Chronische Diarrhoe
Ähnlich wie bei der akuten Diarrhoe stützen zahlreiche Studien eine Anwendung von mit Fasern angereicherten Nahrungen auch in der Behandlung der chronischen Diarrhoe. Die häufigste Indikation für diätetische Fasern sind Symptome einer Kolitis (Dickdarm), die nachfolgend besprochenen Studien zeigen aber auch erste Evidenzen in einigen klinischen Szenarien mit Enteritis (Entzündung des Dünndarms) oder Enterokolitis (kombinierte Entzündung des Dünn- und des Dickdarms) 12,13,14.
Die erste dieser Studien beschreibt die Ergebnisse bei Hunden, die mit drei verschiedenen Nahrungen (fettarm, faserreich oder antigenarm) behandelt wurden und begleitend antiinflammatorische Kortikosteroide erhielten 12. Die mit Fasern angereicherte Nahrung war die zweitwirksamste Option und konnte die klinischen Symptome in etwa 75 % der Fälle kontrollieren. Mit 85 % zeigten die Hunde mit der antigenrestriktiven Nahrung die höchste Ansprechrate, während die Ansprechrate in der Gruppe mit der fettarmen Nahrung lediglich bei niedrigen 18 % lag.
Weitere Unterstützung für die Anwendung von mit Fasern angereicherten Nahrungen liefert eine retrospektive Studie über 25 Hunde mit chronischer Kolitis, die zeigt, dass es sich bei der Umstellung der Behandlung auf eine mit diätetischen Fasern angereicherte Nahrung um den therapeutischen Ansatz handelte, der am häufigsten zu einer Resolution der klinischen Symptome führte 13. Auch in dieser Studie konnte gezeigt werden, dass hochverdauliche Nahrungen und hypoallergene Nahrungen bei einem geringeren prozentualen Anteil der Fälle erfolgreich waren. Da es sich hierbei aber nicht um eine randomisierte kontrollierte Studie handelt, sind keine Aussagen über die relative Wirksamkeit der unterschiedlichen therapeutischen Ansätze möglich. Auch eine weitere unkontrollierte Studie über Hunde, die eine kommerziell erhältliche Nahrung erhielten, beschreibt, dass mit Fasern angereicherte Nahrungen zu einer Resolution von Kolitis führten 14. Alle drei genannten Studien stützen in der Summe letztlich das Konzept einer Anwendung von mit Fasern angereicherten Nahrungen bei Hunden mit chronischer Diarrhoe, insbesondere auf Basis der verbesserten fäkalen Scores.
Darüber hinaus gibt es Studien, die eine Anwendung von mit Fasern angereicherten Nahrungen sowohl bei nicht-entzündlicher Dickdarmdiarrhoe als auch bei chronischer idiopathischer Dickdarmerkrankung stützen 6,15. Eine dieser Studien beschreibt die Antwort von 27 Hunden mit chronischer idiopathischer Dickdarmdiarrhoe auf eine Supplementierung verschiedener Basis-Nahrungen mit überwiegend löslichen Fasern 6. Die überwiegende Mehrzahl der Hunde (96,3 %) zeigte eine entweder hervorragende oder gute klinische Antwort auf die Fasersupplementierung. In der zweiten Studie über Hunde, die in Kombination mit anderen Behandlungen eine kommerziell erhältliche mit unlöslichen Fasern angereicherte Nahrung erhielten, wurde die Antwort bei 12 von 19 Hunden der diätetischen Modifikation zugeschrieben 15. In beiden Studien ermöglichte die Applikation zusätzlicher Fasern bei einigen Hunden eine Reduzierung oder sogar ein vollständiges Absetzen der adjunktiven Behandlungen. Diese Ergebnisse stützen die Anwendung von mit löslichen, unlöslichen oder gemischten Faserquellen angereicherten Nahrungen bei Hunden mit idiopathischer Dickdarmdiarrhoe.
Über die traditionellen gastrointestinalen Outcome-Parameter hinaus wird auch beschrieben, dass diätetische Fasern das Kotabsatzverhalten und die Lebensqualität nach dem Empfinden von Hundebesitzern verbessern. Die Studie, in der entsprechende Effekte dokumentiert sind, kommt zu der Schlussfolgerung, dass der Downstream-Effekt der Fasern hinsichtlich der vermehrten Produktion antioxidativer und antiinflammatorischer Metaboliten zu diesen insgesamt gesundheitsfördernden Ergebnissen führen könnte 16. Zukünftige Forschungsarbeiten in diesem Bereich sollten sich auf die Langzeitvorteile der Fasersupplementierung bei Hunden mit chronischen gastrointestinalen Erkrankungen fokussieren.
Die Prognose für Hunde mit Faser-responsiven chronischen gastrointestinalen Erkrankungen wird im Allgemeinen als gut beschrieben. Studien zur Untersuchung der Wirkung einer Behandlung mit löslichen Fasern bewerteten die Langzeitkontrolle bei 96 % der Hunde als mindestens gut 6, während bei Verwendung von überwiegend unlöslichen Fasern 63 % der Hunde auf die diätetische Behandlung ansprachen. Die Ergebnisse des Langzeit-Follow-ups in dieser Studie weisen darauf hin, dass die beste Kontrolle der klinischen Symptome im Anschluss an ein anfängliches Ansprechen mit Hilfe einer Langzeitsupplementierung und eines diätetischen Langzeit-Managements erreicht werden 6. In allen genannten Studien erwiesen sich die mit Fasern angereicherten Nahrungen und die Fasersupplementierungen als sicher und wurden von den Hunden gut vertragen.
Evidenzen bezüglich eines diätetischen Managements auf der Basis von mit Fasern angereicherten Nahrungen bei Katzen mit chronischer Diarrhoe sind spärlich und beschränken sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse einiger weniger Studien 17,18,19. In einer kleinen Studie über zwölf Katzen mit chronischer Diarrhoe, in der die meisten Tiere entweder auf eine diätetische Behandlung allein oder auf eine diätetische Behandlung kombiniert mit ergänzenden Medikationen ansprachen, waren die am häufigsten eingesetzten Nahrungen entweder a priori faserreich oder sie wurden mit Fasern supplementiert 17. In einer weiteren Crossover-Studie führte eine Nahrung mit löslichen Fasern gemischter Quellen bei 19 Katzen mit chronischer Diarrhoe zu verbesserten fäkalen Scores und geringerer Defäkationshäufigkeit im Vergleich zu einer Kontroll-Nahrung 18. Die dritte Studie evaluierte Faserquellen, die antiinflammatorische und antioxidative Metaboliten hervorbringen und dokumentierte bei Katzen mit Diarrhoe bessere Ergebnisse im Vergleich zu anderen Faserquellen 19. Diese drei Studien stützen das Konzept der Faser-responsiven chronischen Diarrhoe bei Katzen. Vieles spricht also dafür, mit Fasern angereicherte Nahrungen oder eine Fasersupplementierung in der Behandlung von Hunden und Katzen mit chronischer Diarrhoe einzusetzen, und die Mehrzahl der vorliegenden Evidenzen stützt zudem eine Anwendung bei Kolitis.
Obstipation
Auf der Basis von extrapolierten Daten anderer Spezies, nach Expertenmeinungen und unter Berücksichtigung von Daten gesunder Hunde und Katzen scheinen diätetische Fasern vorteilhafte Wirkungen bei der Behandlung von Hunden und Katzen mit Obstipation zu haben 20. Es gibt eine Reihe von potenziellen Gründen, warum bei einer Obstipation sowohl lösliche als auch unlösliche Fasern wirksam sein können. Wie oben erwähnt, erhöhen unlösliche oder nicht-fermentierbare Fasern das Kotvolumen, und dies wiederum stimuliert die Peristaltik im GIT 21. Lösliche Fasern bilden im Gastrointestinaltrakt Gele, die die Bewegung der Fäzes durch den Darmtrakt unterstützen 21. Hoch lösliche und fermentierbare Fasern können bei obstipierten Tieren aber auch über ihre Fermentationsprodukte vorteilhaft wirken. So entstehen beim Abbau dieser Fasern unter anderem SCFAs, die einen prokinetischen Effekt haben und den fäkalen Wassergehalt erhöhen 22.
Katzen sind häufig von Obstipation betroffen 23, und Faserquellen, die die Bildung antioxidativer und antiinflammatorischer Substanzen fördern, führen in diesen Fällen nachweislich zur Besserung klinischer Symptome 19. Eine weitere Studie betrachtete Katzen, die entweder mit einer Diätnahrung allein behandelt wurden oder mit einer Diätnahrung in Kombination mit adjunktiven Medikationen, und kam zu dem Ergebnis, dass sich die fäkalen Scores in beiden Gruppen verbesserten 24. Die Diätnahrungen in dieser Studie enthielten gemischte Faserquellen, einschließlich Flohsamen. Auch wenn es sich hierbei nur um eine begrenzte Anzahl von Studien handelt, stützen sie doch die Anwendung von mit Fasern angereicherten Nahrungen bei Katzen mit Obstipation (Abbildung 7). Bevor die Behandlung einer obstipierten Katze mit Fasern empfohlen wird, muss zunächst differenzialdiagnostisch die Möglichkeit einer hochgradigen Dysmotilität des Kolons (z. B. Megakolon) ausgeschlossen werden, da zusätzliche diätetische Fasern in diesem Fall kontraindiziert wären.
Klinische Studien über die Wirkungen von Fasern bei Hunden mit natürlicher, spontaner Obstipation liegen zwar nicht vor, unter experimentellen Bedingungen führte die Anwendung von Feigenpaste als Faserquelle aber zu einer Verbesserung der Kotpassage bei Hunden ohne Komplikationen 25. Darüber hinaus zeigt ein Synbiotikum, das das Präbiotikum Inulin enthält, bei gesunden Hunden einen laxierenden Effekt, der eine entsprechende Wirkung dieses Produktes auch bei der Behandlung von Obstipation vermuten lässt 26. Weitere Forschungsarbeiten sind jedoch erforderlich, um die Effekte von Fasern bei der Behandlung von Hunden mit spontaner Obstipation zu dokumentieren. Die vorläufigen Ergebnisse sind aber vielversprechend, und wie beim Thema Diarrhoe sind auch hier weitere Studien bei Hunden und bei Katzen erforderlich, um herauszufinden, ob ein spezifischer Fasertyp oder eine spezifische Menge an Fasern optimal geeignet ist für die gezielte Behandlung einer Obstipation.