Diagnose der Pankreatitis beim Hund
Trotz der Tatsache, dass es sich bei der Pankreatitis um eine in der erstbehandelnden tierärztlichen Praxis häufig festgestellte Erkrankung handelt...
Ausgabe nummer 29.3 Hepatologie
veröffentlicht 13/02/2020
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Ikterus bei einer Katze ist keine Diagnose, sondern vielmehr der Ausgangspunkt für die diagnostische Abklärung der potenziell zugrundeliegenden Ursachen. Professor Craig Webb erläutert seine Herangehensweise an diese Patienten.
Genau genommen präsentieren sich Katzen nicht mit einer Cholangitis, sondern vielmehr als kranke Katzen.
Kranke Katzen werden nicht mit Cholangitis vorgestellt, sie zeigen vielmehr unspezifische Symptome, die nahezu alles sein könnten.
Gelb (Ikterus oder Gelbsucht) ist eine Farbe, keine Diagnose.
Feline Cholangitis war die Erkrankung, die den Anlass für die Suche nach der felinen Triaditis gab.
Bereits im Jahr 1996 fasste die Tierärztin Dr. Sharon Center die Besonderheiten des felinen hepatobiliären Systems sehr treffend zusammen und hob deutliche Unterschiede zwischen Katzen und Hunden hervor, die sie in folgender Aussage zusammenfasste: „Cholangitis und Cholangiohepatitis kommen bei Katzen häufiger vor als bei Hunden. Seit langer Zeit gelten die Unterschiede der Anatomie von Ductus choledochus/Ductus pancreaticus als wichtiger prädisponierender Faktor für diese tierartlichen Unterschiede.“ 1. Bis zurück ins Jahr 1980 sammelte, analysierte und zitierte Dr. Center verschiedene Studien bei Katzen, die eine suppurative Cholangitis und eine chronische lymphozytäre Cholangitis beschreiben 2 3. Ihre intensive Recherche förderte zudem die Beschreibung von 47 ikterischen Katzen aus dem Jahr 1977 zutage 4. Dabei antizipierte Dr. Center die feline Triaditis bereits, indem sie Folgendes anmerkte: „Auch wenn die Untersuchung auf Inflammatory Bowel Disease und Pankreatitis bislang nicht bei jeder Katze eingehend beschrieben wird, so scheint es sich doch um zwei häufig zusammen mit Cholangitis auftretende Erkrankungen zu handeln“.
1996 war außerdem das Jahr der Veröffentlichung der ersten Studie, die den Zusammenhang zwischen entzündlichen Lebererkrankungen, Inflammatory Bowel Disease (IBD), Pankreatitis und Nephritis bei der Katze quantifizierte (die Nierenentzündung wurde aus dieser Gleichung gestrichen, damit der Begriff „Triaditis“ bewahrt bleibt) 5. Diese Studie kennzeichnete den Beginn ernsthafter und zugleich fruchtbarer Bemühungen um ein besseres Verständnis von Lebererkrankungen bei Katzen bzw. des felinen Cholangiohepatitis-Komplexes oder der felinen Cholangitis/Cholangiohepatitis, wie diese Lebererkrankungen später bezeichnet wurden 6. In der klinischen Forschung versuchte man, entzündliche und lymphozytäre Lebererkrankungen bei Katzen mit Hilfe von Ultraschall, der Immunhistochemie und dem klinischen Bild zu charakterisieren 7 8 9. Beschrieben wurden in diesem Zusammenhang potenzielle infektiöse Ätiologien wie Bartonella spp., Enterococcus spp. und Helicobacter spp., und in der Literatur erschien der erste Bericht über aus dem Gastrointestinaltrakt aufsteigende und eine Cholangitis hervorrufende Infektionserreger bei einem Katzenwelpen 10 11 12 13.
Ein Jahrzehnt später versuchte die Arbeitsgruppe für Lebererkrankungen (Liver Standardization Group) der World Small Animal Veterinary Association (WSAVA) die Leitsymptome und –befunde biliärer Erkrankungen bei Katzen zu kategorisieren und die entsprechende Terminologie für den veterinärmedizinischen Berufsstand festzulegen 14. Der Rest der Diskussion im vorliegenden Artikel konzentriert sich auf das , was wir seitdem dazugelernt haben. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass es trotz der Unterstützung unseres Verständnisses dieser Erkrankungen durch neue Technologien und moderne diagnostische Möglichkeiten letztlich die im genannten Kapitel zitierten Autoren 1, einschließlich Dr. Center selbst waren, die das Fundament dafür gelegt und den Weg geebnet haben.
Wir beginnen mit einer kranken Katze. Katzen werden beim Tierarzt als krank vorgestellt, z.B. weil sie Erbrechen oder Durchfall haben oder weil sie weniger fressen (oder vielleicht gar nichts mehr fressen), weil sie Gewicht verlieren, sich verstecken oder besonders „anhänglich“ werden, weil sie weniger aktiv sind, vermehrt Lautäußerungen zeigen und Schmerzen zu haben scheinen, exzessiv speicheln oder einfach nur, weil sie schlecht aussehen. Die Gründe für die Vielschichtigkeit und die Vielfalt klinischer Bilder, die für eine feline Cholangitis sprechen können, liegen zum einen darin, dass es sich um die Spezies Katze handelt und zum Zweiten, dass Katzen oft mit mehr als einem Problem beim Tierarzt vorgestellt werden. Auch wenn es sich bei der felinen Triaditis um ein sehr gutes Beispiel für dieses Phänomen handelt, gibt es zweifellos eine große Zahl weiterer Erkrankungen, die leicht mit einer Cholangitis in Verbindung gebracht werden können. Dazu gehören IBD, Pankreatitis, chronische bakterielle Infektionen wie Pyelonephritis, Trematodenbefall, Toxoplasmose, Septikämie, Cholelithiasis, extrahepatische biliäre Obstruktion (EHBO) und Neoplasien 1. Auch wenn der Weg zur Diagnose sehr lang und steinig sein kann, können wir doch gleich zu Beginn mit Hilfe einer sorgfältigen Anamnese und einer gründlichen klinischen Untersuchung eine ganze Reihe potenziell hilfreicher Informationen gewinnen:
Primäre IMHA |
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Infektiös
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Neoplastisch
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Entzündlich
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Weitere
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Anatomisch |
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Intraluminal
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Extraluminal
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Funktionell/Entzündlich |
Pankreatitis/Pankreasabszess
Cholangitis Cholezystitis Duodenitis Entleerungsstörungen der Gallenblase |
Nachdem wir nun sowohl prä- als auch posthepatische Ursachen einer Hyperbilirubinämie bei einer gelben Katze berücksichtigt und entsprechend ausgeschlossen haben, oder uns für die Leber als die wahrscheinlichste Ursache der Erkrankung der Katze entschieden haben, steht nun dieses Organ im Zentrum unserer diagnostischen Bemühungen.
Bei der hepatischen Lipidose handelt es sich zwar um eine der bei gelben Katzen am häufigsten diagnostizierten Erkrankungen (Abbildung 1), eine nähere Besprechung würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen, ebenso wie reaktive Hepatopathien, neoplastische Erkrankungen und Erkrankungen der Gefäße. Eine weitere an dieser Stelle ebenfalls nicht abgedeckte entzündliche Lebererkrankung ist die chronische Cholangitis im Zusammenhang mit Leberegeln (Platynosomum concinnum – auch bezeichnet als P. fastosum) 15. Dieser Artikel fokussiert sich vielmehr auf zwei der gemäß WSAVA häufigsten entzündlichen Lebererkrankungen 16, namentlich die neutrophile Cholangitis (akut oder chronisch) und die lymphozytäre Cholangitis. Mit Hilfe von Fallbeispielen werden die Schlüsselmerkmale dieser Erkrankungen herausgearbeitet und die Notwendigkeit einer methodischen diagnostischen Herangehensweise unterstrichen.
Der Patient ist eine 11 Jahre alte männliche kastrierte Norwegische Waldkatze mit einem Vorbericht über progressives Erbrechen und Diarrhoe seit drei Monaten. Die Katze zeigt einen geringgradig herabgesetzten Appetit und hat etwas Gewicht verloren. Der Besitzer nimmt eine gelbliche Farbtönung der Ohrmuscheln der Katze wahr (Abbildung 2), ansonsten erscheint die Katze jedoch aufmerksam und interaktiv. Die klinische Untersuchung bestätigt einen Ikterus und eine Hepatomegalie, sie verläuft abgesehen davon aber ohne besondere Befunde.
Zunächst handelt es sich bei diesem Patienten um eine ikterische Norwegische Waldkatze, die in einer Klinik in Europa vorgestellt wird. Dies ist bereits ein erster Anhaltspunkt! Eine jüngste Studie fand heraus, dass es sich bei den auf Basis der Histopathologie häufigsten Lebererkrankungen der Katze in Großbritannien um die neutrophile Cholangitis (20,5 % aller Fälle) und die lymphozytäre Cholangitis (6,8 %) handelt 17. In einer weiteren neueren Studie aus den Niederlanden zur Untersuchung immunhistochemischer Marker bei lymphatischer Cholangitis handelte es sich bei 2 von 14 Patienten, um Norwegische Waldkatzen 18. Zudem stammt die Mehrzahl der klinischen Studien über lymphozytäre Cholangitis aus Europa 8 19. Andererseits wiesen 3 von 44 am Veterinary Hospital der Universität von Pennsylvania sezierten Katzen eine lymphozytäre Cholangitis auf 20.
Bei dem Patienten im vorliegenden Fall handelt es sich um eine ältere Katze. Bezüglich des Alters zum Zeitpunkt der Vorstellung gibt es zwar gewisse Tendenzen, klar ist aber, dass sämtliche Formen entzündlicher Lebererkrankungen bei Katzen eine sehr große Bandbreite von Altersgruppen betreffen können. Zu bemerken ist darüber hinaus, dass es sich hier um einen chronisch-progressiven Fall handelt, obwohl die betroffene Katze weder lethargisch, noch anorektisch oder febril ist. Ein solches klinisches Bild sollte den Verdacht auf eine lymphatische Cholangitis erhärten. Die Chronizität und der Verlauf der Erkrankung sind im Einzelfall jedoch sicherlich nicht pathognomonisch. So können Katzen mit lymphozytärer Cholangitis als relativ kranke Patienten mit Aszites und in schlechtem körperlichem Allgemeinzustand vorgestellt werden. Auf der anderen Seite ist es aber ungewöhnlich, wenn eine Katze mit akuter neutrophiler Cholangitis diese Erkrankung derartig gut bewältigt, wie die hier vorgestellte Katze.
Im weiteren Verlauf der diagnostischen Aufarbeitung wird das große Blutbild wahrscheinlich keine deutlich abweichenden Befunde ergeben. Einige Katzen können aber durchaus eine signifikante Lymphozytose und eine geringgradige Anämie bei chronischer Erkrankung aufweisen. Leberenzyme und Gesamtbilirubin sind gering- bis mittelgradig erhöht. Sobald das Bilirubin ausreichend hoch ist, um eine sichtbare Gelbfärbung hervorzurufen, sind Gallensäuretests überflüssig, da ihre Ergebnisse in jedem Fall abnorm sein werden. FeLV/FIV-Tests werden negative Ergebnisse liefern, und die Gerinnungszeiten können manchmal etwas verlängert sein. Die auffälligste biochemische Veränderung wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hyperglobulinämie sein (wobei man bei Durchführung einer Proteinelektrophorese sehen würde, dass die Gammaglobuline den dominantesten Peak ausmachen). Falls vorhanden, hätte freie abdominale Flüssigkeit einen hohen Proteingehalt (auch hier wieder mit erhöhten Globulinkonzentrationen) und würde verschiedene Entzündungszellen enthalten.
Eine abdominale Ultraschalluntersuchung wäre in diesem Fall eine vernünftige diagnostische Empfehlung, und zwar nicht notwendigerweise wegen dem, was sie zeigen wird (unspezifische hepatische Veränderung und Lymphadenopathie), sondern vielmehr wegen dem, was sie nicht zeigt. Die Gallenblase und der Gallengangsbaum werden bei dieser Katze mit hoher Wahrscheinlichkeit sonographisch unauffällig sein.
Wie wir im nächsten Fall diskutieren werden, handelt es sich bei der Entnahme von Feinnadelaspiraten (FNA) der Leber zwar um einen risikoarmen Eingriff, die Besitzer betroffener Katzen sollten aber darauf hingewiesen werden, dass es sich gleichzeitig aber auch um eine wenig ergiebige diagnostische Maßnahme handelt, die in vielen Fällen statt aussagekräftiger Resultate eher frustrierende Ergebnisse liefert. Wenn der Gallenblaseninhalt und insbesondere die Gallenblasenwand normal aussehen, ist Untersuchungen zufolge eine Aspiration des Gallenblaseninhalts ebenfalls eher wenig ergiebig (siehe nächster Fall).
Craig B. Webb
Das am meisten überzeugende Argument für eine Leberbiopsie ist natürlich die Tatsache, dass es sich hierbei um den besten Weg handelt, um zu einer endgültigen Diagnose zu gelangen. In diesem Fall würde ein Lymphom an erster Stelle der Liste der Differenzialdiagnosen stehen, vielleicht zusammen mit FIP bei einer Katze im entsprechenden Alter (proteinreicher Aszites, Hyperglobulinämie). Die hepatische Histopathologie wäre hier in der Lage, zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu unterscheiden. Das zweite bestechende Argument für die Durchführung einer Leberbiopsie ist, dass man während des Eingriffs gleichzeitig Biopsieproben des Pankreas und des Darms entnehmen kann. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil die Diagnose und die Behandlung begleitender Erkrankungen absolut entscheidende Voraussetzungen für die erfolgreiche Behandlung einer Katze mit jeglicher Form von Cholangitis sind.
Ist man schließlich zur endgültigen Diagnose (auf Basis der Histopathologie) oder zur Verdachtsdiagnose (auf Basis des klinischen Bildes) einer lymphozytären Cholangitis gelangt (Abbildung 3), zielt die Behandlung in erster Linie auf eine unspezifische Unterstützung des Patienten und auf eine immunvermittelte Ätiologie ab. Die unspezifische Therapie umfasst die Gabe von Vitamin K1 (5 mg/Katze SC alle 24 Std.) in mehreren Dosen zur Unterstützung der Blutgerinnung im Vorfeld einer hepatischen FNA oder des Legens einer ösophagealen Ernährungssonde, sowie die Verabreichung von Ursodeoxycholsäure (10-15 mg/kg PO alle 24 Stunden über 2-3 Monate). Ursodeoxycholsäure wird traditionell eingesetzt, um die Elimination der Galle aus dem Gallengangsystem zu fördern und kann darüber hinaus noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile für eine angeschlagene Leber haben 21.
Antibiotika sollten nicht erforderlich sein, wenn die Erkrankung durch eine immunbedingte Infiltration von Lymphozyten geprägt ist. Selbst wenn es sich bei der ursprünglich auslösenden Ursache um eine bakterielle Infektion gehandelt hat, ist diese zum Zeitpunkt der Vorstellung des Patienten bereits als ein historisches Ereignis zu betrachten. Dennoch empfehlen einige Autoren zu Beginn der Behandlung eine zwei- bis vierwöchige antibiotische Therapie, die enterische und/oder anaerobe Bakterien abdecken sollte (siehe Fall 2), wobei Bakterien tatsächlich vorhanden sein können, aber nicht als Ursache, sondern als Folge der immunvermittelten Erkrankung 19.
Das Legen einer ösophagealen Ernährungssonde wird als frühe und effektive Intervention bei jeder Katze empfohlen, die ihre Nahrungsaufnahme eingestellt hat (Abbildung 4). Darüber hinaus handelt es sich um einen hervorragenden Weg, um den Besitzer in die Lage zu versetzen, seine Katze im gewohnten Umfeld der eigenen vier Wände zu pflegen und mit Medikamenten zu behandeln. An der Colorado State University verwenden wir 14-Fr-Ösophagostomiesonden und Tunneler der Firma MILA International Inc.1
1 www.milainternational.com; www.youtube.com/watch?v=qF14Jfajkhw&t=89s
Die spezifische Behandlung der lymphozytären Cholangitis besteht aus einer Glukokortikoidtherapie, wobei Prednisolon der Wirkstoff der ersten Wahl ist. Einige Autoren beginnen mit einer hohen Dosierung von 4 mg/kg/Tag, viele leiten die Behandlung aber eher mit Dosierungen im Bereich von 2 mg/kg/Tag ein. In jedem Fall wird das Prednisolon aber über einen Zeitraum von drei Monaten langsam ausgeschlichen.
Gut geeignete Marker für die Überwachung und die Dokumentation des therapeutischen Ansprechens sind die klinischen Symptome, die klinische erkennbare Gelbfärbung sowie die Konzentrationen der Leberenzyme und des Gesamtbilirubins.
Bei diesem Patienten handelt es sich um eine sechs Jahre alte, männliche, kastrierte Langhaarhauskatze in den USA. Vorgestellt wird die Katze mit einem Vorbericht über Erbrechen, Anorexie und Lethargie seit vier Tagen. Die klinische Untersuchung ergibt einen Ikterus, Fieber und Dehydratation (Abbildung 5). Die Katze zeigt Unbehagen bei der abdominalen Palpation sowie gelegentlich Nausea und Hypersalivation. Das biochemische Profil zeigt eine Hyperbilirubinämie, eine Hyperglobulinämie, eine mittel- bis hochgradig erhöhte ALT-Aktivität mit einer variablen Erhöhung der ALP sowie unspezifische Veränderungen im Zusammenhang mit Dehydratation (Azotämie), Stress oder akuter Pankreatitis (Hyperglykämie) und Elektrolytanomalien. Das große Blutbild zeigt neben einer geringgradigen Anämie folgende signifikante Veränderungen, die in Fall 1 nicht zu beobachten waren: Lymphopenie, Leukozytose und Neutrophilie mit Linksverschiebung.
Im Unterschied zum ersten Fall der Norwegischen Waldkatze, gibt es in den USA keine geographisch-spezifischen „exotischen“ Rassen. Was das Alter betrifft, so handelt es sich hier schlicht um eine adulte Katze, wenn auch jüngeren Alters als die Katze in Fall 1. Die klinischen Symptome sind relativ ähnlich wie in Fall 1, wobei der größte Unterschied im kurzen Krankheitsverlauf und dem hochgradigeren klinischen Bild des Patienten liegt. Unterstrichen wird dieser Unterschied des klinischen Schweregrades durch das Vorhandensein von Fieber und eines entzündlichen Leukogramms sowie eine größere Anzahl veränderter Parameter im biochemischen Profil. Ein solches klinisches Bild sollte stets zu einer Erhärtung des Verdachts auf eine neutrophile Cholangitis veranlassen. Die Beschwerden bei der abdominalen Palpation können die Folge einer akut entzündeten, infizierten und vergrößerten Leber sein, oder auf eine Pankreatitis zurückzuführen sein, was erneut auf die Häufigkeit und die Bedeutung begleitender Erkrankungen hinweist (einschließlich Pankreatitis, IBD, EHBO, Cholezystitis oder Cholelithiasis etc.). Wahrscheinlich weist diese Katze auch eine Koagulopathie auf, die eine Behandlung mit Vitamin K1 erfordert. Auch hier gilt, dass solange die Hyperbilirubinämie die Katze gelb färbt, Gallensäuretests mit Sicherheit abnorme Ergebnisse liefern werden und somit überflüssig sind. Im vorliegenden Fall wäre es klug, zusätzlich eine Serumprobe der gefasteten Katze auf fPLI und Cobalamin zu testen.
Craig B. Webb
Eine abdominale Ultraschalluntersuchung ist hier ein ganz entscheidender diagnostischer Schritt (Abbildung 6). Das Scannen des Pankreas und die Beurteilung der Dicke/Architektur der Darmwand können in diesem Fall den Weg in Richtung einer felinen Triaditis weisen. Die Veränderungen im Leberparenchym werden zwar nach wie vor unspezifisch sein, die Gallenblase wird uns dagegen wahrscheinlich als Ort und Quelle für eine Diagnose dienen. Eine Katze mit neutrophiler Cholangitis kann zwar durchaus ein sonographisch unauffälliges Gallengangsystem aufweisen, in vielen Fällen stellt sich die Gallenblasenwand jedoch verdickt und unregelmäßig mit zipfelartigen Ausbuchtungen dar (Abbildung 7) 22. Weitere mögliche sonographische Befunde sind Schlamm in der Gallenblase (Abbildung 8) oder Gallensteine, und wichtig ist, den Verlauf des Gallengangs bis zum Duodenum zu verfolgen, um eine EHBO auszuschließen. Der Ductus choledochus ist bei vielen dieser Katzen obstruiert. Wenn ein Aszites vorliegt, ist zudem eine Aspiration und Analyse der Flüssigkeit im Abdomen angezeigt.
Die Aspiration des Gallenblaseninhaltes (perkutane Cholezystozentese unter Ultraschallkontrolle) für eine zytologische Untersuchung und eine Kultur führt mit höchster Wahrscheinlichkeit zur Diagnose und ermöglicht eine unmittelbar einsetzende Behandlung (Abbildung 9) 23. Bei einer Katze mit sonographisch abnormer Gallenblase – d. h., Wanddicke > 1mm, unregelmäßige oder von zipfelartigen Ausziehungen geprägte Wandverdickung oder signifikanter hyperechogener Gallenblaseninhalt (Schlamm oder „Sludge“) – sind mit hoher Wahrscheinlichkeit abnorme zytologische Befunde und positive Ergebnisse der bakteriellen Kultur zu erwarten (Abbildung 10) 22 24. Ein potenzielles Risiko bei der Punktion der Gallenblase für die Aspiration ist eine Ruptur der Gallenblasenwand und/oder eine Leckage von Inhalt in die Bauchhöhle mit nachfolgender Peritonitis. Wird dieser Eingriff jedoch von einem erfahrenen Sonographen bei einem kooperativen und/oder sedierten Patienten durchgeführt, sind im Allgemeinen nur sehr wenige Probleme zu erwarten. Erhebliche Risiken bestehen allerdings, wenn die Gallenblase bei der sonographischen Untersuchung emphysematös erscheint. In diesen Fällen sollte alternativ eine chirurgische Resektion oder eine konservative Versuchsbehandlung in Betracht gezogen werden.
Aspirierte Gallenflüssigkeit betroffener Katzen kann makroskopisch normal erscheinen oder wie ein purulentes Exsudat aussehen. Das zytologische Bild wird wahrscheinlich von neutrophilen Granulozyten in verschiedenen Stadien (d. h., normal bis degeneriert) dominiert, mit oder ohne Hinweise auf intrazelluläre Bakterien 25. Wenig überraschend dürfte sein, dass es sich bei dem am häufigsten isolierten Keim um E. coli handelt, gefolgt von einer umfangreichen Liste enterischer und anaerober Mikroorganismen wie Enterococcus spp., Streptococcus spp., Klebsiella spp., Actinomyces spp., Clostridium spp., Bacteroides spp., Pseudomonas spp., Staphylococcus spp., und Pasteurella spp., sowie Salmonella enterica serovar Typhimurium.
Auch hier gilt wieder, dass eine FNA der Leber zwar minimal invasiv, bei diesen Patienten aber oft nicht besonders ergiebig ist. An der Colorado State University entnehmen wir nur selten Leberbiopsieproben für die Histopathologie, bei einigen dieser Katzen führen wir jedoch eine Laparoskopie durch, sammeln Biopsieproben der Leber und der Bauchspeicheldrüse und aspirieren die Gallenblase unter direkter visueller Kontrolle. Auch wenn die Histopathologie zweifellos hilft, zu einer endgültigen Diagnose zu gelangen und begleitende Erkrankungen nachzuweisen, so ist die Cholezystozentese in diesen Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit diagnostisch aussagekräftig und somit therapeutisch relevant.
Häufig sind betroffene Katzen so hochgradig erkrankt, dass sie von einer stationären Aufnahme, einer unterstützenden Behandlung (Flüssigkeiten, Schmerzmanagement, Ernährung etc.) und intravenös verabreichten Arzneimitteln (Antibiotika, Antiemetika etc.) profitieren.
Im Idealfall richtet sich die Wahl der Antibiotika nach den Ergebnissen der bakteriellen Kultur mit Empfindlichkeitstest nach Cholezystozentese. Die Zytologie mit Gram-Färbung kann die initiale Wahl der Antibiotika orientieren, bis die Ergebnisse der Kultur vorliegen. Muss ein Antibiotikum ohne Kultur und ohne Zytologie gewählt werden, sollte es in erster Linie auf E. coli ausgerichtet sein und ein ausreichend breites Wirkspektrum zur Abdeckung der häufigsten enterischen Bakterien einschließlich anaerober Erreger aufweisen (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure, Metronidazol, Pradofloxacin etc.). Die Empfehlungen zur Behandlungsdauer reichen von 4-6 Wochen bis hin zu 3-6 Monaten, wobei die Überwachung der klinischen Symptomatik und der Leberenzymspiegel als Feedback für das therapeutische Ansprechen dienen.
Neben einer chronischen neutrophilen Cholangitis kann auch eine lymphozytäre Cholangitis eine potenzielle Folge der akuten neutrophilen Cholangitis sein. Ein Infektionsgeschehen kann dabei die ursprüngliche Ätiologie sein, aber auch ein induzierender Stimulus für eine persistierende immunvermittelte Antwort. Aus diesem Grund müssen diese Patienten unter Umständen im Anschluss an die antibiotische Behandlung über eine gewisse Dauer weiterhin mit Prednisolon behandelt werden.
Zusätzlich in Erwägung gezogen werden sollte eine Behandlung mit Vitamin K1 und Ursodeoxycholsäure, wie in Fall 1 beschrieben. Aber auch Leberschutzpräparate wie S-Adenosylmethionin sowie eine Cobalamin-Supplementierung können hilfreich sein. Wie bereits in Fall 1 beschrieben ist es entscheidend, bei diesen Katzen die potenzielle begleitende Erkrankungen zu erkennen und deren Bedeutung richtig einzuschätzen.
Die neutrophile Cholangitis (sowohl akute als auch chronische Formen) scheint die häufigste entzündliche Lebererkrankung bei Katzen sowohl in den USA als auch im Rest der Welt zu sein, während die lymphozytäre Cholangitis eine Präferenz für Katzen außerhalb der USA zu haben scheint, wie z. B. Norwegische Waldkatzen und Perserkatzen. Bei beiden Lebererkrankungen scheinen begleitende Erkrankungen häufig vorzukommen und in vielen Fällen der Grund für letale Verläufe zu sein. Katzen erinnern uns wieder einmal daran, dass sie, unabhängig davon, ob es sich um eine diabetische Ketoazidose, eine hepatische Lipidose oder eine Cholangitis handelt, nicht dem Prinzip der „diagnostischen Parsimonie“ folgen, (d. h., der Idee, dass wenn ein Patient multiple klinische Symptome hat, eine einzige Diagnose gesucht werden sollte, die alle diese klinischen Merkmale erklärt, anstatt jedem klinischen Symptom eine andere Diagnose zuzuordnen), sondern sich vielmehr nach Hickam’s Dictum richten, demzufolge die Symptome eines Patienten auf mehrere Erkrankungen zurückzuführen sein können („Es ist das Recht jedes Patienten, so viele verschiedene Krankheiten zu haben, wie er möchte”).
Boland L, Beatty J. Feline cholangitis. Vet Clin North Am Small Anim Pract 2017;47:703-724.
Craig B. Webb
Craig Webb ist zurzeit Professor für Kleintiermedizin und Interims-Klinikdirektor an der CSU. Nach Abschluss seines Tiermedizinstudiums an der University of Mehr lesen
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