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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 28.1 Sonstiges Wissenschaft

Antiinflammatorische und antipruriginöse Therapie bei caniner Atopie

veröffentlicht 20/08/2020

Geschrieben von Tim Nuttall und Debbie Gow

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Polski , Português , Español und English

Das erfolgreiche Management der atopischen Dermatitis erfordert oft eine dauerhafte Therapie, um Rezidive der klinischen Symptome zu verhindern und Langzeitveränderungen der Haut zu minimieren. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über die aktuell verfügbaren Behandlungsoptionen.

Antiinflammatorische und antipruriginöse Therapie bei caniner Atopie

Einleitung 

English Bull Terrier mit atopischer Dermatitis in einem frühen Stadium. Dieser Hund zeigt Juckreiz, aber abgesehen von einem Erythem nur wenige Effloreszenzen. Dieses Krankheitsbild sollte gut ansprechen auf Glucocorticoide, Oclacitinib oder Lokivetmab.
Abbildung 1. English Bull Terrier mit atopischer Dermatitis in einem frühen Stadium. Dieser Hund zeigt Juckreiz, aber abgesehen von einem Erythem nur wenige Effloreszenzen. Dieses Krankheitsbild sollte gut ansprechen auf Glucocorticoide, Oclacitinib oder Lokivetmab. © Tim Nuttall

Die Behandlung der caninen atopischen Dermatitis (AD) besteht aus zwei Phasen. Der initialen Kontrolle des Entzündungsgeschehens und des Juckreizes folgt ein anhaltendes proaktives therapeutisches Management zur Aufrechterhaltung der Remission und zur Verhinderung chronischer Veränderungen der Haut. Antiinflammatorische und antipruriginöse Behandlungsoptionen mit einer nachweislich hohen Wirksamkeit umfassen topische und systemische Glucocorticoide, Ciclosporin, Oclacitinib und Lokivetmab. Die Wahl der für den individuellen Hund optimalen Behandlung erfolgt anhand einer klinischen Beurteilung des Einzelfalles (Abbildung 1).

Topische und systemische Glucocorticoide haben eine potente und schnell eintretende Wirkung mit breitem Spektrum gegen die meisten am Entzündungsgeschehen beteiligten Zellen, Gewebe und Mediatoren und sind daher ideal geeignet für die initiale Kontrolle von Entzündung und Juckreiz. Der Einsatz topischer kurz- und langzeitwirksamer Steroide ist im Allgemeinen sicher, insbesondere, wenn es sich um gut tolerierte Produkte mit besserem Sicherheitsprofil (z. B. Hydrocortisonaceponat) und/oder um eine lokale Behandlung der Augen, Ohren und Pfoten handelt. Ein höheres Risiko unerwünschter Nebenwirkungen besteht dagegen bei systemischer Langzeitbehandlung mit Glucocorticoiden.

Ciclosporin zielt hauptsächlich auf Lymphozyten ab. Es besitzt daher eine potente antiinflammatorische Wirkung mit breitem Spektrum. Die Resolution von Läsionen und Juckreiz erfolgt insgesamt aber langsamer als mit anderen antiinflammatorischen Wirkstoffen. Eine schnelle Remission kann erreicht werden, indem man Ciclosporin initial mit Glucocorticoiden, Oclacitinib oder Lokivetmab kombiniert. Eine Langzeitkombinationsbehandlung mit antiinflammatorischen Breitspektrumwirkstoffen sollte aufgrund des Risikos einer Immunsuppression jedoch vermieden werden.

Oclacitinib ist ein Januskinase (JAK)-1-Hemmer, der insbesondere die Aktivität von IL-31 blockiert, eines an Juckreiz und am akuten Entzündungsgeschehens beteiligten Schlüsselzytokins. Die Behandlung alle 12 Stunden führt zu einer sehr schnellen Kontrolle des Juckreizes, der allerdings rezidivieren kann, wenn die Therapie auf eine einmal tägliche Gabe umgestellt wird. Betroffene Hunde sollten sorgfältig überwacht werden auf bakterielle, mykotische und parasitäre Infektionen sowie auf jegliche nicht-selektiven Effekte (Anämie, Neutropenie, erhöhte Leberenzyme, erhöhte Gallensäuren und Gewichtszunahme). Zudem gibt es Berichte über virale Papillome mit neoplastischer Transformation zu Plattenepithelkarzinomen in situ (Morbus Bowen) und zu invasiven Plattenepithelkarzinomen.

Lokivetmab ist ein caninisierter monoklonaler Anti-IL-31- Antikörper, der spezifisch an zirkulierendes IL-31 bindet und dieses neutralisiert. Es wirkt schnell und wird gut toleriert bei nur geringer oder keiner Interaktion mit anderen Arzneimitteln oder Impfstoffen. Die Langzeitsicherheit ist unbekannt, wahrscheinlich aber sehr gut. Lokivetmab wird per Injektion appliziert und ist ideal geeignet für Hunde, die nur schwer mit oralen Arzneimitteln zu behandeln sind und/oder aufgrund von begleitenden Erkrankungen oder Behandlungen nicht mit anderen Arzneimitteln behandelt werden können. Lokivetmab führt zu schneller Linderung des Juckreizes und kann auch mit Breitspektrumwirkstoffen kombiniert werden.

Breitspektrumtherapie und Engspektrumtherapie

Da es sich bei der AD um eine lebenslange Erkrankung handelt, die eine proaktive Behandlung erfordert, um die Remission aufrechtzuerhalten und ein Wiederaufflammen des Entzündungsgeschehens zu verhindern, ist in den meisten Fällen eine geeignete Kombinationstherapie erforderlich. Ein regelmäßiges und sorgfältiges Monitoring muss immer gewährleistet sein. (Tabelle 1)fasst noch einmal die wichtigsten Punkte für jede dieser Arzneimittelklassen zusammen. 

 
Topische Glucocorticoide Systemische Glucocorticoide Ciclosporin Oclacitinib Lokivetmab
Spektrum Breit
Breit
Breit Semi-breit Eng
Kosten gering sehr gering moderat bis hoch moderat moderat
Wirkungseintritt schnell sehr schnell langsam (2-3 Wochen) sehr schnell
sehr schnell
Akute Entzündung wirksam wirksam weniger wirksam wirksam wirksam
Chronische Entzündung wirksam
wirksam wirksam
weniger wirksam weniger wirksam
Otitis & Pododermatitis wirksam wirksam wirksam weniger wirksam weniger wirksam
Akute Nebenwirkungen selten häufig1 häufig2 häufig bis weniger häufig3 selten
Langzeitsicherheit moderat bis gut4 schlecht gut unbekannt unbekannt
Monitoring klinische Untersuchungen klinische Untersuchungen, Harnanalyse & Blutdruck klinische Untersuchungen & Harnanalyse  Harnanalyse klinische Untersuchungen, großes Blutbild, Biochemie & Harnanalyse5 klinische Untersuchungen
Kombination mit Breitspektrumwirkstoffen? Ja6 kurzzeitig kurzzeitig kurzzeitig Ja7

Tabelle 1. Vergleich wirksamer antiinflammatorischer Arzneimittel gegen atopische Dermatitis.

1Polyurie, Polydipsie & Polyphagie; Hecheln und verändertes Verhalten können zu beobachten sein, gastrointestinale (GI) Ulzera sind bei 0,5-1,0 mg/kg/Tag aber selten.
2Geringgradige und transiente Anorexie, Erbrechen und Diarrhoe; persistierende GI-Störungen sind ungewöhnlich.
3Geringgradige GI-Störungen sind am häufigsten; selten beschriebene Nebenwirkungen sind Aggression, Gewichtszunahme, Veränderungen der Anzahl roter und weißer Blutkörperchen sowie erhöhte Leberenzyme und Gallensäuren.
4Langzeitnebenwirkungen sind selten bei Hydrocortisonaceponat, aber häufiger bei anderen topischen Glucocorticoiden.
5Die Autoren stellen bei Hunden unter Oclacitinib-Behandlung eine erhöhte Inzidenz von Harnwegsinfektionen fest und empfehlen deshalb regelmäßige Harnanalysen.
6Topische Glucocorticoide werden zusammen mit einer großen Bandbreite verschiedener anderer antiinflammatorischer Wirkstoffe eingesetzt, formelle Daten hierzu liegen jedoch nicht vor.
7Formelle Daten liegen zwar nicht vor, wahrscheinlich gibt es aber keine Probleme bei kombinierter Anwendung. 

Hochgradige chronische atopische Dermatitis bei einem West Highland White Terrier mit ausgedehntem Entzündungsgeschehen, sekundären Infektionen, Otitis und Pododermatitis. Breitspektrumwirkstoffe wie Glucocorticoide und Ciclosporin wären hier besser geeignet, um die große Bandbreite der Probleme dieses Hundes zu managen, da Oclacitinib und Lokivetmab zwar den Juckreiz lindern, aber ein anhaltendes Entzündungs- und Infektionsgeschehen maskieren könnten. Letztgenannte Wirkstoffe wären besser geeignet, sobald das initiale Entzündungs- und Infektionsgeschehen unter Kontrolle ist.
Abbildung 2. Hochgradige chronische atopische Dermatitis bei einem West Highland White Terrier mit ausgedehntem Entzündungsgeschehen, sekundären Infektionen, Otitis und Pododermatitis. Breitspektrumwirkstoffe wie Glucocorticoide und Ciclosporin wären hier besser geeignet, um die große Bandbreite der Probleme dieses Hundes zu managen, da Oclacitinib und Lokivetmab zwar den Juckreiz lindern, aber ein anhaltendes Entzündungs- und Infektionsgeschehen maskieren könnten. Letztgenannte Wirkstoffe wären besser geeignet, sobald das initiale Entzündungs- und Infektionsgeschehen unter Kontrolle ist. © Tim Nuttall

Glucocorticoide und Ciclosporin sind echte Breitspektrumwirkstoffe, die bei chronischer und bei akuter Entzündung wirksam sind (Abbildung 2). Ihre Wirkung fördert darüber hinaus auch das Gleichgewicht des Mikromilieus der Haut und verhindert dadurch eine Überwucherung („Overgrowth“) und Infektion der Haut mit Staphylokokken und Malassezien.

Oclacitinib wird am besten als Semi- Breitspektrumwirkstoff betrachtet. Es ist am wirksamsten gegen Juckreiz und akute Entzündung, aber weniger wirksam in Fällen chronischer Entzündungen (insbesondere der Pfoten und Ohren). Oclacitinib hat weniger Auswirkungen auf das Mikromilieu der Haut, und die Linderung des Juckreizes kann ein anhaltendes Entzündungs- und Infektionsgeschehen maskieren (insbesondere bei Otitis und Pododermatitis). Gleiches gilt auch für den Engspektrumwirkstoff Lokivetmab. Diese Arzneimittel mögen zwar spezifischer, wirksamer und sicherer sein, sie müssen aber oft kombiniert werden mit einer lokalen Therapie, um die anhaltende Entzündung erfolgreich zu managen und der Entstehung von Infektionen vorzubeugen.

Tim Nuttall

Tim Nuttall

Dr. Nuttall schloss sein Studium 1992 ab und ist RCVS Specialist in Veterinary Dermatology. Gegenwärtig ist er Leiter der Dermatologie an der The Royal (Dick) Mehr lesen

Debbie Gow

Debbie Gow

Dr. Gow schloss ihr Studien in 2007 an der The Royal (Dick) School of Veterinary Studies in Edinburgh ab und absolvierte ein einjähriges rotierendes Mehr lesen

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