgt zunächst eine übliche histomorphologische Evaluierung intestinaler Biopsieproben, im zweiten Schritt eine IHC und in einem dritten Schritt schließlich eine PCR. Diese systematische Herangehensweise senkt die Wahrscheinlichkeit von Fehldiagnosen und unterstützt den Tierarzt darüber hinaus bei der Erstellung eines geeigneten Therapieplans und der Formulierung einer genaueren Prognose.
Die Behandlung einer vermuteten oder diagnostisch bestätigten IBD umfasst diätetische Modifikationen, eine Cobalamin- Supplementierung (nach Indikation), die Gabe von Antibiotika mit immunmodulatorischen Eigenschaften und eine immunsuppressive Therapie.
Bei Katzen mit vermuteter oder bestätigter IBD wird die Fütterung einer hochverdaulichen Nahrung mit einer neuen, also bei diesem Patienten zuvor noch nie verwendeten Proteinquelle (z. B. Kaninchen, Reh) oder einer Nahrung mit hydrolysierten Proteinen empfohlen. Die klinischen Symptome können sich bereits innerhalb von vier bis acht Tagen nach entsprechender Umstellung der Fütterung bessern. Einige Studien zeigen, dass solche diätetischen Umstellungen eine Besserung klinischer Symptome zwar unterstützen können, dass aber eine immunsuppressive Therapie erforderlich ist, um die auf diesem Wege erreichte Remission aufrechtzuerhalten 17. Bei inappetenten Patienten kann zusätzlich ein Appetit stimulierendes Arzneimittel erforderlich sein (z. B. Mirtazapin 1/8 bis 1/4 einer 15 mg-Tablette pro Katze alle 48 bis 72 Stunden oder Cyproheptadin 1-2 mg/ Katze alle 12 Stunden). In einigen Fällen muss zunächst eine Behandlung mit Glucocorticoiden eingeleitet werden, bevor eine diätetische Umstellung vollzogen werden kann.
Die Wirksamkeit von Probiotika als adjunktive Behandlung bei Katzen mit IBD oder ScLSA ist nicht belegt. Studien bei Katzen zeigen jedoch, dass Probiotika ganz allgemein die intestinale Umwelt und die Funktion des Immunsystems verbessern können 18. Wird eine Behandlung mit Probiotika eingeleitet, kann diese dauerhaft erforderlich sein. Die Wahl des im Einzelfall am besten geeigneten Produktes erweist sich aufgrund der großen Unterschiede in der Qualitätskontrolle bei kommerziellen Produkten jedoch oft als schwierig. Symbiotika enthalten präbiotische Zucker (z. B. Inulin, Fructo-Oligosaccharide) und probiotische Bakterien. Eine neuere Übersichtsarbeit zeigt, dass Katzen mit chronischer Diarrhoe nach Gabe eines markenrechtlich geschützten Symbiotikums über einen Zeitraum von 21 Tagen verbesserte Scores der Kotqualität aufweisen 19.
Cobalamin (Vitamin B12) ist ein Co-Faktor der normalen Nukleinsäuresynthese und wird über spezifische Rezeptoren im Ileum absorbiert. Pathologische Veränderungen in dieser Darmregion können daher zur Entstehung einer Hypocobalaminämie führen, und eine subkutane Supplementierung von Cobalamin (Tabelle 4) kann zu einer Besserung klinischer Symptome und einer Optimierung der Antwort des Organismus auf eine immunsuppressive Therapie führen 12. Eine mögliche Alternative wäre eine orale Supplementierung, bei Katzen sind aber bislang weder die Wirksamkeit oraler Produkte noch entsprechende Dosierungsrichtlinien etabliert.
Arzneimittel | Mechanismus | Indikation | Dosierung | Nebenwirkungen |
---|---|---|---|---|
Prednisolon | Immunsuppression | Fehlendes Ansprechen auf Ernährungsumstellung/antibiotische Therapie oder histopathologisch bestätigte IBD |
2-4 mg/kg/Tag über 2-3 Wochen, dann ausschleichen um 25-50 % alle 2 bis 4 Wochen bis die niedrigste Dosierung erreicht ist, mit der Symptome unter Kontrolle gehalten werden |
[PU/PD, Polyphagie, Kardiomyopathie, Infektionen |
Methylprednisolon | Immunsuppression | Alternative für Patienten, die sich einer oralen Medikation widersetzen | 10 mg/kg SC alle 2-4 Wochen, Reduzierung alle 4-8 Wochen | Wie oben, Diabetes mellitus |
Chlorambucil | Alkylierung von Nukleinsäuren | ScLSA oder therapieresistente IBD | Katzen > 4 kg: 2 mg PO alle 48 Std. Katzen < 4 kg: 2 mg PO alle 72 Std. |
Knochenmarkssuppression, Neurotoxizität |
Ciclosporina | Hemmung der T-Zellfunktion | Hochgradige oder therapieresistente IBD | 5 mg/kg PO alle 12-24 Std. | Erbrechen, Diarrhoe, Hepatopathie |
Azathioprin | Beeinflussung der DNASynthese | Hochgradige oder therapieresistente IBD | 0,3 mg/kg PO alle 48 Std. | Hochgradige Knochenmarkssuppression |
Metronidazol | Wirkung gegen anaerobe Erreger, mögliche immunmodulatorische Eigenschaften | Hochgradige oder therapieresistente IBD | 10-15 mg/kg/Tag PO einmal täglich (25 mg/kg/Tag bei Verwendung von Metronidazolbenzoat) | Neurotoxizität bei Langzeitanwendung |
Cobalamin (B12) | Co-Faktor der Methylierung | Cobalaminspiegel < 300 ng/l | 250 μg SC/Katze einmal wöchentlich über 6 Wochen, dann eine Dosis nach 30 Tagen und erneute Messung nach 30 Tagen; weitere monatliche Injektion, wenn der Spiegel innerhalb des Referenzbereiches liegt |
[Nicht beschrieben |
Tabelle 4. Häufig eingesetzte Arzneimittel zur Behandlung der Inflammatory Bowel Disease bei Katzen ( 20 ) ( 21 ) ( 22 ).
Corticosteroide sind sowohl bei IBD als auch bei ScLSA der Grundpfeiler der Therapie. Bei Katzen wird Prednisolon aufgrund seiner höheren Bioverfügbarkeit gegenüber Prednison bevorzugt. Es gibt mehrere Protokolle für eine ausschleichende Behandlung der IBD mit Corticosteroiden (Tabelle 4), deren Ziel es ist, die niedrigste wirksame Dosierung zu finden, mit der es gelingt, den Patienten frei von klinischen Symptomen zu halten. In seltenen Fällen ist es möglich, das Prednisolon vollständig abzusetzen und den Patienten mit Hilfe einer neuen Nahrung und möglicherweise einem Antibiotikum (z. B. Metronidazol) symptomfrei zu halten. Darreichungsformen von Prednisolon mit aromatisierten Zusätzen tierischen Ursprungs sollten vermieden werden, da sie die Remission der Erkrankung beeinträchtigen können.
Individuelle Katzen können sehr unterschiedliche Reaktionen auf Prednisolon zeigen. Wenn die Therapie unwirksam ist, sollte eine Umstellung auf ein anderes Corticosteroid in Erwägung gezogen werden, wie z. B. Dexamethason oder Methylprednisolon, auch wenn diese Wirkstoffe potenzielle Nachteile haben, wie zum Beispiel eine nicht vorhersagbare Bioverfügbarkeit oder die Entwicklung eines Diabetes mellitus. Budesonid ist ein oral verabreichbares Glucocorticoid mit stark ausgeprägtem hepatischem First-Pass-Metabolismus (d.h. erhebliche Reduzierung der Bioverfügbarkeit durch die erste Leberpassage des Wirkstoffes), so dass potenziell weniger systemische Nebenwirkungen entstehen. Die Wirksamkeit von Budesonid bei Katzen mit IBD ist nicht etabliert, vorgeschlagen werden jedoch empirische Dosierungen von 0,5-0,75 mg pro Katze alle 24 Stunden 20.
Einige Autoren sprechen sich dafür aus, die Anwendung von Chlorambucil in Verbindung mit Steroiden Patienten mit hochgradiger oder rezidivierender IBD vorzubehalten 21. In der Regel wird Chlorambucil alle 48 bis 72 Stunden verabreicht, abhängig vom Gewicht des Patienten (Tabelle 4) 20. Anfangs sollte das große Blutbild alle zwei bis vier Wochen auf sinkende Anzahlen neutrophiler Granulozyten oder Thrombozyten überwacht werden, da dies ein Hinweis auf eine Knochenmarkstoxizität sein kann.
Ciclosporin wird bei einigen Katzen anekdotischen Berichten zufolge mit gewissem Erfolg für die Behandlung der IBD in einer Dosierung von 5 mg/kg ein- bis zweimal täglich eingesetzt 20. Erbrechen, Diarrhoe und Anorexie sind mögliche Nebenwirkungen, die eine Veränderung der Dosierung oder des Dosisintervalls erforderlich machen können. Erkrankungen der Leber, Harnwegsinfektionen und eine Rekrudeszenz einer ruhenden Toxoplasmose können ebenfalls auftreten. Azathioprin wird bei Katzen im Allgemeinen nicht empfohlen, da Fälle mit hochgradiger Knochenmarkssuppression und idiosynkratischer tödlicher Leukopenie und Thrombozytopenie beschrieben werden 23.
Metronidazol kann als Monotherapie bei Patienten mit geringgradiger Entzündung oder in Verbindung mit einem Glucocorticoid eingesetzt werden. Hauptnebenwirkung ist eine Neurotoxizität (Desorientierung, Ataxie, Anfälle, Erblindung), die nach Absetzen des Arzneimittels in der Regel reversibel ist 20.
Die optimale Ernährung für Katzen mit ScLSA orientiert sich an den bei Katzen mit IBD beschriebenen diätetischen Richtlinien (d. h. hochverdauliche Nährstoffe, mit wenigen Inhaltsstoffen, wenn möglich), nach Bedarf ergänzt durch ein Appetitstimulans. Prednisolon wird initial in der Regel in einer immunsuppressiven Dosierung verabreicht und anschließend auf eine Gabe jeden zweiten Tag reduziert, sobald eine Remission erreicht ist. Chlorambucil kann kombiniert mit einem Corticosteroid zu Beginn der Therapie eingesetzt werden, im typischen Fall entweder kontinuierlich (z. B. alle 48 bis 72 Stunden) oder als Bolus (20 mg/m2 PO alle 2-3 Wochen) 24. Die klinische Remissionsdauer scheint bei beiden Protokollen ähnlich zu sein. Auch hier sollte das große Blutbild überwacht und das Chlorambucil abgesetzt werden, sobald die Anzahl segmentkerniger neutrophiler Granulozyten auf unter 1500 Zellen/μl und/oder die Thrombozytenzahl unter 75 000 Zellen/μl sinkt 25. Wenn eine Katze von Beginn an gar nicht oder im weiteren Verlauf nicht mehr auf die kombinierte Glucocorticoid/Chlorambucil-Therapie anspricht, kann eine sogenannte „Rescue“-Therapie (Rettungstherapie) versucht werden, z. B. mit Cyclophosphamid 24.
Katzen mit kleinzelligem Lymphom können eine günstige Prognose haben. Beschrieben wird eine Ansprechrate von 92 % über eine mediane Dauer von > 2,5 Jahren 26. Eine IBD kann bei Katzen mit einer Kombination aus diätetischen Modifikationen und Immunsuppression gut therapiert werden. Der Tierhalter muss jedoch darüber aufgeklärt werden, dass das primäre Ziel der Behandlung eine Besserung der klinischen Symptome ist und dass eine Heilung unwahrscheinlich ist. Eine vorsichtige Prognose muss bei hochgradig geschwächten Patienten und bei Patienten mit hochgradigeren gastrointestinalen Läsionen, eosinophiler Enteritis oder hypereosinophilem Syndrom gestellt werden 27. In therapieresistenten IBD-Fällen sollte die Compliance des Tierhalters (Wurde die Ernährung umgestellt? Werden die Arzneimittel richtig verabreicht?), eventuell vorhandene Komorbiditäten (z. B. Pancreatitis, Cholangitis) und die Genauigkeit der ursprünglichen Diagnose überprüft werden 27. Im letzteren Fall sollte eine Entnahme gastrointestinaler Biopsieproben für eine histologische Beurteilung und eine IHC bzw. einen Klonalitätstest (PARR = PCR for Antigen Receptor Rearrangement) in Erwägung gezogen werden 5.
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