Laxanzien
Bei hochgradiger betroffenen Katzen oder Katzen mit rezidivierenden Obstipationsschüben muss in vielen Fällen zusätzlich zur diätetischen Behandlung eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Zur Verfügung steht eine große Bandbreite unterschiedlicher Klassen von Laxanzien (osmotische Wirkstoffe, Füll- und Quellmittel, Emollientien (stuhlaufweichend), motilitätsstimulierende [prokinetische] Laxanzien). Der Autor beschränkt die Anwendung von Laxanzien jedoch auf die beiden im Folgenden beschriebenen osmotischen Wirkstoffe.
Bei dem osmotisch wirksamen Laxans Polyethylenglykol (PEG) 3350 handelt es sich um eine hydrophile Substanz, die über die Bindung von Wassermolekülen eine Reduzierung der Bewegung von Wasser aus dem Kolon heraus bewirkt und auf diesem Weg für eine Aufweichung und Quellung des Dickdarminhaltes sorgt 9. In einigen Ländern sind verschiedene Formen dieses Wirkstoffes ohne Elektrolyte zur Behandlung von Obstipation bei Menschen frei verkäuflich. Eine Metaanalyse klinischer Studien bei adulten und pädiatrischen humanen Patienten kommt zu dem Ergebnis, dass PEG3350 wirksamer und besser verträglich ist als Lactulose 10,11,12. Aufgrund seiner Schmackhaftigkeit (Akzeptanz) und seiner Wirksamkeit ist PEG3350 das vom Autor bevorzugte Laxans für die Behandlung von Katzen mit Obstipation. Eine Pilotstudie zu PEG3350 bei sechs gesunden Katzen zeigte eine gute Schmackhaftigkeit (Akzeptanz) und Kotaufweichung, und es wurden keine Nebenwirkungen beobachtet, obgleich bei einigen Katzen signifikante aber geringgradige und klinisch nicht relevante Anstiege des Serumkaliums zu verzeichnen waren 13. Nach Einleitung einer entsprechenden laxierenden Behandlung ist daher eine Kontrolle der Serumelektrolyte zu empfehlen.
Lactulose ist ein osmotisch wirksames, nicht-absorbierbares Disaccharid, das von Kolonbakterien fermentiert wird und bei Menschen zu Meteorismus oder Flatulenz führen kann. Bei Katzen scheint Lactulose eine geringere Schmackhaftigkeit (Akzeptanz) aufzuweisen als PEG3350, kann aber ebenfalls wirksam sein.
Den Empfehlungen des Autors zufolge sollten beide genannten Laxanzien initial in niedrigen Dosen verabreicht und anschließend bis zur Wirkung auftitriert werden. PEG3350 kann initial in einer Dosierung von 0,6-1,25 ml (1/8-1/4 Teelöffel) des Pulvers pro Katze alle 12 Stunden verabreicht werden (gemischt mit Futter), und Lactulose in einer Dosierung von 0,5 ml (1/2 Teelöffel)/kg alle 8-12 Stunden. Da es bei beiden Wirkstoffen bis zum Erreichen des vollen Effekts einige Tage dauert, sollten Dosissteigerungen nur langsam und schrittweise erfolgen. Eine Überdosierung kann bei beiden Laxanzien zu Diarrhoe, Dehydratation oder Elektrolytstörungen führen.
Prokinetische Arzneimittel
Bei einigen obstipierten Katzen ist auch der Einsatz prokinetischer Wirkstoffe erforderlich. Diese werden als Erhaltungstherapie verabreicht, sobald im Kolon keine impaktierte Fäkalmasse mehr vorhanden ist. Der Wirkstoff der Wahl des Autors ist der Serotonin (5-HT4) Rezeptoragonist Cisaprid in einer Dosierung von 0,5 mg/kg PO alle 12 Stunden. Cisaprid stimuliert nachweislich die Motilität von ex-vivo Kolongewebe von Katzen mit idiopathischem Megakolon 14 und scheint anekdotischen Berichten zufolge bei obstipierten Katzen wirksam und gut verträglich zu sein. Vom humanmedizinischen Markt wurde Cisaprid zurückgezogen, nachdem es Berichte über tödliche Herzarrhythmien (torsades de pointes) aufgrund der Effekte dieses Wirkstoffes an anderen 5-HT-Rezeptortypen im Myokard gab. Bei Katzen wird diese Nebenwirkung nicht beschrieben, in einer felinen Studie wurden jedoch verlängerte QT-Intervalle bei Katzen beobachtet, die das 60fache der therapeutischen Dosis über einen Zeitraum von sieben Tagen erhielten 15. In vielen Ländern ist Cisaprid aber weiterhin in Apotheken mit Akkreditierung für die Zubereitung von Tierarzneimitteln erhältlich.
Tegaserod ist ein weiterer 5-HT4 Rezeptoragonist, der die Darmpassage im Kolon von Hunden bei intravenöser Gabe nachweislich beschleunigt 16, entsprechende Wirkungen bei Katzen werden in der Literatur aber nicht beschrieben. Auch dieser Wirkstoff wurde aufgrund von kardiologischen Sicherheitsbedenken bei Menschen vom US-Markt zurückgezogen, aber erst kürzlich mit einer selektiveren Kennzeichnung wieder eingeführt 17. Prucaloprid ist ein weiterer spezifischerer 5-HT4 Rezeptoragonist, der bei Katzen nachweislich eine Defäkation induziert 18, die Anwendung erfolgt in diesem Fall aber zulassungsüberschreitend. Der Autor hat keine persönlichen Erfahrungen mit der Anwendung von Tegaserod oder Prucaloprid und kann einen Einsatz dieser Wirkstoffe deshalb nicht befürworten. Der Histamin-2-Rezeptoragonist Ranitidin hat neben seiner reduzierenden Wirkung auf die Magensäureproduktion auch einen Anti-Cholinesterase-Effekt, und in einer Studie (veröffentlicht als Abstract) konnte gezeigt werden, dass Ranitidin in ex-vivo Kolongewebe von Katzen eine Motilität induziert 19. Eine Wirksamkeit in vivo konnte bislang aber noch nicht demonstriert werden.
Weitere Strategien
Wenn immer es möglich ist, muss die zugrundeliegende medizinische Ursache einer Obstipation therapeutisch adressiert werden (z. B. Thyroxin-Supplementierung bei Katzen mit Hypothyreose). In einer Studie über Katzen mit Beckenfrakturen, von denen 74 % chirurgisch behandelt wurden, war Obstipation interessanterweise eine seltene und nur bei 8 % der Katzen auftretende Komplikation, und bei keiner einzigen Katze entwickelte sich ein Megakolon 19. Vor diesem Hintergrund könnte bei Katzen mit Beckenfrakturen, die zu einer Verengung des Beckenkanals führen, eine chirurgische Stabilisierung in Betracht gezogen werden, um die spätere Entwicklung eines Megakolon zu verhindern.
Die Ergebnisse einer Pilotstudie legen nahe, dass eine kommerzielle probiotische Mischung bei Katzen mit Obstipation zu verbesserten Symptomen und reduzierter Kolonentzündung führen kann 20, weitere diesbezügliche Forschungsarbeiten sind jedoch erforderlich, und es ist nicht zu erwarten, dass sämtliche Probiotika denselben Effekt haben würden.
Zur Verfügung steht darüber hinaus eine breite Vielfalt verschiedener feliner/pädiatrischer Produkte für Einläufe und Suppositorien geeigneter Volumina für die Anwendung bei Katzen (z. B. mit Dioctylnatriumsulfosuccinat und Glycerin oder Docusat-Natrium, PEG und Glycerin). Wegen der potenziellen Belastung der Tier-Mensch-Bindung befürwortet der Autor die Anwendung dieser Produkte zu Hause durch den Tierhalter jedoch nicht.
Wenn der Verdacht besteht, dass Umwelt- oder Verhaltensfaktoren eine Rolle bei der Entwicklung von Obstipation gespielt haben, kann es ratsam sein, auch diese Faktoren zu adressieren.