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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 1 Kommunikation

Die smarte Konsultation (Teil 1)

veröffentlicht 19/03/2020

Geschrieben von Miguel Ángel Díaz , Iván López Vásquez , Cindy Adams und Antje Blättner

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Polski , Português , Română , Español und English

Tierärzte konzentrieren sich hauptsächlich auf das Tier und vergessen dabei oft den Tierbesitzer...Kundenorientierte Konsultationen brauchen daher Vorbereitung und Training und sie sollten so gestaltet werden, dass vom Start weg eine gute Beziehung aufgebaut wird. Um dies zu erreichen gibt Ihnen das Kapitel „Kommunikation gehört zu den klinischen Skills“ eine Vielzahl von konkreten Werkzeugen und Tipps rund um Ihre Kundenkommunikation. In diesem ersten Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem „Warm-Up“ und dem Aufbau einer guten Beziehung.

Die smarte Konsultation (Teil 1)

Kernaussagen

Der Tierarzt muss zwischen den einzelnen Konsultationen und Fällen, die er oft parallel bearbeitet, kurz innehält, um sich auf den neuen Fall einzustellen und zu fokussieren.


Der beste Maßstab für eine gelungene Kommunikation ist die Frage: Wie können wir jede Konsultation zu einem besonderen Ereignis für unser Kunden machen?


Das „Warm-Up”

Genau wie ein Sportler vor Training und Wettkampf seine Muskeln aufwärmt und seine Motivation stärkt, so sollte sich auch ein Tierarzt vor der Konsultation mental auf den Kunden vorbereiten. Das kostet zwar ein wenig Zeit, doch diese Zeit ist absolut gut investiert, weil:

  • der Tierarzt im Bilde ist, was die letzten Kontakte und Transaktionen mit dem Kunden beinhaltet haben und dort direkt anknüpfen kann,
  • der Tierarzt liest, was er an Bemerkungen zum Kunden bzw. dem Behandlungsfall geschrieben hat, d.h., was er noch ansprechen und anbieten möchte – Dinge, die er ohne Vorbereitung evtl. vergessen hätte oder die ihm eingefallen wären, wenn der Kunde schon wieder auf dem Heimweg ist,
  • der Tierarzt zwischen den einzelnen Konsultationen und Fällen, die er oft parallel bearbeitet, kurz innehält, um sich auf den neuen Fall einzustellen und zu fokussieren
  • der Tierarzt ganz „beim Kunden“ ist, der Kunde dadurch merkt, dass er wichtig ist, und der Tierarzt sein bestes gibt, um ihm und seinem Tier zu helfen.
 
Abbildung 1. Der beste Weg, sich auf den nächsten Kunden vorzubereiten ist, die letzten 3-4 Konsultationen inklusive der Kommunikation mit Email oder Telefon zu checken, bevor der Kunde den Konsultationsraum betritt. © Manuel Fontègne
Abbildung 1. Der beste Weg, sich auf den nächsten Kunden vorzubereiten ist, die letzten 3-4 Konsultationen inklusive der Kommunikation mit Email oder Telefon zu checken, bevor der Kunde den Konsultationsraum betritt. © Manuel Fontègne

Bei diesem „Warm-Up“ sollten alle Kontakte mit einem Kunden, die vor der jetzigen Konsultation stattgefunden haben, miteinbezogen werden, das bedeutet: auch die Telefonate und die Gespräche mit dem Praxisteam, die der Tierarzt evtl. gar nicht mitbekommen hat (Abbildung 1). Denn es kann passieren, dass Kunden dem Praxisteam Informationen, Meinungen und Wünsche anvertrauen, die auch für den behandelnden Tierarzt wichtig sind. Oft trauen sich Kunden nicht, dem Tierarzt ihre Wünsche und Sorgen komplett anzuvertrauen, besonders dann, wenn der Tierarzt eher autoritär und bestimmend mit dem Kunden umgeht.

Es kann aber auch situativ sein, dass ein Tierarzt mal nicht alles mitbekommt, was der Kunde sagt, z.B. weil sich ein Notfall angekündigt hat und er unter Zeitdruck steht. Deshalb ist es wichtig, dass das Praxisteam sich gegenseitig unterstützt, und alles, was an Informationen zu diesem Kunden und zu einem bestimmten Tier gehört, in dessen Kartei festhält. Dazu müssen keine Romane geschrieben werden – Stichpunkte reichen völlig aus. Nur so ergibt sich ein lückenloses Protokoll der Kommunikation, das genutzt werden kann und soll!

Praktisch kann das Warm-Up so aussehen, dass der Tierarzt, und bei bestimmten Konsultationen auch die TFA (Tierarzthelferin) VOR dem Kunden im Konsultationsraum ist, die Kartei des Kunden und des Tieres öffnet und sich in einer Übersicht (zu der man bei den meisten Programmen mit einer einfachen Tastenkombination kommt) die letzten 3-4 Kontakte aufruft und ansieht:

  • Was war der letzte Konsultationsgrund?
  • Welche Kontakte gab es danach noch mit der Praxis und um was ging es da (Gespräche an der Rezeption, Telefonate, Mails etc.)?
  • Was hat der Kunde in der Zwischenzeit gekauft oder bestellt?

Mit diesen Daten ist der Tierarzt perfekt gerüstet für die kommende Konsultation und kann die Daten im Dialog nutzen (siehe Beispieldialog Nummer 1 im Kasten).

Merke: Alle Kontakte, die ein Kunde mit der Praxis hat, sind für eine gute Kommunikation wichtig!

Die Beziehung gestalten

Wenn wir vom Aufbau und dem Management einer guten Beziehung zwischen Tierarzt und Kunde reden, ist es wichtig, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass der Kunde in Vorleistung gegangen ist. Er hat die Praxis und „seinen“ Tierarzt ausgewählt und ist vielleicht zum ersten Mal da oder schon Stammkunde – auf jeden Fall hat er der Praxis einen Vertrauensvorschuss gegeben! Das bedeutet für das Praxisteam: dieser Vorschuss muss gewürdigt werden, indem man dem Kunden zeigt, dass man dieses Vertrauens würdig ist:

  • durch 100% Kundenorientierung – der Kunde und sein Tier stehen im Mittelpunkt der gesamten Arbeit!
  • durch respektvollen Umgang – die gesamte Kommunikation dreht sich darum, den Praxisbesuch zu einem rundum angenehmen Erlebnis zu machen.
  • durch kleine Geschenke, Überraschungen (Abbildung 2) und extra-Services „zwischendurch“ wie z.B. Anrufe zur Unterstützung bei der Therapie oder in schwierigen Situationen, ein kleines Päckchen Futter oder einen Gutschein für eine bestimmte Pflegemaßnahme als Geburtstagsgeschenk für das Tier oder ein reflektierendes Halsband mit Praxislogo für die dunkle Jahreszeit. 
Abbildung 2. Kleine und unerwartete Geschenke an den Kunden sind überraschend, gestalten eine positive Atmosphäre und bauen eine gute Beziehung auf! © Manuel Fontègne
Abbildung 2. Kleine und unerwartete Geschenke an den Kunden sind überraschend, gestalten eine positive Atmosphäre und bauen eine gute Beziehung auf! © Manuel Fontègne

Alle diese Maßnahmen haben eines gemeinsam: Sie sind für die meisten Kunden überraschend, und deswegen wirken sie besonders nachhaltig. Denn: Gute Tiermedizin erwartet der Kunde, das ist für ihn selbstverständlich. Aber dieses gewisse „mehr“ macht eben eine besondere Beziehung aus, an die man sich gerne erinnert. Und kleine Geschenke verpflichten den Beziehungspartner, sich zu revanchieren. So entsteht ein Kreislauf aus Vertrauen, Leistung und Gegenleistung, bei der beiden Beziehungspartner sich gegenseitig „beschenken“ und so eine positive Beziehung aufrechterhalten.

Zudem ist eine 100%ige Kundenorientierung heute noch immer nicht selbstverständlich! Auch wenn die Konkurrenz unter den Tierärzten stetig wächst, sind diejenigen, die mit Bewusstsein und Konzept eine gute Kundenbeziehung leben, immer noch in der Minderheit. Viel zu oft ist der Kunde weiterhin „Tierbesitzer mit Patient bzw. Fall“, und allein dieses Wording spiegelt den Stellenwert des Kunden in den Augen des Tierarztes wider. Um zu einer guten Beziehung auf Augenhöhe zu gelangen, muss ein fundamentaler Perspektivenwechsel der Praxisteams stattfinden: vom Tierhalter zum geschätzten Kunden. Und wenn das dann auch täglich gelebt wird, ist das ist ein absoluter Trumpf im Wettbewerb!

Wie kann nun eine gute Beziehung praktisch in jeder Konsultation gelebt und gezeigt werden? Das ist eigentlich ganz einfach, denn Kunden sind auch nur Menschen und jeder Mensch schätzt es, wenn er positiv, freundlich und mit einem Kompliment empfangen wird. Auch hier gilt: Wer in Vorleistung geht, ist der Taktgeber für die Stimmung in einer Begegnung. Das bedeutet konkret für den Beginn einer Konsultation:

  • 100%ige Zuwendung, d.h. gesamter Körper frontal dem Kunden zugewendet,
  • strahlendes Lächeln (es sei denn, der Konsultationsgrund ist tragisch, wie z.B. bei einer Euthanasie),
  • Begrüßung des Kunden mit Namen (je nach ethnischen Gepflogenheiten auch mit Handschlag),
  • Begrüßung des Tieres mit Namen,
  • Kompliment bzw. positive Verstärkung, z.B. „Schön, dass Sie und Lucky da sind!“ „Das ist eine super Katzen-Transportbox!

Denn: auch wenn wir im medizinischen Umfeld uns stark auf Fachwissen und Fakten verlassen, sind sich die Kommunikationswissenschaftler einig, dass in der Kommunikation die Beziehungsebene im Vergleich zur Sachebene die wichtigere Ebene ist. Das bedeutet: wenn die Beziehung zwischen Dialogpartnern nicht positiv ist bzw. dort unausgesprochene Konflikte lauern, wird der Inhalt (die Sachebene) nicht erfolgreich transportiert werden. So ist es gerade für den vertrauensvollen Dialog zwischen Arzt und Patientenbesitzer immens wichtig, gleich zu Beginn eines Kontakts (und jedes Mal wieder) zuerst die Beziehungsebene zu stärken, damit die Sachebene (Befunde, Diagnostik, Therapie) auch gut beim Kunden ankommt!

Wie sich das „Warm-Up“ und das Herstellen einer guten Beziehungsebene im Praxisalltag realisieren lassen, zeigt der folgende Beispieldialog:

  • Tierarzt: Guten Tag Frau Schmidt. Schön, dass Sie heute mit Lucky bei uns in der Praxis sind! Lucky sieht heute sehr munter und frisch aus.

Der Tierarzt stellt eine gute Beziehung her, indem er sich Frau Schmidt und Lucky frontal zuwendet, lächelt, Kunden und Tier mit Namen begrüßt. Zudem drückt er seine Freud aus, dass die beiden heute in seiner Praxis sind und macht Lucky ein kleines Kompliment.

Dann zeigt der Tierarzt, dass er vorbereitet ist, nimmt direkt Bezug auf die letzten Kontakte und leitet dann über zur aktuellen Konsultation.

  • Tierarzt: Ich habe gerade Lucky´s Kartei gelesen und ich freue mich, dass er das neue Diätfutter so gut verträgt und es ihm schmeckt.
  • Frau Schmidt: Ja, es ist ganz erstaunlich! Das gab es noch nie, es war immer sehr schwierig, Lucky von einem neuen Futter zu überzeugen.
  • Tierarzt: Und wie hat es mit den Tipps geklappt, die Ihnen meine TFA am Telefon noch gegeben hat?

Dass die TFA Tipps gegeben hat, weiß der Tierarzt aus der Kartei und setzt es hier geschickt ein.

  • Frau Schmidt: Das waren sehr wertvolle Ratschläge, ich muss mich unbedingt noch bei ihr bedanken!
  • Tierarzt: Na, dann können wir ja jetzt zu heute übergehen. Was führt Sie heute zu uns?
  • .....

Diese Art der Unterhaltung als Einstieg in die Konsultation, ist kein „Small-Talk“, sondern qualitativ hochwertige Zeit, die in Kundenpflege, Kundenbindung und Informationsgewinnung investiert wurde. Frau Schmidt hat erfahren, dass der Tierarzt und sein gesamtes Team Ihre Wünsche ernst nehmen und sich intensiv darum kümmern, für Sie und Lucky den besten Service zu bieten, den es gibt.

Merke: Menschen interessiert es nicht, wie viel Du weißt, bis sie wissen, wie sehr du dich für sie interessierst.

Miguel Ángel Díaz

Miguel Ángel Díaz

Miguel Ángel Díaz erhielt seine tierärztliche Approbation 1990. Nach Tätigkeiten in verschiedenen tierärztlichen Kliniken eröffnete er 1992 seine eigene Klinik Mehr lesen

Iván López Vásquez

Iván López Vásquez

Iván López Vásquez stammt aus einer Tierarztfamilie, sein Vater und sein älterer Bruder teilen dieselbe Leidenschaft. Er schloss sein Tiermedizinstudium 1991 Mehr lesen

Cindy Adams

Cindy Adams

Cindy Adams ist Professorin am Department of Veterinary Clinical and Diagnostic Sciences an der University of Calgary, Veterinary Medicine, Mehr lesen

Antje Blättner

Antje Blättner

Dr. Blaettner wuchs in Südafrika und Deutschland auf und graduierte 1988 nach dem Veterinärmedizinstudium in Berlin und München. Mehr lesen

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