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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 35.1 Orthopädie

Balancetraining für Hunde

veröffentlicht 28/02/2025

Geschrieben von Christiane Lutonsky und Barbara Bockstahler

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Ältere Hunde und Hunde mit orthopädischen oder neurologischen Erkrankungen leiden häufig unter Störungen der Balance und mangelhafter posturaler Stabilität. Balanceübungen sind eine integrale Komponente jedes Rehabilitationsprogramms für diese Patienten und können entscheidend zu einer besseren Lebensqualität beitragen. 

Der Hund läuft auf den vorderen Gliedmaßen.

Kernaussagen

Die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts bei Bewegung und unvorhersehbaren Perturbationen ist lebenswichtig für ein Tier und hängt von einer guten posturalen Stabilität ab, die durch visuelle, somatosensorische und vestibuläre Systeme im ZNS gesteuert wird.


Der Alterungsprozess und Erkrankungen des Bewegungsapparates, wie z. B. Osteoarthritis, können bei Hunden zu Defiziten der posturalen Stabilität führen, die potenziell negative Einflüsse auf die Lebensqualität des Tieres haben.


Balanceübungen, die darauf abzielen, die Muskelfunktion zu verbessern und die posturale Stabilität sicherzustellen, sind ein wesentlicher Bestandteil der veterinärmedizinischen Sportmedizin und Rehabilitation.


Inzwischen ist ein Zusammenhang zwischen Gleichgewichts- und Krafttraining und einem geringeren Verletzungsrisiko anerkannt, die Bedeutung von Balanceübungen wird vielfach aber noch immer unterschätzt.


Einleitung

Die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts bei normaler Bewegung und bei unvorhersehbaren Perturbationen ist lebenswichtig für ein Tier und beruht auf der sogenannten posturalen Stabilität, die durch visuelle, somatosensorische und vestibuläre Systeme im zentralen Nervensystem reguliert wird. Diese Systeme koordinieren haltungsstabilisierende Muskeln und ermöglichen eine rasche Reaktion auf jegliche Störung des Gleichgewichts. Balanceübungen sind ein integraler Bestandteil eines jeden veterinärmedizinischen Rehabilitationsprogramms für Patienten mit neurologischen und/oder orthopädischen Erkrankungen und zielen in erster Linie darauf ab, die Muskelfunktion zu verbessern und die posturale Stabilität zu fördern. Proaktiv sollte zusätzlich ein Trainingsprogramm mit Übungen zur Förderung der Propriozeption empfohlen werden, und zwar sowohl für Sporthunde zur Vorbeugung von Verletzungen 1,2,3 als auch für ältere Tiere für den Erhalt einer guten Lebensqualität 4. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über den Begriff der posturalen Stabilität und beschreibt Balanceübungen, die das Gleichgewicht bei Hunden verbessern und erhalten können.

Zum Verständnis der posturalen Stabilität und der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts

Das Center of Pressure (COP; Druckmittelpunkt) ist ein grundlegender Begriff im Rahmen der Untersuchung von Bewegung und Gleichgewicht. Im Wesentlichen repräsentiert der Druckmittelpunkt den Massenschwerpunkt des Körpers (Center of Mass), der sich bei Bewegung innerhalb der sogenannten Unterstützungsfläche (Base of Support) bewegt, also innerhalb des Bereiches unter dem Körper, der jeden Kontaktpunkt des Körpers mit der unterstützenden Fläche umfasst. Der Druckmittelpunkt diktiert die Muskelkontraktionen, die für die Aufrechterhaltung der Stabilität erforderlich sind 5, während die zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts genutzte Fläche unter dem Tier, die sogenannte funktionelle Standfläche (Functional Base of Support5,6, von der Standbreite des Individuums abhängt. Überschreitet der Druckmittelpunkt die funktionelle Standfläche, muss der Hund ausgleichende Schritte tätigen, um Stürze zu vermeiden 7.

Beim Menschen führt der Einbeinstand zu einer vermehrten Auslenkung des COP, während – wenig überraschend – ein breiterer Stand zu einer besseren Gleichgewichtsfähigkeit führt 8,9. Bei Hunden kann der Dreibeinstand als Test zur klinischen Beurteilung des Gleichgewichts angewendet werden 10, und für Kleintiere wurde ein Gleichgewichtsscore entwickelt, der Aufgaben wie Sitzen, verschiedene Standpositionen, Drehen und Treppensteigen berücksichtigt 11. Studien, bei denen Tiere die Augen verbunden wurden und eine motorisierte Balance-Plattform zum Einsatz kam, haben sich mit den Herausforderungen einer objektiven Beurteilung der posturalen Stabilität befasst 12, und posturographische Messungen bei Hunden mit verschiedenen Einstellungen auf einem Trainingsgerät zeigen im Vergleich zu Standardmessungen im Stehen einen Anstieg von COP-Parametern 13. Sehr stark herausfordernde Einstellungen der Plattform führten dazu, dass die Hunde ausgleichende Schutzschritte tätigten, weil ihr COP über die funktionelle Standfläche hinausging. Während stehende Hunde bei Standardmessungen eine größere Auslenkung des Druckmittelpunktes in craniocaudaler Richtung als in mediolateraler Richtung aufweisen, haben die Körperschwankungen unter stärker herausfordernden Bedingungen auf der motorisierten Plattform in craniocaudaler und mediolateraler Richtung die gleiche Amplitude 13.

Christiane Lutonsky

Da multidirektionale Wackelbretter vermehrt unkontrollierbare Bewegungen hervorrufen können, die die Herausforderung für das Tier verstärken und möglicherweise Stress verursachen, wird für das Anfänger-Niveau ein craniocaudales bidirektionales Brett empfohlen.

Christiane Lutonsky

Defizite der posturalen Kontrolle

Eine erhöhte posturale Instabilität, wie sie häufig im fortgeschrittenen Alter oder bei Erkrankungen des Bewegungsapparates zu beobachten ist, beeinträchtigt die Stabilität der Gelenke und die Muskelfunktion 14. Veränderungen der Muskelspindeln und neuronaler Pathways führen dabei im Laufe der Zeit zur Reduzierung propriozeptiver Signale, die wiederum die Stabilität beeinträchtigt 15. Hunde mit kranialer Kreuzbandruptur schneiden bei Balancetests schlecht ab und weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollhunden Defizite der posturalen Stabilität auf 16,17. Ähnliche Defizite sind auch bei Hunden mit Osteoarthritis des Kniegelenks infolge einer kranialen Kreuzbandruptur, Osteoarthritis des Ellbogengelenks, Sarkopenie und im fortgeschrittenen Alter zu beobachten 18,19. Interessanterweise hat eine Osteoarthritis des Ellbogens größere Auswirkungen auf die posturale Stabilität als eine Osteoarthritis des Kniegelenks 18. Bei Hunden mit Erkrankungen des Bewegungsapparates und bei älteren Hunden sind daher ein gutes Verständnis und eine wirksame Behandlung posturaler Probleme entscheidend, weil dadurch sowohl die Lebenserwartung als auch die gesunde Lebensspanne verlängert werden können 20.

Trainingsprogramme für die posturale Stabilität

Spezifische Trainingsprogramme für Hunde zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der Verbesserung der posturalen Stabilität und spiegeln meist die humanmedizinische Forschung wider 20. So zeigt beispielsweise eine Studie einen Zusammenhang zwischen mindestens einmal wöchentlichem Balance- und Krafttraining und einem verringerten Risiko für kraniale Kreuzbandrupturen bei Agility-Hunden 3, und ein spezifischer 12-wöchiger Trainingsplan für zu Hause verbessert im Vergleich zu Standard-Rehabilitationsmethoden die Gewichtsverteilung in der Hinterhand sowie die Balance und die Funktion des Kniegelenks bei Hunden mit kranialer Kreuzbandruptur oder medialer Patellaluxation 21. Trotz dieser vielsprechenden Ergebnisse bei der Vorbeugung und Behandlung muskuloskelettaler und neurologischer Probleme spielt posturales Stabilitätstraining in der Veterinärmedizin bisher kaum eine Rolle. So ergab eine aktuelle Umfrage, dass nur 42,7 % der Besitzer*innen von aktiven Arbeitshunden präventive Maßnahmen mit ihren Tieren durchführen und ein Balancetraining hierbei von lediglich 2 % der genutzt wird 22.

In der Literatur wird eine Vielzahl verschiedener Balanceübungen beschrieben. Entscheidend ist jedoch, dass diese Übungen immer auf die spezifischen Bedürfnisse des individuellen Patienten abgestimmt werden. Im Folgenden werden einige gängige Trainingsmethoden diskutiert, unterteilt nach Schwierigkeitsgrad („Anfänger“, „fortgeschrittene Anfänger“ und „Fortgeschrittene“). Der „Anfänger“-Schwierigkeitsgrad eignet sich für Hunde mit orthopädischen oder neurologischen Problemen, der Schwierigkeitsgrad „fortgeschrittene Anfänger“ für gut trainierte Hunde mit diesen Erkrankungen oder allgemein gesunde Tiere, und der Schwierigkeitsgrad „Fortgeschrittene“ ist für canine Athleten mit hohem Fitnesslevel vorgesehen. In jedem Einzelfall hängt die Eignung der Übungen aber auch von der Kondition des Hundes und dem Stadium seiner Erkrankung ab 2.

Barbara Bockstahler

Übungen zur Gewichtsverlagerung werden häufig eingesetzt, um die Propriozeption und den Muskeltonus zu verbessern, insbesondere bei Patienten mit neurologischen Defiziten oder Muskelschwäche.

Barbara Bockstahler

Training für Anfänger

Die beschriebenen Übungen eignen sich für Hunde mit unterschiedlichen Fähigkeitslevels, also insbesondere für Anfänger und Hunde mit bestimmten gesundheitlichen Einschränkungen. Das Training sollte immer auf die individuellen Fähigkeiten des Hundes zugeschnitten werden, wobei der Fokus auf einer allmählichen Steigerung des Schwierigkeitsgrads der Übungen liegt, während gleichzeitig darauf geachtet wird, dass Sicherheit und Wohlbefinden des Tieres sichergestellt bleiben. Nach Bedarf kann der Hund bei den Übungen mit einer Schlinge unterstützt werden, wobei dem Patienten je nach Indikation entweder die maximale Unterstützung (75-100 % des Körpergewichts) oder eine partielle Unterstützung (< 75 % des Körpergewichts) angeboten wird 2.

Stehen oder Gehen auf Oberflächen unterschiedlicher Textur

Das somatosensorische System ist von entscheidender Bedeutung für die propriozeptive Wahrnehmung. Insbesondere bei Patienten mit einem neurologischen Verlust der somatosensorischen Wahrnehmung spielen unterschiedliche Oberflächen eine entscheidende Rolle für die Wiederherstellung der Sensibilität. Diese Patienten werden daher ermutigt, auf Oberflächen unterschiedlicher Texturen zu gehen oder zu stehen.

Übungen zur Gewichtsverlagerung im Stehen

Übungen zur Gewichtsverlagerung werden häufig eingesetzt, um die Propriozeption und den Muskeltonus zu verbessern, insbesondere bei neurologischen und schlecht bemuskelten Patienten. Allgemein führen diese Übungen zu einer Verbesserung der posturalen Stabilität und zu einer Aktivierung der Muskulatur, allerdings profitiert ein gut bemuskelter Hund ohne neurologische Defizite möglicherweise nicht von solchen minderschweren Herausforderungen. Um die posturale Stabilität zu fordern und zu fördern, wird abwechselnd manueller Druck im Bereich der Hüftgelenke (Abbildung 1) oder der Schultergelenke ausgeübt, insbesondere in mediolateraler Richtung 2. Da Hunde in dieser Ebene eine größere Instabilität aufweisen, ist insbesondere bei lateralen Provokationen eine vorsichtige Druckausübung erforderlich. Ausgleichende Schritte des Hundes deuten auf einen übermäßigen Druck hin und sollten Anlass für eine entsprechende Anpassung der Belastung oder Unterstützung sein. Eine weitere Technik besteht darin, Gewichtsverlagerungen durch Kopfbewegungen mit Hilfe von Snacks zu fördern, wobei auch hier der Fokus wieder auf der Vermeidung ausgleichender Schritte liegt.

Die Hände werden auf die Hüften des Hundes gelegt.
Abbildung 1. Übung zur Gewichtsverlagerung mit den Händen auf den Hüftgelenken.
© von 2

Selbst auf „Anfänger“-Level können Hunde von der Integration bestimmter Hilfsmittel und Trainingsgeräte in ihren Fitnessplan profitieren. In der Rehabilitation von Hunden werden sowohl bidirektionale als auch multidirektionale Wackelbretter („Balance Boards“) eingesetzt (Abbildung 2 und 3). Da multidirektionale Wackelbretter vermehrt unkontrollierbare Bewegungen hervorrufen können, die die Herausforderung für das Tier verstärken und möglicherweise Stress verursachen 2, wird für das Anfänger-Niveau ein craniocaudales bidirektionales Brett empfohlen. Um eine ausreichende Sicherheit für den Patienten zu gewährleisten, ist es ratsam, entsprechende Übungen stets mit Unterstützung durchzuführen, insbesondere in mediolateraler Richtung. Sogenannte Propriozeptionskissen (Balancierkissen) (Abbildung 4) können für manche Hunde anfangs zwar eine zu große Herausforderung darstellen, bieten aber eine kostengünstige Alternative zu teuren Geräten und sind einfacher zu handhaben, insbesondere im Vergleich zu den multidirektionalen Wackelbrettern. Für kontrolliertere Trainingsbedingungen können motorisierte Trainingsplattformen eingesetzt werden (Abbildung 5) 13.

Hund auf einem bidirektionalen Wackelbrett. (mediolaterale Bewegung).

a

Hund auf einem bidirektionalen Wackelbrett (craniocaudale Bewegung).

b

Abbildung 2. Mediolaterale Bewegung (a) und craniocaudale Bewegung (b) auf einem bidirektionalen Wackelbrett.
© von 2

Hund auf einem multidirektionalen Wackelbrett.
Abbildung 3. Kreisförmige Balanceübung auf einem multidirektionalen Wackelbrett.
© von 2

Dynamisches Gleichgewichtstraining für Hunde

Einfache Kommandos wie „Gib Pfote“, „Sitz“ oder „Platz“ können effektiv im Rahmen des Balancetrainings eingesetzt werden, müssen aber stets individuell auf die Fähigkeiten des Patienten zugeschnitten werden. Ein Schlüsseltest zur Beurteilung des postularen Systems ist der Dreibeinstand 10. In der Regel wird dabei zuerst die der erkrankten Gliedmaße diagonal gegenüberliegende Gliedmaße angehoben, dann die ipsilaterale Gliedmaße, gefolgt von der kontralateralen Gliedmaße 2. Orthopädisch oder neurologisch beeinträchtigte Tiere können bei einfacheren Bewegungsübungen wie Sitz-Steh-Übungen Modifikationen benötigen, wie zum Beispiel die Verwendung einer Schlinge oder die Unterstützung des Beckens. Solche Modifikationen können ältere Hunden dabei unterstützen, ihre Muskelkraft und ihre Unabhängigkeit bei täglichen Aktivitäten wiederzuerlangen.

Hund auf einem Propriozeptionskissen.
Abbildung 4. Stehübung auf einem Propriozeptionskissen.
© von 2
Hund auf einer kommerziellen motorisierten Trainingsplattform.
Abbildung 5. Kommerzielle motorisierte Trainingsplattform.
© Christiane Lutonsky

Training für „fortgeschrittene Anfänger“

Die oben beschriebenen Übungen sind mit geringen Anpassungen auch für den mittleren Schwierigkeitsgrad geeignet, also für „fortgeschrittene Anfänger“. Aber auch hier muss der betroffene Hund eine ausreichend stabile orthopädische und neurologische Gesundheit aufweisen, um die gehobenen Anforderungen bewältigen zu können.

Übungen zur Gewichtsverlagerung im Stehen

Bei den Übungen zur Gewichtsverlagerung im Stehen werden sowohl bi- als auch multidirektionale Wackelbretter verwendet, um die Balance des Tieres zu fördern. Während der Übung wird das Wackelbrett in verschiedene Richtungen bewegt, wobei der Patient kontinuierlich gestützt werden sollte, um Stürze zu vermeiden. Zu Beginn sollten diese Übungen von kurzer Dauer sein und nur wenige Wiederholungen umfassen.

Dynamisches Balancetraining

Neben einer Steigerung der Herausforderungen und des Schwierigkeitsgrades der oben genannten Methoden werden zusätzlich folgende Übungen empfohlen. Zur weiteren Steigerung der Herausforderung können viele der oben beschriebenen Übungen wie das Training zur Gewichtsverlagerung, Sitz-Steh-Übungen, Platz-Sitz-Steh-Übungen auf instabilen Oberflächen, wie zum Beispiel Propriozeptionskissen, durchgeführt werden, wobei der Schwierigkeitsgrad auch durch Verwendung eines weicheren Kissens erhöht werden kann. Bei der Schubkarren-Übung (Abbildung 6) werden die Beckengliedmaßen angehoben, um eine verstärkte Belastung der Schultergliedmaßen zu provozieren und dadurch Körperhaltung, Koordination und Kraft zu fördern. Beim Tanzen (Abbildung 7) werden die Schultergliedmaßen angehoben, um die Beckengliedmaßen zu trainieren. Dabei kann sowohl vorwärts als auch rückwärts getanzt werden, wobei das Tanzen in Vorwärtsrichtung im Allgemeinen eine größere Herausforderung darstellt und eher für Patienten mit fortgeschrittenem Fitnessniveau geeignet ist 2. Das Gehen über Hindernisse ist eine weitere gängige physiotherapeutische Übung für Hunde. Cavaletti-Stangen (Abbildung 8) fordern die posturale Stabilität. Bei gesunden Hunden verlangsamt sich die Bewegung des COP der Beckengliedmaßen beim Überqueren von Hindernissen, wodurch eine kontrollierte Bewegung der Gliedmaßen, die Propriozeption und das Gleichgewicht gefördert werden, bei gesunden Hunden kann diese Übung die Gliedmaßenunterstützung allerdings nicht in signifikantem Maße verändern 23. Im Sinne einer schonenden Einleitung der Übungen sollten die Stangen zu Beginn direkt auf den Boden gelegt werden, wobei der Abstand zwischen den einzelnen Stangen mindestens der Körperlänge des Hundes entsprechen sollte. Anschließend kann die Höhe der Stangen schrittweise um 1-2 cm pro Sitzung erhöht werden, sie sollte die Höhe der Karpalgelenke des Hundes jedoch nicht überschreiten. Beim Slalomlaufen (Abbildung 9) wird ein mit Stangen oder Kegeln markierter Parcours durchlaufen. Durch die Beanspruchung verschiedener Muskelgruppen bei diesen Übungen werden Kraft und Flexibilität gefördert und Beweglichkeit, Koordination und Propriozeption verbessert.

Der Hund läuft auf den vorderen Gliedmaßen.
Abbildung 6. Schubkarren-Übung.
© von 2
Frau tanzt mit einem Hund.
Abbildung 7. Tanzübung mit einem Hund.
© von 2
Der Hund geht über Cavalettis (am Boden).

a

Der Hund geht über Cavalettis (erhöht).

b

Abbildung 8. Gehen über Cavaletti-Stangen a) auf dem Boden und b) erhöht auf Höhe der Karpalgelenke.
© von 2

Der Hund läuft zwischen zwei Stangen.
Abbildung 9. Die Markierung auf dem Rücken des Hundes veranschaulicht die Biegung der Wirbelsäule während der Slalomübung.
© von 2

Training für „Fortgeschrittene“

Kombinierte Übungen

Die oben erwähnten Übungen für „fortgeschrittene Anfänger“ können unter anderem durch die Integration instabiler Oberflächen anspruchsvoller gestaltet werden. Eine zusätzliche Herausforderung für die posturale Stabilität kann durch Kombination verschiedener Oberflächen mit Propriozeptionskissen und Cavaletti-Stangen oder die Platzierung von Propriozeptionskissen auf Wackelbrettern erreicht werden (Abbildung 10). Wie oben erwähnt, können auch Tanz-Übungen für Hunde mit mittlerem bis fortgeschrittenem Fitnessniveau vorteilhaft sein. Vorwärtstanzen ist eine geeignete Übung für Patienten mit fortgeschrittenem Fitnesslevel. Aber auch Rückwärtsgehen stellt eine Herausforderung für Hunde dar und zeigt (gestützt durch die Rehabilitationsforschung beim Menschen 23) positive Auswirkungen auf die posturale Stabilität und kann für Patienten mit fortgeschrittenem Fitnesslevel als eine ausgezeichnete Übung betrachtet werden. Rückwärtstanzen verbessert die Belastung der Beckengliedmaßen, die Propriozeption und die Koordination der Gliedmaßen, anfangs sollten Hunde allerdings nicht mehr als 2-3 Schritte rückwärtsgehen.

Der Hund steht auf einem Propriozeptionskissen in Kombination mit einem Wackelbrett.
Abbildung 10. Stehübung auf einem Wackelbrett, kombiniert mit einem Propriozeptionskissen.
© von 2

Bewegungen in geduckter Haltung

Bei der Limbo-Übung (Abbildung 11) werden die Hunde darauf trainiert, sich unter einer horizontalen Stange hindurchzubewegen. Diese Übung kann als Einführung in das Training zur Bewegung in geduckter Haltung eingesetzt werden. Dies fördert nicht nur die körperliche Flexibilität, sondern verbessert auch das Körperbewusstsein und die Koordination des Hundes. Anfangs sollte die Stange etwas niedriger als die Körpergröße des Hundes eingestellt werden, und alle Gliedmaßen sollten bei dieser Übung symmetrisch eingesetzt werden, das heißt, seitliche Ausfallschritte oder Rutschen sollte vermieden werden. Tunnel sind eine weitere Option und haben den Vorteil, dass der Hund hier über einen längeren Zeitraum in geduckter Haltung kriechen muss.

Der Hund krabbelt unter dem Limbo Stangen.
Abbildung 11. Geduckte Haltung während der Limbo-Übung.
© von 2

Peanut-Gymnastikball

Die Einbeziehung eines länglichen „Peanut Balls“ (Abbildung 12) in das Balancetraining bietet ein zusätzliches Element zur Steigerung der Herausforderung. Der Ball hat eine instabile Oberfläche und fordert vom Hund den Einsatz verschiedener Muskelgruppen, um sein Gleichgewicht zu halten. Der Peanut Ball kann für Steh-Übungen, Sitz-Steh-Übungen und Platz-Sitz-Steh-Übungen eingesetzt werden und dem dynamischen Balancetraining für Hunde mit fortgeschrittenem Fitnesslevel eine weitere Dimension hinzufügen. Wie immer sollte der Fokus auch bei diesen Übungen auf der Schaffung einer positiven und sicheren Erfahrung für den Hund liegen, wobei eine graduelle Steigerung in Richtung anspruchsvollerer Übungen angestrebt wird, um das Wohlbefinden des Hundes während des gesamten Trainingsprozesses sicherzustellen 2.

Der Hund steht auf einem Peanut Ball.
Abbildung 12. Stehübung auf einem Peanut Ball.
© von 2

Schlussfolgerung

Balanceübungen sind ein wichtiger Bestandteil der veterinärmedizinischen Therapie und unterstützen die Rehabilitation bei neurologischen und orthopädischen Erkrankungen, indem sie die Muskelfunktion und die posturale Stabilität verbessern. Ein zusätzliches propriozeptives Training wird für Sporthunde empfohlen, um Verletzungen vorzubeugen, und für ältere Tiere, um eine gute Lebensqualität zu erhalten. Ein gutes Verständnis der grundlegenden Mechanismen der posturalen Stabilität und der mit dem Alterungsprozess und Erkrankungen des Bewegungsapparats assoziierten Defizite sowie die Implementierung maßgeschneiderter Trainingsprogramme sind wesentliche Schritte zur Verbesserung der Balance und des allgemeinen Wohlbefindens bei Hunden. Mit Hilfe verschiedener Übungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und einer graduellen Heranführung an höhere Herausforderungen können Tierärzt*innen und Tierhalter*innen positive und sichere Trainingserfahrungen schaffen, und so letztlich die Gesundheit und Langlebigkeit der Hunde fördern.

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Christiane Lutonsky

Christiane Lutonsky

Nach Abschluss ihres Tiermedizinstudiums erwarb Dr. Lutonsky das CCRP-Zertifikat (Certified Canine Rehabilitation Practitioner) und begann mit der Arbeit an ihrer Dissertation Mehr lesen

Barbara Bockstahler

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Dr. Bockstahler studierte Tiermedizin in Wien und war danach über mehrere Jahre freiberuflich in der Kleintierpraxis tätig Mehr lesen

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