Helfen Sie Katzen und Hunden, ihr gesündestes Leben zu führen
Veterinary Focus

Ausgabe nummer 1 Kommunikation

Kommunikation gehört zu den klinischen Skills (Teil 3)

veröffentlicht 05/03/2020

Geschrieben von Miguel Ángel Díaz , Iván López Vásquez , Cindy Adams und Antje Blättner

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português , Română , Español und English

Dem Kunden offene Fragen zu stellen, insbesondere zu Beginn der Konsultation, ist sicherlich der erste Ratschlag, um nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Wirksamkeit der Anamnese zu verbessern.

Kommunikation gehört zu den klinischen Skills (Teil 3)

Kernaussagen

Offene Fragen dienen dazu, einen Themenbereich einzuleiten ohne den Inhalt zu konkretisieren.


Offene Fragen

Wenn wir über den ersten Teil der Tierarzt-Kunde-Interaktion nachdenken, müssen wir drei zentrale Ziele berücksichtigen. Zunächst möchten wir wissen, was der Kunde besprechen will, dann alles hinzufügen, was der Tierarzt ergänzen möchte, und zusammen mit dem Kunden planen, wie der Rest der Sprechstunde angegangen werden soll. Das zweite Ziel ist die Schaffung des initialen Rapports und das Sicherstellen, dass sich der Kunde als integraler Teil des voranschreitenden Prozesses empfindet. Das dritte Ziel besteht schließlich darin, abzuschätzen, wie es dem Kunden und dem Patienten unter den gegebenen Umständen geht. Sie mögen sich nun fragen, wie man alle drei Ziele am besten angeht in Anbetracht der Notwendigkeit, möglichst effizient zu sein. Aus der Forschung wissen wir, dass Tierärzte zu Beginn der Konsultation tendenziell vor offenen Fragen zurückschrecken und vorzugsweise eine Reihe von geschlossenen Fragen stellen:

  • „Frisst er?“
  • „Trinkt er?“
  • „Sind sein Harn und sein Kot normal?“
  • „Haben Sie ihm seine Medikamente gegeben?“
  • „Gehen Sie mit ihm regelmäßig spazieren?“
  • „Haben Sie eine Entscheidung getroffen?“

Die Forschung zeigt uns zudem, dass Tierärzte ihre Kunden durchschnittlich nach 15,3 Sekunden unterbrechen, nachdem diese begonnen haben, ihr Anliegen vorzutragen 1.

Iván López Vásquez

13 vs. 2: Im Durchschnitt stellen Tierärzte während einer Konsultation 13 geschlossene Fragen und nur 2 offene Fragen.

Iván López Vásquez

Geschlossene Fragen sind Fragen, bei denen eine spezifische und relativ oft nur aus einem einzigen Wort bestehende Antwort erwünscht wird, wie zum Beispiel „Ja“ oder „Nein“. In der Regel geben Kunden eine aus einem oder zwei Worten bestehende Antwort ohne weitere Ausführungen. Der Tierarzt muss also nach jeder geschlossenen Frage die nächste Frage stellen und so seine Gedanken weg von den Antworten des Kunden und hin zu seinen diagnostischen Überlegungen lenken. Dadurch wird das Gespräch frühzeitig in eine bestimmte Richtung gezwungen, und das kann verhindern, dass der Tierarzt zuhört, wichtige Informationen erfährt und eine Beziehung zum Kunden aufbaut.


Offene Fragen dienen dazu, einen Themenbereich einzuleiten ohne den Inhalt zu konkretisieren. Geschlossene Fragen sind Fragen, auf die eine spezifische und relativ oft nur aus einem Wort bestehende Antwort erwünscht wird, wie zum Beispiel „Ja“ oder „Nein“ ( 2 ).
Abbildung 1. Offene Fragen dienen dazu, einen Themenbereich einzuleiten ohne den Inhalt zu konkretisieren. Geschlossene Fragen sind Fragen, auf die eine spezifische und relativ oft nur aus einem Wort bestehende Antwort erwünscht wird, wie zum Beispiel „Ja“ oder „Nein“ ( 2 ). © Manuel Fontègne

Die Kommunikationsforschung fand heraus, dass Tierärzte pro Konsultation im Allgemeinen 13 geschlossene und zwei offene Fragen stellen (Abbildung 1). In 75 von 300 analysierten Visiten stellen Tierärzte sogar keine einzige offene Frage 3. Eine vollständig auf geschlossenen Fragen basierende Strategie kann das Risiko erhöhen, dass „versteckte Probleme“ erst gegen Ende der Visite auf den Tisch kommen. Die Wahrscheinlichkeit spät aufkommender Probleme ist Untersuchungen zufolge um den Faktor 4 höher, wenn der Kunde keine Möglichkeit bekommt, seine Geschichte vollständig zu erzählen, und dem Tierarzt ausführlich zu erläutern, warum er mit seinem Tier in die Praxis gekommen ist 1. Diese Tatsache hat letztlich einen signifikanten Einfluss auf die Dauer von Konsultationen.

Obwohl es keinen bezüglich der genauen Anzahl offener Fragen gibt, wird empfohlen, dass wir unsere Konsultation trichterartig strukturieren, beginnend mit offenen Fragen und dann allmählich übergehend zu spezifischeren, direkten geschlossenen Fragen zur Klärung von Details oder zur Sammlung von Informationen, die mit Hilfe der anfänglichen offenen Fragen nicht gewonnen werden konnten. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich 85 % der Diagnosen aus dem Vorbericht ergeben 4, scheint es also sinnvoll, die Anzahl offener und geschlossener Fragen während einer gegebenen Konsultation genauer zu betrachten, und sich zu bemühen, die Konversation trichterförmiger zu gestalten, beginnend mit breit angelegten offenen Fragen und dann allmählich übergehend zu geschlossenen Fragen oder Fragen vom Klarheit schaffenden Typ (Abbildung 2).

Am Anfang des Gesprächs ist es wichtig, dem Kunden offene Fragen zu stellen, wie zum Beispiel:

  • „Wie kann ich Ihnen helfen?“
  • „Erzählen Sie mir, warum Sie und Molly heute zu mir gekommen sind?“
  • „Über was möchten Sie heute gern sprechen?“
Sie werden mehr erreichen, wenn Sie zu Beginn der Konsultation I Ihre Informationen mit offenen Fragen gewinnen ( 1 ).
Abbildung 2. Sie werden mehr erreichen, wenn Sie zu Beginn der Konsultation I Ihre Informationen mit offenen Fragen gewinnen ( 1 ). © Manuel Fontègne

Diese Fragen ermöglichen es dem Kunden, breitgefächert zu berichten, wie es seinem Tier geht, sie liefern aber möglicherweise keine ausreichend konkreten Hinweise auf das tatsächliche Problem und den eigentlichen Grund für den Besuch in der Praxis. Auf der anderen Seite können solche Fragen eine hilfreiche Konversation einleiten, in der ein Kunde zum Beispiel berichtet, dass seine Katze unten an der Treppe schläft und er glaubt, dass dies daran liegt, dass es an ihrem üblichen Schlafplatz zu warm ist. Der beobachtete Wechsel des Schlafplatzes der Katze kann natürlich tatsächlich mit der Temperatur zusammenhängen, es könnten aber auch andere Gründe für diese Verhaltensänderung vorliegen. Durch das Stellen einer breit angelegten offenen Frage versteht der Tierarzt besser, was der Kunde denkt und fühlt, und dies ist ganz entscheidend für die Entwicklung der Tierarzt-Kunden-Beziehung.

Eine weitere Option ist das Beibehalten offener Fragen, die aber etwas direkter auf den Patienten ausgerichtet sind:

Zum Beispiel:

  • „Erzählen Sie mir, welche Probleme Astor hatte, seit Sie das letzte Mal bei uns waren?“
  • „Wie kann ich Ihnen und Purzel helfen?”
  • „Ich habe hier einen Brief vom überweisenden Tierarzt über Ginas Zustand, bitte erzählen Sie mir aus Ihrer Sicht, welche Probleme sie hat.”

Offene Fragen dienen dazu, einen Themenbereich einzuleiten, ohne den Inhalt zu konkretisieren. Sie lenken den Kunden zwar in einen spezifischen Bereich, lassen ihm aber dennoch Raum zu antworten, wobei der Tierarzt vermittelt, dass eine ausführliche Darstellung wichtig und erwünscht ist. Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass die durchschnittliche Redezeit von Kunden, wenn sie nicht vom Tierarzt unterbrochen werden, bei 150 Sekunden liegt 1.

Miguel Ángel Díaz

15.3 Sekunden ist die durchschnittliche Zeit, während der ein Tierbesitzer sprechen kann, bevor er vom Tierarzt unterbrochen wird.

Miguel Ángel Díaz

Es gibt keine richtige oder falsche offene Frage, es geht eher darum, die Frage entsprechend der individuellen Situation zu formulieren. Dabei müssen wir aber stets besonders aufmerksam sein, und sorgfältig darüber nachdenken, wie wir eine Konsultation einleiten, um dem Kunden den erforderlichen Raum zu lassen, damit er seine Geschichte erzählen kann, bevor wir zu den geschlosseneren, zielgerichteten Fragen übergehen.

Literatur

  1. Dysart LMA, Coe JB, Adams CL. Analysis of solicitation of client concerns in companion animal practice. JAVMA 2011;238(12):1609-1615.
  2. Bonvicini K. Bayer Animal Health Communication Project. Getting the Story: Understanding client and patient. New Haven (CT): Institute for Healthcare Communication, 2003.

  3. Shaw JR, Adams CL, Bonnett BN, Larson S, Roter DL. Use of the Roter interaction analysis system to analyze veterinarian-client-patient communication in companion Animal practice. JAVMA 2004;233(10):1576-1586.
  4. Henderson M, Tierney L, Smetana G. The Patient History: An Evidence-Based Approach to Differential Diagnosis, 2e. Mc-Graw Hill, New York 2012.
Miguel Ángel Díaz

Miguel Ángel Díaz

Miguel Ángel Díaz erhielt seine tierärztliche Approbation 1990. Nach Tätigkeiten in verschiedenen tierärztlichen Kliniken eröffnete er 1992 seine eigene Klinik Mehr lesen

Iván López Vásquez

Iván López Vásquez

Iván López Vásquez stammt aus einer Tierarztfamilie, sein Vater und sein älterer Bruder teilen dieselbe Leidenschaft. Er schloss sein Tiermedizinstudium 1991 Mehr lesen

Cindy Adams

Cindy Adams

Cindy Adams ist Professorin am Department of Veterinary Clinical and Diagnostic Sciences an der University of Calgary, Veterinary Medicine, Mehr lesen

Antje Blättner

Antje Blättner

Dr. Blaettner wuchs in Südafrika und Deutschland auf und graduierte 1988 nach dem Veterinärmedizinstudium in Berlin und München. Mehr lesen

Andere Artikel in dieser Ausgabe