Veränderungen der Zusammensetzung der Mikrobiota im Dünndarm führen oft zu nachweisbaren Veränderungen im fäkalen Mikrobiom, die mit Hilfe des Dybiose-Index beurteilt werden können. Bei einigen Patienten kann eine erhöhte Anzahl von Bakterien im Dünndarm jedoch eine Erkrankung hervorrufen. Der Verdacht auf eine Dünndarm-Dysbiose besteht insbesondere dann, wenn das gastrointestinale Profil eine erhöhte Serumkonzentration der Folsäure und eine reduzierte Serumkonzentration von Cobalamin aufweist, wobei zu beachten ist, dass beide Marker eine niedrige Sensitivität und eine niedrige Spezifität besitzen.
Therapie bei Dysbiose
Dysbiose ist oft nur eine Komponente einer intestinalen Erkrankung, und in der Regel ist in diesen Fällen ein gegen die zugrundeliegende Ursache gerichteter, multimodaler Therapieansatz erforderlich. Bei einigen Patienten, zum Beispiel bei Hunden mit EPI, führt eine Pankreasenzymsupplementierung zu einer Besserung der klinischen Symptome, und oft normalisiert sich nach einigen Wochen auch das intestinale Mikrobiom 13Isaiah A, Parambeth JC, Steiner JM, et al. The fecal microbiome of dogs with exocrine pancreatic insufficiency. Anaerobe 2017;45:50-58.
. Bei Hunden mit chronischer Enteropathie gibt es jedoch keine Marker, mit deren Hilfe man vorhersagen könnte, welche Behandlung für den individuellen Patienten am besten geeignet ist, so dass in vielen Fällen schrittweise nacheinander durchgeführte Versuchsbehandlungen erforderlich sind 16Procoli F. Inflammatory bowel disease, food-responsive, antibiotic-responsive diarrhoea, protein losing enteropathy. Advance Small Anim. Care 2020;1:127-141.
. Die Therapieoptionen bei Hunden mit Dysbiose umfassen diätetische Modifikationen, Prä- und Probiotika, Antibiotika und eine fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT), wobei jeder dieser Behandlungsansätze über unterschiedliche Mechanismen wirkt (Tabelle 2). Kombinationsbehandlungen bringen in vielen Fällen den größten therapeutischen Erfolg.
Tabelle 2. Behandlungsoptionen bei Dysbiose.
Diätetische Modifikationen sollten bei stabilen Patienten immer die Behandlung der ersten Wahl sein. Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen 50 und 70 % der Hunde mit chronischer Enteropathie futtermittelresponsiv sind 16Procoli F. Inflammatory bowel disease, food-responsive, antibiotic-responsive diarrhoea, protein losing enteropathy. Advance Small Anim. Care 2020;1:127-141.
. Am häufigsten eingesetzt werden hochverdauliche Nahrungen, die hydrolysierte oder „neue“, also dem Tier zuvor noch nie gefütterte Proteine enthalten. Die meisten dieser Nahrungen sind hypoallergen und sorgen für eine Verringerung der Menge an unverdauten Nährstoffen im Darmlumen, wodurch das Potenzial für eine bakterielle Überwucherung gesenkt wird. In den meisten Fällen einer futtermittelresponsiven Enteropathie ist die Modifikation der Nahrung allein schon ausreichend, um eine klinische Remission zu erreichen, da sie zu einer graduellen Besserung der intestinalen Entzündung und der Dysbiose über mehrere Monate führt 10Wang S, Martins R, Sullivan MC, et al. Diet-induced remission in chronic enteropathy is associated with altered microbial community structure and synthesis of secondary bile acids. Microbiome 2019;7(1):126.
,17Bresciani F, Minamoto Y, Suchodolski JS, et al. Effect of an extruded animal protein-free diet on fecal microbiota of dogs with food-responsive enteropathy. J. Vet. Intern. Med. 2018;32(6):1903-1910.
.
Probiotika können in geringgradigen Fällen allein verabreicht werden oder in Kombination mit einer diätetischen Modifikation. Da die Anzahl der mit einem Probiotikum zugeführten Bakterien im Vergleich zur vorhandenen Darmflora eher gering ist, haben Probiotika allerdings nur einen geringen direkten Effekt auf die Zusammensetzung der Mikrobiota. Sie heften sich jedoch an die intestinale Schleimhaut und können dort vorteilhafte Effekte erzielen, wie zum Beispiel eine Verkürzung der Dauer einer akuten Diarrhoe und eine Reduzierung Antibiotika-assoziierter gastrointestinaler Nebenwirkungen wie Erbrechen oder Diarrhoe 18Torres-Henderson C, Suchodolski J, Lappin MR. Effect of Enterococcus faecium strain SF68 on gastrointestinal signs and fecal microbiome in cats administered amoxicillin-clavulanate. Top. Companion Anim. Med. 2017;32(3):104-108.
. Hochpotente Multistamm-Probiotika reduzieren nachweislich C. perfringens bei Hunden mit akuter hämorrhagischer Diarrhoe 19Ziese AL, Suchodolski JS, Hartmann K, et al. Effect of probiotic treatment on the clinical course, intestinal microbiome, and toxigenic Clostridium perfringens in dogs with acute hemorrhagic diarrhea. PLOS One 2018;13(9):e0204691.
und stärken die intestinale Barriere bei Hunden mit chronischer Enteropathie 20White R, Atherly T, Guard B, et al. Randomized, controlled trial evaluating the effect of multi-strain probiotic on the mucosal microbiota in canine idiopathic inflammatory bowel disease. Gut Microbes 2017;8(5):451-466
. Da jedoch bei vielen kommerziellen Probiotika-Produkten zuverlässige Qualitätskontrollen fehlen, ist es wichtig, Präparate zu wählen, deren Wirksamkeit in veröffentlichten klinischen Studien nachgewiesen werden konnte.
Präbiotika sind unverdauliche Kohlenhydrate, die das Wachstum nützlicher Mikroorganismen fördern. Sie werden unterteilt in lösliche/unlösliche und fermentierbare/nicht fermentierbare Fasern. Fermentierbare Präbiotika werden von Dickdarmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt. Die meisten kommerziellen gastrointestinalen Diätnahrungen enthalten Präbiotika, bei einigen spezifischen Erkrankungen (z. B. Colitis) können jedoch besonders faserreiche Diätnahrungen von Vorteil sein. Die Supplementierung einer Nahrung mit Flohsamenschalen als Quelle löslicher Fasern in einer Dosierung von täglich 0,5-1 g /kg Körpergewicht kann die Kotqualität bei Tieren mit Erkrankung des Dickdarms verbessern. Das entsprechende Produkt sollte zunächst in geringerer Dosierung eingeführt und anschließend schrittweise erhöht werden, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
Antibiotika wie Tylosin und Metronidazol werden traditionell zur Behandlung chronischer Enteropathien empfohlen, ihr Einsatz als Mittel der ersten Wahl wird heute jedoch durchaus kontrovers diskutiert 16Procoli F. Inflammatory bowel disease, food-responsive, antibiotic-responsive diarrhoea, protein losing enteropathy. Advance Small Anim. Care 2020;1:127-141.
. Auch wenn diese Antibiotika zu einer Besserung der klinischen Symptome führen können – wahrscheinlich aufgrund einer Reduzierung der Bakterienlast - kommt es nach der Behandlung häufig zu Rezidiven, wenn die Bakterien erneut wachsen, da Antibiotika nur selten den zugrundeliegenden Krankheitsprozess ausmerzen 15Giaretta PR, Suchodolski JS, Jergens AE, et al. Bacterial biogeography of the colon in dogs with chronic inflammatory enteropathy. Vet. Pathol. 2020;57(2):258-265.
,21Westermarck E, Skrzypczak T, Harmoinen J, et al. Tylosin-responsive chronic diarrhea in dogs. J. Vet. Intern. Med. 2005;19(2):177-186.
,22Westermarck E, Myllys V, Aho M. Effect of treatment on the jejunal and colonic bacterial flora of dogs with exocrine pancreatic insufficiency. Pancreas 1993;8:559-562.
. Häufig eingesetzt werden Metronidazol (10-15 mg/kg alle 12 Std.) und Tylosin (25 mg/kg alle 12 Std.) über eine Dauer von 4-6 Wochen. Wie oben erwähnt können beide Antibiotika jedoch nachweislich Dickdarm-Dysbiosen induzieren, die gelegentlich mehrere Monate anhalten 8Pilla R, Gaschen FP, Barr JW, et al. Effects of metronidazole on the fecal microbiome and metabolome in healthy dogs. J. Vet. Intern. Med. 2020;34(5):1853-1866.
,9Manchester AC, Webb CB, Blake AB, et al. Long-term impact of tylosin on fecal microbiota and fecal bile acids of healthy dogs. J. Vet. Intern. Med. 2019;33(6):2605-2617.
,11Chaitman J, Ziese AL, Pilla R, et al. Fecal microbial and metabolic profiles in dogs with acute diarrhea receiving either fecal microbiota transplantation or oral metronidazole. Front. Vet. Sci. 2020;7:192.
. Studien zufolge fördert Metronidazol anhaltende Dysbiosen bei Hunden mit akuter Diarrhoe 11Chaitman J, Ziese AL, Pilla R, et al. Fecal microbial and metabolic profiles in dogs with acute diarrhea receiving either fecal microbiota transplantation or oral metronidazole. Front. Vet. Sci. 2020;7:192.
, und Amoxicillin/Clavulansäure kann eine Zunahme resistenter E. coli begünstigen 23Werner M, Suchodolski JS, Straubinger RK, et al. Effect of amoxicillin-clavulanic acid on clinical scores, intestinal microbiome, and amoxicillin-resistant Escherichia coli in dogs with uncomplicated acute diarrhea. J. Vet. Intern. Med. 2020;34(3):1166-1176.
. Bei chronischer Enteropathie werden Antibiotika im Allgemeinen nicht als Behandlung der ersten Wahl empfohlen, und dies aus mehreren Gründen: Nur 10-16 % aller Hunde mit chronischer Enteropathie sind antibiotikaresponsiv, in den meisten Fällen kommt es nach dem Absetzen der antibiotischen Behandlung zu Rezidiven und schließlich haben Antibiotika negative Auswirkungen auf das Mikrobiom. In Betracht zu ziehen ist eine antibiotische Therapie jedoch insbesondere nach gescheiterten diätetischen und antiinflammatorischen Versuchsbehandlungen oder bei Patienten mit Symptomen einer systemischen Entzündung 16Procoli F. Inflammatory bowel disease, food-responsive, antibiotic-responsive diarrhoea, protein losing enteropathy. Advance Small Anim. Care 2020;1:127-141.
oder im Falle einer Invasion und Persistenz von Bakterien in der Darmschleimhaut (z. B. E. coli im Zusammenhang mit granulomatöser Colitis). Bei einer kleinen Untergruppe von Hunden mit chronischer Enteropathie, die auf keine andere Behandlung anspricht, kann eine Langzeitbehandlung mit Antibiotika erforderlich sein, wobei das gewählte Antibiotikum auf die geringste wirksame Dosierung ausgeschlichen werden sollte.
Eine fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) kann in einigen Fällen einer Dysbiose helfen, die normale Mikrobiota wiederherzustellen und die klinischen Symptome zu verbessern 11Chaitman J, Ziese AL, Pilla R, et al. Fecal microbial and metabolic profiles in dogs with acute diarrhea receiving either fecal microbiota transplantation or oral metronidazole. Front. Vet. Sci. 2020;7:192.
. Bei dieser Methode wird Kot eines gesunden Spenders über orale Kapseln, auf endoskopischem Weg oder mittels Einlauf in den Darm eines Empfängers übertragen (Abbildung 5 und 6). In der Humanmedizin hat die FMT eine hohe Erfolgsrate (> 90 %) bei rezidivierenden Infektionen mit C. difficile, sie erweist sich bei Inflammatory Bowel Disease aufgrund des zugrundeliegenden intestinalen Entzündungsgeschehen aber als weniger wirksam.