Behandlung
Lokale Demodikose
Eine systemische antiparasitäre Therapie ist für die Behandlung einer lokalen Demodikose nicht geeignet. Es gibt keine Evidenzen dafür, dass eine ausbleibende oder unwirksame Behandlung einer lokalen Demodikose zur Entstehung einer generalisierten Demodikose führen kann. In der Tat kann die systemische Behandlung einer lokalen Demodikose dazu führen, dass Patienten, die eine generalisierte Form entwickeln, nicht erkannt werden. Das heißt natürlich nicht, dass es keine wirksamen Behandlungen gibt. Bei juvenilen Hunden mit lokaler Demodikose ist ganz entscheidend, dass eine „stressfreie“ Lebensweise sichergestellt wird. Auch eine schlechte Ernährung wird sicherlich Auswirkungen auf die Immunkompetenz eines Tieres haben, und eine enge Überwachung der Ernährung sowie individuell angepasste diätetische Empfehlungen sind deshalb wichtige Faktoren einer erfolgreichen Behandlung. Ich empfehle für diese Patienten in der Regel ausgewogene, qualitativ hochwertige, kommerzielle Nahrungen angesehener Markenhersteller. Regelmäßige Kotuntersuchungen und geeignete Entwurmungen sind ebenfalls wichtig. Für die Behandlung von Hunden werden von vielen Dermatologen Produkte mit dem Wirkstoff Benzoylperoxid empfohlen, da sie eine „Follikel spülende“ Wirkung haben sollen. Besitzer sollten jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine Manipulation der Effloreszenzen den Verlust von Haaren, die kurz vor dem Ausfall stehen, zunächst noch verstärken kann. Benzoylperoxid trocknet die Haut aus und sollte daher von einem feuchtigkeitsspendenden Produkt gefolgt werden.
Generalisierte Demodikose
Der Besitzer sollte sich darüber im Klaren sein, dass ein Patient mit generalisierter Demodikose nach der Einleitung der Behandlung mit Hilfe wiederholter Hautgeschabsel in Abständen von vier Wochen regelmäßig überwacht werden sollte. Die Entwicklungsstadien und die Anzahl der Parasiten sollten dabei regelmäßig aufgezeichnet werden, um den Behandlungserfolg zu kontrollieren. Zudem sollte der Besitzer darüber aufgeklärt werden, dass die Behandlung zwei Monate über den Zeitpunkt des ersten negativen Geschabsels hinaus fortgesetzt werden muss. Die gesamte Behandlungsdauer beträgt im typischen Fall drei bis sieben Monate. Wenn eine Behandlung erfolglos bleibt, sollte eine alternative Option getestet werden. Bei einigen Patienten lässt sich jedoch nur eine Kontrolle der Symptome erreichen, also keine Heilung der Erkrankung im eigentlichen Sinne. Insbesondere gilt dies für Fälle mit Erkrankungsbeginn im adulten Alter („adulte Demodikose“).
Amitraz ist in vielen Ländern zur topischen Behandlung der Demodikose zugelassen. Es gibt gute Evidenzen für die Wirksamkeit in einer Dosierung von 250-500 ppm alle 7-14 Tage (möglicherweise mit besserer Wirkung bei kürzeren Applikationsintervallen) 16. Hunde mit langen und mittellangen Haaren sollten vor der Applikation geschoren werden. Die Behandlung sollte ausschließlich in einem gut belüfteten Bereich und nur von tierärztlichem Personal mit geeigneter Schutzkleidung durchgeführt werden (bei Menschen werden Atemprobleme beschrieben). Behandelte Hunde sollten zunächst in der tierärztlichen Praxis/Klinik bleiben bis sie trocken sind, und ihre Haut bzw. ihr Fell dürfen zwischen den Spülungen nicht in Kontakt mit Wasser kommen. Über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden nach der Behandlung sollten die Patienten keinem Stress ausgesetzt werden 1617. Amitraz ist ein Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer), und es ist wichtig, an mögliche Arzneimittelwechselwirkungen zu denken. Da es sich um einenα2-adrenergen Agonisten handelt, können Nebenwirkungen (vor oder nach Behandlung) mit Yohimbin oder Atipamezol behandelt werden.
Avermectine (Ivermectin, Doramectin) sind makrozyklische Lactone. Sie binden selektiv und mit hoher Affinität an glutamatabhängige Chloridkanäle. Die Folge dieser Bindung ist eine erhöhte Zellpermeabilität und eine neuromuskuläre Blockade, die zur Paralyse und zum Tod des Parasiten führt. Avermectine interagieren mit Bindungsstellen des ZNS-Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) 17. Mit Hilfe der P-Glycoprotein-Pumpen der kapillären Endothelzellen im Gehirn werden Avermectine aus dem Nervensystem herausgehalten (Blut-Hirn-Schranke). Die Besitzer müssen darüber aufgeklärt werden, dass die Applikation solcher Produkte in den für die Behandlung der Demodikose empfohlenen Dosierungen als zulassungsüberschreitend gilt.
Bei zahlreichen Hunderassen gibt es Individuen, die homozygote Mutanten für das MDR1-Gen (Multi Drug Resistance-Gen) sind, und damit überempfindlich gegenüber Ivermectin. Collies weisen die größte Häufigkeit des mutanten Allels auf, betroffen sind aber auch der Longhaired Whippet, Shetland Sheepdog, Miniature Australian Shepherd, Silken Windhound, McNab, Australian Shepherd, Wäller, Weißer Schweizer Schäferhund, Old English Sheepdog, English Shepherd, Deutscher Schäferhund und Border Collie 18. Da der genetische Defekt auch bei vielen Mischlingshunden nachgewiesen wird, könnte man überlegen, ob entsprechende Tests nicht bei allen Hunden vor der Applikation eines Avermectins empfohlen werden sollten.
Zu beachten ist, dass einige Arzneistoffe (z. B. Ketoconazol, Erythromycin) P-Glycoprotein binden, und damit das Risiko einer Neurotoxikose bei gleichzeitiger Anwendung mit makrozyklischen Lactonen erhöhen können.
Die orale Verabreichung von Ivermectin (ad inject.) ist in meiner Praxis die am häufigsten angewendete Behandlung bei generalisierter Demodikose. Routinemäßig empfehle ich eine langsam ansteigende Dosierung und die Gabe des Arzneimittels mit dem Futter. Ein beispielhafter Vorschlag wäre, mit einer Testdosis von 0,05 mg/kg täglich zu beginnen und dann in der zweiten Woche auf 0,1 mg/kg zu verdoppeln. Treten mit dieser Dosierung keine Probleme auf, wird die Dosis am nächsten Tag auf 0,2 mg/kg erhöht, am darauffolgenden Tag auf 0,3 mg/kg und schließlich auf die Erhaltungsdosis von 0,4 mg/kg täglich. Einige Patienten benötigen jedoch Dosen bis zu 0,6 mg/kg. Die Behandlung wird zwei Monate über den Zeitpunkt des ersten negativen Hautgeschabsels hinaus fortgesetzt. Weisen Sie den Besitzer an, die Behandlung sofort abzubrechen, wenn Anzeichen einer Toxikose auftreten (insbesondere Lethargie, Ataxie, Mydriasis und gastrointestinale Symptome). In diesen Situationen reduziere ich meist auf eine niedrigere Dosierung – im typischen Fall 0,3 mg/kg – jeden zweiten Tag (wenn der Hund bei dieser Dosierung keine unerwünschten Reaktionen zeigt) und veranlasse eine enge Überwachung auf unerwünschte Ereignisse.
Zu berücksichtigen ist, dass Ivermectin eine relativ lange Halbwertszeit hat, so dass die Serumkonzentration bei täglicher Applikation über Wochen kontinuierlich ansteigt und schließlich ein Gleichgewicht erreicht. Das erstmalige Auftreten von unerwünschten Ereignissen wird noch 10 Wochen nach Behandlungsbeginn beschrieben 17. Bei Hunden mit MDR1(-/-) Gendefekt kann eine Neurotoxikose durch Applikation von Ivermectin oder Doramectin in einer Dosierung von 100 μg/kg oder darüber induziert werden 18.
Die klinischen Symptome sind dosisabhängig und können von geringgradiger Depression und Ataxie sowie Desorientierung und Mydriasis innerhalb von 12 Stunden nach Applikation (0,1-0,12 mg/kg) bis hin zu hochgradiger Ataxie, Stupor, Festliegen, Kopfzittern, offensichtlicher Erblindung, Gesichtszuckungen, Hypersalivation, episodischer Hyperventilation und Bradykardie reichen (bei Dosen von bis zu 0,17 mg/kg).
Hochgradige Symptome einer Neurotoxikose können bei Dosierungen von 0,2 bis 0,25 mg/kg oder darüber auftreten und umfassen Depression, Ataxie, offensichtliche Erblindung als frühe Symptome, aber auch Erbrechen, rudernde Bewegungen, Tremor und exzessive Salivation, gefolgt von Stupor, kraftlosen Kriechversuchen, Festliegen und schließlich Nichtansprechbarkeit und Koma innerhalb von 30 bis 50 Stunden nach Applikation, oft zum Tod des Patienten führend
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Geyer J, Janko C. Treatment of MDR1 mutant dogs with macrocyclic lactones. Curr Pharm Biotech 2012;13:969-986.
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Doramectin wird aufgrund seiner offenkundigen Wirksamkeit bei MDR1(+/+)-Hunden mit Demodikose in einer Dosierung von 0,6 mg/kg einmal wöchentlich per injectionem empfohlen 14. Der Autor hat keine Erfahrungen mit diesem Produkt, und weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit sind zu empfehlen 17.
Milbemycine können erfolgreich zur Behandlung der Demodikose eingesetzt werden. Beschrieben wird die Behandlung mit Milbemycinoxim (0,5-2,0 mg/kg alle 24 Std. oral) mit einer höheren Erfolgsrate bei der höheren Dosierung 1718. In der Regel empfehle ich in diesen Fällen keine Step-up Dosierung (schrittweise Dosiserhöhung), es gibt aber den seltenen, besonders „sensitiven“ Patienten, der neurologische Nebenwirkungen entwickelt. Auch Moxidectin (0,2-0,5 mg/kg alle 24 Std. oral) wurde bei Hunden mit generalisierter Demodikose evaluiert, und auch hier wird eine sorgfältige Überwachung empfohlen 19. In einigen Ländern ist Moxidectin als 2,5%ige Spot-on-Lösung (in Kombination mit 10% Imidacloprid) erhältlich und kann zur Behandlung der Demodikose durch wöchentliche Applikation eingesetzt werden. Bei Hunden mit geringgradiger Erkrankung hat die Spot-on-Formulierung eine deutlich höhere Erfolgsrate.
Zur Behandlung der Demodikose bei Katzen kann eine wöchentliche lokale Behandlung mit Schwefelkalk (2%) über vier bis sechs Wochen eingesetzt werden 6. Die Behandlung ist sehr sicher und kann als parasitizide Versuchsbehandlung eingesetzt werden, um einen Befall mit D. gatoi bei Katzen mit Juckreiz auszuschließen. Bei den meisten betroffenen Katzen tritt eine Besserung nach drei Behandlungen ein. Sämtliche Katzen mit Kontakt zum betroffenen Patienten sollten eben-falls behandelt werden, und Besitzer sollten darauf hingewiesen werden, dass dieses Produkt weiße Katzen gelb färben und Verfärbungen von Schmuck hervorrufen kann. Zudem sollten Besitzer wegen des unangenehmen Geruchs dieses Produktes vorgewarnt werden. Behandelte Katzen sollten bis zur vollständigen Abtrocknung einen Halskragen tragen, da viele Katzen Erbrechen entwickeln, wenn sie ihr Fell pflegen, solange das Produkt noch feucht ist.
Die follikuläre Demodikose geht mit einer bakteriellen Furunkulose einher. Ich reduziere in vielen dieser Fälle die Demodex-Population bei Hunden in signifikantem Maße durch den Einsatz von Benzoylperoxid-Shampoos (gefolgt von einem feuchtigkeitsspendenden Produkt) und Antibiotika ohne antiparasitäre Arzneimittel. Durch Scheren des Tieres kann der Hautkontakt des Shampoos verbessert werden. Wichtig ist die gleichzeitige Behandlung einer begleitenden Pyodermie/Furunkulose, da Bakterien eine Rolle bei der Immunsuppression bei den betroffenen Patienten zugeschrieben wird. Die Infektion gilt in diesen Fällen jedoch als sekundäres Geschehen. Jüngste Untersuchungen zeigen indes, dass systemische Antibiotika, die zusätzlich zu oralem Ivermectin und einem Benzoylperoxid-Shampoo eingesetzt werden, die Behandlungsdauer bei Hunden mit generalisierter Demodikose nicht verkürzen. Die Studie zeigt keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Dauer bis zum Erreichen des ersten negativen Hautgeschabsels. Es spricht also einiges dafür, dass Antibiotika nach der klinischen Resolution einer begleitenden Pyodermie abgesetzt werden können 20.
Zusammenfassend kann geschlussfolgert werden, dass sich mit dem entsprechenden diagnostischen Know-How und einer aggressiven Therapie auch bei Patienten mit dieser in hohem Maße herausfordernden Erkrankung recht gute Ergebnisse erzielen lassen. Das Ansprechen auf die Behandlung kann dramatisch und für alle Beteiligten sehr befriedigend sein (Abbildung 10).