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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 33.2 Marketing und Verkauf

Die Sprechstunde für feline Senioren – ein katzenfreundlicher Ansatz

veröffentlicht 03/11/2023

Geschrieben von Sarah M. A. Caney

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português und Español

Katzen leben immer länger und immer besser. Aber wie können wir sicherstellen, dass wir ihnen die optimale Gesundheitsversorgung anbieten? Dieser Artikel gibt einige Hinweise.

Eine an der Wand des Sprechzimmers eingebaute Treppe bietet die Möglichkeit, die Mobilität der Katze zu beobachten

Kernaussagen

Regelmäßiger Kontakt mit älteren Katzen ist wichtig, um ihre Gesundheit zu unterstützen; einfache Kontrollmaßnahmen wie ein gründlicher Vorbericht und die Überwachung des Körpergewichts können dazu beitragen, Probleme zu erkennen, die Aufmerksamkeit erfordern. 


Subklinische Erkrankungen treten bei älteren Katzen häufig auf, und oft liegen multiple Komorbiditäten vor, die eine Diagnose und Behandlung komplizieren können.


Präventive Gesundheitsfürsorge zielt darauf ab, Erkrankungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen, so dass zeitnah geeignete Maßnahmen eingeleitet werden können.


Eine gute Versorgung älterer Katzen ist für tierärztliche Praxen äußerst gewinnbringend und wird von Katzenhaltern sehr geschätzt.


Einleitung

Der Begriff „Senior“ wird im Allgemeinen für Katzen ab einem Alter von 11 Jahren verwendet, obwohl er durchaus auch für einige jüngere Katzen zutreffen kann 1. In den letzten Jahrzehnten leben Katzen tendenziell weit über dieses „Senior“-Schwellenalter hinaus, und inzwischen werden viele Katzen sogar zwanzig Jahre alt und älter. In einem jüngsten Bericht wird eine 27-jährige Katze in London als die älteste Katze der Welt beschrieben 2. Früher wurden Katzen ab einem Alter von 15 Jahren als „geriatrisch“ bezeichnet. Aufgrund des negativen Feedbacks von Katzenhaltern und Katzenhalterinnen bezüglich dieses Begriffes kategorisiert die im Vereinigten Königreich ansässige Organisation International Cat Care (ICC) Katzen dieser Altersgruppe jetzt jedoch als „Super Senior“ – ein Bezeichnung, die allgemein sehr gut aufgenommen wird. Die ICC hat eine Tabelle erstellt, die das Alter von Katzen dem entsprechenden Alter von Menschen gegenüberstellt. Diese Tabelle bietet eine hilfreiche Orientierung, wenn es um die gesundheitlichen und präventiven Bedürfnisse älterer Tiere geht (Tabelle 1). In der Humanmedizin werden altersbezogene Vorsorgemaßnahmen, wie zum Beispiel die Stuhluntersuchung auf okkultes Blut für das Screening auf Darmkrebs, schon seit vielen Jahren eingesetzt, und mit den jüngsten weltweiten Covid-Impfstrategien wurde dieses Präventionskonzept auch auf jüngere Menschen ausgedehnt. Der Vergleich des Alters eines Katzenpatienten mit dem eines Menschen ist vor allem hilfreich, um die tierärztlichen Empfehlungen für „lebensphasengerechte“ präventive Gesundheitsmaßnahmen gegenüber den Besitzern und Besitzerinnen zu bekräftigen.

Tabelle 1. Lebensphasen, Alter der Katze und menschliches Äquivalent, entwickelt von International Cat Care im Rahmen der Initiative „Cat Care for Life“.

Lebensphase Alter der Katze Äquivalentes Alter des Menschen (Jahre)
„Kitten“
Geburt bis sechs Monate
0-1 Monat 0-1
2 Monate 2
3 Monate 4
4 Monate 6
5 Monate 8
6 Monate 10
„Junior“
7 Monate bis 2 Jahre
7 Monate 12
12 Monate 15
18 Monate 21
2 Jahre 24
„Adult“
3 bis 6 Jahre
3 Jahre 28
4 Jahre 32
5 Jahre 36
6 Jahre 40
„Mature“
7 bis 10 Jahre
7 Jahre 44
8 Jahre 48
9 Jahre 52
10 Jahre 56
„Senior“
11 bis 14 Jahre
11 Jahre 60
12 Jahre 65
13 Jahre 68
14 Jahre 72
„Super Senior“
15 Jahre und älter
15 Jahre 76
16 Jahre 80
17 Jahre 84
18 Jahre 88
19 Jahre 92
20 Jahre 96
21 Jahre 100

Welche physiologischen Veränderungen treten auf, wenn Katzen altern?

Mit zunehmendem Alter kommt es bei Katzen zu einer ganzen Reihe altersassoziierter physiologischer Veränderungen. Dazu gehören unter anderem eine reduzierte Fähigkeit, Nahrung zu riechen und zu schmecken, ein vermindertes Durstempfinden (das ältere Katzen anfälliger für Dehydratation macht) und eine geringere Fähigkeit, Fette und Proteine zu verdauen. Um diese reduzierte Verdauungskapazität zu kompensieren, steigern gesunde ältere Katzen in der Regel ihren Appetit. Bei einigen felinen Senioren ist die Verdauung essenzieller Nährstoffe jedoch so stark reduziert, dass für den Erhalt eines gesunden Körpergewichts eine Steigerung des Appetits und der Nahrungsaufnahme um 25 % erforderlich wäre. Katzenhalter und Katzenhalterinnen sollten daher generell ermutigt werden, ihren Katzen eine qualitativ hochwertige Nahrung anzubieten (im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten), und Katzen im entsprechenden Alter sollten eine spezielle Senioren-Nahrung erhalten. Neuere Daten deuten zudem darauf hin, dass die Fütterung einer solchen altersgerechten Nahrung mit moderat reduziertem Phosphatgehalt auch zur Stabilisierung der Nierenfunktion bei Katzen mit früher Nierenerkrankung beiträgt 3.

Ältere Katzen haben oft auch ein schlechteres Hörvermögen, eine geringere Hautelastizität (was die Beurteilung der Dehydratation erschweren kann) und eine verringerte Fähigkeit, die Krallen einzuziehen, was zusammen mit einem reduzierten Kratzverhalten zu verdickten, überlangen Krallen führen kann (Abbildung 1). Irisatrophie und Nukleosklerose sind Beispiele für häufige altersbedingte Veränderungen im Bereich der Augen (Abbildung 2), und eine beeinträchtigte Immunfunktion kann die Infektionsanfälligkeit älterer Katzen erhöhen. Auch Verhaltensänderungen treten mit zunehmendem Alter häufiger auf – gelegentlich aufgrund von zugrundeliegenden Erkrankungen wie Hyperthyreose, systemische Hypertonie und feline Demenz – und müssen daher bei der Erhebung des Vorberichts unbedingt berücksichtigt werden. So verbringen viele ältere Katzen beispielsweise mehr Zeit mit Schlafen und sind insgesamt weniger aktiv.

Verdickte und überlange Krallen sind bei älteren Katzen häufig festzustellen

Abbildung 1. Verdickte und überlange Krallen sind bei älteren Katzen häufig festzustellen. Wenn sie nicht gekürzt werden, können sie in die Pfotenballen einwachsen und Schmerzen verursachen.
© Vet Professionals Ltd

Eine altersbedingte Irisatrophie kann dazu führen, dass die Iris dünn oder spitzenförmig aussieht

Abbildung 2. Eine altersbedingte Irisatrophie kann dazu führen, dass die Iris dünn oder spitzenförmig aussieht. Bei signifikanter Ausprägung kann eine Irisatrophie zu einem verminderten pupillären Lichtreflex im betroffenen Auge mit Photophobie bei hellem Licht führen.
© Vet Professionals Ltd

Welche Erkrankungen treten mit zunehmendem Alter auf?

Häufige Erkrankungen älterer Katzen sind in Tabelle 2 aufgelistet. Je älter die Katze wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie an einer oder mehreren dieser Erkrankungen leidet. Häufig treten daher multiple Komorbiditäten auf, insbesondere bei den „Super Seniors“. Detailgenauigkeit bei Vorbericht und klinischer Untersuchung ist hier eine wichtige Voraussetzung, um alle Probleme der Katze genau zu dokumentieren und um sicherzustellen, dass ein optimal angepasster, individueller Behandlungsplan erstellt werden kann. Wenn bei einem Tier mehrere Probleme gleichzeitig auftreten, sollten therapeutisch zunächst die Problemfelder priorisiert werden, die den größten negativen Einfluss auf die Lebensqualität des Patienten haben.

Tabelle 2. Gesundheitsprobleme älterer Katzen und ihre annähernde Prävalenz, soweit bekannt.

Erkrankung Kommentare
Demenz (kognitive Dysfunktion)
Altersbedingte Verschlechterung der Gehirnfunktion, die zu Verhaltensänderungen wie Konfusion, Vergesslichkeit und veränderten Schlafmustern führt; schätzungsweise sind mehr als 50 % der Katzen im Alter von über 15 Jahren betroffen 4.
Obstipation
Kommt häufig bei älteren Katzen vor und kann ein Symptom bei verschiedenen Grunderkrankungen sein.
Taubheit Häufig bei älteren Katzen, es sollten aber immer Cerumenansammlungen und andere behandelbare Probleme abgeklärt werden.
Zahnerkrankung Häufig ist eine Zahnbehandlung erforderlich.
Diabetes mellitus Schätzungen zufolge sind bis zu 1 % der Katzen betroffen, was an anderer Stelle ausführlicher beschrieben wird 5.
Hyperthyreose
Schätzungen zufolge sind etwa 10 % der Katzen über 9 Jahren betroffen, und es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten 6.
Nierenerkrankung Schätzungen zufolge sind etwa 30 % der Katzen über 10 Jahren betroffen 7.
Osteoarthritis Schätzungen zufolge sind mehr als 90 % der Katzen über 12 Jahren betroffen.
Systemische Hypertonie
Schätzungen zufolge sind 20-60 % der Katzen mit chronischen Nierenerkrankungen und 10-20 % der Katzen mit Hyperthyreose betroffen 8.
Neoplasie
Die Art des Tumors und die betroffene(n) Körperregion(en) bestimmen die Behandlungsoptionen.
Herzgeräusche Mögliche Ursachen sind neben primären Herzerkrankungen wie Kardiomyopathien auch Hypertonie, Hyperthyreose und Anämie.

Was ist mit subklinischen Erkrankungen?

Katzen sind bekanntlich wahre Meister darin, Symptome von Erkrankungen zu verbergen, und viele ältere Katzen werden erst dann zur Untersuchung vorgestellt, wenn sie tatsächlich als „krank“ wahrgenommen werden. Leider kann dies dazu führen, dass eine Katze erst dann tierärztliche Hilfe bekommt, wenn sie sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung befindet. Mit Hilfe eines ausführlichen Vorberichts und einer gründlichen klinischen Untersuchung lassen sich häufig jedoch auch bei scheinbar gesunden Senior-Katzen und Super-Senior-Katzen bereits bestehende subklinische Probleme aufdecken. Entscheidend ist, dass bei entsprechender Indikation dann eine adäquate medizinische Versorgung gewährleistet wird. So berichtet beispielsweise eine Studie, an der die Autorin beteiligt war, dass ein Drittel aller scheinbar gesunden Katzen im Alter von 10 bis 18 Jahren ein spezifisches Harngewicht (SHG) von unter 1,035 aufweist, ein Wert, der im Allgemeinen als Untergrenze des Normalbereichs für diesen Parameter angegeben wird 9. In derselben Studie wurden bei etwa dem gleichen Anteil von Katzen signifikante klinische Probleme festgestellt, darunter Hyperthyreose, systemische Hypertonie und chronische Nierenerkrankung. Eine neuere und umfassendere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 21 % der Katzen im Alter von zehn Jahren oder darüber ein spezifisches Harngewicht von unter 1,035 aufwiesen, während der Anteil der Katzen, bei denen schließlich auch eine signifikante subklinische Erkrankung diagnostiziert wurde, geringer war 10. Es ist deshalb von ganz zentraler Bedeutung, jeden Praxisbesuch einer älteren Katze möglichst optimal zu nutzen, um sicherzustellen, dass auch eventuell vorhandene subklinische Erkrankungen so früh wie möglich erkannt werden. Denn viele häufige Gesundheitsprobleme sind letztlich sehr gut therapierbar, und das Outcome kann durch eine frühzeitige Diagnose und eine entsprechend zeitnahe therapeutische Intervention entscheidend verbessert werden.

Sarah M. A. Caney

Katzen sind bekanntlich wahre Meister darin, sämtliche Symptome von Erkrankungen zu verbergen, und viele ältere Katzen werden erst dann zur Untersuchung vorgestellt, wenn sie tatsächlich als krank wahrgenommen werden. Leider kann dies dazu führen, dass eine Katze erst dann tierärztliche Hilfe bekommt, wenn sie sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung befindet.

Sarah M. A. Caney

Welche Untersuchungen zur Gesundheitsvorsorge sind bei älteren Katzen gerechtfertigt?

Bei der Gesundheitsvorsorge für Katzen hält sich die Autorin an die ICC-Leitlinien „Cat Care for Life“ (https://icatcare.org/), die empfehlen, dass alle Katzen während ihres gesamten Lebens routinemäßig mindestens einmal pro Jahr tierärztlich untersucht werden sollten. Sämtliche Untersuchungen sollten einen ausführlichen Vorbericht, eine Diskussion über die Ernährung und die Gesundheitsvorsorge, eine klinische Untersuchung und eine Beurteilung des Körpergewichts beinhalten. Für ältere Katzen in den Lebensphasen „Mature“, „Senior“ und „Super-Senior“ werden zusätzlich detailliertere, weiterführende Untersuchungen empfohlen, einschließlich Blutprofile, Harnanalyse und Blutdruckmessungen. 

Für „reife“ adulte Katzen in der Lebensphase „Mature“ werden jährliche Beurteilungen der Gesundheit befürwortet, „Senior-Katzen“ und „Super-Senior-Katzen“ sollten nach den Empfehlungen der ICC aber noch häufiger untersucht werden – idealerweise alle sechs Monate – und ihr Blutprofil sollte um Serumthyroxin erweitert werden. Die Autorin zieht es vor, „Super-Senior-Katzen“ (d. h. Katzen im Alter ab 15 Jahren) nach Möglichkeit routinemäßig alle drei Monate zu untersuchen, wobei Blutdruckmessungen und eine Harnanalyse alle sechs Monate erfolgen, während umfassende Blutprofile alle 6-12 Monate erstellt werden. 

Vorbericht

Fragebögen zur Gesundheit der Katze sind hilfreich, um mögliche Probleme zu erkennen und Haltern und Halterinnen zu erläutern, auf welche Symptome sie achten sollten (Tabelle 3). Dabei sind sowohl offene als auch geschlossene Fragen wichtig, um etwaige Bedenken und Sorgen auf Seiten der Besitzer präzise zu ermitteln und um sicherzustellen, dass nichts übersehen wird. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Fragen zu folgenden Themen gelegt werden:

  • Appetit, aktuelle Nahrung und Körpergewicht
  • Durst und Kot-/Harnabsatz – Obstipation kann bei älteren Katzen ein Anzeichen für Dehydratation sein
  • Unsauberkeitsprobleme im Zusammenhang mit Kot-/Harnabsatz – können bei Katzen im Zusammenhang mit chronischen Schmerzen, reduzierter Mobilität, Polydipsie, Polyurie und Katzendemenz auftreten
  • Veränderungen des mentalen Zustands und des Verhaltens – können ein Anzeichen für Demenz sein
  • Defizite im Sehvermögen – können auf eine systemische Hypertonie hinweisen

Halter und Halterinnen sollten ermutigt werden, sich an die Praxis zu wenden, wenn sie eine Veränderung des Gesundheitszustands oder des Verhaltens ihrer Katze bemerken, auch wenn sie diese für unbedeutend halten.

Tabelle 3. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand – bitte kreuzen Sie die entsprechenden Kästchen an: Beantworten Sie jede Frage mit Ja/Nein/Nicht sicher und fügen Sie ggf. weitere Kommentare hinzu.

Haben Sie bei Ihrer Katze eine Veränderung festgestellt bei… Ja/Nein/Nicht sicher Kommentare
…. Durst?    
…. Appetit?    
.... Fressen?    
.... Atem?    
.... Gewicht?    
.... Verhalten?    
.... Mobilität oder Beweglichkeit?    
.... Energielevel?    
.... Harn- oder Kotabsatz?    
.... Körperpflege?    
.... Fellzustand?    
.... Atmung?    
.... körperlicher Zustand?    
.... Augen, Ohren und Nase?    
.... Krallen?    
.... noch etwas?    
Fragen zur Mobilität: Kann Ihre Katze...
... normal hochspringen?*    
... normal runterspringen?*    
... Treppen oder Stufen normal hinaufsteigen?*    
... Treppen oder Stufen normal hinuntersteigen?*    
... normal laufen?*    
... bewegliche Objekte (Spielzeug, Beute usw.) jagen?*    

* Wenn bei einer dieser Fragen „nein“ oder „nicht sicher“ gewählt wird, werden weitere bewegungs-/schmerzorientierte Fragen empfohlen, z. B. anhand des Feline Musculoskeletal Pain Index 11.

Klinische Untersuchung 

Viele ältere Katzen empfinden einen Besuch in der tierärztlichen Praxis als sehr stressig. Chronische Schmerzen, Defizite im Hör- und Sehvermögen und Demenz können den Stress und die Angst im Zusammenhang mit einem Praxisbesuch noch zusätzlich verstärken. Nach Möglichkeit sollten deshalb gerade ältere Katzen auf dem Boden ihrer Transportbox untersucht werden, wenn sie die Box nicht freiwillig verlassen möchten (Abbildung 3).

Viele ältere Katzen bevorzugen die tierärztliche Untersuchung auf dem Boden des Transportbehälters

Abbildung 3. Viele ältere Katzen bevorzugen die tierärztliche Untersuchung auf dem Boden des Transportbehälters.
© Vet Professionals Ltd

Eine Blutdruckmessung sollte zu Beginn der Konsultation erfolgen, um die Auswirkungen von Stress auf die systolischen Blutdruckwerte so gering wie möglich zu halten (Abbildung 4). Bei nicht sedierten/anästhesierten Katzen bevorzugt die Autorin die Doppler-Methode. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass derzeit kein Blutdruckmessgerät für die Anwendung bei nicht sedierten/anästhesierten Katzen validiert wurde und entsprechende Messgeräte daher mit einer gewissen Vorsicht verwendet werden sollten 12. Zudem sollten bei der Interpretation des Blutdrucks auch die Ergebnisse einer ophthalmologischen Untersuchung, einschließlich Fundoskopie, berücksichtigt werden, um eventuell bereits vorhandene Zielorganschäden zu beurteilen (Abbildung 5). Bei Patienten mit kompatiblem Zielorganschaden und hohem systolischem Blutdruck gilt die Diagnose einer systemischen Hypertonie als bestätigt, und eine entsprechende Behandlung kann eingeleitet werden (Abbildung 6). Dagegen wird bei Patienten mit hohen systolischen Blutdruckwerten ohne Hinweise auf Zielorganschäden eine Wiederholung der Untersuchung empfohlen, um sicherzustellen, dass es sich um unverfälschte Werte handelt. Dabei sollten alle Anstrengungen zur Stressreduzierung bei der Katze unternommen werden, um die Entstehung einer situativen Hypertonie zu verhindern. Transiente Anstiege des Blutdrucks sind bei Katzen in solchen Situationen in der Regel auf Stress und/oder Angst zurückzuführen.

Die Blutdruckmessung sollte so ruhig wie möglich und bei minimalen Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden

Abbildung 4. Die Blutdruckmessung sollte so ruhig wie möglich und bei minimalen Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden, um die Auswirkungen von Stress auf die Messwerte zu minimieren. Hier wird „Tigger“ von ihrem Besitzer sanft gestreichelt, während sie bei der Blutdruckmessung in ihrer Transportbox sitzen bleibt.
© Vet Professionals Ltd

tapetal reflection

 

2.2 Diopter lens is inserted

Abbildung 5. Die Untersuchung der Augen ist essentiell, um Hinweise für Zielorganschäden aufgrund einer systemischen Hypertonie zu finden. Die Autorin bevorzugt die indirekte Ophthalmoskopie aus der Distanz zur Untersuchung des Augenhintergrunds. In einem völlig dunklen Raum wird eine Lichtquelle aus einer Armlänge Entfernung auf das Katzenauge gerichtet; (a) sobald die tapetale Reflexion zu sehen ist, wird eine 2,2-Dioptrien-Linse eingesetzt (b), die ein umgekehrtes Bild des Augenhintergrunds wahrnehmen lässt.
© Vet Professionals Ltd

Common manifestations of ocular target organ damage include hyphemia

 

retinal detachment

Abbildung 6. Zu den häufigen Manifestationen von Zielorganschäden am Auge gehören Hyphäma (a) und Netzhautablösung (b). 
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Körpergewicht, Body Condition Score und Muscle Condition Score sind wichtige Parameter bei der klinischen Untersuchung. Eindeutige Anzeichen für einen, wenn auch nur schrittweisen Verlust von Muskelmasse oder Körpergewicht, sollten immer Anlass zur Sorge geben und dürfen keinesfalls ignoriert werden (Box 1). Wenn nur ein oder zwei frühere Daten zum Körpergewicht vorliegen, kann eine Berechnung der prozentualen Gewichtsveränderung hilfreich sein, um zu beurteilen, ob es sich im aktuellen Fall tatsächlich um eine signifikante Gewichtsabnahme handeln könnte (Box 2). 

Box 1. Interpretation des prozentualen Gewichtsverlusts – Empfehlungen der Autorin.

> 10 % Gewichtsverlust
Hochgradiger Gewichtsverlust, sofortiges Handeln ist gerechtfertigt. Weitere Untersuchungen werden empfohlen (Blut- und Harntests, um häufige Ursachen für Gewichtsverlust abzuklären). 
5-10 % Gewichtsverlust
Signifikanter Gewichtsverlust, weitere Untersuchungen sind gerechtfertigt (Blut- und Harntests, um häufige Ursachen für Gewichtsverlust abzuklären). 
2,5-5 % Gewichtsverlust
Geringgradiger Gewichtsverlust. Weitere Untersuchungen in Betracht ziehen (Blut- und Harntests, um häufige Ursachen für Gewichtsverlust abzuklären) und/oder erneutes Überprüfen des Gewichts in 2-4 Wochen. Bei Katzen mit bekannter Grunderkrankung ist selbst eine Gewichtsveränderung von nur 2,5 % wahrscheinlich von Bedeutung und sollte nicht ignoriert werden. 
< 2,5 % Gewichtsverlust
Bedeutung unklar. Könnte eine normale Gewichtsschwankung oder den Beginn einer signifikanteren Gewichtsabnahme repräsentieren. Erneutes Überprüfen in 2-4 Wochen wenn ein Verdacht besteht.

 

Box 2. Berechnung prozentualer Gewichtsveränderungen.

„Gandalf“ ist eine 15-jährige, männliche, kastrierte Kurzhaarhauskatze. Als er gesund war, wog er 5,17 kg; heute wiegt er 4,77 kg. 

Berechnung des prozentualen Gewichtsverlusts:

  • Schritt 1: Berechnung des verlorenen Gewichts, durch Subtraktion des heutigen Gewichts vom ursprünglichen Gewicht; 5,17 - 4,67 = 0,5 kg
  • Schritt 2: Dividieren des in Schritt 1 erhaltenen Zahlenwertes durch das ursprüngliche Gewicht; 0,5 ÷ 5,17 = 0,0967
  • Schritt 3: Multiplizieren des in Schritt 2 erhaltenen Zahlenwertes mit 100; 0,0967 x 100 = 9,7 %.

Beurteilung: Gandalf hat 9,7 % seines Körpergewichts verloren; dies entspricht dem Verlust von 6,1 kg bei einem 63 kg schweren Menschen und rechtfertigt weitere diagnostische Schritte.

Neben einer gründlichen klinischen Allgemeinuntersuchung profitieren ältere Katzen auch von einer besonderen Berücksichtigung folgender spezifischer Parameter:

  • Palpation des Halses auf einen möglichen Kropf 
  • Beurteilung der Mobilität und orthopädische Untersuchung, wenn möglich/toleriert (Abbildung 7)
  • Untersuchung der Maulhöhle/Zähne
  • Beurteilung des Hydratationsstatus
  • Auskultation auf (neu aufgetretene) Herzgeräusche und Arrhythmien (die häufig bei Katzen mit Erkrankungen wie Hyperthyreose und systemischer Hypertonie auftreten)
  • Gründliche Palpation des Abdomens nach Zubildungen und Schmerzquellen
Eine an der Wand des Sprechzimmers eingebaute Treppe bietet die Möglichkeit

Abbildung 7. Eine an der Wand des Sprechzimmers eingebaute Treppe bietet die Möglichkeit, die Mobilität der Katze zu beobachten.
© Vet Professionals Ltd

Beurteilung von Blut und Harn

Nach Möglichkeit sollten im Rahmen einer jeden Vorsorgeuntersuchung bei älteren Katzen immer auch Blut- und Harnproben entnommen werden. Ein umfassendes Gesundheitsprofil (idealerweise mit vollständiger Hämatologie und Serumbiochemie, bei Senioren und Super-Senioren zusätzlich mit Gesamtthyroxin (T4)) ist von unschätzbarem Wert für die Beurteilung der Gesundheit älterer Katzen.

Eine vom Besitzer direkt während des Harnabsatzes der Katze aufgefangene Harnprobe stellt einen adäquaten Ausgangspunkt für die Bestimmung des spezifischen Harngewichts und eine Dipstick-Untersuchung dar. Liegt das spezifische Harngewicht unter 1,035, sollte ein ausführlicher Vorbericht erhoben werden, um möglichst viele extrarenale und physiologische Ursachen für die Produktion von schwach konzentriertem Harn auszuschließen (z. B. Fütterung von Flüssignahrung, Diuretika oder parenterale Flüssigkeitstherapie). Zu empfehlen ist darüber hinaus auch eine Untersuchung auf Harnglukose mittels Dipstick (Verdacht auf Diabetes mellitus). Bei abnormen Dipstick-Ergebnissen oder abweichendem spezifischem Harngewicht sollten weitere detaillierte Harnanalysen in Erwägung gezogen werden, idealerweise mit durch Zystozentese gewonnenen Harnproben. So besteht zum Beispiel bei einer Katze mit Verdacht auf Nierenerkrankung immer eine Indikation für eine Untersuchung des Harnsediments, eine mikrobiologische Kultur und die Bestimmung des Urin-Protein-Kreatinin-Verhältnisses (UPC). 

Wie können Praxisbesuche katzenfreundlicher gestaltet werden?

Viele Tierhalter und Tierhalterinnen leiden persönlich mit unter dem Stress, dem ihre Katze beim Besuch in der Praxis ausgesetzt ist, und dies kann dazu führen, dass sie zukünftig nicht mehr zu weiteren Untersuchungen in die Praxis kommen, vor allem dann, wenn sie diese als nicht wichtig erachten 13. Eine tierärztliche Praxis sollte daher eine gewisse Flexibilität an den Tag legen, was die Notwendigkeit physischer Face-to-Face-Termine anbelangt, und Katzen und Besitzern, die einen Praxisbesuch als stressig empfinden, besondere Unterstützung zukommen lassen. So können zum Beispiel viele engagierte Katzenhalter und Katzenhalterinnen darin „geschult“ werden, wertvolle und aussagekräftige klinische Daten von ihrer Katze stressfrei zu Hause in der gewohnten Umgebung zu erheben, die dann als Grundlage für tierärztliche Behandlungsentscheidungen dienen. Dazu gehört beispielsweise die Anschaffung einer speziellen Tierwaage zur Erleichterung der Gewichtskontrolle zu Hause, sowie die Aufzeichnung von Verhalten, Appetit und Toilettengewohnheiten der Katze in einem Tagebuch, das dann elektronisch mit der Praxis geteilt werden kann. Für Situationen, in denen ein Besuch in der Praxis unumgänglich ist, sollten wirksame Strategien zur Linderung von Stress bei der Katze und Katzenhaltern entwickelt und umgesetzt angewendet werden.

„Katzenfreie Sprechstunden“, bei denen der Halter oder die Halterin allein anwesend ist oder entsprechende Konsultationen per Telefon oder Videokonferenz, können sehr beliebt sein und bieten die Möglichkeit der Erhebung eines detaillierten Vorberichts, sowie einer Diskussion und einer tierärztlichen Beratung ohne die Anwesenheit der Katze 14. Diese Termine sind zudem wertvolle Gelegenheiten, um Kunden über Strategien zu beraten, mit deren Hilfe sie den Transport der Katze in die Praxis möglichst stressarm gestalten können, wenn eine physische Vorstellung der Katze in der Praxis unumgänglich ist (Tabelle 4). 

Tabelle 4. Strategien zur Reduzierung von Stress im Zusammenhang mit einem Praxisbesuch.

Wahl eines geeigneten Transportbehälters; am besten sind geräumige, sichere Hartplastikboxen, die sich leicht zerlegen lassen (so dass die Katze im Boden sitzend untersucht werden kann).
Gewöhnen der Katze zu Hause an die Transportbox. Die Transportbox in der Wohnung stehen lassen. Die Verwendung der Box als Versteck/Ruheplatz und „Transportboxtraining“ kann dazu beitragen, dass sich die Katze an die Box gewöhnt und diese als einen sicheren, nicht bedrohlichen Ort wahrnimmt.
Pheromonspray auf gewohnte Liegeunterlagen in der Transportbox applizieren, 30 Minuten bevor die Katze hineingesetzt wird.
Nie mehr als eine Katze in einer Transportbox transportieren; selbst „beste Freunde“ können gestresst sein, wenn sie denselben beengten Raum teilen müssen.
Transportbox mit einem mit Pheromonen besprühten Handtuch abdecken, damit sich die Katze verstecken kann. In der Praxis sollten die Transportboxen auf Stühle oder erhöhte Flächen und nicht direkt auf den Boden gestellt werden, da sich die Katze so sicherer fühlt.
Mit gleichmäßiger Geschwindigkeit fahren, Klimaanlage nach Möglichkeit vermeiden.
Kontakt mit fremden Menschen und Tieren vermeiden; wenn kein separater, ruhiger Warteraum nur für Katzen zur Verfügung steht, dem Besitzer raten, mit der Katze im Auto zu warten, bis zur Sprechstunde aufgerufen wird. Nicht genutzte Sprechzimmer können als gelegentliche/vorübergehende Warteräume genutzt werden.
Speziell für Katzen reservierte Sprechzeitenphasen in der Praxis können hilfreich sein.
Einsatz von Pheromon-Diffusoren in den Praxisräumen. Wenn auch Hunde in diesen Räumen warten oder behandelt werden, können zusätzliche Pheromon-Diffusoren für Hunde hilfreich sein.
Möglichkeiten einer Sedierung vor dem Besuch in Betracht ziehen; Gabapentin (20 mg/kg in einer kleinen Menge Futter 2-3 Stunden bevor die Katze in die Transportbox gesetzt wird) kann für Katzen, die in der Praxis sehr gestresst sind, hilfreich sein 15

Katzenhalter und Katzenhalterinnen befürchten unter Umständen, dass diagnostische Tests und Behandlungen kostspielig sind und letztlich auch erfolglos bleiben könnten, wenn es darum geht, die Lebensqualität oder die Lebensdauer ihrer Katze zu verbessern. Nicht selten sind Besitzer der Auffassung, dass es „normal“ ist, wenn eine ältere Katze dünn ist, eine schlechte Fellqualität und einen steifen Gang hat oder andere klinische Symptome aufweist. Möglicherweise befürchten Besitzer oder Besitzerinnen aber auch, dass eine Euthanasie empfohlen wird, wenn sie gegenüber dem Tierarzt oder der Tierärztin Bedenken hinsichtlich des Wohlbefindens ihres Tieres äußern. Aufklärung, Information und Schulung von Katzenhaltern und Katzenhalterinnen sind daher von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Sprechstunde bei älteren und alten Katzen und sollten folgende Punkte beinhalten:

  • Erläuterung der Häufigkeit subklinischer und klinischer Erkrankungen bei älteren Katzen sowie Erörterung der Frage, wie gut diese Erkrankungen heute Dank der Fortschritte der modernen Tiermedizin beherrschbar sind.
  • Schwerpunkt auf der Förderung der Frühdiagnose, um das bestmögliche langfristige Outcome zu erreichen.
  • Zusicherung, dass die Praxis katzenfreundliche Strategien anwendet und dass die Konsultation für die Katze so stress- und schmerzfrei wie möglich sein wird.
  • Betonung der wichtigen Bedeutung von Konkordanz und eines kollaborativen Ansatzes bei der Patientenversorgung, damit die Besitzer und Besitzerinnen in jeder Phase das Gefühl haben, mitzubestimmen und einbezogen zu sein. 
  • Gewissheit, dass die Perspektive der Besitzer auf die Bedürfnisse ihrer Katze Vorrang hat und dass alle gemeinsam erstellten Pläne bei Bedarf jederzeit geändert werden können.

Einer Untersuchung zufolge führt ein beziehungsorientierter Ansatz bei tierärztlichen Kundengesprächen zu einer besseren Compliance mit den Behandlungsempfehlungen 16. Daten über die Erfahrungen von Tierärzten und Tierärztinnen bei der Behandlung von diabetischen Katzen und Hunden zeigen, dass auch das Anbieten einer Reihe von unterschiedlichen Behandlungsoptionen, von „intensiv und teuer“ bis hin zu „restriktiv und kostengünstig“ von Vorteil sein kann 17.

Schlussfolgerung

Die erfolgreiche Pflege und medizinische Versorgung älterer Katzen erfordert viel Aufmerksamkeit für Details, sie kann für Katzen, Tierärzte und Besitzer aber gleichermaßen gewinnbringend sein. Regelmäßiger proaktiver Kontakt mit älteren Katzen und ihren Haltern trägt dazu bei, die Gesundheitsversorgung durch zeitnahes Erkennen von Erkrankungen und rechtzeitiges Einleiten geeigneter Maßnahmen zu optimieren. Viele Erkrankungen älterer Katzen können erfolgreich behandelt werden und haben ein sehr positives Outcome, insbesondere wenn sie in einem frühen Stadium erkannt und auf empathische Art und Weise weiterverfolgt werden. Der Erfolg ist aber sehr stark abhängig vom betreuenden tierärztlichen Personal und seiner Grundhaltung gegenüber dem Thema präventive Gesundheitsfürsorge.

Literatur

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  14. Caney SMA, Robinson NJ, Gunn-Moore D, et al. Veterinary surgeons’, veterinary nurses’ and owners’ experiences of feline telemedicine consultations during the 2020 Covid-19 pandemic. Vet. Rec. 2022;191(5):e1738. https://doi.org/10.1002/vetr.1738

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Sarah M. A. Caney

Sarah M. A. Caney

Sarah Caney schloss ihr Tiermedizinstudium an der University of Bristol ab, arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren ausschließlich mit Katzen und ist RCVS-Specialist in Feline Medicine Mehr lesen

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