Einfache erste Schritte auf dem Weg zu Net Zero
Wie also kann eine tierärztliche Praxis damit beginnen, auf Net Zero hinzuarbeiten? Hierbei sind fünf wichtige Punkte zu beachten:
1. Das Management muss mit an Bord sein
Eine erfolgreiche Net-Zero-Strategie beginnt mit einem ernstgemeinten und überzeugenden Engagement des Managements (7). Vorstandsmitglieder*innen, Praxisinhaber*innen und Manager*innen müssen die Strategie verstehen und annehmen und sie dann mit bestehenden Geschäftsstrategien (wie Finanzpläne, medizinische Standards, Personalbeschaffung, Teammotivation und Marketing) in Einklang bringen. So besteht beispielsweise die Gefahr eines Motivationsverlustes beim Praxisteam, wenn eine Reduzierung des Einsatzes von Anästhesiegasen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der medizinischen Standards erwartet wird, dies aber nicht mit entsprechenden Schulungen oder erforderlichem Equipment unterstützt wird.
Das „Warum“ beschreibt den grundlegenden Zweck einer Net-Zero-Strategie. Dabei ist entscheidend, dass das Management die Praxismitarbeiter*innen darüber aufklärt, warum Klimamaßnahmen für die Zukunft der Tiergesundheit wichtig sind, und warum dieser Plan mit dem bestehenden Engagement der Praxis für eine bessere Tiergesundheit in Einklang steht. Die Erläuterung der Gründe für die Einführung einer Net-Zero-Strategie kann im Rahmen bestehender praxisinterner Schulungen und über verschiedene Kommunikationskanäle wie zum Beispiel Teambesprechungen geschehen.
2. Messung des CO2-Fußabdrucks
Die Messung des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens erfolgt nach einem Standardverfahren, das im Greenhouse Gas Protocol (8) beschrieben ist. Das sogenannte „Carbon Auditing“, also die Kohlenstoffbilanzierung ist in drei Bereiche unterteilt, die als „Scopes“ bezeichnet werden (Box 1). Der einfachste Weg, ein solches Audit zu beginnen, besteht darin, nur die Hauptkomponenten der Scope 1-Emissionen und der Scope 2-Emissionen in einer Praxis zu messen. Diese Daten sind einfach zu erfassen, sie ergeben erhebliche finanzielle Einsparungen und dienen als Grundlage für eine Festlegung konkreter Ziele zur Emissionsreduzierung. Hierfür werden entsprechende Daten aus Energierechnungen, Einkäufen von Anästhetika und Kilometerständen von Praxisfahrzeugen gesammelt und dann mit Hilfe eines Kohlenstoff-Rechners umgerechnet, um den Kohlenstoff-Fußabdruck in Tonnen CO2-Äquivalent zu ermitteln.
Hauptziel ist es, bereits innerhalb des ersten Jahres eine gewisse Reduzierung der Emissionen zu erreichen. Bei der Einführung eines neuen Prozesses in einem vielbeschäftigten Praxisteam sollte man sich jedoch nicht von Details und der Komplexität der Aufgabe überwältigen lassen und in der Anfangsphase einfache, erreichbare Ziele setzen. Da die Kohlenstoffbilanzierung jährlich wiederholt werden muss, ist es sinnvoll, Systeme zu etablieren, die künftig einen einfachen Datenabruf aus der Buchhaltungs- und Praxisverwaltungssoftware ermöglichen. Sobald sich die Praxis mit dem CO2-Fußabdruck gemäß der Scope 1- und Scope 2-Emissionen vertraut gemacht hat, können in einem nächsten Schritt zusätzlich auch die Scope 3-Emissionen ermittelt werden, um den gesamten CO2-Fußabdruck der Praxis zu erfassen. Langfristiges Ziel ist es, jährliche Reduktionsziele festzulegen, um das Net-Zero-Ziel bis zum Jahr 2050 zu erreichen.
Box 1. Die 3 Scopes der CO2-Bilanzierung mit Beispielen für die tierärztliche Praxis.
3. Berichterstattung
In der Anfangsphase ist es am einfachsten, Management und Praxisteam über die Gesamtmenge der Scope1- und Scope 2-Emissionen zu informieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dies zwar ein wichtiger Startpunkt ist, aber nicht den gesamten CO2-Fußabdruck der Praxis erfasst. Im nächsten Schritt müssen die Scope 3-Emissionen hinzugerechnet werden, um den gesamten CO2-Fußabdruck der Praxis zu ermitteln. Die Gesamtemissionen werden schließlich umgerechnet in die Emissionsintensität (d. h. Emissionen pro tierärztlichem Vollzeitäquivalent), wodurch Vergleiche unabhängig von der Praxisgröße möglich werden. Wichtig ist zudem die Festlegung eines Termins für die erneute Berichterstattung im folgenden Jahr.
4. Strategien zur Reduzierung
Der Prozess der Emissionsreduzierung beginnt mit der Überprüfung sämtlicher Systeme in der Praxis. Bestimmen Sie dabei zunächst die Hauptemission, die Sie reduzieren wollen, und untersuchen Sie die mit dieser Emission zusammenhängenden Systeme in der Praxis. Aus praktischer Sicht müssen bei Strategien zur Emissionsreduzierung zwei zentrale Aspekte berücksichtigt werden: Wird die Strategie zu einer signifikanten Emissionsreduzierung führen? Und wird sie das Team einbinden?
Im Idealfall besteht das Ziel darin, so schnell wie möglich erhebliche Emissionsreduzierungen zu erreichen. Gute Beispiele für eine signifikante Emissionsreduzierung sind Solaranlagen auf den Dächern und Ökostrom-Abnahmeverträge, sie erfordern aber nur eine geringe Beteiligung des Teams. Für die meisten Programme zur Emissionsreduzierung vor Ort in der Praxis ist das Engagement des Teams jedoch unerlässlich. So eignet sich beispielsweise ein Recyclingprogramm sehr gut, um das gesamte Team einzubinden, es reduziert die Emissionen aber nicht in so hohem Maße wie viele andere Maßnahmen. Im Vergleich hierzu erfordert ein Programm zur Reduzierung von Narkosegasen ein erhebliches Engagement des Teams und führt gleichzeitig zu signifikanter Emissionsreduzierung (Abbildung 3). Ein weiteres praktisches Beispiel wäre die Überprüfung der Routinen bezüglich der Liegeunterlagen und Einlagen in den Käfigen für stationäre Tiere. In Box 2 wird dieser Aspekt anhand einer Fallstudie näher erläutert. Das Engagement des Teams ist zudem erforderlich, um den Kontakt mit Kund*innen herzustellen und einen langfristigen Nutzen aus einer Net-Zero-Strategie zu ziehen.
Box 2. Fallstudie – Überprüfung des Systems der Lagerung stationärer Patienten.