Frühscreening auf Hämaturie bei der Katze
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Ausgabe nummer 29.2 Sonstiges Wissenschaft
veröffentlicht 24/10/2019
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Română , Español und English
Die feline idiopathische Zystitis ist eines der häufigsten Probleme in der Kleintierpraxis. Isabelle Demontigny-Bédard gibt uns einen Überblick über diese Erkrankung und diskutiert insbesondere Verhaltensaspekte, die beim Umgang mit diesem Problem berücksichtigt werden sollten.
Feline idiopathische Zystitis ist eine Erkrankung, die die ableitenden Harnwege mit einbezieht, also keine medizinische Erkrankung der ableitenden Harnwege.
Feline idiopathische Zystitis entsteht, wenn eine empfängliche Katze internem oder externem Stress ausgesetzt ist.
Die Behandlung dieser Erkrankung umfasst die Einleitung verschiedener Umweltmodifikationen, die auf eine Stressreduzierung abzielen.
Eine medikamentöse Therapie kann bei idiopathischer Zystitis erforderlich sein, sie sollte aber immer kombiniert werden mit geeigneten Maßnahmen gegen die beteiligten spezifischen Risikofaktoren.
Intermittierende Dysurie, Strangurie, Hämaturie, Pollakisurie und/oder Periurie ohne nachweisbare medizinische Ursache bei einer Katze können für eine feline idiopathische Zystitis oder FIC sprechen. Dabei handelt es sich um die Erkrankung, die bei dieser Spezies am häufigsten klinische Symptome im Bereich der ableitenden Harnwege hervorruft. Eine feline idiopathische Zystitis entsteht, wenn eine empfängliche Katze internem oder externem Stress ausgesetzt ist. Zunehmend anerkannt wird, dass es sich bei der FIC um eine Erkrankung handelt, die die ableitenden Harnwege mit einbezieht, aber nicht um eine medizinische Erkrankung der ableitenden Harnwege.
Bei gesunden Katzen wird das Urothel durch eine aus Glykosaminoglykanen (GAGs) bestehende Schicht geschützt. Bei Katzen mit FIC ist die Ausscheidung von GAGs im Harn herabgesetzt 1. Ist die Integrität der GAG-Schicht und/oder des Urothels beeinträchtigt, kann es zum Kontakt zwischen Substanzen im Harn und sensorischen Nerven der Blase kommen, wodurch eine neurogene Entzündung ausgelöst werden kann 2. Bei Katzen mit FIC ist darüber hinaus eine erhöhte Permeabilität der Harnblase dokumentiert 3.
Bei Katzen mit FIC wird eine Steigerung der Immunreaktivität von Tyrosinhydroxylase im Locus coeruleus und im Nucleus paraventricularis des Hypothalamus beschrieben (Abbildung 1) 4. Tyrosinhydroxylase ist ein geschwindigkeitsbestimmendes Enzym der Umwandlung von Tyrosin zu Katecholaminen, wie zum Beispiel Norepinephrin. Katzen mit FIC produzieren deshalb mehr Katecholamine und weisen höhere zirkulierende Katecholaminkonzentrationen auf als Katzen ohne FIC 5. Die Folge ist eine Überaktivierung des sympathischen Teils des Nervensystems. Zudem führt eine chronische Stimulation der Alpha-2-Rezeptoren des Locus coeruleus zu deren Desensibilisierung und beeinträchtigt damit ihre Rolle bei der Hemmung der Freisetzung von Katecholaminen, was wiederum zur entzündlichen Antwort beiträgt 2.
Da FIC-Symptome oft im Zusammenhang mit einer Exposition gegenüber Stressoren auftreten, ist die Feststellung interessant, dass Katzen mit FIC eine suboptimale Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) zeigen. Eine Studie zeigt in der Tat, dass die Applikation exogenen Corticotropin-Releasing- Hormons bei Katzen mit FIC nicht zu einem Anstieg von ACTH und Cortisol führt 6. Eine weitere Studie berichtet, dass die Nebennieren bei Katzen mit FIC kleiner sind als bei gesunden Katzen 7.
Die identifizierten Risikofaktoren für FIC variieren von Studie zu Studie, bestimmte Elemente werden jedoch in mehreren Quellen hervorgehoben. Tendenziell handelt es sich bei den betroffenen Katzen um übergewichtige männliche Tiere mittleren Alters 8. Ebenfalls beschrieben werden umweltbedingte Risikofaktoren wie ein ausschließliches Indoor-Leben, eine niedrige Aktivität und das Zusammenleben mit mehreren Katzen in einem Haushalt 8. Weitere bekannte Risikofaktoren sind Konflikte mit anderen Katzen, Umzüge sowie Nervosität oder Ängstlichkeit 8.
FIC ist eine Ausschlussdiagnose. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind Urolithiasis, Verhaltensprobleme wie Markieren oder Harnabsatz im Haus und Harnwegsinfektionen. Nach Erhebung des Vorberichts widme ich mich zunächst den grundlegenden diagnostischen Schritten wie klinische Untersuchung, Harnanalyse und Röntgenaufnahmen des Abdomens. In rezidivierenden oder persistierenden Fällen sollte zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung des Harntraktes in Erwägung gezogen werden. Bei der ersten Konsultation empfehle ich in der Regel eine Ergänzung der Harnanalyse durch eine hämatologische und eine biochemische Untersuchung sowie eine Bestimmung der Gesamt-T4-Konzentration. Weisen die genannten diagnostischen Maßnahmen nicht auf eine Erkrankung hin oder lediglich auf eine Harnblasenentzündung, sollte im nächsten Schritt ein detaillierterer Vorbericht (Tabelle 1) erhoben werden, um abzuklären, ob Risikofaktoren einer FIC vorhanden sind, und um mögliche Stressquellen in der Umwelt des Patienten zu erkennen.
Bekannte Gesundheitsprobleme und deren Behandlung
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Bekannte Verhaltensprobleme und deren Behandlung |
Jegliche Veränderungen des Verhaltens |
Übermäßige oder verminderte Fell-/Körperpflege |
Lebensweise
• Zugang nach draußen
• Aktivitätslevel
• Strukturierte Perioden der Interaktion mit dem Halter
• Präsenz anderer Tiere im Haushalt oder draußen
• Katzen
• Hunde
• Interaktionen
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Zugang zu Ressourcen
• Erhöhte Einrichtungen zum Klettern und Ruhen
• Futter- und Trinkwasserbereiche
• Katzentoiletten
• Futterspendende oder andere Spielzeuge
• Abwechslung/Rotation bei Spielzeugen
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Reaktion auf gewohnte und ungewohnte Stimuli
• Erschrecken
• Verstecken
• Aggression
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Veränderungen von Routinen und Umwelt
• Umzug
• Neues Familienmitglied
• Veränderte Abläufe
• Veränderte Möblierung
• Renovierung
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Pflege der Katzentoilette |
Der Behandlungsplan bei FIC kann von Katze zu Katze variieren, er sollte aber stets mögliche Stressquellen für das betroffene Individuum sowie deren Reduzierung oder Eliminierung berücksichtigen (Tabelle 2). Bei der Behandlung dieser Erkrankung lege ich den Fokus auf konkrete Modifikationen der Umwelt des Patienten, die darauf abzielen, Stress zu reduzieren. Eine Studie über einen Zeitraum von 77 Wochen untersuchte das Auftreten von Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes, des Harntraktes und der Haut sowie abnormes Verhalten bei Katzen mit FIC und bei Katzen ohne FIC 9. Jegliche Veränderungen von Routinen oder der Umwelt der Katzen wurden aufgezeichnet. Dazu gehörten Veränderungen im Bereich der Haltung und Pflege, ein Mangel an Kontakt zu der üblicherweise für die Versorgung und Pflege der Katze verantwortlichen Person, veränderte Fütterungsroutinen sowie mangelnde Spielzeit und ein Mangel an Umweltbereicherung. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Exposition gegenüber solchen Veränderungen das relative Risiko einer partiellen Anorexie, eines ausbleibenden Kot- und Harnabsatzes über 24 Stunden und eines Kot- und Harnabsatzes außerhalb der Katzentoilette in signifikantem Maße steigert. Diese Veränderungen wurden in gleichem Maße bei Katzen mit FIC und bei Katzen ohne FIC festgestellt. In einer kontrollierten und bereicherten Umwelt scheint es möglich, dass zu FIC neigende Katzen keine weiteren Episoden klinischer Symptome oder eines abnormen Verhaltens entwickeln 9. Deshalb ist es so wichtig, bei Katzen mit FIC maximale Anstrengungen zu unternehmen, um mögliche Stressquellen zu reduzieren.
Merkmal | Beispiele |
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Unangenehme sensorische Faktoren | Kalte Temperaturen, raue Oberflächen, laute Geräusche, unangenehme oder starke Gerüche |
Neues |
ungewohnte Person, Umzug |
Nicht erfüllte Erwartungen der Katze |
Veränderungen von Abläufen, Verzögerung bei den Fütterungszeiten, Mangelnde Vorhersagbarkeit bei der Reinigung der Katzentoiletten |
Katze ist nicht in der Lage, ihre Umgebung zu kontrollieren | Keine Möglichkeiten zu klettern oder sich zu verstecken; zwangsmäßiges oder ungeeignetes Handling der Katze; Unmöglichkeit, arttypisches Verhalten auszuleben |
Die Indoor Pet Initiative an der The Ohio State University ist eine hervorragende und kostenlose Online-Plattform für Tierhalter und für im Bereich Tiergesundheit tätige Berufsgruppen zur Unterstützung dieser Ziele 10. Stress, unter dem ein Tier leidet oder der ein Tier beeinträchtigt, muss als kontinuierlich betrachtet werden, mit anderen Worten: Stress ist kumulativ. Das Ziel ist es, den Stresslevel der Katze unterhalb ihrer individuellen Reaktions- oder Erkrankungsschwelle zu halten. Als wirksam hat sich hierbei die Strategie einer Multimodal Environmental Modification (MEMO) erwiesen 11. Dieses Konzept umfasst die im Folgenden näher beschriebenen Elemente.
Wenn es darum geht, eine optimale Katzentoilette zu gestalten, müssen vier zentrale Kategorien berücksichtigt werden: Das Substrat, das Behältnis, die Sauberkeit und der Aufstellungsort (Tabelle 3).
Substrat
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Box |
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Sauberkeit |
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Aufstellung |
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Zu empfehlen ist ein klumpendes, nicht parfümiertes und fein texturiertes Substrat. Der Boden der Katzentoilette sollte mindestens 5 cm hoch mit Katzenstreu bedeckt sein.
Isabelle Demontigny-Bédard
Katzentoiletten müssen groß sein. Die meisten Autoren schlagen mindestens das 1,5fache der Körpergröße der Katze von der Nasenspitze bis zur Schwanzbasis vor. Die Katze muss in der Lage sein, vollständig in die Katzentoilette einzusteigen, sich darin zu drehen und mit ausgestreckten Gliedmaßen zu scharren. Die meisten kommerziell angebotenen Katzentoiletten erfüllen diese Kriterien nicht. Ich empfehle häufig die Verwendung großer Lagerkisten, die im Handel zum Beispiel als Unterbettboxen angeboten werden. Diese Boxen bieten eine ausreichend große Oberfläche und haben relativ niedrige Ränder, die den Katzen das problemlose Betreten der Katzentoilette erleichtern. Einige Besitzer sind sehr kreativ und verwenden andere Behältnisse, die den geforderten Kriterien entsprechen (Abbildung 2). Wählen Besitzer Lagerboxen mit hohen Rändern, empfehle ich, eine ausreichend große Einstiegsöffnung in die Wand einer Seite zu schneiden, damit die Katze einen leichteren Zugang hat. Katzentoiletten müssen einmal jährlich vollständig ausgetauscht werden, da Plastik ein poröses Material ist.
Die meisten Autoren empfehlen Katzentoiletten ohne Dach bzw. Abdeckung. Mindestens eine Studie berichtet jedoch, dass die Frage, ob mit oder ohne Dach für die meisten Katzen keinen wirklichen Unterschied darstellt 12. Der Aufstellungsort der Katzentoilette, ihre Sauberkeit und die Art des Substrates scheinen für die meisten Katzen eine wichtigere Rolle zu spielen als das Vorhandensein oder Fehlen einer Abdeckung. Dennoch empfehle ich eher nicht abgedeckte Katzentoiletten, da Besitzer sich tendenziell besser um die Reinhaltung und Pflege der Toilette kümmern, wenn die Hinterlassenschaften ihrer Katzen deutlicher sichtbar und/oder olfaktorisch wahrnehmbar sind. Wenn mehr als eine Katze im Haushalt lebt, muss die Anzahl der zugänglichen Katzentoiletten ausreichend hoch sein, damit nicht eine Katze den Zugang zu sämtlichen Katzentoiletten blockieren kann. Aus diesem Grund wird häufig empfohlen, insgesamt eine Katzentoilette mehr aufzustellen, als Katzen im Haushalt leben.
Die Sauberkeit der Katzentoilette ist ein Schlüsselelement. Die Hinterlassenschaften der Katzen müssen mindestens täglich aus der Toilette entfernt werden. Die Erfahrung zeigt, dass es sich bei der gründlichen Reinigung der Katzentoilette um den von Katzenhaltern am häufigsten vernachlässigten Aspekt handelt. Eine vollständige und gründliche Reinigung sollte bei Verwendung klumpender Katzenstreu mindestens einmal pro Monat erfolgen, bei nicht-klumpendem Substrat sogar noch häufiger. Diese Grundreinigung umfasst die vollständige Entsorgung des gesamten Substrates, das Auswaschen der Katzentoilette mit heißem Wasser und Spülmittel und schließlich das Wiederbefüllen mit frischer Katzenstreu nach vollständiger Trocknung der Box.
Schließlich sollten Katzentoiletten leicht zugänglich sein und an möglichst störungsarmen Orten im Haushalt aufgestellt werden. In Häusern mit zwei oder mehreren Etagen sollte mindestens eine Katzentoilette in jeder Etage vorhanden sein. Mehrere Katzentoiletten in einem Raum gelten letztlich nur als eine Katzentoilette, da sich den Zugang betreffend kein wirklicher Vorteil ergibt, wenn mehr als eine Katzentoilette in einem Raum angeboten wird.
Dreidimensionaler Raum ist eine wichtige Umweltressource für Feliden. Auch Indoor-Katzen sollten über ein ausreichendes Raumangebot verfügen können, das ihnen das Ausleben ihres arttypischen Verhaltens ermöglicht. Es empfiehlt sich daher, eine vielfältige Auswahl mehrerer höherer Einrichtungen anzubieten, die Katzen zum Klettern und zum Ruhen verwenden können. In Haushalten mit mehr als einer Katze ist es meiner Meinung nach ganz wesentlich, dass einige dieser Einrichtungen größenmäßig für nur eine einzige Katze konzipiert sind. Das heißt, wenn eine Katze einen höher gelegenen Platz besetzt hat, sollte es für andere Katzen schwierig sein, diesen Platz einzunehmen und die dort bereits sitzende Katze zu verdrängen.
Stabile Kratzpfosten aus verschiedenen Materialien und in einer ausreichenden Höhe, so dass sich die Katze beim Kratzen vollständig strecken kann, sollten in der Nähe der Ruhebereiche zugänglich sein.
Katzen sind Prädatoren, die in freier Wildbahn kleine Beutetiere jagen, wobei zahlreiche Jagdversuche auch erfolglos enden. Insbesondere bei Indoor-Katzen sollte die Zeit der Nahrungsaufnahme diese natürlichen Verhältnisse nach Möglichkeit widerspiegeln. Besonders zu empfehlen sind in diesem Zusammenhang futterspendende Spielzeuge, die Katzen dazu anregen, für ihre Nahrung zu arbeiten und ihre Umwelt aktiv zu erkunden. Diesbezügliche Präferenzen variieren von Katze zu Katze, und es empfiehlt sich, entsprechende Gegenstände von Zeit zu Zeit auszutauschen oder zu rotieren, um das Interesse der Katze aufrechtzuerhalten und stets eine adäquate mentale Stimulation zu gewährleisten. Einige Spielzeuge sind mit mehr Bewegung verknüpft, während andere eher statischer Natur sind, dafür aber einen vermehrten Einsatz der Pfoten verlangen (Abbildung 3).
Wichtig ist es, sicherzustellen, dass alle Katzen jederzeit freien Zugang zu sämtlichen notwendigen Ressourcen haben, insbesondere in Haushalten mit mehreren Katzen. Für die Nahrungsaufnahme, das Trinken, das Ruhen und das Kratzen etc. sollten deshalb immer mehrere Orte und verschiedene Optionen angeboten werden. Katzen, die im selben Haushalt zusammenleben, sollten nie gezwungen sein, ihre Wege kreuzen zu müssen, um zu den Ressourcen zu gelangen, oder dieselben Ressourcen nutzen zu müssen, wenn sie dies nicht freiwillig möchten. Es ist ratsam, sämtliche Ressourcen auf jeder Etage des Hauses anzubieten, selbst in Haushalten mit nur einer Katze. So ist sichergestellt, dass eine Katze, die eine Katzentoilette aufsuchen möchte, nicht erst Treppen steigen muss, um zur Katzentoilette zu gelangen und ihre Bedürfnisse zu decken. Gleiches gilt, wenn Besucher kommen, das heißt, die Katze muss ausreichend Möglichkeiten haben, in ihren Komfortzonen zu verharren, wenn sie nicht aus eigenem Willen mit dem Besucher interagieren möchte.
Wie oben erwähnt können bereits kleine Abweichungen der Routine ausreichen, um Veränderungen des Appetits und der Kot-/Harnausscheidung hervorzurufen und sogar zu Unsauberkeitsproblemen führen. Es wird deshalb empfohlen, für möglichst stabile Abläufe und Umweltbedingungen zu sorgen. Sind Veränderungen unausweichlich, sollten diese nach Möglichkeit graduell eingeführt werden. Wenn zum Beispiel eine Umstellung der Ernährung erforderlich ist, wird empfohlen, die bisher gewohnte Nahrung weiterhin an der üblichen Futterstelle anzubieten und die neue Nahrung auf schonende Weise am selben Ort einzuführen. Dabei gibt man schrittweise immer geringere Mengen der gewohnten Nahrung und ersetzt diese allmählich durch immer größere Mengen der neuen Nahrung.
Wichtig sind zudem möglichst strukturierte und vorhersagbare Interaktionen mit den Katzenhaltern. Um dies zu gewährleisten, sollten Bestrafungen vermieden werden, da diese in der Tat die Stressbelastung erhöhen und die Mensch-Tier-Bindung schwächen können. Ich empfehle meinen Kunden, die Lieblingsinteraktionen ihrer Katze herauszufinden und täglich zur selben Zeit bestimmte Perioden für solche Aktivitäten zu reservieren. Zum Beispiel Bürsten am Morgen nach dem Frühstück, dann eine Spielzeit mit einem Spielzeug an einem Stock nach der Arbeit und schließlich Streicheln am Abend vor dem Schlafengehen.
Viele Nahrungen für Katzen sind darauf ausgelegt, die Gesundheit des Harntraktes aufrechtzuerhalten. Bis heute gibt es aber keine Studien, die eindeutig belegen, dass solche Nahrungen in sämtlichen Fällen von FIC hilfreich sind. Bei der Behandlung solcher Patienten lege ich den Fokus deshalb eher auf die Wasseraufnahme und weniger auf die spezifische Zusammensetzung der Nahrung, wobei ich natürlich immer darauf achte, dass die Katze ausgewogen ernährt wird. Ich ermutige Katzenhalter, die Wasseraufnahme ihrer Katze zu steigern und empfehle in vielen Fällen, so oft wie möglich Feuchtnahrung (Dosennahrung) anzubieten, da dies Untersuchungen zufolge zu einer niedrigeren FIC-Rezidivrate führen kann 8 13 14. Oft empfohlen wird die Verwendung von Trinkbrunnen für Katzen mit FIC. Eine Studie stellte jedoch fest, dass Trinkbrunnen in einer Katzengruppe nicht zu einer statistisch signifikanten Steigerung der Wasseraufnahme führten; beobachtet wurden dagegen deutliche individuelle Präferenzen für die Art des Trinkwasserangebotes 15. Es scheint daher ratsam, zunächst einen Trinkbrunnen und einen gewöhnlichen Wassernapf anzubieten, um herauszufinden, wo die Vorlieben einer Katze liegen.
Da es sich bei der FIC um eine selbst-limitierende Erkrankung handelt, zielt die pharmakologische Therapie in erster Linie auf eine Verbesserung des Wohlbefindens des Patienten während einer aktiven Episode ab. Ich ziehe bei solchen Patienten Arzneimittel wie Buprenorphin in Betracht (kann zu Hause durch den Halter unter die Zunge der Katze verabreicht werden) oder auch Gabapentin aufgrund seines Effektes auf neurogene Schmerzen und Angst. Keines dieser Arzneimittel ist jedoch zugelassen für die Behandlung der FIC. Studien zeigen, dass Amitriptylin für die akute Behandlung der FIC nicht zu empfehlen ist 16 17, aber zu einer wirksamen Reduzierung der klinischen Symptome einer rezidivierenden FIC führt 18.
Wenn Aggression zwischen Katzen als Stressursache nachgewiesen ist, muss diesem Problem unter Umständen auch mit Hilfe von Arzneimitteln entgegengewirkt werden. Dabei muss nicht notwendigerweise das Opfer einer solchen Aggression zwischen zwei Katzen behandelt werden. In der Tat ist es bei solchen Auseinandersetzungen in der Regel der Aggressor, der das abnorme Verhalten an den Tag legt. Oft muss deshalb der Aggressor mit Hilfe von Arzneimitteln oder einer Verhaltenstherapie behandelt werden, um die Wurzel des Problems anzugehen und auf diese Weise den Stress für das Opfer zu reduzieren. Gelegentlich profitiert aber auch das Opfer von einer begleitenden pharmakologischen Therapie zur Stress- oder Angstlinderung.
In einigen Fällen zeigen Katzen mit FIC trotz optimaler Pflege der Katzentoilette, einer reichhaltigen und anregenden Umwelt, einer stabilen Routine, der richtigen Ernährung und der Behandlung von Aggression auch weiterhin Anzeichen von Furcht oder Angst. In diesen Fällen kann eine Behandlung mit psychotropen Arzneimitteln helfen, den Stresslevel des Patienten so niedrig zu halten, dass FIC-Rezidive reduziert werden. Einer meiner Topfavoriten für die Behandlung von Angst bei Katzen ist das Fluoxetin, ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Ich verabreiche Fluoxetin in einer Dosierung von 0,5-1,0 mg/kg PO einmal täglich, beginne aber immer am unteren Ende der Dosisspanne und steigere die Dosierung dann fortschreitend nach Bedarf.
FIC kann für Katzenhalter sehr frustrierend werden, insbesondere, wenn sie nicht vollständig verstehen, was bei ihrer Katze passiert. Vor dem Hintergrund des aktuellen Wissens müssen wir als Tierärzte berücksichtigen, dass die FIC heute nicht mehr als ein Problem des Harntraktes betrachtet werden sollte. Besitzer betroffener Katzen haben bei Weitem mehr Einfluss auf die Reduzierung von FIC-Rezidiven, als ihnen selbst klar ist. Mit unserer Unterstützung können Tierhalter die Umwelt der Katze so verändern, dass eine Verringerung der Rezidivrate möglich wird. Wenn die betroffene Katze trotz aller diesbezüglichen Anstrengungen seitens des Halters auch weiterhin nicht in der Lage ist, die fortgesetzt bestehenden Stressquellen zu bewältigen, kann eine pharmakologische Behandlung hilfreich sein. In jedem Fall empfiehlt es sich jedoch dringend, zunächst die Umweltfaktoren in Angriff zu nehmen.
The Ohio State University – Indoor Pet Initiative Web site. Environmental Enrichment Resources and References. Available at: https://indoorpet.osu.edu/veterinarians/environmental-enrichment-resources-and-references. Accessed Jan 23, 2019.
Isabelle Demontigny-Bédard
Dr. Demontigny-Bédard schloss ihr Tiermedizinstudium 2010 an der Université de Montréal in Kanada ab. Mehr lesen
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