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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 25.3 Sonstiges Wissenschaft

Notfallvisiten in erstversorgenden tierärztlichen Kliniken

veröffentlicht 15/04/2021

Geschrieben von Emi Kate Saito und Catherine Rhoads

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Dieser Artikel präsentiert einige grundlegende epidemiologische Daten von Hunden, die als Notfälle in erstversorgenden tierärztlichen Kliniken eines Franchise-Netzes in den USA vorgestellt wurden. Die hier gezeigten Daten sollen die häufigen Ursachen von Notfallvisiten in den meisten...

Notfallvisiten in erstversorgenden tierärztlichen Kliniken

 

Einleitung

Dieser Artikel präsentiert einige grundlegende epidemiologische Daten von Hunden, die als Notfälle in erstversorgenden tierärztlichen Kliniken eines Franchise-Netzes in den USA vorgestellt wurden. Die hier gezeigten Daten sollen die häufigen Ursachen von Notfallvisiten in den meisten erstversorgenden tierärztlichen Praxen jedoch nur aus der Vogelperspektive beleuchten, da eine genaue Analyse der weiteren Verläufe und der klinischen Outcomes dieser Fälle den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.

 

 

Analysemethoden

Die Patientenkarteien sämtlicher im Jahr 2014 in den Banfield Hospitals vorgestellter Hunde wurden auf das Kriterium „Notfallvisite“ gescreent. Um in die Analyse aufgenommen zu werden, musste ein Fall mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen: Als Grund für die Visite war ein „Notfall“ vermerkt oder beim Besitzer wurde eine „Notfallbehandlung“ abgerechnet (z. B. Notfallbehandlung/dringende Behandlung/Behandlung außerhalb der Sprechzeiten) oder es gab den Vermerk „Autounfall“. Die bei jeder Visite eingetragenen Diagnosen wurden gezählt und aufgelistet, und von dieser Liste wurden diejenigen Diagnosen gestrichen, die wahrscheinlich keinen Zusammenhang mit der Notfallvisite hatten (z. B. Zahnstein, Nukleussklerose). Anschließend wurde eine Top 10-Liste der „Notfalldiagnosen“ erstellt. Diese wurden anschließend in 10 Kategorien gruppiert: dermatologische Erkrankungen (z. B. Abrasion/Wunde/Trauma, Abszess, Bissverletzung); Autounfall oder Knochenfraktur; Atemwegserkrankung (z. B. Bronchitis, Trachealkollaps, Asthma, Husten, Dyspnoe); Toxinexposition (z. B. Pflanzen, Chemikalien oder Arzneimittel); allergische Reaktion (z. B. Anaphylaxie, Urtikaria); neurologische Erkrankung (z. B. Anfälle, Anisokorie, Vestibularkrankheit); gastrointestinale Erkrankung (z. B. Erbrechen, Diarrhoe, Lebererkrankung, Pancreatitis); endokrine/metabolische Erkrankung (z. B. Diabetes mellitus, diabetische Ketoacidose, Nebennierenerkrankung); urogenitale Erkrankung (z. B. Dystokie, Pyometra, Eklampsie, Nierenerkrankung, Harnwegsobstruktion) oder unspezifische Erkrankung (z. B. schlechtes Allgemeinbefinden, Anorexie, Fieber). Zusätzlich analysiert wurde das mit der Diagnose „Autounfall“ kombinierte Auftreten bestimmter Probleme (Knochenfrakturen, Hautwunden, Atemwegserkrankungen oder neurologische Erkrankungen). 
 

Ergebnisse

In den Banfield Hospitals wurden im Jahr 2014 nahezu 2,4 Millionen Hunde in fast 7 Millionen Visiten vorgestellt. Darunter waren 21 840 Hunde (0,9 %), die in 22 625 „Notfallvisiten“ vorgestellt wurden. Bei etwa 57,7 % (13 056) dieser Visiten wurde eine genaue Diagnose gestellt, die im entsprechenden Feld der Patientenkartei eingetragen war. Die Top 10-Rassen der Notfallvisiten sind in Tabelle 1 aufgelistet. Chihuahua und Labrador waren am häufigsten vertreten. Die Top-Diagnosen und ihre Häufigkeit sind in den Tabellen 2a und 2b zusammengefasst. Autounfälle waren mit 22,8 % aller Visiten die häufigste Ursache von Notfällen. Innerhalb der zehn „Notfallkategorien“ wurden dermatologische Erkrankungen am häufigsten festgestellt (25,4 % aller Fälle) gefolgt von der Kategorie Autounfall/Knochenfraktur (24,5 %). Bei Hunden mit Autounfall kamen begleitende Verletzungen nicht selten vor (siehe Tabelle 3). So wiesen zum Beispiel 27,8 % dieser Hunde assoziierte Hautwunden auf und 11,5 % Knochenfrakturen.

 

Tabelle 1. Top 10-Hunderassen, in „Notfallvisiten” 2014*.
Rasse  Anzahl Hunde Prozent Notfälle
Chihuahua  2 114 9,7%
Labrador 1 932 8,8%
Pitbull  1 292 5,9%
Yorkshire Terrier 1 247 5,7%
Shih Tzu  1 060 4,9%
Dachshund 795 3,6%
Mischlinge 742 3,4%
Deutscher Schäferhund 720 3,3%
Boxer  691 3,2%
Malteser 676 3,1%

* Die Liste der am häufigsten betroffenen Rassen entspricht weitgehend der Rasseverteilung der während des Jahres 2014 in den Banfield Hospitals vorgestellten Gesamtpopulation.

 

Tabelle 2a. Die häufigsten Gründe für „Notfallvisiten“.
Spezifische Diagnose Anzahl Notfallvisiten mit dieser Diagnose % Notfallvisiten mit dieser Diagnose
Autounfall 2 975 22,8%
Anfälle 1 362 10,4%
Vergiftung/Toxizität 942 7,2%
Schlechtes Allgemeinbefinden 836 6,4%
Lazeration  733 5,6%
Abrasion  717 5,5%
Bissverletzung 590 4,5%
Allergische Reaktion ** 501 3,8%
Allergische Reaktion (akut) ** 406 3,1%
Hepatopathie 356 2,7%

** „Allergie” deckt Probleme wie Hautreaktionen ab, während der Begriff „akute Allergie“ für lebensbedrohende oder hochgradige Erkrankungen verwendet wurde.

 

Tabelle 2b. Häufigkeit der Diagnosegruppe in „Notfallvisiten“
Diagnosegruppe  Anzahl Notfallvisiten % Notfallvisiten
Dermatologische Wunden 3 322 25,4%
Autounfall/Knochenfraktur 3 197 24,5%
Gastrointestinal 2 032 15,6%
Neurologisch 1 694 13,0%
Toxin/Gift 1 565 12,0%
Unspezifisch 1 117 8,6%
Allergie/Allergische Reaktion 1 077 8,3%
Respiratorisch 660 5,1%
Urogenital 319 2,4%
Endokrin/metabolisch 242 1,9%

 

Tabelle 3. Ausgewählte Co-Morbiditäten bei Hunden, die nach Autounfällen als „Notfälle“ vorgestellt wurden.
Anzahl Fälle nach Autounfällen*** 2 453
% mit Knochenfraktur 11,5%
% mit dermatologischer Wunde 27,8%
% mit respiratorischer Diagnose 3,8%
% mit neurologischer Diagnose 1,9%

*** Die Anzahl der Fälle mit Autounfällen ist leicht geringer als die Anzahl der in Tabelle 2a angegebenen Visiten nach Autounfällen. Dies liegt daran, dass einige Patienten nach einem Autounfall mehrere Visiten hatten.

Diskussion 

Die hier vorgestellte Liste der Diagnosen aus Notfallvisiten wird den Allgemeinpraktiker kaum überraschen. Die Versuchung ist natürlich groß, eine mögliche Rasseprädisposition für bestimmte Verletzungen oder Erkrankungen, die zu Notfallvisiten führen, zu postulieren. Solche Rückschlüsse sind aber kaum zulässig, da die hier vorgestellte Liste der am häufigsten betroffenen Rassen weitgehend der Rasseverteilung der im Laufe des analysierten Jahres in den Banfield Hospitals vorgestellten Gesamtpopulation entspricht. Bezüglich des ersten Platzes der Kategorie „Autounfall“ auf der Rangliste der häufigsten Diagnosen liegt möglicherweise aber auch eine gewisse Verzerrung vor, da laut der Definition für eine „Notfallvisite“ in dieser Studie alle Tiere gezählt wurden, die an einem Autounfall beteiligt waren, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich eine Notfallbehandlung notwendig war oder nicht. Eine weitere mögliche Verzerrung könnte darauf beruhen, dass in über 40 % der Fälle keine exakte Diagnose im entsprechenden Feld der Patientenkartei verzeichnet war. Bei einer stichprobenartigen näheren Betrachtung dieser Patienten stellt man jedoch fest, dass ihre tatsächlich vorhandenen Probleme mit etwa derselben Häufigkeit kategorisiert werden konnten, wie in Fällen mit tatsächlich eingetragener Diagnose. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass Fälle durch Autounfälle (und in der Tat die anderen Diagnosen) in Tabelle 2a und 2b entweder über- oder unterrepräsentiert sind. Daher scheint es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass die Prozentsätze des kombinierten Auftretens bestimmter Erkrankungen oder Verletzungen im Zusammenhang mit Autounfällen (Tabelle 3) relativ präzise sind.

Emi Kate Saito

Emi Kate Saito

Dr. Saito schloss ihr Studium 1997 an der veterinärmedizinischen Fakultät der University of Pennsylvania ab. Im Jahr 2001 erhielt sie einen Master’s Degree Mehr lesen

Catherine Rhoads

Catherine Rhoads

Catherine Rhoads, Banfield Pet Hospital, Portland, Oregon USA Mehr lesen

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