Helfen Sie Katzen und Hunden, ihr gesündestes Leben zu führen
Veterinary Focus

Ausgabe nummer Marketing und Verkauf

COVID-19: Telemedizin als Lösungsansatz

veröffentlicht 23/04/2020

Geschrieben von Susie Samuel

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Română , Español und English

Der Ausbruch von COVID-19 veranlasst die meisten Tierärzte, über Telemedizin als eine Möglichkeit zur Einschränkung des direkten Kundenkontaktes nachzudenken. Dieser Artikel beschreibt, wie sowohl tierärztliche Praxen als auch deren Kunden davon profitieren können.

COVID-19: Telemedizin als Lösungsansatz

Kernaussagen

Telemedizin gibt es schon seit einiger Zeit, die aktuelle COVID-19-Pandemie führt aber dazu, dass viele Praxen und Kliniken jetzt erstmals Videosprechstunden anbieten.


Vorzugsweise sollte eine speziell auf diese Tiermedizinbranche ausgerichtete Videoplattform genutzt werden, um eine hochprofessionelle Dienstleistung anbieten zu können.


Eine proaktive Vermarktungsstrategie für Videosprechstunden optimiert den Bekanntheitsgrad der Dienstleistung unter den Kunden.


Die Erwartungen der Kunden verändern sich, und die Telemedizin könnte in den kommenden Monaten und Jahren zu einem wichtigen Bestandteil tierärztlicher Leistungen werden.


Die Autorin dankt Philippe Baralon, Antje Blättner und Pere Mercader für ihren Beitrag zu diesem Artikel.

Einleitung

Videosprechstunden sind aufgrund der Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen sehr schnell in den Mittelpunkt des Interesses unseres tierärztlichen Berufsstandes gerückt. Von Land zu Land gibt es zwar nach wie vor beträchtliche Unterschiede in der Häufigkeit der Anwendung (so hat z. B. Großbritannien diese Technologie sehr viel schneller angenommen als andere europäische Länder (Abbildung 1)), es handelt sich aber zweifellos um eine Methode, mit der sich viele Praxen und Kliniken bereits vor Beginn der Corona-Krise ernsthaft auseinandergesetzt haben. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass es zwischen einzelnen Ländern nach wie vor erhebliche rechtliche Unterschiede bezüglich des Anbietens von Videosprechstunden gibt. In einigen Ländern ist die Anwendung der Telemedizin schlichtweg verboten. Zurzeit versucht zum Beispiel die französische Tierärztekammer, die Regierung in Frankreich dazu zu bewegen, eine Notgesetzgebung zu erlassen, die Videosprechstunden während der Dauer des Corona-Ausbruches zulässt. In Großbritannien wurden existierende Beschränkungen der Rechte von Tierärzten, Arzneimittel auf Distanz zu verordnen, durch das dafür zuständige Entscheidungsgremium, das Royal College of Veterinary Surgeons*, inzwischen gelockert, indem dort sinngemäß gesagt wird, dass „die Verordnung verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel auf Distanz in angemessenen Fällen zugelassen werden sollte“.

*https://www.rcvs.org.uk/setting-standards/advice-and-guidance/coronavirus-covid-19/

Eine aktuelle internationale Umfrage untersuchte, wie Tierarztpraxen auf den COVID-19-Ausbruch reagiert haben.
Abbildung 1. Eine aktuelle internationale Umfrage untersuchte, wie Tierarztpraxen auf den COVID-19-Ausbruch reagiert haben. © CM Research/Redrawn by Sandrine Fontègne

Warum Telemedizin?

Während der COVID-19-Pandemie bieten Fernsprechstunden über eine Videoplattform mit integrierter Zahlungsfunktion tierärztlichen Praxen die Möglichkeit, auch weiterhin Umsätze zu generieren, und dies trotz der vielerorts herrschenden Lockdown-Bedingungen, die nur noch absolut notwendige Reisen zulassen. Diese Möglichkeit hat erheblichen Einfluss auf das Wohlergehen von Tieren und nicht zuletzt auch eine beruhigende Wirkung auf viele Tierbesitzer während dieser Pandemie. Tierärzte, die aufgrund einer angeschlagenen oder gefährdeten Gesundheit in Selbstisolation leben sollten, haben mit der Hilfe von Videosprechstunden darüber hinaus die Möglichkeit, von zu Hause aus weiterzuarbeiten. Und nicht zuletzt bekommen dadurch auch Tierbesitzer, die aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage sind, ihr Haus zu verlassen, auch weiterhin Zugang zu tierärztlicher Beratung.

Mit Hilfe von Videosprechstunden können praktische Tierärzte direkte menschliche Kontakte auf ein absolutes Minimum reduzieren. Direkte Interaktionen von Angesicht zu Angesicht können weitgehend durch Videoübertragungen ersetzt werden, Zahlungen können über die Videoplattform abgewickelt werden und im Anschluss an Fernsprechstunden können Tiere unter Einhaltung der Empfehlungen zum „Social Distancing“ zwischen Besitzer und Tierarzt übergeben werden, wenn doch eine Untersuchung oder Behandlung in der Praxis erforderlich ist. Durch die Übergabe des Tieres beschränkt sich das Übertragungsrisiko auf das Tier als indirekten Überträger und ist damit ähnlich zu bewerten wie das Risiko der Virusübertragung über andere Oberflächen, wie zum Beispiel ein Päckchen von der Post. Aktuell gibt es zwar einige wenige Berichte von COVID-19-Infektionen bei Tieren, diese kommen aber lediglich isoliert vor, und laut WHO* gibt es gegenwärtig keine Evidenz, dass Hunde oder Katzen die Erkrankung auf Menschen übertragen können.

*https://www.who.int/news-room/q-a-detail/q-a-coronaviruses

Die Telemedizin bietet zahlreiche Vorteile gegenüber einer reinen Telefonsprechstunde. Die Kommunikation ist effektiver, da der Besitzer den Tierarzt, seine Gesichtsausdrücke und seine Körpersprache sehen kann. Und der Tierarzt hat die Möglichkeit, den Patienten in seiner gewohnten Umgebung zu Hause zu beobachten. Während der Videoübertragung kann der Tierarzt den Besitzer so dirigieren, dass er ein geeignetes Bild für die bestmögliche Perspektive auf das Tier bekommt. So kann der Besitzer beispielsweise gebeten werden, den Winkel der Kamera zu verändern, die Beleuchtung zu verbessern oder den Fokus der Kamera auf einen bestimmten Bereich des Tieres zu richten. Diese Echtzeit-Interaktion macht Videoübertragungen zu einem sehr viel produktiveren Medium als reine Telefonsprechstunden, selbst wenn Letztere ergänzt werden durch Videos oder Fotos, die der Besitzer parallel oder im Nachhinein an den Tierarzt schickt.

Wann wird Telemedizin eingesetzt?

Tierärzte weltweit müssen jetzt schnelle Entscheidungen darüber treffen, wie sie die Telemedizin während der aktuell herrschenden COVID-19-Pandemie am besten in ihre täglichen Abläufe integrieren. Dazu gehören auch Überlegungen, welche Plattform genutzt werden sollte und wie man die Sprechstunden am besten abhalten kann. In Anbetracht der Tatsache, dass Videosprechstunden von erheblichem Nutzen sein können für die humane Gesundheit, die öffentliche Gesundheit und nicht zuletzt auch für die Tiergesundheit, sollten sie als ein bevorzugtes Mittel der Interaktion mit Kunden immer eingesetzt werden, wenn dies möglich ist. Praktische Tierärzte können die Videotechnik für eine ganze Reihe von unterschiedlichen Sprechstunden einsetzen, einschließlich Triage, Erstuntersuchungen, Kontrolluntersuchungen für die Verlängerung von Rezepten, Kontrolle der Pflege und Nachsorge, postoperative Checks und Verhaltenstipps. Einige Praxen setzen Videosprechstunden auch ein, um Besitzern stationär aufgenommener Patienten einen Kontakt zu ihren Tieren zu ermöglichen.

Die Wahl der Plattform

Für Videosprechstunden können allgemeine Plattformen wie Zoom, WhatsApp oder Facetime genutzt werden, diese haben aber einige Nachteile. Ein bedeutender Nachteil ist zum Beispiel die Tatsache, dass der Tierarzt oft seine Kontaktdaten mit dem Kunden teilen muss, was dazu führen kann, dass der Besitzer versucht, seinen Tierarzt auch zu späteren und möglicherweise unpassenden Zeitpunkten zu kontaktieren. Zudem erfordert die Zahlungsabwicklung über diese Plattformen einen separaten Prozess, der in der Regel die Übermittlung von Kreditkarten- oder Bankkartendaten über das Telefon beinhaltet. Da das Praxispersonal im Allgemeinen daran gewöhnt ist, Zahlungen von Kunden mit tatsächlichen, praktischen Leistungen zu verknüpfen, kann es als unangenehm empfunden werden, eine Bezahlung „nur“ für den Zeitaufwand des Tierarztes zu verlangen ohne eine tatsächlich stattfindende körperliche Untersuchung oder Behandlung. Eine professionelle Plattform, die Zahlungen der Kunden vor Beginn einer Videosprechstunde automatisch abwickelt, kann daher zu einer besseren Quote von bezahlten Sprechstunden zu Gratis-Sprechstunden beitragen.

Weitere Vorteile der Nutzung spezieller Plattformen für tierärztliche Praxen sind die Möglichkeit der Freischaltung eines Terminbuchungssystems, in dem der Kunde selbstständig freigegebene Termine buchen kann, sowie die Option, individuelle Termine für bestimmte Kunden zu bestimmten Zeiten bei einem zuvor ausgewählten Tierarzt anzubieten. Dadurch erreicht man eine gewisse Flexibilität in der Preisgestaltung für unterschiedliche Arten von Sprechstunden, hat aber auch die Möglichkeit, für bestimmte Konsultationen kein Honorar zu berechnen, wie zum Beispiel bei kostenlosen postoperativen Checks. Einige tierärztliche Praxen wählen hier eine kombinierte Strategie, während andere ausschließlich die private Terminvergabe bevorzugen. Um Reibungen zu minimieren und die Kundenerfahrungen so stressfrei wie möglich zu gestalten, kann es aber durchaus sinnvoll sein, ein öffentlich zugängliches Terminbuchungssystem anzubieten. In Anbetracht der atemberaubenden Geschwindigkeit, in der diese Dienstleistung jetzt in unseren tierärztlichen Praxen Einzug hält, ist es aber durchaus verständlich, dass einige Praxen diesen Prozess zunächst so stark wie möglich kontrollieren wollen. Dieser Artikel empfiehlt keine spezifischen Videoplattformen, da sich deren Verfügbarkeit von Land zu Land unterscheiden kann.

Beteiligung und Schulung des Praxisteams

Es liegt auf der Hand, dass es erhebliche Einschränkungen gibt, bezüglich dessen, was in Sachen Diagnose und Behandlung auf dem Weg einer Videoübertragung tatsächlich erreicht werden kann. Zu empfehlen ist daher ein Brainstorming mit dem gesamten Praxisteam, bei dem Ideen und Vorschläge erörtert werden für die Erstellung praxisinterner Richtlinien über das, was auf Distanz sicher diagnostiziert oder behandelt werden kann und was nicht. Diese Übereinkunft kann unter den Mitarbeitern wichtiges Vertrauen und Sicherheit hinsichtlich der praktischen Anwendung dieser Technik schaffen. Sinnvoll ist zudem die Planung des Zusammenspiels zwischen Videosprechstunden und der gegebenenfalls anschließend erforderlichen praktischen Untersuchung oder Behandlung vor Ort in der Praxis. Ganz entscheidend ist aber auch die Vermittlung des Mehrwertes und des Nutzens einer Videosprechstunde gegenüber dem Praxisteam. Insbesondere gilt dies hinsichtlich des Vorberichts und der initialen Beratung, auch wenn der Kunde am Ende der Videosprechstunde schließlich doch gebeten wird, sein Tier persönlich in der Praxis vorzustellen. Darüber hinaus ist es natürlich empfehlenswert, sich intensiv mit sämtlichen Faktoren auseinanderzusetzen, die eine erfolgreiche Durchführung von Videosprechstunden sicherstellen (Box 1).

 

Box 1. Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Videosprechstunde.
  • Stellen Sie sicher, dass Sie angemessen gekleidet sind, um Ihre Rolle gegenüber dem Kunden klar zu kommunizieren. Saubere Kleidung und ein adrettes Erscheinungsbild unterstützen dies.
  • Testen Sie Ihr Wi-Fi vor dem Videoanruf.
  • Überprüfen Sie, ob die Kamera und das Mikrofon Ihres Computers, Tablets oder Smartphones aktiviert sind.
  • Testen Sie Ihre Software im Vorfeld. Oft müssen Betriebssystem oder Browser aktualisiert werden, um die Plattform effizient nutzen zu können.
  • Gute Beleuchtung erleichtert es Ihrem Kunden, Sie zu sehen und verbessert Ihre Kommunikation mit dem Kunden. Auch zu Hause beim Kunden sollten gute Lichtverhältnisse herrschen.
  • Weisen Sie den Besitzer an, sein Tier rechtzeitig vor der Videosprechstunde zu fixieren oder in einem Raum zu halten, in dem es sich nicht verstecken kann!
  • Halten Sie einen Stoffhund oder eine Stoffkatze bereit, um dem Besitzer anschaulich zeigen zu können, wie er sein Tier halten soll, oder wie er Ihnen einen bestimmten Bereich des Tieres im Detail zeigen kann.
  • Kunden sollten gebeten werden, anstelle von Laptops nach Möglichkeit Smartphones einzusetzen, weil damit verschiedene Aufnahmen des Tieres in den gewünschten Perspektiven sehr viel leichter zu erreichen sind.
  • Der Tierarzt sollte ein Laptop mit großem Bildschirm nutzen, da dies eine bessere Bildqualität sichert, und die gewünschten Perspektiven des Tieres besser darzustellen sind.
  • Stellen Sie sicher, dass sich die Besitzer vollständig über die Einschränkungen von Ferndiagnosen ohne klinische Untersuchung in der Praxis im Klaren sind.
  • Zeichnen Sie diesen Hinweis und die vollständigen klinischen Anmerkungen anschließend in Ihrem Praxisverwaltungssystem auf. 

 

Die Einführung von Videosprechstunden beim Kunden

Die Preispolitik für Videosprechstunden muss vor Einführung dieser Dienstleistung festgelegt werden. Während der Zeit des COVID-19-Ausbruches, in der unter Umständen ein großer Teil des Tagesgeschäfts der Praxis über Videosprechstunden abgewickelt wird, ist es aus kommerziellen Erwägungen durchaus sinnvoll, die normalen Praxisgebühren zu erheben. Denn die Praxismitarbeiter investieren ihre Zeit wie immer, und wenn das Problem voll umfänglich per Video gelöst werden kann, dann ist das Ergebnis für den Besitzer genauso wertvoll wie immer. Sollte der Besitzer anschließend mit seinem Tier in die Praxis kommen müssen, können die Kosten an dieser Stelle gegebenenfalls entsprechend angepasst werden, zum Beispiel über eine preisreduzierte oder kostenlose klinische Untersuchung.

Susie Samuel

Tierärzte weltweit müssen schnelle Entscheidungen darüber treffen, wie sie die Telemedizin während der aktuellen COVID-19-Pandemie am besten in ihre Abläufe integrieren. Dazu gehören auch Überlegungen, welche Plattform genutzt werden sollte und wie die Sprechstunden am besten abgehalten werden können.

Susie Samuel

Die Kundenkommunikation über das Angebot von Online-Sprechstunden ist ein weiterer wichtiger Schritt für die erfolgreiche Einführung der Telemedizin. Wenn Kunden nicht wissen, dass es diese Dienstleistung gibt, werden sie wahrscheinlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass es während dieser Zeit der Pandemie keine tierärztliche Versorgung gibt. Dies könnte insbesondere in Ländern wie Großbritannien eine Rolle spielen, in denen die Tiermedizin nicht auf der von der Regierung erstellten Liste der „systemrelevanten“ Branchen aufgeführt ist. Wenn Kunden davon ausgehen, dass keine tierärztliche Versorgung zur Verfügung steht, kann dies negative Folgen für Tiere haben, wenn Besitzer zum Beispiel versuchen, ein Problem mit Hilfe von Online-Foren oder Do-It-Yourself-Videos selbst zu lösen, anstatt professionellen Rat zu suchen.

Die Schulung der Mitarbeiter an der Rezeption ist ein weiterer wichtiger Schritt. Ziel ist es, dass die Mitarbeiter ihre eigene Rolle beim Thema Videosprechstunden verstehen und sich in dieser Rolle auch jederzeit wohl und sicher fühlen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter der Praxis im Gespräch mit Kunden in der Lage sind, die Dienstleistung der Fernsprechstunden bei jeder geeigneten Gelegenheit anzubieten und zu erläutern. Diese Vorgehensweise wird die Anzahl der Videosprechstunden pro Tag letztlich dramatisch erhöhen.

Eine proaktive Herangehensweise ist dabei möglicherweise die beste Option. Der erste und offensichtlichste Schritt ist das Versenden einer Email an alle Kunden, in der sie gebeten werden, sich bei der gewählten Plattform für Videosprechstunden anzumelden. Auch soziale Medien sollten hier intensiv genutzt werden, am besten nach der Methode „steter Tropfen höhlt den Stein“, also unter Einsatz regelmäßig verschickter Erinnerungen, die man mit Hilfe spezieller Online-Dienste, wie zum Beispiel Canva*, durch einfache Grafiken optisch ansprechender gestalten kann.

*www.canva.com


Abbildung 2. Fotos, die Kunden bei der Nutzung der Telemedizin in ihrer häuslichen Umgebung zeigen, können hilfreich sein, um Videosprechstunden zu bewerben.© Shutterstock
Abbildung 2. Fotos, die Kunden bei der Nutzung der Telemedizin in ihrer häuslichen Umgebung zeigen, können hilfreich sein, um Videosprechstunden zu bewerben.© Shutterstock

‎Fotos und Geschichten von Tierärzten, die Sprechstunden per Video abhalten, können das Angebot dieser Dienstleistung zusätzlich fördern (Abbildung 2). Auch bezahlte Werbung in sozialen Medien kann unter bestimmten Umständen hilfreich sein, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Posts von so vielen Kunden wie möglich gesehen werden. Zum Beispiel kann man gezielt Kunden kontaktieren, die bereits die Facebook-Seite der Praxis „liken“. Gezieltes Marketing kann zudem eingesetzt werden, um auch Besucher der Praxis-Webseite zu erreichen. Stellen Sie zudem sicher, dass die Praxiswebseite eindeutige Links zu dieser Dienstleistung bereitstellt. Zusätzlich können Blogs oder Vlogs (Video-Blogs) eingesetzt werden, um die Anwendung von Videos zu illustrieren, zum Beispiel mit Geschichten (in erforderlichem Maße anonymisiert) über Fälle, die erfolgreich über Telemedizin behandelt wurden. Wenn sich die Nachricht verbreitet, wird dies letztlich Vorteile für die Praxis und den Kunden haben und nicht zuletzt auch das Tierwohl verbessern.

Über COVID-19 hinaus

 

Box 2. Besitzer nennen viele Gründe, warum der Besuch in der tierärztlichen Praxis für sie eine Herausforderung darstellt.
  • „Die Praxismitarbeiter verstehen mich nicht”
  • „Parken kann schwierig sein”
  • „Mein Tier ist gestresst”
  • „Die haben eine schlechte telefonische Kommunikation”
  • „Warten beim Tierarzt”
  • „Ich muss Treppen steigen”
  • „Ich muss mein Tier tragen”
  • „Passenden Termin finden”
  • „Transport ist nicht einfach”

Die Erwartungen von Kunden verändern sich sehr schnell. Eine zweimal jährlich von VetsDigital durchgeführte Umfrage liefert hierfür ein interessantes Beispiel. Über die vergangenen fünf Jahre verfolgte diese Untersuchung die Entwicklung von Tierbesitzererwartungen hinsichtlich verkürzter Antwortzeiten auf Fragen, die über soziale Medien gestellt wurden (Abbildung 3). Kunden erwarten heute in aller Regel einen unmittelbareren und schnelleren Zugang zu Dienstleistungen. Denken Sie daran, dass unsere Kunden auch in anderen Bereichen des Lebens als Konsumenten auftreten und es mittlerweile gewohnt sind, sehr einfachen Zugang zu Dienstleistungen und Produkten zu haben, ohne ihre Wohnung verlassen zu müssen, zum Beispiel über Amazon Prime, Netflix und On-Demand-Unterhaltungsangebote. In vielen Ländern sind Kunden zudem in zunehmendem Maße auch an Videosprechstunden mit ihrem Hausarzt gewöhnt. Untersuchungen zeigen, dass der Besuch der Tierarztpraxis für viele Besitzer eine große Herausforderung darstellt (Box 2). In Anbetracht der sich auch weiterhin mit sehr hoher Geschwindigkeit verändernden Kundenerwartungen, werden tierärztliche Praxen, die diesen hohen Erwartungen gerecht werden, auch in Zukunft florieren, während Praxen, die sich nicht darauf einstellen, Gefahr laufen, abgehängt zu werden.

Umfragen zeigen, dass sich die erwarteten Antwortzeiten auf Fragen, die Tierbesitzer in sozialen Medien stellen, im Verlauf der vergangenen fünf Jahre deutlich verkürzt haben.
Abbildung 3. Umfragen zeigen, dass sich die erwarteten Antwortzeiten auf Fragen, die Tierbesitzer in sozialen Medien stellen, im Verlauf der vergangenen fünf Jahre deutlich verkürzt haben.© Redrawn by Sandrine Fontègne

Vielleicht liegt es auch an der Erkenntnis dieser Veränderungen von Kundenerwartungen, dass wir in den vergangenen drei bis vier Jahren in vielen Ländern das Entstehen zahlreicher Videoplattformen für tierärztliche Fernsprechstunden per Videoübertragung beobachten konnten. Unter Tierbesitzern gewinnen diese Dienstleistungen zunehmend an Beliebtheit, insbesondere auch deshalb, weil diese Leistungen immer mehr von Tierkrankenversicherungen anerkannt werden, und Versicherungskunden nicht selten kostenlose Videosprechstunden angeboten bekommen. Auch für Kundengruppen, die ansonsten keinerlei Zugang zu tierärztlicher Versorgung hätten, bieten diese Dienstleistungen vielfältige Möglichkeiten. Dieser Trend verursacht aber auch einige Sorgen bei lokalen tierärztlichen Praxen, die befürchten, dass sie einige ihrer „einfacheren“ Sprechstunden an diese neuen Online-Dienstleister verlieren könnten. Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der Tatsache, dass Leistungen auf Distanz per Video für Tiere, die nicht unter der tatsächlichen Betreuung eines Tierarztes stehen, gewissen Einschränkungen unterliegen. So dürfen beispielsweise Tierärzte in Großbritannien verschreibungspflichtige Arzneimittel nur an Tiere abgeben oder verordnen, die sie auch tatsächlich persönlich untersucht und/oder behandelt haben. Wenn die Technologie der Videosprechstunden in die Hand der örtlichen Tierarztpraxen gegeben wird, werden die Vorteile für das Tier sehr viel mehr im Mittelpunkt stehen. In vielen Ländern (einschließlich Großbritannien) können Tierärzte verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben oder verordnen, wenn sie das betreffende Tier innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zuvor persönlich untersucht haben. Zudem sind Tierärzte vor Ort auch in der Lage, Kontrolluntersuchungen und postoperative Checks durchzuführen, die ein dritter, auf Distanz arbeitender Tierarzt nicht leisten kann. Bei einer per Video durchgeführten Triage oder Erstuntersuchung können örtliche Tierarztpraxen darüber hinaus einen Vorbericht aufnehmen, der dann später verwendet werden kann, wenn der Patient doch noch für eine klinische Untersuchung in die Praxis kommen muss, so dass eine erneute Aufnahme des Vorberichts nicht erforderlich ist. Videosprechstunden können auch eingesetzt werden, um Besitzern wichtige Informationen darüber zu übermitteln, wann sie ihr Tier für eine klinische Untersuchung in der Praxis vorstellen müssen und welche weiteren Bedingungen erfüllt werden sollten, um einen erfolgreichen Praxisbesuch zu gewährleisten, zum Beispiel das Mitbringen einer Harnprobe des Patienten.

Und schließlich gibt es die gesicherte Erkenntnis, dass Tierbesitzer zwar gern die Möglichkeit hätten, ihren Tierarzt per Video zu konsultieren, diese Dienstleistung aber in sehr viel größerem Maße annehmen würden, wenn sie ihren eigenen, bekannten Tierarzt per Video kontaktieren könnten und nicht etwa einen gänzlich unbekannten Tierarzt oder ein großes anonymes Unternehmen (Abbildung 4).

 Es gibt die gesicherte Erkenntnis, dass Tierbesitzer zwar gern die Möglichkeit hätten, ihren Tierarzt per Video zu konsultieren, diese Dienstleistung aber in sehr viel größerem Maße annehmen würden, wenn sie ihren eigenen Tierarzt kontaktieren könnten.
Abbildung 4. Es gibt die gesicherte Erkenntnis, dass Tierbesitzer zwar gern die Möglichkeit hätten, ihren Tierarzt per Video zu konsultieren, diese Dienstleistung aber in sehr viel größerem Maße annehmen würden, wenn sie ihren eigenen Tierarzt kontaktieren könnten.© Redrawn by Sandrine Fontègne

Die COVID-19-Pandemie hat die Einführung der Telemedizin in tierärztlichen Praxen weltweit beschleunigt. Richtig durchgeführt können Videosprechstunden dazu beitragen, die Umsätze oder das wirtschaftliche Überleben einer Praxis zu sichern, die Gesundheit von Tieren, Besitzern und Praxismitarbeitern zu schützen, und somit von ganz erheblichem Nutzen für unsere Kleintiere sein. Praktische Tierärzte sollten die Notwendigkeit solcher Dienstleistungen erkennen und dabei sicherstellen, dass sie diese auf professionelle und zugleich fürsorgliche Weise anbieten.

Susie Samuel

Susie Samuel

Dr. Samuel schloss ihr Tiermedizinstudium 2001 an der Cambridge University ab und arbeitete anschließend über 10 Jahre in Gemischt- und Kleintierpraxen. Mehr lesen

Andere Artikel in dieser Ausgabe

Ausgabe nummer veröffentlicht 28/05/2020

COVID-19: Das Team an erster Stelle

Tierärztliche Praxen werden durch die COVID-19-Pandemie...

von Antje Blättner

Ausgabe nummer veröffentlicht 16/04/2020

Compassion Fatigue – Leben mit Mitgefühlserschöpfung

Gesunde Tiere brauchen gesunde Tierärzte, die Ausübung eines medizinischen oder pflegenden Berufes...

von Kimberly-Ann Therrien und Dana Novara