COVID-19: Das Team an erster Stelle
Tierärztliche Praxen werden durch die COVID-19-Pandemie...
veröffentlicht 07/05/2020
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Der Schlüssel zum finanziellen Überleben während der Viruspandemie ist ein grundlegendes Verständnis der von wirtschaftlichen und finanziellen Gegebenheiten der tierärztlichen Praxis sowie der Zusammenhänge zwischen Einnahmen, Ausgaben und Gewinn.
Tierärztliche Praxen sind während dieser Krise gefährdet, weil ihre hohen Fixkosten nicht ohne weiteres an einen plötzlichen Abfall der Nachfrage nach ihren Dienstleistungen angepasst werden können.
Der Einfluss auf Umsatz und Gewinn ist abhängig von den nationalen Regeln während eines Lockdowns sowie von Typ und Größe der Praxis.
Die Fähigkeit, finanziell zu überleben, wird zum großen Teil vom Geschick des Managements abhängen, flexibel auf sich verändernde Situationen zu reagieren und sich anzupassen.
Ein gutes Verständnis des Cashflows eines Unternehmens ist der Schlüssel zu einer effektiven Kostenkontrolle und zur Maximierung der Einnahmen während der Krise.
Die Autoren danken Antje Blättner und Susie Samuel für ihre Beiträge zu diesem Artikel.
Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels befinden wir uns erst im Anfangsstadium der Coronavirus-Pandemie. In verschiedenen Ländern sind Beschränkungsmaßnahmen unterschiedlicher Grade bereits seit einer unterschiedlichen Anzahl von Wochen in Kraft. Aber welchen finanziellen Einfluss und welche daraus resultierenden Folgen wird das Coronavirus kurz-, mittel- und langfristig für tierärztliche Praxen haben? Sicherlich ist es noch zu früh, um klar sagen zu können, was tatsächlich geschehen wird, einige belastbare Evidenzen gibt es aber bereits: Laut des jüngsten VMS-COVID-19-Reports, der auf einer Befragung von 343 tierärztlichen Praxen in Spanien basiert, sanken die Gesamtumsätze in dem am 16. März 2020 beginnenden dreiwöchigen Zeitraum durchschnittlich um 33, 2 %, wobei tierärztliche Leistungen diesbezüglich noch schlechter abschneiden als der Verkauf von Produkten (Abbildung 1). In einer weiteren Studie von CM Research (Coronavirus-Umfrage, Welle 2: Welchen Einfluss hat COVID-19 auf Tierärzte und ihre Praxen?) mit 870 Tierärzten aus sieben Ländern (USA, GB, Australien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland) wurde in der Woche vom 27. März ein beträchtlicher Rückgang der Praxisumsätze gegenüber der Vorwoche festgestellt, von -12 % in Australien bis -62 % in Italien (Abbildung 2). Klar ist also, dass diese Pandemie zu schwerwiegenden Umsatzverlusten für tierärztliche Praxen führt, die wahrscheinlich irgendwo im Bereich zwischen -15 und -50 % liegen dürften, wobei bis jetzt nicht abzuschätzen ist, über welche Dauer dieser Rückgang anhalten wird.
Pere Mercader
Tierarztpraxen sind weltweit gefährdet, wenn es zu einem plötzlichen Abfall der Nachfrage nach ihren Dienstleistungen kommt. Hauptgrund für diese ökonomische Anfälligkeit sind die so genannten Fixkosten. In den meisten Praxen kann die Gewinn/Verluststruktur (bei einigen deutlichen Unterschieden zwischen verschiedenen Praxistypen) grob nach dem Schema in Tabelle 1 gesplittet werden.
% der Einnahmen | Art der Kosten |
|
---|---|---|
Umsatz |
100 | - |
Waren & Betriebsmittel |
20-30 | Variabel |
Gehälter (Besitzer und Angestellte) |
40-50 | Fix |
Betriebskosten (Räumlichkeiten, Verwaltung etc.) | 15-20 | Fix |
EBITDA * | +5 bis 15 % |
Als „fix“ bezeichnet man Kosten, die nicht mit dem Arbeitsaufkommen der Praxis variieren, zumindest nicht kurzfristig (d. h., Monate oder ein Jahr). Typische Beispiele sind die Miete für die Praxisräumlichkeiten oder die Gehälter der Mitarbeiter, die in aller Regel unverändert bleiben (oder nur sehr schwierig zu verändern sind), unabhängig davon, ob die Praxis an einem gegebenen Tag 20 oder 100 Patienten versorgt. Dagegen kann die Menge der von der Praxis eingekauften Waren und Betriebsmittel sehr viel flexibler an das Aktivitätsniveau angepasst werden, das heißt, wenn über einige Wochen weniger Kunden kommen, kauft die Praxis weniger ein. Hier spricht man von den variablen Kosten.
Lucile Frayssinet
Die Aufteilung in Tabelle 1 kann modifiziert werden, um zu illustrieren, wie die Struktur von Gewinn und Verlust einer Praxis in drei unterschiedlichen Szenarien mit einem Umsatzrückgang um 20 %, 30 % bzw. 50 % aussehen würde (Tabelle 2).
Vor der Krise |
20 % Umsatz-minus | 30 % Umsatz-minus | 50 % Umsatz-minus | |
---|---|---|---|---|
Umsatz |
100 | 80 | 70 | 50 |
Waren & Betriebsmittel |
20-30 | 16-24 | 14-21 | 10/15 |
Gehälter (Besitzer und Angestellte) |
40-50 | 40-50 | 40-50 | 40/50 |
Betriebskosten (Räumlichkeiten, Verwaltung etc.) | 15-20 | 15-20 | 15-20 | 15/20 |
EBITDA | +5 bis +15 | -5 bis -15 | -10 bis -20 |
-15 bis -30 |
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da es im Bereich Tiermedizin bislang keine Erfahrungen mit einem plötzlichen Abfall der Nachfrage gibt, wie wir ihn im Moment beobachten. Das Ausmaß der Betroffenheit wird aber von mehreren verschiedenen Faktoren abhängen:
Wie lange kann eine tierärztliche Praxis einen größeren Umsatzeinbruch verkraften, ohne zu kollabieren? Die Zeit ist hier der kritische Faktor, und die Antwort auf diese Frage hängt im Wesentlichen von fünf Variablen ab:
Je schwächer eine Praxis bei diesen fünf Punkten abschneidet, desto kürzer ist die Zeitdauer, über die sie einen finanziellen Abwärtstrend verkraften kann. Ein plötzlicher, signifikanter Umsatzeinbruch, kombiniert mit einem schlechten Finanzmanagement, einem rigiden Arbeitsrecht und einer mangelhaften finanziellen Unterstützung kann das ökonomische Ende einer Praxis innerhalb von nur wenigen Wochen besiegeln.
In der Situation einer größeren Krise mit dramatischen Umsatzeinbrüchen ist es manchmal erforderlich, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, um das Überleben eines Unternehmens zu sichern. Das heißt in erster Linie, es muss genug Geld verfügbar sein, um alle notwendigen Ausgaben zu decken. Ein Unternehmen kann riesige Verluste machen und dennoch überleben – oder sogar wachsen – vorausgesetzt, die liquiden Mittel gehen nicht aus. So hat zum Beispiel der Online-Händler Amazon bis vor kurzem konstant über viele Jahre hinweg erhebliche Verluste eingefahren und sich dabei dennoch zu einem der weltweit größten Unternehmen aller Zeiten entwickelt.
Für eine tierärztliche Praxis oder für eine kleine Gruppe tierärztlicher Praxen kann eine Cashflow-Aufstellung wie in (Box 1) zusammengefasst werden.
Eine gegebene Periode (ein Tag, eine Woche, ein Monat oder ein Jahr) beginnt mit einer bestimmten Menge an Cash oder Cash-Äquivalent (kurzfristige Einlagen…). Während dieser Periode werden nun auf der einen Seite aus verschiedenen Quellen finanzielle Mittel generiert, die sich zum vorhandenen Cash-Bestand addieren, während auf der anderen Seite verschiedene Ausgaben für einen Abbau des Cash-Bestandes sorgen. Die Bilanz dieser Transaktionen erklärt schließlich den Unterschied zwischen der Geldmenge zu Beginn der definierten Periode und der Geldmenge, die am Ende dieser Periode übrig ist.
In der Regel unterscheidet man drei verschiedene Arten von Veränderungen des Cash-Bestandes:
Philippe Baralon
An dieser Stelle muss ganz deutlich gesagt werden, dass das Cash-Management während einer Krise nur eine Kurzzeittherapie ist und keine Basis irgendeiner längerfristigen Erholungsstrategie sein kann. Manchmal kann es aber erforderlich oder sogar überlebensnotwendig sein, den Empfehlungen in (Box 2) zu folgen, um eine Erschöpfung des Cash-Bestandes zu vermeiden.
Die wichtigsten Empfehlungen:
Das Erkennen des tatsächlichen Ausmaßes dieser Krise und der damit verbundenen sehr realen Risiken im Bereich der tierärztlichen Praxen ist ganz entscheidend für das ökonomische Überleben. Es muss betont werden, dass die oben diskutierten Maßnahmen die ökonomische Krankheit zwar nicht heilen können, sie können aber ganz entscheidend dazu beitragen, Zeit zu gewinnen. Und sie können das kurzfristige Überleben der Praxis sichern, bis langfristigere und nachhaltigere Lösungen implementiert werden, damit wir schließlich von einer starken Erholung nach dem Ende der Krise profitieren können.
Philippe Baralon
Dr. Baralon absolvierte 1984 die École Nationale Vétérinaire in Toulouse (Frankreich) und studierte anschließend Volkswirtschaftslehre (Master of Economics, Toulouse, 1985) und Betriebswirtschaftslehre (MBA, HEC-Paris 1990). Mehr lesen
Pere Mercader
Dr. Mercader etablierte sich 2001 als Praxismanagement-Berater für Tierkliniken und hat seitdem diesen Beruf in Spanien, Portugal und einigen lateinamerikanischen Ländern entwickelt. Mehr lesen
Lucile Frayssinet
Dr. Frayssinet ist eine französische Tierärztin, die ihr Studium 2019 an der École Nationale Vétérinaire de Toulouse in Frankreich abschloss. Mehr lesen
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