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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 2 Human Resources

Wie man ein guter Kollege wird (Teil 1)

veröffentlicht 26/04/2021

Geschrieben von Philippe Baralon , Antje Blättner , Pere Mercader und Mark Moran

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Selbst der beste Tierarzt braucht ein gutes Team, um erfolgreich zu sein, und als frisch approbierter Studienabsolvent möchten Sie sicherlich, dass Sie von Ihren Kollegen unterstützt werden. Wenn Sie Ihren neuen Job antreten, bekommen Sie aber nur eine Gelegenheit, um einen guten „ersten Eindruck“ zu hinterlassen. Dieses Kapitel soll Ihnen dabei helfen, potenzielle Fallgruben beim Start in Ihre berufliche Karriere zu vermeiden.

Wie man ein guter Kollege wird

Kernaussagen

Vom gesamten Praxisteam akzeptiert zu werden erfordert das richtige Verhalten von Anfang an.


Sie müssen sich der Rollenanforderungen Ihres Chefs oder Teamleiters bewusst sein, und verstehen, auf welche Weise Sie ihn oder sie dabei unterstützen können.


 

Wie man vom ganzen Praxisteam akzeptiert wird

Natürlich möchten wir alle gerne glauben, dass unsere neuen Kollegen uns als Neuling mit Freude und Begeisterung in ihrer Runde aufnehmen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass dies nicht immer der Fall ist. Die Gründe dafür sind sehr komplex und haben aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mit Ihnen persönlich zu tun, sondern sind auf vergangene Ereignisse in der Praxis zurückzuführen, von denen Sie keine Ahnung haben können. Es gibt aber ein paar einfache Schritte, die Sie von sich aus tun können, um diesen Eingliederungsprozess zu fördern.

Versuchen Sie, sich den Respekt Ihrer Kollegen zu verdienen!

Gehen Sie nie davon aus, dass der Respekt Ihrer Kollegen bzw. Mitarbeiter etwas ist, worauf Sie ein Recht haben. Glauben Sie auch nicht, dass Ihre Verdienste in der Vergangenheit oder Ihre neue Rolle in der Praxis automatisch Respekt erzeugen würden. Ihr Bestreben sollte es stets sein, sich den Respekt Ihrer Kollegen zu „verdienen“. Bedenken Sie, dass Ihre Kollegen Sie nur nach dem, was Sie sagen oder tun, beurteilen, und dass man Sie anfangs genau beobachtet und Ihnen genau zuhören wird, um sich so eine Meinung über Sie zu bilden. Außerdem sollte man sich stets bewusst sein, dass der erste Eindruck sehr wichtig ist und später nur schwer geändert werden kann.

Zeigen Sie ehrliches Interesse an Ihren Kollegen und deren Rolle in der Praxis!

Eine hochqualitative Versorgung der Patienten und eine gute Betreuung der Kunden erfordern immer Beiträge vom gesamten Team. Wer genau was macht, variiert von Praxis zu Praxis und hängt von den Fähigkeiten, der Erfahrung und den Interessen der einzelnen Mitglieder des Praxisteams ab. Aus diesem Grund können sich auch die mit den verschiedenen Jobbezeichnungen assoziierten Rollen und Verantwortungsbereiche je nach Praxis gravierend voneinander unterscheiden. Nehmen Sie sich die Zeit, um Folgendes über Ihre neuen Kollegen herauszufinden: Was ist deren Background, welche Erfahrung haben sie, welche Stellung nehmen sie in der Praxis ein, wo liegen ihre besonderen Interessen? Fragen Sie sie, was Sie tun können, um ihnen ihre Arbeit zu erleichtern, und hören Sie genau zu und handeln Sie auch danach (Abbildung 1).
 

Abbildung 1: Seien Sie nicht schüchtern, grüßen Sie Ihre Kollegen freundlich, sagen Sie „Guten Morgen“ und schütteln Sie den Kollegen die Hand bzw. verwenden Sie sonst eine in der Praxis übliche Grußform. © Shutterstock
 

 

Fragen statt infrage stellen!

Jede Praxis hat ihre eigene Art und Weise, Dinge zu tun. Dies spiegelt die jeweiligen Werte der Praxiseigner wider und ist abhängig vom Alter und der klinischen Erfahrung sowie von den Beziehungen zu den wichtigsten Lieferanten und den lokal bzw. regionalen Gefährdungen der Tiergesundheit. Die Art und Weise, wie an Ihrem neuen Arbeitsplatz Tiermedizin praktiziert wird, kann sich von Ihren eigenen Erfahrungen oder dem, was Sie an der Universität gelernt haben, ziemlich unterscheiden. Wenn Sie also bei der Arbeit etwas Neues oder Unerwartetes sehen, dann machen Sie unter keinen Umständen den Fehler und stellen dies infrage. Es ist immer besser, Fragen zu stellen, denn so erfahren und verstehen Sie die Gründe für bestimmte Handlungsweisen (Abbildung 2). Es ist nämlich nicht egal, ob Sie sagen „Das ist aber sicher nicht richtig so!“ oder ob Sie sagen „So habe ich das noch nie gemacht; welchen Vorteil hat es, es so zu machen?“

 

Abbildung 2: Es ist immer besser, Fragen zu stellen, denn so erfahren und verstehen Sie die Gründe für bestimmte Handlungsweisen. © Shutterstock
 

Bei Bedarf um Hilfe bitten!

Eine der häufigsten Beschwerden, die wir in Tierarztpraxen hören, ist, dass neue Teammitglieder so erpicht darauf sind, zu zeigen, was sie können, dass sie nie um Rat oder Hilfe bitten. Das Ergebnis ist, dass andere Mitglieder des Praxisteams dann mehr Arbeit damit haben, den oder die Fehler auszubessern, oder – was noch schlimmer ist – dass dies zum Nachteil des Patienten oder des Kunden ist. Ihren neuen Kollegen ist es bewusst, dass Ihre Erfahrung noch begrenzt ist, und Sie erwarten sicher nicht von Ihnen, dass Sie bereits alles wissen! Finden Sie heraus, an wen Sie sich am besten um Rat wenden können (wenn Sie sich ein bisschen für Ihre Kollegen interessieren, werden Sie wissen, wer dafür am besten infrage kommt). Ihre Kollegen werden es Ihnen sicher nicht danken, wenn Sie zu stolz oder zu stur sind, um Hilfe zu bitten (Abbildung 3).

 
Abbildung 3: Seien Sie niemals zu stolz, um einen erfahreneren Kollegen um Hilfe zu bitten. ©Shutterstock

Anderen Unterstützung anbieten!

Ein alter Spruch lautet „Eine Hand wäscht die andere“. Nehmen Sie sich Zeit, um Ihren Kollegen zu helfen und sie werden Ihnen auch helfen. Das Wichtigste dabei ist aber, sie vorher immer um ihr Einverständnis zu fragen, damit Ihre Handlungen nicht als Einmischen oder Schlimmeres verstanden werden. Sie sollten auch immer fragen, auf welche Art und Weise Sie am besten helfen könnten. Wir alle entwickeln unsere eigene Art, Dinge zu tun, und so ist auch die Art der Hilfe oder Unterstützung, die wir brauchen, von Person zu Person unterschiedlich. Gehen Sie niemals davon aus, dass das, was Sie sich an Unterstützung wünschen würden, auch das ist, was Ihr Kollege braucht! 

 

Wie man „Nein“ sagt, ohne andere vor den Kopf zu stoßen!

Es wird unvermeidlich sein, dass es zu Situationen kommt, wo Sie mit etwas Gesagtem oder einem Punkt des Praxisprotokolls nicht einverstanden sind. Zu lernen, auf konstruktive Art und Weise „Nein“ zu sagen, ist für alle Mitglieder eines Teams eine wichtige Fähigkeit. Für Tierärzte gilt dies umso mehr, da die Bandbreite an zur Verfügung stehenden klinischen Optionen sehr groß ist und sich die individuellen Ansichten oft widersprechen. Es ist wichtig, bestimmt und selbstbewusst „Nein“ sagen zu können, ohne dabei aggressiv oder penetrant zu wirken (Abbildung 4).

 
Abbildung 4: Lernen Sie, auf konstruktive Art und Weise „Nein“ zu sagen – dies ist eine wichtige Eigenschaft für alle Mitglieder des Praxisteams. ©Shutterstock

Effiziente Fragen stellen!

Die konstruktivste Art und Weise, eine Idee oder einen Vorschlag, den Sie nicht richtig finden, zu hinterfragen, ist, zusätzliche Fragen zu stellen. Der Grund dafür liegt in einer allgemein gültigen Regel, die besagt, dass, wenn sich zwei vernünftige Menschen in irgendeinem Punkt nicht einig sind, es einfach daran liegt, dass der eine etwas weiß, was dem anderen nicht bekannt oder nicht bewusst ist. Mit anderen Worten, beide Parteien sind nicht im Besitz aller einschlägigen Fakten. Fragen zu stellen, ermöglicht es uns herauszufinden, warum der andere den von ihm bevorzugten Weg (z.B. Behandlungsweg) eingeschlagen hat. Gleichzeitig geben wir ihm die Gelegenheit, sein Wissen mit uns zu teilen. Es bietet uns aber auch die Möglichkeit, dem anderen etwaige Unzulänglichkeiten seiner Position aufzuzeigen, und dabei auf kollegiale und nicht streitsüchtige Art unser Wissen mit ihm zu teilen. Es ist ein Unterschied, ob wir z. B. sagen „Aber das funktioniert nicht, wenn wir knapp an Personal sind“ oder ob wir fragen „Wie meinen Sie, funktioniert Ihr Vorschlag, wenn wir mal knapp an Personal sind?“.

Es gibt drei Arten von Fragen, die wir stellen können:

  • Fragen, um zu verstehen, was wirklich gesagt oder gefragt wurde, z.B. „Könnten Sie erklären, für welche Fälle dies Ihrer Meinung nach anwendbar ist?“
  • Fragen, um gemeinschaftlich zu einem Ergebnis zu kommen, über das man sich auch wirklich einig ist, z.B. „Gehen wir dahingehend konform, dass es wichtig ist, dass die gesamte Belegschaft mit diesem Vorschlag leben kann?“
  • Fragen, die das weitere Vorgehen definieren, z.B. „Wie können wir sicherstellen, dass ausreichend von X vorrätig ist, bevor wir dies umsetzen?“
 

Werden Sie ein guter Zuhörer!

Die goldene Regel für effizientes Fragen ist, dass Sie bei jeder von Ihnen gestellten Frage auch bereit sein müssen, die Antwort bis zum Ende anzuhören. Hier einige Tipps, wie Sie ein besserer Zuhörer werden:
 
  • Zeigen Sie durch Taten und Worte, dass Ihnen der Standpunkt anderer wichtig ist.
  • Wenn Sie keine lange Antwort hören wollen, dann stellen Sie die Frage so, dass darauf eine kurze Antwort gegeben werden kann.
  • Bleiben Sie während der gesamten Antwort aufmerksam, um sicherzustellen, dass Sie nichts überhören. Dies gilt umso mehr, wenn Sie vermuten, bereits zu wissen, was der andere sagen wird.
  • Nehmen Sie sich Zeit für Ihren Kommentar zur Antwort, auch wenn dadurch kurz Stille entsteht.
  • Verwenden Sie bestätigende Floskeln, um Zeit für die Antwort zu gewinnen, z.B. „Okay, ich verstehe, warum Ihnen das wichtig ist...“
  • Überlegen Sie sich Zwischenfragen, um die Lücken bis zum vollen Verständnis der Antwort Ihres Gegenübers zu überbrücken, z.B. „Sie sagten, dass das vielen Kunden wichtig ist... Warum meinen Sie, dass das auch auf diesen Fall zutrifft?“
     

     
Antje Blättner

Die goldene Regel für effizientes Fragen ist, dass Sie bei jeder von Ihnen gestellten Frage auch bereit sein müssen, die Antwort bis zum Ende anzuhören.

Antje Blättner

Übereinstimmung suchen!

Bevor man sich auf Punkte konzentriert, in denen man nicht einer Meinung ist, ist es viel hilfreicher, zunächst jene Punkte hervorzuheben, über die man sich einig ist. Auch in Situationen, in denen wir eindeutig anderer Ansicht sind als unsere Kollegen, gibt es in der Regel ein zugrunde liegendes Prinzip, das wir herausstellen und auf das wir uns einigen können, z.B. mit Aussagen wie „Das Wohl des Patienten ist doch unser Hauptanliegen.“ oder „Wir müssen zusammenarbeiten, um das Beste für unsere Patienten zu erreichen.“ Übereinstimmende Punkte zu finden, hilft uns, das wahre Ausmaß unserer Differenzen zu identifizieren.

Unterstützung zeigen!

Sobald wir gemeinsame Ansichten identifiziert haben, können wir unseren Kollegen unsere Unterstützung zeigen, indem wir – wenn nötig – ein „qualifiziertes Ja“ äußern. Das heißt, dass wir klar sagen, worüber wir ein Einvernehmen herstellen können. Es besteht ein Unterschied zwischen einem Satz wie „Ich bin mit diesem Vorschlag nicht glücklich“ und einem Kommentar wie „Ich bin auch der Meinung, dass es für unsere Patienten gut wäre, wenn wir in der Lage wären, zu..., und ich bin froh, dass ich mit anderen zusammenarbeiten kann, um die beste Möglichkeit zu finden, um dies zu erreichen.“

Wie man auftauchende Konflikte löst

Trotz aller Anstrengungen kann es leider passieren, dass wir in eine Situation geraten, in der wir mit einem unserer Kollegen eindeutig einen Konflikt haben. Konflikte können sich aufgrund unterschiedlicher beruflicher Auffassungen ergeben oder als Ergebnis unserer eigenen Reaktion oder der eines Kollegen in stressigen oder ungewohnten Situationen. Obwohl es natürlich stimmt, dass wir unsere Kollegen immer respektvoll behandeln sollten (und sie uns), ist die Realität doch so, dass es zu Streitfragen kommen kann. Für den Fall, dass Sie selbst einmal in eine solche Situation geraten, hier ein paar Tipps, wie Sie die Sache rasch und mit möglichst wenig Aufregung lösen können.
 

Antworten Sie immer wohl überlegt!

Konflikte sind oft das Ergebnis dessen, wie Menschen auf stressige oder ungewöhnliche Situationen reagieren, und so ist die Konfliktlösung oft einfacher, wenn man abwartet, bis sich die Umstände wieder normalisiert haben. Vermeiden Sie es, durch unüberlegte Antworten weiteres Öl ins Feuer zu gießen! Wo immer möglich, sollten beide Parteien die Gelegenheit haben, nochmals über die Sache nachzudenken, bevor eine Lösung gesucht wird.

 Wählen Sie die richtige Zeit und den richtigen Ort!

Während der Konflikt ziemlich wahrscheinlich vor anderen Leuten ausgetragen wurde, sollte man sich im Sinne einer guten Lösung eher unter vier Augen unterhalten. Suchen Sie für die Fortführung des Gesprächs einen ruhigen Zeitpunkt und eine ruhige Ecke. Sie sollten immer bereit sein, den ersten Schritt zu tun und nicht zu warten, bis der andere eine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Abzuwarten, bis der Ärger noch stärker an Ihnen beiden nagt, hilft keiner Partei, sondern kann zu weiteren Problemen mit Ihren Kollegen führen und sich gelegentlich auch negativ auf die Versorgung der Patienten auswirken.

Entschuldigen Sie sich

Ihr Ziel sollte es sein, das klärende Gespräch mit den Worten „Es tut mir leid“ zu beginnen. Wenn Ihnen nach einer gewissen Zeit der Reflexion klar wird, dass es vor allem Ihre eigenen Aktionen waren, die zum Streit geführt haben, dann sollten Sie sich natürlich für diese Ihre Aktionen und den daraus resultierenden Konflikt ehrlich entschuldigen. Da wir ja nicht täglich in die verärgerten Gesichter unserer Kollegen schauen wollen, sollten wir zumindest in der Lage sein, uns dafür zu entschuldigen, dass wir eine Mitschuld an der Entstehung des Konflikts tragen. Das bedeutet nicht, dass Sie zugeben sollen, im Unrecht gewesen zu sein, wenn Sie doch Recht hatten. Es heißt nur, dass Sie in der Lage sein sollten, sich dafür zu entschuldigen, dass Ihre Äußerung oder Aktion bei einem Kollegen Ärger oder Missstimmung ausgelöst hat.
 
Pere Mercader

Vermeiden Sie es, durch unüberlegte Antworten weiteres Öl ins Feuer zu gießen! Wo immer möglich, sollten beide Parteien die Gelegenheit haben, nochmals über die Sache nachzudenken, bevor eine Lösung gesucht wird.

Pere Mercader

Finden Sie einen Punkt, in dem Sie übereinstimmen!

Sobald Sie sich entschuldigt haben, versuchen Sie, einen Punkt zu finden, in dem Sie beide schnell einer Meinung sind. Das kann ein prinzipieller Punkt sein (z.B. indem Sie sich beide darauf einigen, eine positive Lösung finden zu wollen) oder im Idealfall etwas, was mehr mit der erhofften Lösung des Konflikts zu tun hat. Je mehr dieser erste Punkt der Übereinstimmung mit der Lösung der Sache zu tun hat, desto besser. Das Wichtigste aber ist, dass Sie sich überhaupt auf etwas einigen können. Ein erste Punkt der Übereinstimmung ist ein entscheidender Ausgangspunkt für das Ergebnis des klärenden Gesprächs.

Hinterfragen Sie, wie es weitergehen soll!

Stellen Sie zielführende Fragen und hören Sie den Antworten Ihres Kollegen gut zu, denn so erfahren Sie mehr über seine Ansichten, was möglicherweise einen Lösungsweg aufzeigt. Fragen Sie Ihren Kollegen auch, wie er sich die Regelung der Angelegenheit vorstellt. Bedenken Sie, dass auch er Zeit zur Reflexion hatte, so dass diese Frage durchaus eine Antwort auslösen kann, mit der Sie gut leben können (ganz oder zumindest teilweise). So sehen Sie vielleicht bald, dass die verbleibenden strittigen Punkte eher klein sind.

Treffen Sie am Ende eine positive, verbindliche Aussage!

Beenden Sie die Diskussion immer mit einer positiven Aussage und wenn es nur die Bereitschaft ist, eine Lösung finden zu wollen. Vielleicht können Sie sich auch darauf einigen, sich nochmals für ein Gespräch zu treffen oder einen Dritten dazuzuholen. Wenn Sie sich tatsächlich zu einem weiteren Gespräch treffen, dann muss der abschließende positive Kommentar aus dem ersten Gespräch der erste Punkt sein, der im zweiten Gespräch angesprochen wird (z.B. „In unserem letzten Gespräch haben wir uns doch darauf geeinigt, dass..., nicht wahr?“).

Wie man seinen Chef besser versteht

Egal, ob Sie in einer Praxis/Klinik im herkömmlichen Stil, also im Besitz von einem oder zwei Tierärzten (die gleichberechtigte Chefs und vielleicht Partner sind) oder aber in einem großen, unternehmerisch geführten Tierarztunternehmen (das im Besitz von Aktionären ist und von Direktoren geleitet wird) arbeiten – ein Verständnis der Rolle des oder der Chefs hilft Ihnen, ein effizienter Mitarbeiter zu werden. Er trägt zur Entwicklung der Praxis bei und kann außerdem auch Ihre persönlichen Chancen für die Zukunft fördern (Box 1). Wie auch immer die Konstellation in Ihrer Praxis ist, wir nennen die leitende/n Person/en jetzt einfach mal „Ihren Chef“.
 
Box 1
Der Umgang mit Ihrem ersten Chef?
Ein Schlüsselthema für einen jungen Tierarzt ist der richtige Umgang mit dem ersten Chef, der oft auch der Eigentümer der Tierarztpraxis/-klinik ist. Nachstehend finden Sie eine Liste mit den wichtigsten Einstellungen und Verhaltensweisen, die Ihnen helfen werden, bald als Gewinn für die Klinik zu gelten.

Abgleich der Erwartungen

„Was wird von mir erwartet?“ Mit dieser Frage lassen sich von Anfang an Missverständnisse vermeiden und die in der Praxis geltenden Spielregeln klären. Weitere nützliche Fragen sind z.B. auch:

  • „Welche Qualitäten und welche Einstellung sehen Sie gerne bei einem jungen Tierarzt?“
  • „Welche Kriterien werden Sie in den kommenden Monaten zur Beurteilung meiner Leistung ansetzen?“
  • „Welche Aufgaben soll ich übernehmen und welche spezifischen Ergebnisse erwarten Sie von mir?“

    Koordinieren Sie Ihre eigenen Interessen mit denen Ihrer Praxis

Ein klassisches Beispiel ist die spezielle Fortbildung. Anstatt sich gleich auf Ihr Lieblingsgebiet zu spezialisieren (z.B. exotische Vögel), könnten Sie Ihren Chef fragen, welche speziellen Fachgebiete in den nächsten Jahren für die Praxis wohl am interessantesten wären. Oder Sie fragen „Würde mich die Praxis unterstützen, wenn ich mich auf dieses oder jenes Fachgebiet spezialisieren würde?“.

Seien Sie proaktiv!

Es gibt einen Spruch, der diese Haltung sehr gut zusammenfasst: „Bringen Sie mir für jedes Problem drei Lösungen!“ In der Regel wissen Chefs sehr wohl, welche Dinge in der Praxis nicht gut laufen und warum dies so ist. Sie brauchen keinen Berufsanfänger, der sich wie ein Unternehmensberater benimmt und mit abwertenden Kommentaren ständig auf Fehler in der Praxis hinweist. Was vielmehr gebraucht wird, ist ein Praxisteam, das bereit ist, Vorschläge zu machen und sich für die Umsetzung der Lösungen zu engagieren.

Fordern Sie regelmäßiges Feedback ein!

In manchen Praxen/Kliniken gibt es möglicherweise ein etabliertes Leistungsbeurteilungssystem und Sie erhalten regelmäßig ein strukturiertes Feedback. In andere Praxen kann das allerdings wesentlich informeller ablaufen, sodass Sie vielleicht proaktiv werden und die Frage stellen müssen: „Wie beurteilen Sie meine Leistung der letzten paar Wochen?“ oder „Gibt es etwas, das ich anders machen sollte, um meine Leistung zu verbessern?“.

Beobachten Sie Ihren Chef mit seinen guten und schlechten Seiten!

Bedenken Sie, dass Sie eines Tages selbst der Chef einer Praxis/Klinik sein könnten. Indem Sie das Verhalten Ihres Chefs als Führungskraft analysieren (sowohl die Dinge, die Ihnen gefallen, wie auch jene, die Ihnen missfallen), können Sie für Ihre berufliche Zukunft etwas sehr Wertvolles lernen.

 

Die drei Rollen Ihres Chefs

Neben der klinischen Tätigkeit und den Managertätigkeiten, die Ihr Chef tagtäglich zu verrichten hat, gibt es noch drei wichtige Aufgaben, die er übernehmen muss.

1. Festlegen und Kommunizieren der Vision, Strategie und Wertorientierung

Jede Tierarztpraxis/-klinik ist einzigartig. Ihr Chef muss entscheiden, was erreicht werden soll (Vision, Mission), wie man dies erreicht (Strategie), und wie Patienten, Kunden und Personal behandelt werden sollen (Orientierung an Werten). Und er muss dies auch kommunizieren können. Diese Schlüsselrolle ist die wichtigste, obwohl dies in vielen Tierarztpraxen vernachlässigt wird. Je nach Größe einer Organisation (und auch eine kleine Praxis ist in gewisser Weise eine Organisation) kann der Prozess der Entwicklung und Kommunikation von Vision, Strategie und Werten eine ziemlich formale Sache sein, mit Teammeetings, gedruckten oder gar gerahmten Ausfertigungen, die für Personal und Kunden immer deutlich sichtbar sind. Manchmal geht es auch weniger formell zu und der Praxischef teilt dies seinen Mitarbeitern lieber mündlich mit. Egal, welche der beiden Varianten für Ihre Praxis zutrifft, Sie sollten sich dieser Vorgaben immer bewusst sein und sich in Ihrer täglichen Arbeit davon leiten lassen.

2. Richtiger Einsatz der begrenzten Ressourcen der Praxis

Es gibt einen alten Spruch, der lautet, dass man Geld nur einmal ausgeben kann. Wie mit dem Geld der Praxis und anderen begrenzten Ressourcen wie Personal oder Ausstattung umgegangen werden soll, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, ist auch die Aufgabe Ihres Chefs. Da jede Organisation hinsichtlich verfügbarer Ressourcen ihre Grenzen hat, muss es einen Entscheidungsprozess darüber geben, wie diese einzusetzen sind. Dafür ist letztendlich Ihr Chef verantwortlich. Gute Ideen und Vorschläge zur Verbesserung der Dienstleistungen gibt es ja immer, doch müssen dafür Ressourcen entwickelt und locker gemacht werden. In diesem Prozess geht es also vor allem darum, Prioritäten zu setzen und die Reihenfolge zu bestimmen, in der bestimmte Dinge angegangen werden, bzw. ob bestimmte Dinge überhaupt umgesetzt werden sollen.

3. Motivation und Führung des Teams

Die dritte Schlüsselrolle Ihres Chefs ist es, das Praxisteam zu leiten und zu motivieren. (Quote) Diese Rolle wird zunehmend wichtiger, da moderne Tierarztpraxen immer mehr teambasiert arbeiten (Abbildung 5). Ihr Chef muss herausfinden, wie er aus jedem Teammitglied das Beste herausholt Wie aktiv er diese Rolle ausfüllt oder ob er diese Aufgabe an entsprechend qualifizierte Mitarbeiter delegiert, hängt von den individuellen Interessen und Erfahrungen ab. Somit gibt es in der tiermedizinischen Berufswelt alle Arten von Interpretationen des Themas – von sehr informell bis zu hoch strukturiertem Leistungsmanagement.

 
Mark Moran

Die dritte Schlüsselrolle Ihres Chefs ist es, das Praxisteam zu leiten und zu motivieren.

Mark Moran

Abbildung 5: Eine der Aufgaben eines Chefs ist es, das Team zu leiten und zu motivieren. ©Shutterstock

Die richtige Person an der richtigen Stelle

Seien Sie ein guter Angestellter!

Ihr Chef wird Sie umso mehr schätzen, wenn Sie sich Ihrerseits bewusst bemühen, ein guter Angestellter zu sein. Ein guter Angestellter zu sein, bedeutet zu verstehen, was die Praxis erreichen möchte (ihre Vision, Strategie und Wertvorstellungen) und jederzeit und in allem diese Ziele zu unterstützen. Zusätzlich gibt es noch ein paar einfache Dinge, mit denen Sie Ihre Unterstützung zeigen können.

Kennen Sie Ihre Autoritätsgrenzen und halten Sie sich daran!

Was auch immer Ihre Rolle in der Praxis ist, sie wird immer mit gewissen Autoritätsgrenzen gekoppelt sein. Diese definieren die Grenzen für Ihr eigenständiges Handeln und sind abhängig von Ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen sowie von der Organisationskultur der Praxis. Manche Praxen haben definierte Autoritätsgrenzen, die Teil der jeweiligen Stellenbeschreibung oder in den Praxisrichtlinien/Protokollen beschrieben sind, während sich andere auf mündlich geäußerte Regeln verlassen, die von allen Mitgliedern des Praxisteams verstanden und eingehalten werden. Egal, wie dies in Ihrer Praxis gehandhabt wird – Sie sollten sicherstellen, dass Sie Ihre Grenzen kennen und sich auch daran halten. Die goldene Regel dafür lautet: Wenn Sie nicht sicher sind, einfach fragen!

Zeigen Sie eine „Ich kann das machen“-Einstellung!

Ihre Einstellung zur Arbeit sollte immer geprägt sein von dem, was Sie machen können und nicht dem, was Sie nicht machen können. Es macht einen Unterschied, ob Sie sagen „Ich kann das heute nicht machen“ oder „Ich könnte das für Sie bis morgen Mittag erledigen“. Eine positive Einstellung zur Arbeit besteht unter anderem in der Bereitschaft, Ihren Chef sowie das ganze Team zu unterstützen (Abbildung 6).

 
Abbildung 6: Mit der Einstellung „Ich kann das machen“ zeigen Sie, dass Sie bereit sind, Ihren Chef und Ihre Kollegen zu unterstützen. ©Shutterstock

Seien Sie Teil der Lösung, nicht des Problems!

Wann immer ein Problem auftaucht, versuchen Sie, aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung eine Lösung zu finden und vorzuschlagen, und nicht einfach das Problem an irgendjemand anderen zu berichten. Vergessen Sie dabei allerdings nicht Ihre Autoritätsgrenzen! Das heißt, dass Sie vielleicht erst um Erlaubnis fragen müssen, bevor Sie Ihre Idee zur Problemlösung umsetzen. In jedem Fall aber ist es immer besser, bei Problemen einen Lösungsvorschlag parat zu haben anstatt nur Bericht über das Problem zu erstatten.

Vergessen Sie nie: Ihr Chef ist auch nur ein Mensch!

Eine Tierarztpraxis zu führen, ist eine sehr komplexe Sache, die gelegentlich sehr zeitaufwändig geraten kann und eine Vielfalt an Managerfähigkeiten und Geschäftssinn erfordert. Es wird Situationen geben, wo Ihr Chef einfach überlastet ist und außerhalb seiner beruflichen „Komfortzone“ arbeiten muss oder aber mit Problemen oder Herausforderungen konfrontiert wird, für die ihm die Erfahrung fehlt. Sie können Ihr Verständnis für solche Situationen dadurch zeigen, dass Sie Aufgaben, die Ihnen übertragen werden, immer wichtig nehmen, aber andererseits auch akzeptieren, wenn Ihr Chef entscheidet, eine Ihrer Aufgaben selbst zu erledigen. In solchen Situationen klare Vorgaben festzulegen, kann Missverständnisse verhindern und ermöglicht es, Ihrer beider Zeit optimal nutzen zu können. Vergessen Sie nie, dass Ihr Chef auch Tierarzt und kein perfekter Manager ist – so wie auch wir als Mitarbeiter nie perfekt sind.

 
Philippe Baralon

Philippe Baralon

Dr. Baralon absolvierte 1984 die École Nationale Vétérinaire in Toulouse (Frankreich) und studierte anschließend Volkswirtschaftslehre (Master of Economics, Toulouse, 1985) und Betriebswirtschaftslehre (MBA, HEC-Paris 1990). Mehr lesen

Antje Blättner

Antje Blättner

Dr. Blaettner wuchs in Südafrika und Deutschland auf und graduierte 1988 nach dem Veterinärmedizinstudium in Berlin und München. Mehr lesen

Pere Mercader

Pere Mercader

Dr. Mercader etablierte sich 2001 als Praxismanagement-Berater für Tierkliniken und hat seitdem diesen Beruf in Spanien, Portugal und einigen lateinamerikanischen Ländern entwickelt. Mehr lesen

Mark Moran

Mark Moran

Mark Moran ist seit 19 Jahren als Berater für die Tierärzteschaft tätig und bietet Mentoring und Unterstützung für Inhaber von Tierarztpraxen und deren Mitarbeiter in Schlüsselpositionen. Mehr lesen

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