Frühscreening auf Hämaturie bei der Katze
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Ausgabe nummer 29.2 Sonstiges Wissenschaft
veröffentlicht 26/09/2019
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Harninkontinenz ist ein häufiges Problem in der Kleintierpraxis. Rafael Nickel erläutert uns, wie man an solche Fälle herangehen kann und diskutiert einige der neueren Behandlungsoptionen.
Die erfolgreiche Diagnose der Harninkontinenz beginnt mit einer sorgfältigen Befragung des Tierhalters, gefolgt von einer Harnanalyse und einer Ultraschalluntersuchung.
Urethral Sphincter Mechanism Incompetence (USMI) ist die häufigste Ursache der Harninkontinenz und kann gewöhnlich mit einer medikamentösen Langzeittherapie erfolgreich behandelt werden.
Ektopische Ureteren, häufigste Ursache der Harninkontinenz bei juvenilen Hunden, sind in vielen Fällen vergesellschaftet mit USMI, deshalb ist eine chirurgische Korrektur nur in ausgewählten Fällen erfolgreich.
Fehlfunktionen und Schäden der Harnblase, die zur Harninkontinenz führen, sind selten medikamentös erfolgreich zu behandeln. In ausgewählten Fällen ermöglicht ein präpubischer Dauerkatheter eine gute Lebensqualität.
Harninkontinenz wird allgemein als Symptom betrachtet, welches die Beobachtung eines passiven, unbewussten Träufelns von Harn aus dem Urogenitaltrakt voraussetzt. Dabei dürfen sich keine erkennbaren Verhaltens- und Bewegungsmuster eines Harnabsatzes beziehungsweise Miktionsreflexes zeigen 1. Dieser Konsens soll in der Pathophysiologie, Diagnostik und Beurteilung von Therapien die möglichen Ursachen eingrenzen und eine einheitliche Interpretation ermöglichen.
Gezielte Fragen an den Tierhalter dienen der Zuordnung und Eingrenzung:
Mit den gesammelten Informationen kann das weitere Vorgehen gezielter geplant und die Liste der Differentialdiagnosen überschaubarer gemacht werden. Denn die ist recht lang, wie die Tabelle 1 zeigt. Um die wichtigsten möglichen Ursachen im Interesse von Tier und Halter schnell, unkompliziert und kostengünstig zu erkennen, , empfehle ich eine minimale Datenbasis:
Diagnose |
Juvenile Hunde |
Adulte Hunde |
Total |
||
---|---|---|---|---|---|
weiblich | männlich |
weiblich |
männlich |
||
Sphinkterschwäche (USMI) | 64 | 12 | 235 | 9 | 320 |
Ektopische Ureteren (EU) |
90 | 10 | 12 | 4 | 116 |
Keine Diagnose |
6 | 5 | 12 | 10 | 33 |
USMI + EU | 15 | 0 | 2 | 0 | 17 |
Prostataerkrankung |
0 | 0 | 0 | 12 | 12 |
USMI + Detrusorinstabilität | 8 | 1 | 3 | 0 | 12 |
Detrusorinstabilität (DI)** | 2 | 0 | 4 | 5 | 11 |
Neoplasie Blase | 0 | 0 | 5 | 5 | 10 |
Neurologische Ursache | 0 | 0 | 3 | 6 | 9 |
Zystitis |
2 | 0 | 5 | 1 | 8 |
Pseudo-/Hermaphroditismus | 5 | 1 | 1 | 0 | 7 |
Fisteln (ureterovaginal und vesicovaginal) | 0 | 0 | 4 | 0 | 4 |
Neoplasie der Vagina | 0 | 0 | 2 | 0 | 2 |
Abszess im Becken | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 |
Ruptur des Perineums | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 |
Total |
192 | 29 | 289 | 53 | 563 |
Ein kompletter Harnstatus und eine bakteriologische Untersuchung eines Zystozenteseharns sind ideal. Wenn das spezifische Gewicht (USG) < 1.020 liegt, sollte auch eine Abklärung aller Ursachen, die zum Polydipsie/Polyurie Komplex führen, angesprochen werden. Die natürliche Variation des USG bei gesunden Hunden sollte – Berücksichtigung finden, und gegebenenfalls sollten wiederholte Untersuchungen erfolgen. Wenn auch selten ursächlich für die Harninkontinenz, ist eine Harnwegsinfektion immer relevant, denn die Symptome werden dadurch u.U. verstärkt und Therapien schlagen nicht so gut an.
Die Sonographie ist nicht-invasiv, relativ kostengünstig und eine verbreitete Methode. Man kann sowohl Strukturveränderungen der Nieren erfassen, den Harnleiterverlauf, die Größe, Lage und den Inhalt der Harnblase und die Prostata als auch die Funktion der Entleerung. Dafür ist es sinnvoll, den Patienten einmal mit gefüllter Blase und dann noch einmal nach dem Harnabsatz zu untersuchen. Wenn möglich, sollte man den Harnabsatz auch selbst beobachten.
Ultraschall ermöglicht die Messung des nach dem Harnabsatz in der Blase verbleibenden Restharns. Die Messung der Harnblase in den 3 Ebenen (longitudinal, transversal und sagittal), multipliziert mit einem Korrekturfaktor von 0,625 und dann geteilt durch das Körpergewicht ermöglicht eine genaue Volumenbestimmung***. Restharnmengen von > 4 ml/kg KGW waren in einer Studie eindeutig mit neurologischen oder obstruktiven Erkrankungen assoziiert 1.
Mit Hilfe der Sonographie kann zudem die Position der Blase im Abdomen bestimmt werden. Eine weit kaudal gelegene Harnblase, häufig auch mehr birnenförmig, oder mit einem abnormen Winkel des Übergangs vom Blasenhals in die proximale Harnröhre ist ein häufiger Befund bei Hündinnen mit einer Schwäche des Schließmuskelmechanismus (engl. Urethral Sphincter Mechanism Incompetence, abgekürzt USMI), und 80-87 % der Hündinnen mit nachgewiesener Fehlfunktion zeigen dieses Bild 2. Im Ultraschall kann der Grad einer Hypermobilität von Harnblase und Ureteren bestimmt werden 3 (Abbildung 1).
Die häufigste Ursache von Inkontinenz bei juvenilen Hunden, ektopische Harnleitermündungen, kann in der großen Mehrheit der Fälle sonographisch nachgewiesen werden 4. Die auffälligen möglichen Befunde sind ein sogenannter intramuraler Verlauf (Abbildung 2), dilatierte Harnleiter und Nierenbecken und abweichende oder fehlende Jetphänomene.
Das „Jetphänomen“ beschreibt das normale Eintreten von Harn in die Blase aus den Harnleitern, und kann oft bei der Ultraschalluntersuchung nachgewiesen werden. Jetphänomene setzen eine ausreichende Harnproduktion und Peristaltik der Harnleiter voraus. Bei Welpen und manchen erwachsenen Hunden reicht ausreichendes Trinken vor der Untersuchung aus. Zuverlässig erreicht man den nötigen Harnfluss durch Injektion von Furosemid (1-2 mg/kg SC oder IV), je nach Applikationsroute innerhalb von einer Minute (IV) oder nach ca.10 Minuten (SC). Der normale Jet verläuft im longitudinalen Scan in ventro-kaudaler Richtung, im transversalen Scan bogenförmig, beinahe in Form eines Krummschwertes nach lateral (Abbildung 3a) (Abbildung 3b).
Nicht alle Patienten mit Inkontinenz haben zum Vorbericht passende Befunde. Gelegentlich finden sich Harnsteine, Tumoren, Divertikel, und seltene Anomalien (Missbildungen des Urogenitaltraktes wie der Pseudohermaphroditismus ergeben z.B. ebenfalls auffällige sonographische Befunde.
Es gibt keine Methode, mit der Die endgültige Diagnose einer Schwäche des Schließmuskelmechanismus der Harnröhre (engl. USMI) in allen Fällen zu gewährleisten ist, weder mit Computertomographie, Kernspintomographie oder Endoskopie noch mit urodynamischen Untersuchungsmethoden 2. Wenn Anamnese und und Symptomatik auf eine USMI hinweisen, kann eine „diagnostische Therapie“ angezeigt sein, denn die medikamentösen Therapien mit Sympathomimetika oder Hormonen (nur bei kastrierten Hunden) würden bei anderen Ursachen keinen Erfolg zeigen. Allerdings erlaubt ein ausbleibender Effekt keinen Ausschluss der USMI.
Die Computertomographie wird zum sicheren Nachweis oder Ausschluss von ektopischen Ureteren (EU) empfohlen 5, andere Kollegen erreichen die gleiche Genauigkeit mit der Zystourethroskopie 6. Persönlich nutze ich die Zystourethroskopie nur, wenn die sonographische Untersuchung zweifelhafte Ergebnisse liefert, oder zum Nachweis einer Kombination von EU und USMI 7 und zur Entscheidung, welche Therapie sinnvoll erscheint.
Wenn keine Endoskopie zur Verfügung steht, sind retrograde Röntgenkontrastaufnahmen eine weitere Option, gerade bei juveniler Harninkontinenz. Die Urethrographie beim Rüden und die Vaginourethrographie (bei Hündinnen) (Abbildung 4a) (Abbildung 4b) können sehr hilfreich sein, um anatomische Veränderungen im Bereich der Harnröhre nachzuweisen. Urodynamische Untersuchungsmethoden sind nur in wenigen Universitätskliniken verfügbar und gehören nicht zur Routinediagnostik.
In Anbetracht der hohen Erfolgsrate und den wenigen relevanten Nebenwirkungen sind Sympathikomimetika und Östrogene in der Beratung von Tierhaltern für mich fast immer die erste Wahl für die Behandlung der USMI. Die Optimierung des passiven Widerstandes der Harnröhre während der Füllungsphase der Harnblase durch Sympathikomimetika und Östrogene konnte mit urodynamischen Untersuchungen nachgewiesen werden 8 9 10.
Phenylpropanolamin und Ephedrinhydrochlorid sind in vielen europäischen Ländern zugelassene Sympathikomimetika für die Anwendung bei Hunden. Mehrere retrospektive Studien konnten die erfolgreiche Behandlung der Harninkontinenz mit Phenylpropanolamin in 75 % bis 97 % der Fälle belegen, mit Ephedrin in 74 % bis 93 % der Fälle 11 12. Pseudoephedrin, ein in den USA und Australien eingesetztes Stereoisomer des Ephedrins, war in einem Vergleich mit Phenylpropanolamin weniger wirksam und erzeugte mehr Nebenwirkungen 8. Als Nebenwirkungen der Sympathikomimetika wurden Bluthochdruck, Unruhe, Angstzustände, Aufregung und Tachykardie beschrieben 8 9 10 11 12. Retrospektive Analysen von Patienten der Universität Utrecht im Zeitraum von 1990-1996 zeigten derartige Nebenwirkungen in 24 % der Fälle unter Ephedrin und in 9 % der Fälle unter Anwendung von Phenylpropanolamin (unveröffentlichte Daten).
Die Dosis von Phenylpropanolamin wird mit 1-1,5 mg/kg KGW 1-3 Mal täglich oral und von Ephedrin mit 1-4 mg/kg KGW 2-3 Mal täglich oral angegeben. Während zwischen der einmaligen Anwendung einer Langzeit-Formulierung und mehrmaliger täglicher Gabe von Phenylpropanolamin in einer Studie kein Unterschied darstellbar war 12, gab es eine Abnahme des Effekts bei Messungen des Harnröhrenwiderstandes nach einwöchiger Behandlung bei mehrmaliger täglicher Gabe 9. Man vermutet eine Abnahme der Rezeptorempfindlichkeit, wie sie auch bei langfristiger Anwendung beobachtet wird. In einer eigenen retrospektiven Analyse wurde in einem Zeitraum von 2 Jahren unter Phenylpropanolamin in einer Dosierung von 1,5 mg/kg KGW 2 Mal täglich allerdings keine Minderung des Effekts beobachtet. Bei Rüden zeigen beide oben genannten Medikamente deutlich weniger Erfolg als bei Hündinnen.
Östriol ist in den meisten europäischen Ländern ebenfalls zur Behandlung der Harninkontinenz der Hündin zugelassen. Im Gegensatz zu den Östrogenen mit längerer Rezeptorbindungszeit (Östradiol, Diethylstilböstrol etc.) ist bei der Anwendung von Östriol in der vom Hersteller empfohlenen Dosierung bisher keine Knochenmarksdepression beobachtet oder beschrieben worden 13. Es ist trotzdem nur zu Behandlung der kastrierten Hündin zugelassen, und die Richtdosis beträgt 1 mg/Hund/Tag oral. Die individuelle Dosis kann sehr unterschiedlich sein, bei höherer Dosierung treten aber dann auch unerwünschte Nebenwirkungen wie bei der Läufigkeit der Hündin auf (Attraktivität für Rüden, Schwellung der Vulva und Ausfluss)(14). Wie durch urodynamischen Untersuchungen deutlich wurde 10 15 setzt die Wirkung in der klinischen Anwendung später ein als bei den Sympathikomimetika. Die Erfolgsrate in der klinischen Zulassungsstudie lag bei 61 % der Hunde, aber zum Teil erst nach einigen Wochen der Anwendung 14.
Östrogene haben einen Einfluss auf die Rezeptorbindung der Sympathikomimetika und können dadurch einen synergistischen Effekt erzielen 16. Eigene Erfahrungen bestätigen die Wirkung der kombinierten Anwendung bei Hunden, bei denen Sympathikomimetika allein keine Wirkung mehr erzielten, allerdings wurde in einer Studie bei urodynamischen Messungen nach einer Woche der Anwendung dieser Kombinationstherapie eine Abnahme des maximalen Verschlussdruckes in der Harnröhre gemessen, verglichen mit Östriol allein 15.
Rafael Nickel
Bei Hündinnen, bei denen die medikamentöse Therapie keinen Effekt erzielt oder mit der Zeit eine nachlassende Wirkung zeigt, aber auch bei Unverträglichkeit der Medikamente, kann versucht werden, mechanisch Einfluss auf den Harnröhrenwiderstand zu nehmen.
Eine aus Sicht der Tierhalter attraktive Therapiemethode stellt die endoskopische Injektion von Bioimplantaten in die Mukosa der Harnröhre dar (Abbildung 5a) (Abbildung 5b). Unter Allgemeinanästhesie werden drei bis vier Depots eines injizierbaren Implantatmaterials (Collagen oder Polymer) zystoskopisch etwa 1,5 cm distal des Blasendreiecks zirkulär eingebracht. Die Erfolgsrate ist unterschiedlich, einer Langzeitstudie zufolge zeigten 27 von 40 Hündinnen (68 %) ein gutes Ergebnis bei einer Wirkungsdauer von 1-64 Monaten (Mittelwert 17 Monate). Nebenwirkungen wie Hämaturie oder vorrübergehende Strangurie treten im Allgemeinen selten auf und sind moderater Natur 19. Zum Einsatz kommen verschiedene Bioimplantate, wie Kollagen, das nicht mehr erhältlich ist, weshalb ich seit 2012 Dextranomer Copolymer/Hyaluronsäure verwende. Eine retrospektive Analyse von 50 Hündinnen zeigte keinen signifikanten Unterschied in Verlauf und Wirkung, wenn auch numerisch das Ersatzpräparat mit 58 % eine etwas geringere Erfolgsrate hatte 20.
Die unter Chirurgen zurzeit populärste Methode ist die Implantation einer Silikonmanschette um die Harnröhre, die wie ein hydraulischer Okkluder wirkt (artificial urethral sphincter; AUS) 21. Die Manschette hat einen Hohlraum und ist mit einem Port unter der Haut verbunden, in den durch Injektion kleiner Mengen steriler Kochsalzlösung der Widerstand an die individuellen Bedürfnisse des Hundes auch im Verlauf angepasst werden kann (Abbildung 6). Auch hier variieren die Erfolgsraten, wobei einige Hündinnen nach dem Eingriff vollständig kontinent werden, während andere eine deutliche Minderung der Symptome zeigen. Beobachtete Komplikationen waren Dysurie, Hämaturie und Harnwegsinfektion. Das Ergebnis kann auch abhängig sein von der Compliance der Besitzer bei der Anwendung des Ports. In einer Studie an 27 Hündinnen führten Komplikationen bei zwei Tieren zur Entfernung des Systems, eine hohe Tierhalterzufriedenheit konnte jedoch bei 22 der Hündinnen erzielt werden 21. Eigene Erfahrungen mit dem AUS-System bei mehr als 40 Hündinnen und 25 Rüden über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren ergaben ähnliche Ergebnisse und Komplikationen. Die für Hunde und Halter schlimmste Komplikation ist die Stenose/Striktur unter der Manschette, dort bildet sich ein Bindegewebsring, sodass der Okkluder wieder entfernt und das Gewebe eingeschnitten werden muss. In solchen Fällen kann man trotzdem noch auf andere Techniken, wie die endoskopische Injektion, oder weniger gebräuchliche Techniken, wie die Kolposuspension und/oder Urethropexie bzw. Vasopexie ausweichen 22 23.
Harninkontinenz kann die Folge einer Hyperreflexie des Detrusors sein, wobei eine Hyperaktivität des Detrusormuskels während der Füllungsphase der Harnblase ohne dementsprechende Reaktion der Harnröhre zu einer Harnleckage führt. Die endgültige Diagnose erfordert eine simultane Urethrozystometrie 10. In wenigen Fällen sprechen Hunde mit Verdacht auf USMI, die auf oben aufgeführte Medikamente nicht reagieren, unter Umständen auf Produkte aus der Humanmedizin an, die bei Menschen mit Detrusorinstabilität verschrieben werden. Genannt sei hier das Oxybutynin, das in einer Dosierung von 0,3 mg/kg 3x täglich auch bei Hunden wirksam und verträglich ist, bei längerer Anwendung allerdings Obstipation und verminderte Tränenproduktion verursachen kann.
Der Nachweis ektopischer Uretermündungen bei inkontinenten Hunden durch die Bildgebung oder Endoskopie bedeutet nicht immer, dass eine Korrektur der Einmündung auch zur Kontinenz führt. Dies liegt sehr wahrscheinlich daran, dass viele der betroffenen Hündinnen gleichzeitig USMI haben 7 24. Man kann die Erfolgsrate der chirurgischen Techniken deutlich erhöhen, wenn folgende Kriterien vorliegen 7:
Wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind ist die Wahrscheinlichkeit einer USMI erheblich höher. Man kann in solchen Fällen versuchsweise, auch bei Welpen, Phenylpropanolamin einsetzen. Bei Effekt empfehle ich, die Behandlung bis zur Geschlechtsreife fortzusetzen. Wenn kein ausreichender Effekt erzielt wird, führe ich eine endoskopisch begleitete Laserablation (siehe unten) durch und gegebenenfalls auch gleich die oben angeführte submuköse urethrale Injektion mit einem Bioimplantat.
Die endoskopisch assistierte Laserablation (Abbildung 7) ist zwar eine attraktive Technik zur Behandlung von EU, aber nur bei Rüden sind die Ergebnisse ausreichend zufriedenstellend 25. Die Technik basiert auf der Transsektion der medialen Wand des ektopischen Ureters mit einem Laser zur Schaffung einer Öffnung in das Blasenlumen. Bei Hündinnen ist bei einem langen intramuralen Verlauf des Ureters der Schaden am Schließmuskelmechanismus wohl zu schwerwiegend, dadurch ist die Erfolgsrate niedriger als bei den chirurgischen Techniken 26. Die deutlich seltener auftretenden extramural verlaufenden ektopischen Ureteren können mit dieser Methode nicht korrigiert werden.
Die klassische chirurgische Methode zur Behandlung von EU ist die Ureteroneozystostomie, bei der der ektopische Verlauf stillgelegt oder teilentfernt wird und der normale Ureterabschnitt mit der Harnblasenmukosa vernäht wird 26. Die genaue Lokalisation der neuen Implantation spielt keine Rolle, eine Stenose an der Anastomosestelle kann aber zum Beispiel durch Spatulation (Einkerbung des Ureters) und spezielle Nahttechniken weitgehend vermieden werden (Abbildung 8). Ein antegrad liegender Katheter für dauerhaften Harnabfluss während der ersten 24 Stunden verringert deutlich das Risiko auf Komplikationen wie Nahtdehiszenz und Uroabdomen. Mit dieser Methode wurden in einer Studie 72 % der operierten Hündinnen und Rüden wieder kontinent 26. Eine eigene retrospektive Studie von 20 Hündinnen ergab eine Erfolgsrate von 80 % 27.
Eine unzureichende Entleerung der Harnblase führt sehr häufig zur Harninkontinenz, die klassische Form wird Überlaufblase genannt. Manchmal scheinen betroffene Hunde jedoch noch, zum Harnabsatzin der Lage und entleeren Teilmengen durch externen Druck auf das Abdomen. Einige der zugrundeliegenden Ursachen wir z.B. Diskopathie und Trauma am Rückenmark sind reversibel. Langfristige Überdehnung bei funktionellen und mechanischen Obstruktionen kann jedoch irreversible Schäden des Detrusormuskels hinterlassen. Darüber hinaus gibt es auch eine idiopathische Lähmung der Harnblase.
Ungeachtet der Ursache und der Prognose ist ein Management nötig, bei dem die Harnblase mindestens einmal täglich entleert werden sollte. Dies gelingt im Gegensatz zu Katzen bei der Mehrheit der Hunde nicht in ausreichendem Maße. Daher ist ein Kathetermanagement erforderlich; entweder mit Hilfe eines Dauerkatheters oder eines intermittierend gelegten Katheters. Beim intermittierenden Katheterisieren gibt es einige technische und logistische Probleme. Einigen Tierhaltern gelingt es vielleicht bei Rüden, bei kleineren Hündinnen kann es auch für den Tierarzt schwierig werden. Außerdem entwickeln viele Hunde bei dauerhafter intermittierender Katheteranwendung schwere Infektionen, die dann zum Tod oder zur Euthanasie führen können 28.
Ein präpubischer Katheter hat sich als relativ unkomplizierte Methode zur Behandlung dieser Erkrankung bewährt und wird von der großen Mehrheit der Tierhalter sehr positiv bewertet, zumal auch die Hunde davon kaum beeinträchtigt sind. Der chirurgische Eingriff umfasst eine nur sehr kleine Inzision zur Platzierung eines Foleykatheters in der Harnblase, der durch einen subkutanen Tunnel nach außen verläuft. Ich verwende in der Regel einen 30 cm, langen Foleykatheter, wobei 20 cm im Patienten verbleiben. Die Lage der Austrittsstelle des Katheters kann man von der Größe des Tieres abhängig machen, ich bevorzuge kranial des Nabels, wenn möglich (Abbildung 9). Der lange subkutane Verlauf stellt eine Barriere gegen aufsteigende Infektionen dar und gewährleistet einen besseren passiven Verschluss. Der Bindegewebskanal um den Katheter wird mit der Zeit solide, sodass auch ein Austausch leicht erfolgen kann. Ich empfehle einen routinemäßigen Austausch nach drei Monaten aus hygienischen und technischen Gründen. Wenn man großlumige Katheter verwendet (z. B. > 12 Charr./Fr) kann man sie leichter austauschen oder ersetzen. Der Ballon an der Katheterspitze hält den Katheter in Position, die Füllung erfolgt mit isotonischer Kochsalzlösung und liegt je nach Katheterdurchmesser zwischen 3 und 15 ml. Das Management erfordert ein sorgfältiges Handling des Katheters und eine Entleerung der Blase mehrmals täglich. Relevante Komplikationen wie versehentliche Entfernung oder Schäden am Katheter treten in 15 % der Fälle auf, und Infektionen in etwa 20 % 29. In einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren habe ich 35 solcher Operationen ausgeführt, davon 14 bei neurologischen Ursachen und die anderen wegen obstruktiver Neoplasien der Harnröhre.
* Holt PE. Urinary incontinence in dogs and cats. Vet Rec 1990;127:347-350.
** Verdachtsdiagnose oder Befund der Zystometrie
***Lisciandro GR, Fosgate GT. Use of AFAST Cysto-Colic View urinary bladder measurements to estimate urinary bladder volume in dogs and cats. J Vet Emerg Crit Care 2017;27(6):713-717.
Harninkontinenz ist ein ernst zu nehmendes Problem für die betroffenen Hunde, es beeinträchtigt die Lebensqualität der Tiere und der Tierhalter und kann gravierende gesundheitliche Probleme hervorrufen. Nicht selten werden betroffene Hunde deshalb abgegeben oder euthanasiert. Mit der sonographischen Untersuchung kann man viele Ursachen erkennen und gezielt behandeln. Für die häufigsten Ursachen von Harninkontinenz gibt es eine Vielzahl von Behandlungsoptionen mit akzeptabler Erfolgsrate und wenigen gravierenden Komplikationen.
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