Behandlung
Die Diskussion der Behandlung neoplastischer, infektiöser, mechanischer und gemischter Ursachen von PLE würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dieser Abschnitt konzentriert sich deshalb in erster Linie auf die Behandlung der durch chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) und intestinale Lymphangiektasie (IL) verursachten PLE. Der Schweregrad der klinischen Erkrankung kann einen entscheidenden Einfluss auf die therapeutische Herangehensweise haben. So kann zum Beispiel bei klinisch relativ stabilen Hunden mit vermuteter oder bestätigter PLE allein eine diätetische Behandlung ein vernünftiger therapeutischer Ansatz sein. Nachweislich erfolgreich ist diese Strategie bei Yorkshire Terriern 16 und bei verschiedenen anderen Rassen 17. Wichtig ist an dieser Stelle die Anmerkung, das sich die Behandlungsansätze in individuellen Fällen einer caninen PLE oft unterscheiden werden, da es sich wie bereits erwähnt um einen sehr heterogenen Krankheitsprozess handelt. Mit anderen Worten: es gibt kein allgemeingültiges, standardisiertes „Rezept“ für die Behandlung von PLE. Dringend anzuraten ist vielmehr ein in jedem Einzelfall individuell maßgeschneidertes therapeutisches Vorgehen, dass sich an sämtlichen verfügbaren Informationen über den Patienten und seine Erkrankung orientiert.
Auch wenn die Behandlung stets gezielt auf den vermuteten oder bestätigten zugrundeliegenden Krankheitsprozess ausgerichtet sein sollte – denn bei der PLE handelt es sich um eine lebensbedrohende Erkrankung mit hoher Mortalitätsrate – scheint es am sichersten, zunächst davon auszugehen, dass bei einem gegebenen PLE-Patienten sämtliche Prozesse (Lymphflüssigkeitsverlust, erhöhte intestinale Permeabilität, Schleimhautschäden) vorliegen, und den Patienten dementsprechend zu behandeln. Insbesondere gilt dies für Patienten mit hochgradiger Erkrankung und Patienten, die auf eine initiale Behandlung nicht ansprechen.
Diätetik
Die Behandlung der einer PLE zugrundeliegenden Erkrankung beginnt zunächst mit diätetischen Modifikationen, und viele Gastroenterologen halten diese therapeutische Komponente für das Fundament einer jeden PLE-Behandlung. Eine entsprechende Studie legt nahe, dass Hunde mit PLE mit höherer Wahrscheinlichkeit – ohne zusätzlichen Bedarf an Glukokortikoiden – auf eine diätetische Therapie ansprechen, wenn ihr Canine Chronic Enteropathy Clinical Activity Index (CCECAI) unterhalb eines Scores von 8 liegt 17. Da sich Hunde mit PLE in einem katabolen Zustand befinden und eine ausgeprägt negative Energie- und Proteinbilanz aufweisen können, ist eine adäquate Ernährung von ganz zentraler Bedeutung. Zudem stützt sich die Behandlung einer durch CED oder IL verursachten PLE auf diätetische Modifikationen. Anekdotischen Berichten zufolge ist die ideale Nahrung für diese Patienten hoch verdaulich, enthält adäquate Mengen an Proteinen und weist einen reduzierten Fettgehalt auf. Bei der Wahl der im Einzelfall am besten geeigneten diätetischen Strategie sollte aber stets auch die diätetische Vorgeschichte des Hundes berücksichtigt werden. Eine fettarme Nahrung wird typischerweise bei Hunden mit IL empfohlen, während Hunde mit CED eine Nahrung mit einem neuen, also zuvor noch nie gefütterten Protein oder mit hydrolysierten Proteinen erhalten sollten. Zu beachten ist hierbei aber, dass es bislang keinen endgültigen Konsens darüber gibt, welche Kriterien für eine „Low-fat“ Diätnahrung in der Tiermedizin gelten. Kommerzielle „Low-fat“-Nahrungen enthalten 17-26 g Fett/Mcal ME (1,7-2,6 g/100 kcal), während „Ultra Low-fat“-Nahrungen meist < 15 g Fett/Mcal ME (< 1,5 g / 100 kcal) enthalten. Bei Hunden mit PLE aufgrund einer IL bessert sich der Zustand allein mit einer fettarmen Ernährung oft sehr deutlich, einige Patienten benötigen jedoch eine hochgradigere Fettrestriktion, die über das hinausgeht, was mit kommerziell erhältlichen Diätnahrungen erreichbar ist. Hinzu kommt, dass viele der kommerziellen Nahrungen mit den geringsten Fettgehalten auf Geflügel basieren, und dadurch unter Umständen nicht geeignet sind für Hunde mit IL, die begleitend eine CED aufweisen. Gegenwärtig gibt es mindestens eine kommerziell erhältliche Feuchtnahrung in der Dose auf der Basis von Schwein, einer Komponente also, die für viele Hunde eine neue, also zuvor noch nie gefütterte Proteinquelle darstellen kann. Hunde, die eine über das mit kommerziellen Nahrungen erreichbare Maß hinausgehende Fettrestriktion benötigen, und Hunde, die sowohl unter signifikanter IL als auch unter signifikanter CED leiden, brauchen unter Umständen aber eine spezielle, von einem Fachtierarzt oder einer Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik formulierte, zu Hause selbst hergestellte Diätnahrung, mit der die diätetischen Belange beider Erkrankungen berücksichtigt werden können. Bei Hunden mit PLE aufgrund einer CED aber ohne oder mit nur geringgradiger begleitender IL, kann eine Diätnahrung mit hydrolysierten Proteinen oder neuen, also zuvor noch nie gefütterten Proteinen in Erwägung gezogen werden, aber auch hier wird empfohlen, entsprechende Nahrungen mit vergleichsweise niedrigerem Fettgehalt in Betracht zu ziehen, da eine IL durchaus übersehen werden kann, wobei die Serumalbuminkonzentrationen bei Hunden mit entzündlicher PLE mit Läsionen der Lymphkapillaren korrelieren 11,18. Weitere diätetische Überlegungen betreffen die Form der Nahrung (trocken oder feucht), die Fütterungshäufigkeit (oft ist es vorteilhaft, PLE-Hunden mehrmals täglich kleine Mahlzeiten zu geben), die Futtermenge und schließlich den Fasergehalt, da einige Hunde von zusätzlichen Fasern profitieren können. Unabhängig davon, ob letztlich eine kommerzielle therapeutische Diätnahrung oder eine zu Hause selbst zubereitete Nahrung eingesetzt werden soll, ist eine Konsultation bei einem Fachtierarzt oder einer Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik hilfreich und in jedem PLE-Fall zu empfehlen.
Schließlich muss berücksichtigt werden, dass ein fehlendes Ansprechen auf eine gewählte diätetische Strategie nicht bedeuten muss, dass der Hund generell nicht auf diätetische Maßnahmen anspricht oder dass die Erkrankung nicht von einer Optimierung oder Anpassung der diätetischen Therapie profitieren kann. In einer Studie sprachen 8 von 10 Hunden mit steroidrefraktärer entzündlicher PLE auf eine diätetische Modifikation an 19. Viele Hunde mit PLE, bei denen kommerzielle Diätnahrungen und Behandlungen mit Glukokortikoiden und anderen immunsuppressiven Arzneimitteln gescheitert sind, können nach den Erfahrungen der Autorin durch Fütterung einer neuen, also zuvor noch nie verabreichten und signifikant fettreduzierten (< 15 % ME), fachtierärztlich formulierten, zu Hause selbst zubereiteten Diätnahrung gerettet werden. In einigen Fällen benötigen Hunde mit PLE unter Umständen nicht unbedingt eine Nahrung mit neuem Protein, sondern lediglich eine über das mit kommerziellen Diätnahrungen erreichbare Maß hinausgehende diätetische Fettrestriktion; in diesen Fällen muss dann in der Regel auf zu Hause selbst zubereitete Nahrungen zurückgegriffen werden. Box 1 liefert eine Zusammenfassung der spezifischen Diätnahrungen bei PLE.
Box 1. Zusammenfassung ausgewählter spezifischer Diätnahrungen bei PLE-assoziierten Erkrankungen.
Antiinflammatorische und immunsuppressive Therapie
Die Pathogenese der chronisch entzündlichen Darmerkrankung wird zwar nicht vollständig verstanden, man vermutet aber, dass der GI-Trakt betroffener Individuen eine anhaltende Immunreaktion auf endogene oder exogene Antigene (aus der Nahrung, bakteriell und/oder aus der Umwelt) zeigt. Zudem geht eine bei PLE-Patienten vorhandene Lymphangiektasie mit einer Lymphangitis einher, in deren Folge eine Lymphleckage auftritt, die wiederum eine sekundäre Enteritis induziert. Aus diesen Gründen besteht die initiale Behandlungsstrategie bei PLE in der Regel aus der Gabe von Prednison oder Prednisolon, und zwar sowohl bei CED als auch bei IL. Eine mögliche Ausnahme sind klinisch stabile Patienten, die initial allein auf diätetischem Weg behandelt werden und ein nachhaltiges klinisches und biochemisches Ansprechen zeigen.
Zu berücksichtigen ist aber, dass eine Steroidtherapie bei Hunden mit PLE signifikante Nebenwirkungen haben kann, und in einigen Fällen können Glukokortikoide die katabolen und hyperkoagulabilen Zustände bei diesen Patienten zusätzlich verstärken 20. Immunsuppressive Dosen von Glukokortikoiden können vor allem dann risikoreich sein, wenn ein Hund mit PLE auch eine Beeinträchtigung der Darmbarriere aufweist. Nach Auffassung der Autorin ist es deshalb wichtig, die Dosierung der Glukokortikoide im Einzelfall sehr sorgfältig abzuwägen und stets die konservativste Dosierung zu verwenden, die erfolgreich sein könnte. Ein mögliches alternatives Glukokortikoid ist Budesonid, das einen hohen First-Pass-Effekt hat und eine hohe Affinität für intestinale Steroid-Rezeptoren besitzt.
Immunsuppressive Arzneimittel werden in einigen PLE-Fällen bereits zum Zeitpunkt der Diagnose eingesetzt, meist aber erst bei unzureichendem Ansprechen auf adäquate Glukokortikoid-Dosen oder wenn Glukokortikoide hochgradige Nebenwirkungen haben. Wichtig ist an dieser Stelle die Anmerkung, dass es in Fällen einer primären IL keine Hinweise auf einen Immunprozess gibt, so dass eine immunsuppressive Behandlung bei diesen Hunden nicht gerechtfertigt erscheint. Eine jüngste Studie zum Vergleich der Zeit bis zur Normalisierung des Albuminspiegels und des Langzeit-Outcomes bei Hunden mit entzündlicher PLE, die entweder mit Steroiden allein oder mit Steroiden in Kombination mit einem Second-Line-Immunsuppressivum behandelt wurden, fand keine Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen 21. Die Autorin empfiehlt daher die Anwendung immunsuppressiver Arzneistoffe (z. B. Cyclosporin 5 mg/kg PO alle 12-24 Std. oder Chlorambucil 4-6 mg/m2 PO alle 24 Std. über 7-14 Tage, dann Dosisreduktion) bei Patienten mit steroidrefraktärer CED oder bei initial steroidresponsiven Patienten, die aber Rezidive entwickeln, wenn die Steroide ausgeschlichen werden. Box 2 zeigt eine Zusammenfassung der genannten therapeutischen Optionen bei PLE.
Wenn bei einem Patienten CED und IL in Kombination vorhanden sind und beide Entitäten zu der PLE beizutragen scheinen, kann es durchaus schwierig sein, den im Einzelfall am besten geeigneten therapeutischen Ansatz festzulegen, da ein Prozess den anderen antreiben kann. Wenn zum Beispiel eine intestinale Lymphangiektasie eine signifikante Komponente des Krankheitsprozesses darstellt, ist es möglicherweise am besten, zuerst die IL therapeutisch in Angriff zu nehmen, und weitere therapeutische Maßnahmen erst dann einzuleiten, wenn der Patient auf diese initiale Behandlung gegen die IL nicht anspricht.
Box 2. Arzneimittelempfehlungen zur Behandlung der caninen PLE.
Unterstützende Maßnahmen und Umgang mit Komplikationen
Da Hunde mit PLE eine veränderte Darmmikrobiota, also eine intestinale Dysbiose entwickeln können, kann sich in einigen Fällen der Einsatz von Probiotika als hilfreich erweisen. Mindestens ein kommerzieller probiotischer Stamm hat nach den Ergebnissen einer kontrollierten Studie einen vorteilhaften Effekt 22. Da auch Cobalamin eine wichtige Komponente für die Gesundheit und die Funktion des GI-Traktes ist, sollte ein etwaiger Mangel dieses Vitamins ebenfalls behandelt werden. Traditionell wird Cobalamin subkutan verabreicht, jüngste Arbeiten zeigen jedoch, dass eine orale Gabe auch bei Hunden mit Darmerkrankung wirksam sein kann 23. Eine Supplementierung von Folsäure sollte bei Hunden mit Folsäuremangel in Erwägung gezogen werden (200 µg/kg PO alle 24 Std. – wenn < 20 kg – und 400 µg/kg PO alle 24 Std. – wenn >20 kg), wobei Präparate aus der Humanmedizin auch bei Hunden akzeptabel sind.
Eine spezifische Behandlung wird bei Hunden mit signifikanter ionisierter Hypokalzämie empfohlen. Wenn entsprechende klinische Symptome wie Muskelzuckungen, Tremor oder Gesichtsreiben beobachtet werden, kann eine parenterale Gabe von 10 % Kalziumglukonat erforderlich sein (0,5-1 ml/kg, langsam IV über 10-30 Minuten unter Überwachung der Herzfrequenz, idealerweise mit EKG-Monitoring). Auch die orale Gabe von Kalziumkarbonat kann in diesen Fällen hilfreich sein (25-50 mg/kg alle 24 Std. oder elementares Kalzium in geteilter Dosis alle 12 Std.). Da eine Hypomagnesämie auch die Kalziumabsorption beeinträchtigen kann, kann nach Bedarf auch orales Magnesiumhydroxid verabreicht werden (1-2 mEq/kg alle 24 Stunden oder als geteilte Dosis alle 12 Std.). Viele Hunde mit ionisierter Hypokalzämie weisen zudem einen niedrigen 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegel auf und können von einer Behandlung mit Calcitriol profitieren (20-30 ng/kg PO alle 24 Stunden über 3-4 Tage, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 5-15 ng/kg alle 24 Std., am besten mit Abstand zu Steroiden). Nicht bekannt ist, ob Hunde mit PLE, die eine D-Hypovitaminose bei Normokalzämie aufweisen, von der Gabe von Vitamin-D-Produkten profitieren würden. Das Thromboserisiko wird bei Hunden mit PLE generell als hoch eingeschätzt (auf Grundlage der 2022 CURATIVE Guidelines), und dementsprechend wird bei diesen Patienten eine Thromboseprophylaxe empfohlen 24. Viele betroffene Hunde erhalten deshalb den Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel in einer Dosierung von 2-3 mg/kg PO alle 24 Std., aber auch die Gabe von Faktor-Xa-Hemmern (z. B. Apixaban, Rivaroxaban) zur Thromboseprophylaxe kann in Betracht gezogen werden.
Eine Drainage abdominaler oder thorakaler Ergüsse ist nur dann zu empfehlen, wenn klinische Beschwerden oder Atmungsschwierigkeiten vorliegen. Von der Anwendung von Diuretika wird dagegen abgeraten, da sie oft ineffektiv sind und Dehydratation fördern können. Jegliche Flüssigkeitstherapie mit kristalloiden Lösungen sollte aufgrund der bestehenden Hypoproteinämie sehr vorsichtig erfolgen, und Plasma muss in substanziellen Volumina verabreicht werden, um den Albuminspiegel eines Patienten in relevantem Maße zu erhöhen, so dass diese Option in der Regel nicht praktikabel ist. Wenn es um die Behandlung von Ödemen geht, sind Kolloide wie Hydroxyethylstärke die sinnvollste Option. Die Anwendung von konzentriertem Humanalbumin (25 %) wird bei Hunden nicht empfohlen 25. Ein canines Albuminprodukt ist in einigen Ländern erhältlich und anekdotischen Berichten zufolge bei Hunden mit PLE wirksam. Und schließlich profitieren Hunde mit PLE oft auch von weiteren unterstützenden Maßnahmen wie der Gabe von Arzneimitteln zur Linderung von Erbrechen und Nausea (z. B. Maropitant 2 mg/kg PO alle 24 Std.).
Spekulative Behandlung
Wenn ein Hund mit PLE ohne die vorteilhaften Erkenntnisse aus einer Darmbiopsie behandelt werden soll, müssen zunächst die Risiken (Fehldiagnose, potenzielle Schäden, wenn eine infektiöse Darmerkrankung vorliegt) mit dem Hundehalter diskutiert werden. Zu berücksichtigen sind zudem die Rasse des Patienten und die Frage etwaiger bekannter Prädispositionen. Liegen keine Biopsiebefunde oder keine rassespezifischen Prädispositionen vor, geht man wahrscheinlich am besten davon aus, dass bei einem Hund mit PLE sowohl eine IL als auch eine CED vorliegen und behandelt den Patienten dann dementsprechend.