Tägliche Herausforderungen
Dieses Kapitel befasst sich mit einigen schwierigen Situationen, denen sich praktische Tierärzte tagtäglich stellen müssen...
Ausgabe nummer 1 Kommunikation
veröffentlicht 19/03/2020
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Polski , Português , Română , Español und English
In diesem Abschnitt bringen wir spezifische Beispiele für die verschiedenen Fragen (offene, geschlossene), die dem Kunden während der Konsultation gestellt werden können, und geben zusätzliche Tipps und praktische Darstellungen, um Ihr Zuhören zu verbessern.
Die Qualität der Frage bedingt die Qualität der Antwort!
Es gilt, solange nachzufragen, bis alle Fakten glasklar auf dem (Behandlungs-)Tisch liegen!
Sicherlich gibt es viele Fragen, die ein Tierarzt bei der Anamnese dem Kunden stellen kann und muss, doch in Anbetracht der begrenzten Zeit, die pro Kunde zur Verfügung steht, wollen diese Fragen wohlüberlegt sein, denn es gilt: Die Qualität der Frage bestimmt die Qualität der Antwort. Das bedeutet: Erst zu überlegen, was ich wissen will und wozu? Und dann die passende Frage formulieren!
Mit den richtigen Fragen lassen sich:
Wir dürfen bei unserer Arbeit nicht vergessen, dass der Kunde zwar einerseits Laie ist, andrerseits aber heute sehr viele Informationen zu allen möglichen Themen im Internet findet – so auch zum Thema Tiergesundheit. Das heißt, Kunden sind oftmals „vorinformiert“ und kommen mit einer Eigendiagnose oder sie stellen uns ihre „Netzfunde“ vor und möchten darüber diskutieren. Trotz dessen brauchen Sie unsere Führung und klare Empfehlungen, um mit uns gemeinsam als Partner die beste Versorgung für ihr Tier zu gestalten.
Grundsätzlich gibt es mehrere Fragetypen, die sich gut für das Konsultationsgespräch eignen und vielfältig für bestimmte Zwecke eingesetzt werden können und sollen (Tabelle 1).
Fragetyp & Beispiele | Geeignet für... | Nicht geeignet für... |
---|---|---|
Offene Frage:
Sogenannte W-Frage, die mit den Frageworten was, welche und wie beginnt:
• Was führt Sie heute zu uns?
• Was genau haben Sie bei Ihrem Hund bemerkt?
• Wie haben Sie das Futter gegeben?
• Wie stehen Sie zum Thema ...
• Welche Fragen haben Sie noch an mich?
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• Erfragung von Kundenwünschen und Informationen zu Krankheitsbildern
• In-die-Tiefe-Fragen zur Klärung von Symptomen
• Erfragung von Standpunkten und Meinungen
• Einholung von Feedback
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• Förderung von Entscheidungen
• Bei Zeitmangel, denn die Antworten sind deutlich länger als bei geschlossenen Fragen
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Geschlossene Frage: Frage, die mit ja oder nein beantwortet wird:
• Sollen wir jetzt ein Röntgenbild machen?
• Passt der nächste Termin morgen um 3 Uhr?
• Darf ich Ihnen 3 kg Futter mitgeben?
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• Förderung von Entscheidungen: ja oder nein?
• „Bremsen“ eines Kunden, der sehr viel erzählt oder wenn die Zeit knapp wird
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• Erforschung von Meinungen
• Erfragung von Informationen
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Alternativfrage: Frage, die dem Dialogpartner 2 Antwortmöglichkeiten vorgibt:
• Sollen wir Plan A mit Röntgen und Blutuntersuchung oder Plan B nur mit Röntgen durchführen?
• Möchten Sie morgen um 3 oder um 5 kommen?
• Darf ich Ihnen einen kleinen oder großen Sack Futter mitgeben?
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• Förderung von Entscheidungen: dies oder das?
• Lenkung des Kunden zu einer Entscheidung, bei der er nicht darüber nachdenkt, OB er etwas möchte, sondern was
• „Bremsen“ des Kunden, der sehr viel erzählt
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• Erforschung von Meinungen
• Erfragung von Informationen
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Die Kunst im Dialog ist nun, die richtige Frage zum richtigen Zeitpunkt zu stellen, um optimal den Konsultationsgrund, sowie die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu erfragen, und gleichzeitig dabei dem Kunden nicht das Gefühl zu geben, in einem Verhör zu sein. Wie Fragetechnik – zusammen mit aktivem Zuhören – im Dialog umgesetzt werden kann, zeigt der nächste Beispieldialog.
Merke: Die Qualität der Frage bedingt die Qualität der Antwort!
Nicht nur die richtige Frage, sondern auch die Art des Zuhörens, des aktiven Klärens und des Feedbacks sind wichtig, um sich mit dem Kunden zu verbinden, ihn wirklich zu verstehen, passende Angebote zu machen und ihn als Partner zu gewinnen. Die Partnerschaft aus Tierarzt, Praxisteam und Kunden ist deshalb so wichtig, weil das die Basis einer gelungenen Geschäftsbeziehung darstellt – denn wenn der Tierarzt allein Diagnostik und Therapie entscheidet, dann wird die Behandlung an sich wahrscheinlich nicht schlechter, doch der Tierbesitzer ist dabei lediglich der Erfüllungsgehilfe des Arztes und nicht ein echter Partner.
Für eine hohe Compliance und Kundenbindung ist es jedoch essentiell, dass der Tierarzt im Kunden einen Partner sieht und das Ziel gemeinsam mit ihm erreichen will.
Für die praktische Umsetzung bedeutet das, dass der Tierarzt im Gespräch mit dem Kunden:
Wie sich Fragen, Zuhören, Verstehen, Klären und Feedback im Praxisalltag realisieren lassen, zeigt der folgende Beispieldialog:
Dr. T. stellt diese Frage, um zu klären, warum Frau S. eine Kastration in Erwägung zieht. Diese Information ist wichtig, um passend auf die Situation eingehen zu können. Zudem ist die Aussage „ob ich ihn kastrieren lassen soll“ alles andere als klar, d.h. was genau Frau S. meint, bleibt zunächst im Dunklen. Hier einfach darüber hinwegzugehen und eine Standardberatung abzuliefern, ignoriert die Kundenbedürfnisse und verschwendet Zeit.
In diesem Dialog fragt der Tierarzt gezielt mit offenen Fragen solange nach, bis er sich sicher ist, genügend Informationen für einen Vorschlag passend zu den Kundenbedürfnissen und zum vorliegenden Fall anbieten zu können. Zudem hört er genau zu, was Frau Schmidt sagt und hakt mit offenen Fragen zur Klärung von „unruhig“ nach. Dies ist immens wichtig, denn hinter dem zunächst von Frau Schmidt geschilderten Sachverhalt könnte auch ein kardiologischer oder anderer, internistischer Fall liegen. Doch mit Fragen, Zuhören und Feedback „Wie klingt das für Sie / wie passt das?“ entwickelt sich der Dialog in eine gute und für beide Seiten klare, offene und zufriedenstellende Richtung (Abbildung 1).
Merke: Es gilt, solange nachzufragen, bis alle Fakten glasklar auf dem (Behandlungs-)Tisch liegen!
Miguel Ángel Díaz
Miguel Ángel Díaz erhielt seine tierärztliche Approbation 1990. Nach Tätigkeiten in verschiedenen tierärztlichen Kliniken eröffnete er 1992 seine eigene Klinik Mehr lesen
Iván López Vásquez
Iván López Vásquez stammt aus einer Tierarztfamilie, sein Vater und sein älterer Bruder teilen dieselbe Leidenschaft. Er schloss sein Tiermedizinstudium 1991 Mehr lesen
Cindy Adams
Cindy Adams ist Professorin am Department of Veterinary Clinical and Diagnostic Sciences an der University of Calgary, Veterinary Medicine, Mehr lesen
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Dr. Blaettner wuchs in Südafrika und Deutschland auf und graduierte 1988 nach dem Veterinärmedizinstudium in Berlin und München. Mehr lesen
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