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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 31.3 Kardiologie

Ernährung und dilatative Kardiomyopathie beim Hund

veröffentlicht 10/08/2022

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Welche Verbindung gibt es zwischen bestimmten Nahrungen und Herzerkrankungen bei Hunden? Dieser Artikel liefert einen Überblick über die aktuelle Situation und gibt einige Empfehlungen für praktische Tierärzte.

Bei der routinemäßigen klinischen Untersuchung können ein neu aufgetretenes Herzgeräusch, ein Galopprhythmus oder Arrhythmien auffallen

Kernaussagen

Jüngste Hinweise, nach denen getreidefreie Nahrungen bei Hunden zu dilatativer Kardiomyopathie (DCM) beitragen können, sind zurzeit Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen.


Zusätzliche Forschungsarbeiten sind erforderlich, um die mögliche Rolle von Taurin bei der caninen DCM zu untersuchen und weitere Faktoren mit potenziellem Einfluss auf diese Erkrankung zu ermitteln.


Einleitung

Dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist eine idiopathische, funktionelle Anomalie des Myokards, die eine linksventrikuläre systolische Dysfunktion, Herzkammerdilatation und/oder ventrikuläre Tachyarrhythmien verursacht. Eindeutige Rasseprädispositionen gibt es für den Dobermann, die Dogge, den Mittelschnauzer und den Irischen Wolfshund, bei denen ein Erblichkeitsmuster und/oder genetische Mutationen beschrieben werden (Abbildung 1). Wie bei Katzen ist die ernährungsassoziierte DCM auch bei Hunden gut beschrieben. Berichtet wird unter anderem von Fallclustern in den 1990er Jahren und in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts. Letztere standen hauptsächlich in Zusammenhang mit einem Taurinmangel und wurden mit proteinarmen Nahrungen oder Nahrungen mit Lamm und/oder Reis in Verbindung gebracht 1,2,3. Mehrere Studien untersuchten in dieser Zeit mögliche Risikofaktoren, die hauptsächlich einen negativen Einfluss auf die Fähigkeit zur Synthese ausreichender Mengen an Taurin für die Deckung des metabolischen Bedarfes der Hunde zu haben schienen 4,5,6.

In Folge der auf Basis dieser Erkenntnisse erfolgten Modifikationen verschiedener kommerzieller Nahrungen, einschließlich spezieller Diätnahrungen mit niedrigerem Proteingehalt für die Behandlung spezifischer Erkrankungen, tauchte die Diagnose DCM bei Hunden der nicht genetisch prädisponierten Rassen bis ins späte Jahr 2016 nur noch gelegentlich auf. Ab 2016 stellten Tierärzte jedoch wieder eine auffällige Zunahme solcher Krankheitsfälle fest. Die United States Food and Drug Administration (FDA) kündigte eine Untersuchung über eine mögliche Verbindung zwischen Ernährung und caniner DCM im Juli 2018 an, gefolgt von entsprechenden Aktualisierungen im Februar 2019 und im Juni 2019. Die jüngste Aktualisierung im September 2020 umfasst mehr als 1100 Berichte über canine DCM mit Verdacht auf einen Zusammenhang mit Nahrungen. Im Mittelpunkt des Interesses standen Futtermittel, die als getreidefrei vermarktet werden und insbesondere mit Nahrungen, die Gemüse wie Linsen und Erbsen enthalten. Darüber hinaus enthält dieser Bericht ein detailliertes Follow-up einer Untergruppe betroffener Hunde, das zeigt, dass eine Veränderung der Nahrung, meist zusammen mit einer Taurinsupplementierung, zu einer vollständigen oder teilweisen Remission der Erkrankung führte 7.

Unbegründete Behauptungen, dass Getreide Allergien auslöst und weitere negative Folgen für die Gesundheit von Hunden und Katzen hat, haben zu der zunehmenden Beliebtheit getreidefreier Kleintiernahrungen beigetragen. Es liegen aber weder Evidenzen für ein inhärentes Sicherheitsrisiko von Getreide in Tiernahrung vor, noch gibt es irgendeine medizinische oder diätetische Indikation für getreidefreie Nahrungen per se. Zurzeit laufen deskriptive und investigative Arbeiten zahlreicher Forschungsgruppen oder sind bereits veröffentlicht, wobei die Rolle spezifischer diätetischer Merkmale bei ernährungsassoziierter DCM in Verbindung mit getreidefreien Nahrungen nach wie vor im Unklaren liegt.

Einige Hunderassen haben gut bekannte genetische Prädispositionen für dilatative Kardiomyopathie

Abbildung 1. Einige Hunderassen haben gut bekannte genetische Prädispositionen für dilatative Kardiomyopathie, wie z. B. der Dobermann und die Dogge. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht neuerdings aber die Möglichkeit, dass bestimmte Bestandteile der Nahrung Hunde für diese Erkrankung prädisponieren könnten.
Credit: Shutterstock

Klinische Befunde und diagnostische Richtlinien 

DCM kann okkult (asymptomatisch) verlaufen oder mit offenen klinischen Symptomen einhergehen wie Husten, Dyspnoe, Tachypnoe, Synkopen und gelegentlich Aszites. Über der linken Herzspitze betroffener Hunde können ein leises systolisches Herzgeräusch infolge einer Mitralklappenregurgitation und/oder ein Galopprhythmus (3. Herzton) zu auskultieren sein. Zudem kann eine Tachyarrhythmie (Sinustachyarrhythmie, Tachyarrhythmie supraventrikulären oder ventrikulären Ursprungs) festzustellen sein. In einigen Fällen können ein Herzgeräusch oder eine Arrhythmie das erste Symptom der okkulten Form sein und sollten deshalb nicht übersehen werden. Da primäre Klappenerkrankungen bei jungen oder mittelalten Hunden großer Rassen relativ ungewöhnlich sind, und die Diagnose einer DCM noch vor der Entwicklung einer kongestiven Herzinsuffizienz für das Langzeitmanagement der Erkrankung von Vorteil sein kann, sollten neu auftretende Herzgeräusche, Galopprhythmen oder Tachyarrhythmien bei verdächtigen Rassen stets Anlass für eine gründliche kardiale Diagnostik sein (Abbildung 2).

Viele Hunde mit DCM zeigen ein physiologisches EKG, in einigen Fällen können jedoch Muster einer atrialen und/oder ventrikulären Vergrößerung (R > 3,0 mV, Ableitung II des linken Ventrikels) festzustellen sein. Bei Hunden gelten entsprechende Muster einer Kammervergrößerung als spezifische aber nicht als sensitive Befunde, da viele DCM-Patienten relativ normale EKG-Komplexe aufweisen. Sinustachykardie, Vorhofflimmern oder ventrikuläre Arrhythmien kommen dagegen häufig vor (Abbildung 3). In einigen Fällen können sich ventrikuläre Tachyarrhythmien bereits vor jeglicher ventrikulärer Dilatation oder systolischer Dysfunktion entwickeln. Routinemäßige Langzeit-EKGs können die frühzeitige Diagnose dieser Veränderungen deshalb unterstützen und sind inzwischen der Grundpfeiler des Screenings auf diese Erkrankung, insbesondere in Zuchtpopulationen.

Wenn die Erkrankung in den frühen Stadien diagnostiziert wird, können die Röntgenbefunde subtiler Natur sein. Thoraxröntgenaufnahmen können deshalb je nach Stadium der Erkrankung im physiologischen Bereich liegen oder auf eine atriale und ventrikuläre Vergrößerung (im typischen Fall linksseitig) hinweisen, mit oder ohne Erweiterung der Lungenvenen und Lungenödem (Abbildung 4). In einigen Fällen kann eine biatriale und biventrikuläre Vergrößerung zu beobachten sein. Herzultraschall ist nicht nur das Verfahren der Wahl für die Diagnose der caninen DCM, sondern auch ein wichtiger diagnostischer Test auf die okkulte Form der Erkrankung. Typische sonographische Befunde bei Patienten mit offensichtlicher Erkrankung sind eine linksseitige (und gelegentlich rechtsseitige) atriale und ventrikuläre Dilatation und eine herabgesetzte systolische Funktion.

Kardiale Biomarker zum Nachweis okkulter Herzerkrankungen sind zurzeit ein wichtiges Forschungsgebiet. Der Herzinsuffizienzmarker NT-proBNP wird freigesetzt, wenn die Ventrikel dilatiert oder hypertrophisch sind oder einer erhöhten Wandspannung bzw. Wanddehnung ausgesetzt sind. Bei Hunden mit kongestiver Herzinsuffizienz ist die NT-proBNP-Konzentration typischerweise erhöht und kann bei caninen Patienten mit Husten oder Dyspnoe zur Unterstützung der Diagnose bzw. des Ausschlusses einer kongestiven Herzinsuffizienz herangezogen werden. Darüber hinaus kann NT-proBNP hilfreich sein für den Nachweis einer okkulten Erkrankung, wobei die Häufigkeit falsch-positiver Ergebnisse in diesem Zusammenhang ein Problem darstellt. Kardiales Troponin-I ist ein weiterer kardialer Biomarker, dessen Erhöhung für eine okkulte Kardiomyopathie spricht. Allerdings ist dieser Test zwar spezifisch für DCM, er besitzt aber keine ausreichende Sensitivität, um sämtliche Fälle sicher nachzuweisen. Interessant sind die Ergebnisse einer jüngsten Studie mit scheinbar gesunden Hunden vier verschiedener Rassen, die zeigen, dass Hunde, die als getreidefrei gekennzeichnete Nahrungen bekamen, eine Erhöhung des kardialen Troponin-I aufwiesen, im Vergleich zu den Hunden, die mit getreidehaltigen Nahrungen gefüttert wurden 8.

Bei der routinemäßigen klinischen Untersuchung können ein neu aufgetretenes Herzgeräusch

Abbildung 2. Bei der routinemäßigen klinischen Untersuchung können ein neu aufgetretenes Herzgeräusch, ein Galopprhythmus oder Arrhythmien auffallen. Jedes neue Herzgeräusch rechtfertigt eine weiterführende kardiale Untersuchung, zum Beispiel die Bestimmung kardialer Marker, EKG, Thoraxröntgen oder Herzultraschall.
Credit: Shutterstock

Potentielle Risikofaktoren für ernährungsassoziierte DCM

Bei den in jüngster Zeit beobachteten Fällen von ernährungsassoziierter DCM sollen verschiedene Faktoren, einschließlich Taurinmangel, eine Rolle spielen. In vielen dieser Fälle wurde aber entweder keine Taurinbestimmung vorgenommen oder die entsprechenden Tests zeigen, dass keine niedrigen Taurinkonzentrationen im Plasma und/oder Vollblut vorlagen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die meisten Fälle einer ernährungsassoziierten DCM bei Hunden erst zu einem Zeitpunkt diagnostiziert werden, wenn bereits eine gewisse kardiale Dysfunktion klinisch offensichtlich ist, mit oder ohne kongestive Herzinsuffizienz. Der Metabolismus schwefelhaltiger Aminosäuren (Sulfoaminosäuren) – und insbesondere die Taurin-Kinetik – wurden unter solchen Umständen bislang noch nicht charakterisiert. Die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen von Tests zur Bestimmung des Taurinstatus und klinischen Veränderungen in der Herzmuskulatur könnte aber auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein. So sollte zum Beispiel berücksichtigt werden, dass Taurin über lange Zeit als ein leicht zu analysierender Marker für den Status schwefelhaltiger Aminosäuren und indirekt für den allgemeinen Status der Methyldonatoren eingesetzt wurde. Weitere Marker oder Untersuchungen könnten jedoch dazu beitragen, ein umfassenderes und vollständigeres klinisches Bild zu erhalten. Es sind also zweifellos zusätzliche Forschungsbemühungen erforderlich, um die potenzielle Rolle von Taurin bei der caninen DCM detaillierter zu untersuchen, aber auch um die Interaktionen weiterer potenzieller Faktoren oder Nährstoffe zu charakterisieren, die einen Einfluss auf diese Erkrankung haben könnten.

Bestimmte diätetische Merkmale werden mit zahlreichen Fällen von DCM bei Hunden in Verbindung gebracht, insbesondere bestimmte Inhaltsstoffe von Tiernahrungen. Häufig in getreidefreien Tiernahrungen eingesetzte spezifische Inhaltsstoffe wie Erbsen oder Linsen, scheinen in diesem Zusammenhang als potenzielle Ursachen deutlich überrepräsentiert zu sein. In mehreren Studien werden getreidefreie Nahrungen als ein Risikofaktor für diese Erkrankung identifiziert, der Grund für diese Befunde ist aber nach wie vor unklar 8,9,10,11. Gemüse ist eine Quelle von Stärke, aber auch beträchtlicher Mengen an Fasern und Proteinen, es weist allerdings einen nur begrenzten Gehalt an schwefelhaltigen Aminosäuren auf. Einige Gemüse enthalten zudem antinutritive Faktoren, die einen negativen Einfluss auf die Proteinverdaulichkeit und die Aminosäureverfügbarkeit haben. Mit Hilfe fachgerechter Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse, einschließlich adäquater Erhitzungszeiten und -temperaturen, sollten solche antinutritiven Faktoren weitgehend zerstört werden, diese Verfahren müssen von den Herstellern aber für jede einzelne Kombination von Inhaltsstoffen gut definiert sein. Hinzu kommt, dass einige Aminosäuren (insbesondere Lysin, Cystein und Methionin) während der Verarbeitung auch nicht-enzymatischen Reaktionen unterliegen, die zu einer reduzierten Bioverfügbarkeit führen können, auch ohne negative Effekte auf die Proteinverdaulichkeit insgesamt. In der Summe können also zahlreiche Charakteristika von Tiernahrung einen Einfluss auf das diätetische Aminosäuregleichgewicht und auf das Mikrobiom haben 12. Wahrscheinlich haben diese Faktoren auch einen Einfluss auf die Verfügbarkeit und die Verwertung von schwefelhaltigen Metaboliten, von Zwischenprodukten verschiedener Stoffwechselwege, von Methyldonatoren wie Cholin und von Enzym-Co-Faktoren wie Vitaminen.

EKG eines zwei Jahre alten Golden Retrievers mit bestätigter ernährungsassoziierter DCM

Abbildung 3. EKG eines zwei Jahre alten Golden Retrievers mit bestätigter ernährungsassoziierter DCM. Zu erkennen sind zwei ventrikuläre Extrasystolen, die einen häufigen Befund dieser Erkrankung darstellen und weiterführende kardiale Untersuchungen nach sich ziehen sollten.
Credit: Joshua Stern

Laterale Thoraxröntgenaufnahme eines zwei Jahre alten Golden Retrievers

Abbildung 4. Laterale Thoraxröntgenaufnahme eines zwei Jahre alten Golden Retrievers, der zur Abklärung einer Arrhythmie und eines leisen Herzgeräusches vorgestellt wurde. Beim Herzultraschall wurde eine hochgradige DCM festgestellt. Der Hund war lebenslang getreidefrei gefüttert worden und besserte sich dramatisch nach einer entsprechenden Umstellung der Ernährung.
Credit: Joshua Stern

Kommerzielle Tiernahrungen und DCM-Risiko

Ohne ein umfassendes Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen ist es schwierig, spezifische Empfehlungen für gezielte Produktmodifikationen zur Unterstützung der Prävention der ernährungsassoziierten DCM bei Hunden zu geben. Über viele Jahre hinweg wurden zahlreiche ausgewogene Tiernahrungsprodukte unter Verwendung einer großen Bandbreite verschiedener Inhaltsstoffe – einschließlich Kartoffeln und Gemüse – erfolgreich formuliert, um Kleintieren die notwendigen Proteine und die erforderliche Stärke zu liefern. Es ist jedoch offensichtlich, dass kommerzielle Futtermittel die Diversität der Hundepopulation besser berücksichtigen müssen, damit sämtliche Nahrungen auch die Bedarfe der vielen Hunde decken, die insbesondere hinsichtlich ihres Energie- und Nährstoffbedarfs nicht „durchschnittlich“ sind. Zentral wichtig sind darüber hinaus entsprechende in vivo-Tests, da die tatsächliche Bioverfügbarkeit von Aminosäuren nicht mittels chemischer Analysen von Futtermitteln im Labor bestimmt werden kann 13.

Zahlreiche Hersteller haben inzwischen begonnen, getreidefreie Nahrungen für Hunde mit Taurin zu supplementieren mit dem Ziel oder sogar der Versicherung, dass diese Strategie die Entstehung von DCM verhindern wird. Nicht berücksichtigt wird dabei allerdings die potenzielle Problematik einer schlechten Bioverfügbarkeit oder eines Mangels an Sulfoaminosäuren. Auch wenn durchaus angemessen scheint, einigen Nahrungen mit gezielt reduziertem Proteingehalt (z. B. einigen therapeutischen Veterinär-Diätnahrungen) Taurin zuzusetzen, so wird die Aufrechterhaltung eines adäquaten Taurinspiegels bei Hunden wahrscheinlich am besten erreicht durch eine Erhöhung der diätetischen Konzentration von bioverfügbarem Methionin und Cystein 14. Empfohlen wird in diesem Zusammenhang die Verwendung qualitativ hochwertiger, gut verdaulicher diätetischer Proteinquellen und/oder die Supplementierung mit gereinigtem Methionin unter Berücksichtigung des Aminosäuregleichgewichts insgesamt und einer adäquaten Versorgung mit Methyldonatoren, die für den Metabolismus schwefelhaltiger Aminosäuren erforderlich sind 15.

Die Beurteilung von Verdachtsfällen

Eine individuelle Beurteilung der Ernährungssituation ist ein entscheidender Aspekt bei jedem Patienten mit Verdacht auf DCM oder mit bestätigter Erkrankung. Zusammen mit dem Vorbericht und der klinischen Untersuchung hat die Evaluierung der Ernährung einen Einfluss auf das weitere diagnostische Vorgehen und die Therapie, einschließlich diätetischer Optionen. In dieser Beurteilung sollten auch aktuelle und frühere Daten zum Körpergewicht, zum Body Condition Score und zum Muscle Condition Score des Patienten einfließen.

Bei allen Hunden (und Katzen) mit einem DCM-Verdacht oder bestätigter Erkrankung sollten die Taurinkonzentrationen im Vollblut und im Plasma bestimmt werden, da niedrige Konzentrationen ein sehr guter Indikator für das Erkrankungsrisiko und einen diätetischen Versorgungsmangel sind, auch wenn zahlreiche weitere Faktoren die Entwicklung der Erkrankung zusätzlich beeinflussen können 16. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Gerinnungs- und Hämolyseprozesse in der Probe aufgrund des hohen Tauringehalts von Granulozyten und Thrombozyten zu falsch erhöhten Plasmakonzentrationen von Taurin führen können. Die Vollblutkonzentration von Taurin wird durch die Effekte im Zusammenhang mit der Probenentnahme und der Probenbehandlung allerdings nicht verfälscht. Die Diagnose eines Taurinmangels kann also dann gestellt werden, wenn die Taurinkonzentration im Plasma niedrig ist. Wenn die Plasmakonzentration normal ist oder im zweifelhaften Bereich liegt, kann die Taurinkonzentration im Vollblut eingesetzt werden, um einen Taurinmangel zu bestätigen. Hinzu kommt, dass die Taurinkonzentration im Vollblut auch nach einer Mahlzeit nur geringfügig verändert ist, während sich die Plasmakonzentration postprandial substanziell verändern kann, abhängig vom Taurinstatus des Patienten und von der Zusammensetzung der Mahlzeit vor der Probenentnahme im Verhältnis zur Langzeiternährung.

Jennifer Larsen

Wenn immer möglich, sollten bei jedem Hund mit DCM die Taurinkonzentrationen im Plasma und im Vollblut bestimmt werden, da niedrige Konzentrationen sehr gute Indikatoren für das Krankheitsrisiko und einen diätetischen Mangel sind.

Jennifer Larsen

Behandlungsempfehlungen

Eine diätetische Modifikation wird empfohlen, wenn die Ernährung im Verdacht steht, eine Rolle bei der Entwicklung der Herzerkrankung zu spielen, insbesondere dann, wenn eine große Diskrepanz zwischen dem vorhergesagten und dem tatsächlichen Kalorienbedarf besteht. Der FDA-Bericht aus dem Jahr 2020 beschreibt eine Resolution oder Besserung der Erkrankung durch eine Veränderung der Ernährung, und zwei neuere Studien zeigen, dass mit getreidefreien oder mit nicht-traditionellen Nahrungen gefütterte Hunde nach einer DCM-Diagnose längere Überlebenszeiten und eine Verbesserung der Herzfunktion zeigen, wenn eine entsprechende Ernährungsumstellung Teil der Therapie ist 9,11. Tierhaltern, die vollständig auf kommerzielle Tiernahrungen verzichten möchten, sollte empfohlen werden, auf maßgeschneiderte Rezepturen für zu Hause selbst zubereitete Nahrungen zurückzugreifen, die im Idealfall von einem zertifizierten tierärztlichen Ernährungsexperten, wie zum Beispiel einem Fachtierarzt für Tierernährung und Diätetik, individuell formuliert werden. Nicht zu empfehlen sind dagegen Rezepturen aus dem Internet oder aus Büchern, da hier zahlreiche Probleme im Bereich der bedarfsgerechten Formulierung dokumentiert sind und weil in vielen Fällen die dort vertretenen Strategien für das diätetische Management spezifischer Erkrankungen nicht mehr dem aktuellen Wissensstand entsprechen.

In den USA sollte jeder Verdachtsfall einer ernährungsassoziierten dilatativen Kardiomyopathie (unabhängig vom diätetischen Vorbericht) an die FDA gemeldet werden. Für den Dobermann gibt es einen genetischen Test (über die North Carolina State University oder andere Einrichtungen), der helfen kann, die Ätiologie aufzuklären. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass bei einem individuellen Hund mehr als eine Ursache zugrundeliegen kann. 

Angiotensin Converting Enzym (ACE)-Hemmer können bei Hunden mit früher ventrikulärer Dilatation, mit oder ohne systolische Dysfunktion, hilfreich sein. Eine umfangreiche Studie über Dobermänner mit ventrikulärer Dilatation zeigt, dass ACE-Hemmer die Zeit bis zum Einsetzen einer kongestiven Herzinsuffizienz verlängern 17. In dieser Studie wurde zwar nur eine bestimmte Rasse untersucht, die Anwendung von ACE-Hemmern kann aber auch bei anderen Rassen mit okkulter DCM in Erwägung gezogen werden (z.B. Enalapril, 0,5 mg/kg PO alle 12 Std.). Dieselbe Studie zeigt darüber hinaus, dass Dobermänner nach Erreichen eines bestimmten Grades einer Herzvergrößerung und einer systolischen Dysfunktion auch von einer Behandlung mit Pimobendan (ca. 0,3 mg/kg PO, alle 12 Std.) profitieren, indem die Zeit bis zum Einsetzen einer kongestiven Herzinsuffizienz verlängert wird 17.

Pimobendan ist ein Inodilator, der seine Wirkung über die Hemmung der Phosphodiesterase III und eine Calciumsensibilisierung ausübt. In der Klinik der Autoren erhalten alle Hunde mit okkulter Kardiomyopathie sowohl Pimobendan als auch einen ACE-Hemmer, mit oder ohne Umstellung der Ernährung und Taurinsupplementierung, je nach Rasse, Taurinspiegel im Blut und diätetischem Vorbericht. Hunde mit DCM und bereits manifester kongestiver Herzinsuffizienz erhalten zusätzlich zur Behandlung mit Pimobendan und einem ACE-Hemmer auch Furosemid (und oft Spironolacton), wobei das Behandlungsschema häufig modifiziert wird, um je nach Indikation ventrikuläre Arrhythmien oder Vorhofflimmern zu behandeln.

Eine Taurinsupplementierung ist sicher und insbesondere in Fällen eines bestätigten Taurinmangels angezeigt (Dosierung: 500-1500 mg/Hund alle 12 Std.). Zusätzlich kann eine Carnitinsupplementierung in Betracht gezogen werden (50 mg/kg alle 8 Std.), deren tatsächliche Indikationen und Vorteile jedoch schwierig zu beurteilen sind, und deren Anwendung recht kostspielig sein kann. Bei Herzerkrankungen können darüber hinaus Omega-3-Fettsäuren von Vorteil sein mit einer vorgeschlagenen Gesamtdosis von 125 mg EPA + DHA kg0.75/Tag. Bei der Berechnung der Gesamtaufnahme sollte jedoch auch die Fettsäurezufuhr über andere Quellen einschließlich der Basisnahrung und jeglicher weiterer Supplemente berücksichtigt werden.

Viele Hunde mit ernährungsassoziierter DCM bessern sich unter der geeigneten Therapie mit einer Ernährungsumstellung und einer diätetischen Supplementierung. In einigen Fällen kann diese Besserung sogar recht signifikant ausfallen mit einer Umkehr der kongestiven Herzinsuffizienz bis hin zum erfolgreichen Absetzen der Arzneimittel. Dieser bei Hunden festgestellte Grad der Reversibilität entspricht der Situation bei Katzen und ist eines der definierenden Merkmale der ernährungsassoziierten caninen DCM für die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber der hereditären Form der DCM bei Hunden.

Joshua A. Stern

Eine neuere Studie zeigt, dass scheinbar gesunde, getreidefrei ernährte Hunde im Vergleich zu Hunden, deren Nahrung Getreide enthält, erhöhte kardiale Troponin-I-Werte aufweisen – ein Hinweis auf Myokardschäden.

Joshua A. Stern

Schlussfolgerung

Auch wenn die möglichen Zusammenhänge zwischen Ernährung und dilatativer Kardiomyopathie DCM beim Hund zur Zeit noch alles andere als klar sind, gibt es heute umfangreiche Evidenzen, die dafür sprechen, dass bestimmte nutritive Faktoren einen Einfluss auf diese Erkrankung haben. Jedes Tier mit einem Herzgeräusch, einem Galopprhythmus oder einer Tachyarrhythmie sollte einer gründlichen kardialen Diagnostik unterzogen werden, einschließlich eines diätetischen Vorberichts und einer Bestimmung der Taurinkonzentration im Vollblut. Eine frühzeitige Intervention bei Hunden mit DCM mit Hilfe der geeigneten Therapie und – wenn angezeigt – gezielter Veränderungen der Ernährung, kann einen signifikanten Einfluss auf das Outcome haben.

Literatur

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