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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 33.1 Ernährung

Gluten – Bedeutung für die Gesundheit von Mensch und Hund

veröffentlicht 19/04/2023

Geschrieben von Chih-Fan Chiang

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Română , Español und English

Glutenfreie Nahrungen für Menschen und Hunde sind zurzeit ein sehr populäres Thema, aber wie häufig kommen Gluten-assoziierte Erkrankungen tatsächlich vor? Dieser Artikel beleuchtet unser aktuelles Wissen über diese Erkrankungen bei beiden Spezies.

Border Terrier

Kernaussagen

Gluten ist ein Sammelbegriff für bestimmte Pflanzenproteine, die in Zerealienkörnern vorkommen und unter anderem zu dem „elastischen“ Kaugefühl von Backwaren beitragen.


Glutenfreie Nahrungen können bei bestimmten Erkrankungen von Hunden geeignet sein, insbesondere Enteropathien bei Irish Settern und paroxysmale Dyskinesie bei Border Terriern.


Eine therapeutische Diätnahrung mit begrenzter Anzahl glutenfreier Inhaltsstoffe kann in Fällen mit Verdacht auf eine Gluten-assoziierte Erkrankung für eine Eliminationsdiät in Erwägung gezogen werden.


Eine glutenfreie Nahrung ist auch für gesunde Hunde angezeigt, die mit Menschen mit Gluten-assoziierten Erkrankungen zusammenleben.


Einleitung

Der Terminus Gluten beschreibt Pflanzenproteine, die im Endosperm von Zerealienkörnern vorkommen und den nutritiven Bedarf für die Keimung und das Wachstum decken. Wissenschaftler interessieren sich schon sehr lange für Gluten und analysierten unter anderem die Zusammensetzung. Die Proteine verschiedener Zerealienkörner werden heute in vier Kategorien unterteilt: Albumin, Globulin, Prolamin und Glutelin 1. Albumin und Globulin sind wasserlöslich, während Prolamine über ein alkoholisches Lösungsmittel, und Gluteline mit einem alkalischen Lösungsmittel extrahiert werden können. Prolamine tragen ihren Namen aufgrund ihres hohen Gehaltes an Prolin und Glutamin, und werden entsprechend ihrer Herkunft aus den verschiedenen Getreidearten als Gliadin (Weizen), Hordein (Gerste), Secalin (Roggen), Avenin (Hafer) und Zein (Mais) bezeichnet. Bei den Glutelinen handelt es sich um Proteine, die als Bestandteile von Enzymen und Zellwänden fungieren, und auch wieder entsprechend ihrer Herkunft aus den verschiedenen Getreidearten benannt werden. Der wichtigste Vertreter der Gluteline ist das Glutenin in Weizenkörnern. Einigen Autoren zufolge sollte der Begriff „Gluten“ ausschließlich für die beiden wasserunlöslichen Weizenkornproteine Gliadin und Glutenin reserviert sein.

Neben seinen Aufgaben bei der Unterstützung des Keimwachstums spielt Gluten auch eine wichtige Rolle in der Lebensmitteltechnik. Die Disulfidbindungen zwischen Gluten-Aminosäuren sind verantwortlich für die viskoelastischen und adhäsiven Eigenschaften gehender Teige und tragen zur inneren Struktur eines elastischen Brotlaibes bei. Die externe Zugabe von Gluten zu Teigen ist eine effiziente und ökonomische Strategie zur Verbesserung der Textur und des Mundgefühls von Backwaren. Allerdings kann Gluten auch zur Entwicklung verschiedener Erkrankungen beitragen, wie zum Beispiel der Zöliakie bei Menschen. So ist gut bekannt, dass der Verzehr von Zerealienkörnern von Pflanzen der Tribus Triticeae, wie zum Beispiel Weizen, Gerste und Roggen, bei empfänglichen Individuen entsprechende klinische Symptome auslösen kann. Ähnliche Symptome können auch durch bestimmte Sorten von Hafer und Haferkörnern getriggert werden, wenn diese in Mühlen verarbeitet werden, die auch für Weizen, Gerste und Roggen verwendet werden 2. Der Begriff „Gluten“ wird zwar für die Bezeichnung sämtlicher Zerealienproteine verwendet, bei Menschen besteht zwischen dem von Mais und Reis stammenden Gluten und Gluten-assoziierten Erkrankungen jedoch kein Zusammenhang. In diesem Artikel wird der Terminus Gluten daher ausschließlich für Proteine von Gerste, Roggen, Hafer und Weizen verwendet.

Gluten-assoziierte Erkrankungen beim Menschen

„Gluten-assoziierte Erkrankungen“ ist ein Sammelbegriff zur Beschreibung klinischer Symptome im Zusammenhang mit einer Glutenexposition. Auf der Grundlage ihrer verschiedenen Pathogenesen und Ätiologien können diese Erkrankungen in die drei folgenden Kategorien unterteilt werden 3.

Allergische Reaktionen

Bei einer allergischen Reaktion auf Gluten kann es sich um eine Typ-I- oder um eine Typ-IV-Überempfindlichkeit handeln, die bei empfänglichen Individuen dementsprechend entweder unmittelbar nach einer Glutenexposition oder verzögert auftritt. Wenn Immunglobulin E (IgE) beteiligt ist, triggert die Kreuzvernetzung (Crosslinking) zwischen IgE und Gluten zelluläre Kaskaden in Mastzellen und basophilen Granulozyten, die zu Degranulation führen und damit zur Freisetzung von Zytokinen und Entzündungsmediatoren wie Histamin. Diese Verbindungen induzieren dann klinische Symptome, deren Art und Ausprägung in erster Linie davon abhängen, in welcher Region des Körpers die Reaktion stattfindet, wie z. B. Erbrechen, Diarrhoe, Pruritus, Atopie, Asthma und Rhinitis. Gluten-assoziierte Erkrankungen mit Beteiligung allergischer Reaktionen werden kollektiv als Weizenallergie bezeichnet, und gehören zu den weltweit häufigsten Nahrungsmittelallergien 3.

Autoimmunreaktionen

Das klassische Beispiel für die Kategorie der Autoimmunreaktionen ist die Zöliakie. Wenn ein empfängliches Individuum weizenhaltige Produkte aufnimmt, führt Gliadin im Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) zu einer Störung der Integrität der Tight Junctions der Enterozyten und verändert die intestinale Permeabilität 4. Gliadin stimuliert systemische Immunantworten und hat die Bildung von Anti-Gliadin-Antikörpern zur Folge. Neben der Erhöhung der intestinalen Permeabilität trägt die Glutenassimilation auch zur Entwicklung von Autoimmunreaktionen gegen Gewebstransglutaminase (tissue transglutaminase; tTG) bei 5. Gewebstransglutaminase ist ein multifunktionelles, im menschlichen Körper ubiquitäres Enzym, das verantwortlich ist für die Desaminierung und Transaminierung von Glutamin im GI-Trakt. Aufgrund des hohen Glutamingehalts von Gliadin bildet tTG enge Kreuzvernetzungen mit Gliadin, welches dann neue antigene Epitope generiert, die wiederum zur Entwicklung von Autoantikörpern gegen tTG führen. Neben dem direkten Effekt von Gluten trägt bei Zöliakie-Patienten auch eine genetische Prädisposition zur Vulnerabilität bei. Die meisten Zöliakie-Patienten tragen spezifische Varianten von humanen Leukozyten-Antigen-Genen (HLA-Gene), die über eine gesteigerte Lymphozytenaktivierung für eine Verstärkung der Immunreaktion sorgen 3. Diese Multisystem-Beteiligung und die Autoantikörper machen die Autoimmunreaktion auf Gluten so einzigartig. Insgesamt leiden Zöliakie-Patienten unter Malabsorption und anderen GI-Symptomen, deren Ursachen die geschädigten Enterozyten und die sich in Folge einer Glutenexposition entwickelnde Zottenatrophie sind (Abbildung 1).

Anti-tTG-Antikörper sollen darüber hinaus auch zur Entwicklung der Dermatitis herpetiformis (Abbildung 2) und der Gluten-Ataxie beitragen, den anderen beiden Formen Gluten-assoziierter Autoimmunreaktionen 6. Zu bemerken ist, dass sich die Symptome dieser Krankheitsprozesse zwar überlagern können, das dominante klinische Symptom aber vom primär betroffenen Organ oder Gewebe geprägt wird. So zeigen zum Beispiel Patienten mit Gluten-Ataxie aufgrund der Beteiligung von Purkinje-Zellen im Kleinhirn in der Regel Bewegungsstörungen wie Ataxie, Tremor und Myoklonie 6. Die Bestimmung von Anti-tTG- und Anti-Gliadin-Antikörpern im Serum ist daher ein wertvolles Hilfsmittel zur Unterstützung der Diagnose in Verdachtsfällen einer Autoimmunreaktion gegen Gluten.

Zöliakie ist gekennzeichnet durch einen Verlust der Integrität der Tight Junctions von Enterozyten und einer Zottenatrophie mit der Folge einer Veränderung der intestinalen Permeabilität und klinischen Symptomen wie Diarrhoe

Abbildung 1. Zöliakie ist gekennzeichnet durch einen Verlust der Integrität der Tight Junctions von Enterozyten und einer Zottenatrophie mit der Folge einer Veränderung der intestinalen Permeabilität und klinischen Symptomen wie Diarrhoe.
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Dermatitis herpetiformis

Abbildung 2. Dermatitis herpetiformis ist eine weitere Form von autoimmuner Reaktion im Zusammenhang mit Glutensensitivität beim Menschen. Interessant ist, dass auch einige Border Terrier mit paroxysmaler Dyskinesie, die mit einer Glutenintoleranz zusammenhängen soll, dermatologische Symptome zeigen können. 
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Andere Gluten-assoziierte Reaktionen

Nach der Aufnahme von Gluten entwickeln einige Individuen Reaktionen, bei denen weder allergische noch autoimmune Mechanismen nachweisbar sind. Die klinischen Symptome ähneln zwar denen von Patienten mit allergischen oder autoimmunen Reaktionen auf Gluten, die histopathologische Untersuchung von Darmbioptaten ist in der Regel aber unauffällig, und während in einigen Fällen erhöhte Anti-Gliadin-Antikörper-Konzentrationen im Serum feststellbar sind, werden Anti-tTG-Antikörper im Serum nicht nachgewiesen 3. In Anbetracht der Ähnlichkeit der klinischen Symptome kann die Diagnose „weder allergisch noch autoimmun“ letztlich nur über ein Ausschlussverfahren gestellt werden, und die Erkrankung dieser Kategorie wird auch als „Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität“ bezeichnet 3.

Trotz dieser gut etablierten Kategorisierung ist die tatsächliche Prävalenz Gluten-assoziierter Erkrankungen auch bei Menschen nach wie vor unklar, da die meisten Patienten mit entsprechenden klinischen Symptomen in der Regel diätetische Modifikationen in Eigenregie und ohne formelle ärztliche Beratung vornehmen. In Verdachtsfällen wird die diagnostische Abklärung durch Maßnahmen wie die Erstellung eines Serumantikörperprofils, eine genetische Typisierung und eine histopathologische Untersuchung von Darmbiopsien unterstützt. Auch wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen einer bestimmten Komponente der Nahrung und einer Erkrankung in der Regel nicht einfach zu etablieren ist, kann eine Eliminationsdiät, gefolgt von einem Provokationstest mit reinem Gluten oder glutenhaltiger Nahrung, hilfreich sein, um eine Verbindung zwischen Glutenexposition und klinischen Symptomen zu bestätigen. Zu beachten ist dabei aber, dass ein Entzug diätetischen Glutens zu falsch negativen Testergebnissen führen kann, wie zum Beispiel unauffälligen Serumantikörperprofilen und abgeklungenen histopathologischen Veränderungen in Darmbioptaten von Zöliakie-Patienten 6.

Gluten-assoziierte Erkrankungen bei Hunden

Klinische Symptome im Zusammenhang mit diätetischem Gluten werden in den vergangenen Jahrzehnten auch bei einigen Hunderassen beschrieben. So wird die beim Irish Setter zu beobachtende Verbindung zwischen Gluten und Enteropathie seit dem späten 20. Jahrhundert untersucht. Eine Studie versuchte die Erkrankung zu charakterisieren und die Unterschiede zwischen dieser Erkrankung und der Zöliakie beim Menschen zu beleuchten 7. In besagter Studie wurden Irish Setter beurteilt, die überwiesen worden waren, weil sie Schwierigkeiten hatten, ihr Körpergewicht zu halten, (Abbildung 3). Die teilnehmenden Hunde hatten unauffällige Kotbefunde, Serumcobalaminkonzentrationen und Pankreasfunktionen, aber die Histopathologie von Bioptaten des Dünndarms zeigte eine Zottenatrophie variierenden Schweregrades, die eine Ursache von Malabsorption und infolgedessen von Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung des Körpergewichts sein könnte. Allerdings fehlt in der Studie eine sorgfältige Beurteilung des diätetischen Vorberichts dieser Hunde, und eine definitive kausale Beziehung zwischen Gluten und der Enteropathie konnte letztlich nicht etabliert werden.

Irish Setter

Abbildung 3. Irish Setter sind anfällig für eine Enteropathie, die zu chronischem Gewichtsverlust und GI-Symptomen führen kann. Es kann ein Zusammenhang mit Glutenunverträglichkeit bestehen, die Erkrankung ist aber nicht direkt vergleichbar mit der Zöliakie. 
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Eine weitere Studie beschreibt verbesserte bis vollständig zurückgegangene klinische Symptome (wie z.B. Diarrhoe) und histologische Anomalien der Darmschleimhaut nach Einleitung einer glutenfreien Ernährung empfänglicher Irish Setter, die mit weizenhaltiger Nahrung aufgezogen worden waren 8. Nach anschließender Provokation mit reinem Gluten rezidivierten die klinischen Symptome, begleitet von erneut auftretenden Schäden an den Zotten. Entsprechende serologische Profile zur Unterstützung der Diagnose einer Zöliakie bei diesen Hunden werden in dieser Studie allerdings nicht beschrieben.

Trotz eines als möglich geltenden kausalen Zusammenhangs fand eine Studie keine signifikanten Unterschiede bei den Anti-Gliadin-Antikörper-Konzentrationen im Serum empfänglicher Irish Setter, die entweder mit weizenhaltigen oder zerealienfreien Nahrungen aufgezogen wurden. Die Serumkonzentrationen von Autoantikörpern und anderen Immunglobulinen zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen 9. In Anbetracht der fehlenden systemischen und autoimmunen Beteiligung scheint sich die bei dieser Rasse beschriebene Enteropathie von der klassisch definierten Zöliakie zu unterscheiden. Auch wenn die Pathogenese und eine genetische Prädisposition der Irish-Setter-Enteropathie noch genauer definiert werden müssen, scheinen betroffene Hunde von glutenfreien Nahrungen zu profitieren. Diese Befunde und die neuesten Trends in der humanen Ernährung haben dazu geführt, dass das Thema Gluten in Tiernahrung heute oft im Fokus der Diskussion zwischen Tierärzten und Besitzern steht.

Jüngsten Berichten zufolge soll Gluten auch mit der paroxysmalen Dyskinesie (PD) beim Border Terrier zusammenhängen (Abbildung 4). Der Begriff paroxysmale Dyskinesie beschreibt eine Gruppe von Erkrankungen mit episodisch auftretenden Bewegungsstörungen, wie Dystonie und Tremor, die durch Stimulanzien wie Erregung, körperliche Anstrengung oder Stress getriggert werden können 10. Beobachtet werden diese Episoden vorwiegend bei jungen bis mittelalten Hunden bestimmter Rassen wie Border Terrier, Cavalier King Charles Spaniel, Chinook, Norwich Terrier und Soft Coated Wheaten Terrier 10. Trotz der abnormen, unwillkürlichen Bewegungen, die über Minuten bis Stunden andauern können, scheinen die Patienten während der Episoden bei Bewusstsein zu sein, und (im Unterschied zu einigen neurologischen Defiziten, die man oft nach länger anhaltenden epileptischen Anfällen beobachtet), verläuft die Erholung nach diesen selbstlimitierenden Episoden unauffällig, und zwischen den einzelnen Episoden zeigen die Hunde ein normales Verhalten 10.

Border Terrier können zu paroxysmaler Dyskinesie neigen

Abbildung 4. Border Terrier können zu paroxysmaler Dyskinesie neigen, und die Anfälle können aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome mit epileptischen Anfällen verwechselt werden. 
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Die Pathogenese der PD bei Hunden wird zwar noch nicht voll umfänglich verstanden, als mögliche Ursache werden jedoch Genmutationen diskutiert. Eine Studie beschreibt eine Mikrodeletion des BCAN-Gens beim Cavalier King Charles Spaniel 11. Dieses Gen kodiert für Brevican, ein Proteoglycan, das die extrazelluläre Matrix im Gehirn bildet und verantwortlich ist für die Aufrechterhaltung der synaptischen Stabilität. Die BCAN-Mutation ist in hohem Maße assoziiert mit dem Episodic Falling Syndrome, einer beim Cavalier King Charles Spaniel auftretenden paroxysmalen Bewegungsstörung 11.

Auf der anderen Seite scheinen Nahrungskomponenten eine wichtige Rolle bei der PD bei Border Terriern (früher bezeichnet als Canine Epileptoid Cramping Syndrome oder Spike‘s Disease) zu spielen. Eine Studie versuchte, PD bei dieser Rasse zu phänotypisieren und untersuchte Hunde, die auf der Basis von Beobachtungen der Besitzer, anhand von Videoaufnahmen und aufgrund ihrer Krankenakten als geeignete Probanden eingestuft worden waren 12. Interessanterweise wurden laut dieser Studie bei 50 % der beurteilten Hunde auch dermatologische Symptome (einschließlich häufiger Juckreiz) sowie geringgradige GI-Symptome (z. B. Erbrechen und Diarrhoe) beschrieben. Zudem zeigten viele der Hunde nach Umstellung der Ernährung (auf eine „hypoallergene“ Diätnahrung oder auf eine Nahrung mit einer einzigen Proteinquelle und einer einzigen Kohlenhydratquelle) eine Abnahme der Häufigkeit der PD, was auf eine zugrundeliegende Futtermittelallergie oder Futtermittelintoleranz als Ursache hinweisen kann. Die Studie beschreibt darüber hinaus, dass Züchter und Besitzer betroffener Border Terrier nach Umstellung auf eine glutenfreie Ernährung anekdotisch von einem Rückgang von Bewegungsstörungen berichten.

Eine weitere kleine Studie untersuchte sechs geeignete Border Terrier mit PD, die über neun Monate eine strikte Eliminationsdiät mit einer therapeutischen Diätnahrung mit begrenzter Anzahl glutenfreier Hydrolysate erhielten. Diese Diät führte zu einer signifikant reduzierten Häufigkeit von PD-Episoden bei Hunden von Besitzern mit entsprechend hoher Compliance, und auch die Serumkonzentrationen von Anti-Gliadin- und Anti-tTG-Antikörpern waren bei diesen Hunden reduziert 13. Trotz der geringen Probengröße weist die Studie auf eine positive Antwort betroffener Hunde auf eine glutenfreie Diät hin.

In einer Follow-up-Studie wurden Border Terrier auf Basis der klinischen Diagnose in vier Gruppen unterteilt, um das serologische Profil von Hunden mit PD zu charakterisieren 14. Neben Gruppen von gesunden Hunden, Hunden mit Verdacht auf PD und Hunden mit Verdacht auf idiopathische Epilepsie wurden andere teilnehmende Hunde in eine vierte Gruppe kategorisiert (Individuen mit uneindeutigen klinischen Diagnosen oder mit nicht-neurologischen Erkrankungen). Keiner der in die Studie aufgenommenen Hunde wurde glutenfrei ernährt. Die Autoren stellen fest, dass erhöhte Konzentrationen serologischer Marker, also Anti-tTG- und Anti-Gliadin-Antikörper, nicht bei allen Border Terriern mit Verdacht auf PD nachzuweisen waren. Und auf der anderen Seite kamen erhöhte Konzentrationen serologischer Marker nicht ausschließlich bei Hunden mit klinischen Symptomen einer PD vor. Wie Menschen mit Gluten-assoziierten Erkrankungen scheinen also auch Border Terrier mit erhöhten Konzentrationen serologischer Marker ein breites Spektrum klinischer Symptome aufzuweisen. Allerdings scheinen diese serologischen Tests keine besonders hohe Spezifität für die Diagnose einer paroxysmalen glutensensitiven Dyskinesie bei dieser Rasse zu haben 14. Aber auch wenn der diagnostische Wert serologischer Marker eingeschränkt sein kann, sobald betroffene Hunde auf eine glutenfreie Diät umgestellt sind, kann die Kombination aus Bestimmung serologischer Marker, vollständiger diätetischer Anamnese und diagnostischer Maßnahmen zum Ausschluss extra- und intrakranieller Ursachen bei der Abklärung eines PD-Verdachtes bei Border Terriern hilfreich sein.

Chih-Fan Chiang

In Anbetracht der fehlenden systemischen und autoimmunen Beteiligung scheint sich die beim Irish Setter beschriebene Enteropathie von der klassisch definierten Zöliakie zu unterscheiden.

Chih-Fan Chiang

Überlegungen zur Ernährung bei Hunden mit Gluten-assoziierten Erkrankungen

Epidemiologische Daten über Gluten-assoziierte Erkrankungen in der allgemeinen Hundepopulation gibt es gegenwärtig nicht. Zudem sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Phänotypologie und die Pathogenese solcher Erkrankungen besser zu verstehen. Trotz dieser Wissenslücken können nach den gegenwärtig vorliegenden Erkenntnissen Hunde bestimmter Rassen, deren klinische Symptome und diätetische Anamnese für Gluten-assoziierte Erkrankungen sprechen, von diätetischen Interventionen profitieren.

Wenn der Verdacht auf eine Gluten-assoziierte Erkrankung besteht, ist es das Ziel, eine vollwertige und ausgewogene Nahrung zu füttern, die mit glutenfreien Inhaltsstoffen formuliert ist, für das Lebensstadium des Hundes geeignet ist, klinische Symptome lindert und eine zur Förderung oder für den Erhalt einer idealen Body Condition geeignete Kalorienaufnahme sicherstellt. In den USA macht die Food & Drug Administration (FDA) Vorgaben für die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln als „gluten-free“, damit sich Menschen mit Gluten-assoziierten Erkrankungen durch eine sorgfältige Auswahl entsprechender Produkte gesund ernähren können 15. Trotz dieser wertvollen Unterstützung bei der Wahl der Nahrungsmittel muss immer daran gedacht werden, dass der bewusste Ausschluss bestimmter diätetischer Komponenten in einigen Fällen auch zu einer defizitären Versorgung mit bestimmten Nährstoffen, wie zum Beispiel Fasern und Zink, führen kann, und zur Sicherstellung einer vollwertigen und ausgewogenen Ernährung ist eine professionelle Beratung immer zu empfehlen 16. In der Veterinärmedizin sind solche Unausgewogenheiten bekannt bei der Ernährung von Tieren mit zu Hause selbst zubereiteten Nahrungen, die von Laien formuliert werden 17. Aber auch wenn eine vollwertige und ausgewogene Ernährung eines Hundes ohne Gluten mit zu Hause selbst zubereiteten Nahrungen, die von einem Experten wie zum Beispiel einem Fachtierarzt für Tierernährung und Diätetik formuliert werden, durchaus möglich ist, scheint eine dauerhafte Fütterung solcher Nahrungen in Anbetracht des hierfür notwendigen Zeit- und Ressourcenaufwandes nicht immer geeignet 18. Erfreulicherweise gibt es heute aber eine große Vielfalt an kommerziellen Hundenahrungen, um den nutritiven Bedarf unterschiedlicher Lebensstadien, Lebensweisen und Krankheitsprozesse zu decken, so dass Besitzer die Möglichkeit haben, unter tierärztlicher Beratung die für ihren Hund am besten geeignete Fertignahrung zu finden (Abbildung 5). Grundsätzlich in Betracht kommt jede von einem renommierten Unternehmen hergestellte glutenfreie Nahrung, und die WSAVA hat eine Checkliste für die Beurteilung von Tiernahrungen und Tiernahrungsherstellern herausgegeben 19.

Die Wahl einer glutenfreien Tiernahrung ist nicht immer einfach

Abbildung 5. Die Wahl einer glutenfreien Tiernahrung ist nicht immer einfach, da das Etikett der Verpackung nicht immer alle tatsächlich enthaltenen Inhaltsstoffe vollständig angibt. Eine tierärztliche Beratung ist in diesen Fällen immer zu empfehlen. 
© Shutterstock

Da es bezüglich der Kennzeichnung von Tierfuttermitteln bislang keine Regelungen von relevanten Organisationen wie zum Beispiel der Association of American Feed Control Officials (AAFCO) gibt, erfordert die Feststellung, ob es sich bei einem bestimmten kommerziellen Produkt tatsächlich um eine glutenfreie Tiernahrung handelt, eine gründliche Analyse der Liste der Inhaltsstoffe auf der Verpackung, wobei sich diese Beurteilung manchmal auch im Bereich der Vermutungen abspielt, da sich die Qualitätskontrollen verschiedener Tiernahrungshersteller durchaus unterscheiden 20. So berichtet zum Beispiel eine Studie, dass einige frei verkäufliche kommerzielle Nahrungen mit der Kennzeichnung „begrenzte Inhaltsstoffe“ tierische Proteine enthalten, die nicht auf dem Etikett der Verpackung angegeben sind 21. Auch wenn diese Studie gewisse Einschränkungen aufweist, wie die Variation der Chargen und falsch positive Ergebnisse bei derartig sensitiven Tests, weisen diese Befunde darauf hin, dass es während des Herstellungsprozesses zu Kreuzkontaminationen kommen kann, die frei verkäufliche Nahrungen mit „begrenzten Inhaltsstoffen“ letztlich als weniger geeignet für eine Eliminationsdiät erscheinen lassen. Eine gute Wahl für eine Eliminationsdiät ist nach Ansicht des Autors dagegen eine von einem erfahrenen Tiernahrungshersteller mit hervorragenden Qualitätskontrollen produzierte therapeutische Diätnahrung mit einer begrenzten Anzahl glutenfreier Inhaltsstoffe. In Frage kommen unter anderem zahlreiche der zur Behandlung von Futtermittelunverträglichkeiten formulierten Diätnahrungen oder hypoallergene Diätnahrungen für Tiere mit Futtermittelallergie-assoziierten Hauterkrankungen.

Zu beachten ist, dass sich kommerzielle Nahrungen in vielerlei Hinsicht signifikant voneinander unterscheiden, wie zum Beispiel bezüglich der Art der Herstellung und anhand der Nährstoffprofile. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss den Kunden bei der tierärztlichen Empfehlung einer Diätnahrung deshalb immer der spezifische Name des Herstellers und des Produktes genannt werden, aber auch der Typ der Nahrung (Feuchtnahrung oder Trockennahrung) und die konkrete Höhe der Tagesration. Je nach klinischen Symptomen, beteiligtem Körpersystem und Ansprechen des Patienten kann eine Elimination zwischen 1-2 Wochen bei gastrointestinalen Symptomen und bis zu 12 Wochen bei dermatologischen Symptomen dauern. Im Idealfall wird eine Eliminationsdiät von einem Provokationstest gefolgt, um die Reaktion des Patienten auf bestimmte Nahrungsbestandteile zu beurteilen, die im Verdacht stehen, die klinischen Symptome hervorzurufen. Solche Tests unterstützen die Bestätigung der Diagnose einer Gluten-assoziierten Erkrankung, und weisen schließlich auch auf die Notwendigkeit hin, eine lebenslange Überwachung einzuleiten und einen glutenfreien Ernährungsplan zu erstellen.

Klar dokumentiert sind klinische Symptome Gluten-assoziierter Erkrankungen bislang zwar nur beim Border Terrier und beim Irish Setter, glutenfreie Nahrungen werden gelegentlich aber auch von Kunden nachgefragt, die selbst unter einer Glutensensitivität leiden, da sich diese bei entsprechender Glutenexposition als lebensbedrohlich erweisen kann. In einem solchen Szenario sollte man als Tierarzt oder Tierärztin eine entsprechende Nachfrage von Kundenseite durchaus sehr ernst nehmen und zusammen mit dem Besitzer einen geeigneten Ernährungsplan für den Hund erarbeiten.

Schlussfolgerung

Gluten-assoziierte Erkrankungen werden bei Menschen und bei Hunden beschrieben und können mit Hilfe eines sorgfältigen Ausschlusses von Gluten aus der Nahrung gemanagt werden. Auch wenn die Prävalenz und die Pathogenese Gluten-assoziierter Erkrankungen bei Hunden noch weiter aufgeklärt werden müssen, spricht die bei betroffenen Tieren zu beobachtende positive therapeutische Antwort für eine zeitnahe diätetische Intervention. Gluten ist heute ein wichtiges Thema in der Ernährung von Menschen und Hunden, und ein solides Grundwissen erlaubt es Tierärzten, die Besitzer optimal darüber zu beraten, ob und wann eine Umstellung der Ernährung betroffener Tiere erforderlich ist.

Literatur

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Chih-Fan Chiang

Chih-Fan Chiang

Chih-Fan Chiang schloss sein Tiermedizinstudium an der School of Veterinary Medicine der National University of Taiwan ab Mehr lesen

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