Zahnerkrankungen bei Hunden und Katzen
Die Diagnose von Zahnerkrankungen verlangt eine initiale Untersuchung der Maulhöhle, gefolgt von einer endgültigen Untersuchung der Maulhöhle unter Allgemeinanästhesie.
Ausgabe nummer 22.3 Zahnheilkunde
veröffentlicht 11/05/2021
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English
Entwickelt wurde eine unabhängige Methode für die objektive Beurteilung der Wirksamkeit von Produkten, die eine Plaque und Zahnstein reduzierende Wirkung bei Kleintieren für sich in Anspruch nehmen, wie uns Ana Nemec erläutert.
Erkrankungen der Maulhöhle und der Zähne stellen eine bedeutende Bedrohung für das Tierwohl von Hunden und Katzen dar - das häufigste Problem sind Parodontalerkrankungen.
Tägliches Zähneputzen zur Entfernung von Zahnablagerungen ist die beste Möglichkeit zur Verhinderung von Parodontalerkrankungen, es gibt aber praktische Alternativen, die sowohl für Tiere als auch für ihre Besitzer geeignet sind.
Das Veterinary Oral Health Council (VOHC) bietet ein unabhängiges Beurteilungssystem für Zahnpflegeprodukte, die Plaque und Zahnstein wirksam reduzieren.
Mit dem VOHC®; Siegel ausgezeichnete Produkte sind sorgfältig getestet auf ihre Wirksamkeit bei der Reduzierung von Plaque und/oder Zahnstein und können deshalb für die Zahnpflege zu Hause empfohlen werden.
Erkrankungen der Maulhöhle und der Zähne stellen eine bedeutende Bedrohung für das Wohlbefinden unserer Kleintiere dar, wobei Hunde und Katzen am häufigsten unter Parodontalerkrankungen leiden. Die proaktive Planung einer professionellen Zahnreinigung und eine regelmäßige häusliche Zahnpflege können in hohem Maße zur Vermeidung der Entstehung und des Fortschreitens von Parodontalerkrankungen beitragen. Eine wirksame häusliche Zahnpflege kann sich jedoch als große Herausforderung erweisen, und die Ideallösung des täglichen Zähneputzens ist in der häuslichen Umgebung nicht immer problemlos umzusetzen. Aus diesem Grund werden zahlreiche Alternativen für eine wirksame Reduzierung von Plaque und Zahnstein bei Kleintieren entwickelt. In Anbetracht der großen Vielfalt der heute auf dem Markt angebotenen Produkte kann es für Tierärzte oder Besitzer jedoch sehr schwierig sein, geeignete Produkte zu empfehlen bzw. zu finden, die auch tatsächlich wirksam sind. Das Veterinary Oral Health Council (VOHC) 1 wurde ins Leben gerufen, um eine neutrale und unabhängige Beurteilung von Zahnpflegeprodukten, die Plaque und Zahnstein bei Katzen und Hunden reduzieren, zu ermöglichen. Das VOHC®;-Siegel kann bei der Wahl der geeigneten Produkte für die Zahnvorsorge hilfreich sein.
Maulhöhlen- und Zahnerkrankungen – eine Frage des Tierwohls
Eine jüngste Studie stellt fest, dass Erkrankungen der Maulhöhle und der Zähne zu den Top drei Erkrankungen mit signifikanten Auswirkungen auf das Tierwohl bei Hunden gehören, basierend auf ihrer hohen Prävalenz, ihrer Dauer und ihres Schweregrades 2. Diese Sichtweise wird auch von der World Small Animal Veterinary Association geteilt 3. Unter den verschiedenen Erkrankungen der Maulhöhle und der Zähne kommen Parodontalerkrankungen am häufigsten vor und betreffen die meisten Hunde und Katzen zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens 4 5 6 7. Parodontalprobleme schreiten mit dem Alter fort, einige Individuen, insbesondere Hunde kleiner Rassen, können aber bereits in einem Alter von unter einem Jahr betroffen sein 5 6. Trotz der hohen Prävalenz chronisch entzündlicher Parodontalerkrankungen bei Kleintieren wurden die kausalen Mechanismen erst in jüngster Zeit eingehender untersucht und detaillierter aufgeklärt. Wie beim Menschen wird eine multifaktorielle Ätiologie vermutet, wobei man heute davon ausgeht, dass das Mikrobiom der Maulhöhle ein Haupttrigger für die Auslösung der Erkrankung ist, und Wirtsfaktoren sowie Umweltbedingungen an der Entwicklung und am Fortschreiten des pathologischen Geschehen beteiligt sind 8 9 10 11 12.
Ana Nemec
Eine der Hauptstrategien für die Prävention von Parodontalerkrankungen ist die Hemmung der Entwicklung von Plaque mit Hilfe der professionellen Zahnreinigung (Abbildung 1) und regelmäßiger häuslicher Zahnpflege.
Leitlinien für die entsprechende praxisinterne Diagnostik und Behandlung von Maulhöhlen- und Zahnerkrankungen sind heute gut etabliert 3. Der Goldstandard der häuslichen Zahnpflege ist nach wie vor das tägliche Zähneputzen (Abbildung 2), eine Maßnahme, die Plaque und Zahnstein wirksam reduziert 13 14 und das bakterielle Wachstum in der Maulhöhle hemmt 15. Untersuchungen zufolge ist tägliches Zähneputzen zur Kontrolle der Plaquebildung bei Hunden wirksamer als die tägliche Anwendung von Zahnkaustangen oder die Gabe von Tiernahrungen mit speziellen Zahnpflegeeigenschaften („Dental Diets“) 16. Die Bedeutung der regelmäßigen häuslichen Zahnpflege bei der Prävention von Parodontalerkrankungen konnte sogar bei sehr jungen Hunden gezeigt werden 5 6.
Da das regelmäßige Zähneputzen bei Kleintieren aber nicht immer eine realistische Option ist, müssen praktische Alternativen in Betracht gezogen werden, die eine Reduzierung von Plaque und Zahnstein unterstützen und dabei gleichzeitig den Anteil der „gesunden“ oralen Bakterien fördern 5 17. Wichtig ist darüber hinaus eine kontinuierliche Weiterbildung von Tierärzten, TFAs und Tierhaltern, um die Compliance mit den Empfehlungen zur häuslichen Zahnpflege zu verbessern 18 19.
Das VOHC ist allerdings keine Behörde, und wenn ein bestimmtes Produkt mit dem VOHC®; Siegel ausgezeichnet wird, bedeutet dies lediglich, dass es die definierten Standards für Wirksamkeit erfüllt, wenn eine Anwendung nach den Vorgaben des Herstellers erfolgt. Das VOHC verlangt darüber hinaus vom Hersteller eine Garantie, dass jedes beurteilte Produkt sicher ist (d. h., es verursacht keine Traumata an oralen Geweben und keine extraoralen Probleme wie Toxizität, ösophageale und/oder gastrointestinale Obstruktion oder Perforation und/oder nutritionelle Ungleichgewichte) und sämtliche gesetzlichen Vorschriften erfüllt. Nach Ausstellung des VOHC® Siegels für ein Produkt muss der Hersteller sicherstellen, dass die relevanten Kriterien auch weiterhin erfüllt werden und dass jegliche Beschwerden von Verbrauchern unmittelbar an das VOHC gemeldet werden.
Das VOHC® Siegel kann auf weitere Produkte der Produktreihe ausgeweitet werden, wenn diese nur geringfügige Unterschiede aufweisen (z. B. Geschmack), die keinen Einfluss auf die zahnpflegende Wirksamkeit haben. Bei größeren Unterschieden sind zusätzliche oder komplexere Studien erforderlich (z. B. wenn das Produkt eine andere Form hat oder die Inhaltsstoffe variieren oder wenn ein Produkt in alternativen Größen für Hunde verschiedener Körpergrößen vermarktet werden soll).
Alle Produkte werden je nach beabsichtigter Anwendung und Zieltierart entweder bei Hunden oder bei Katzen getestet. Das Studiendesign und die Analysemethoden müssen sorgfältig beschrieben und dokumentiert sein, die Studienprotokolle variieren jedoch je nach Produkttyp, um aussagekräftige Vergleiche zwischen den Testgruppen sicherzustellen. So sind zum Beispiel bei mechanisch wirksamen Produkten zum Kauen oder zur oralen Aufnahme, (z. B. Kaustangen, Kausnacks oder Nahrungen mit speziellen Zahnpflegeeigenschaften) immer zwei Gruppen von Tieren erforderlich – eine Testgruppe und eine Kontrollgruppe. Sämtliche Studiengruppen müssen dieselbe Anzahl von bezüglich Gewicht und Alter zusammenpassenden Tieren aufweisen, die vor Beginn der Studie randomisiert verteilt werden. Eine festgelegte Mindestanzahl von Tieren für jede Gruppe gibt es nicht, da dies bei unterschiedlichen Produkten variieren kann. In jedem Fall müssen jedoch die gemäß der Datenverteilung geeigneten statistischen Analysen durchgeführt werden. Zwei Studien müssen obligatorisch durchgeführt werden, um die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Tiere aus der ersten Studie dürfen dabei nicht in der zweiten Studie eingesetzt werden, Crossover-Studien sind jedoch je nach Studienzweck zulässig. Der Vorteil dieses Studiendesigns liegt darin, dass die Tiere als ihre eigenen Kontrollen dienen und deshalb insgesamt eine geringere Anzahl von Tieren pro Gruppe ausreichend sein kann. Bei der anschließenden Datenanalyse müssen jedoch potenzielle Carry-Over-Effekte berücksichtigt werden.
Bei den in den Studien eingesetzten Tieren kann es sich entweder um Kleintiere aus privatem Besitz (mit Einverständniserklärung der Tierhalter) handeln oder um Tiere aus einer vom U.S. Department of Agriculture (oder einer ähnlichen Institution) anerkannten Einrichtung (mit Genehmigung des Animal Care and Use Committee). Alle teilnehmenden Tiere müssen klinisch untersucht werden, um sicherzustellen, dass sämtliche Einschlusskriterien erfüllt sind – d. h. sie müssen einen guten allgemeinen Gesundheitszustand haben und dürfen keine hochgradige Parodontal- und/oder Zahnerkrankung aufweisen (Abbildung 4), insbesondere nicht im Bereich der Zähne, die für die Beurteilung von Plaque und Zahnstein herangezogen werden (die so genannten „VOHC-Zähne“). Darüber hinaus müssen bestimmte Standardkriterien erfüllt sein, um die Validität der Studien sicherzustellen (Tabelle 1).
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An Tag Null der Studie erfolgen ein gründliches Scaling (Zahnsteinentfernung) (Abbildung 1) und eine Politur der Zähne mit einer für die professionelle Zahnreinigung üblichen Standardtechnik. Anschließend wird eine Zahnfärbelösung aufgetragen, um zu überprüfen, ob Plaque und Zahnstein vollständig entfernt wurden („Clean Tooth Model“) (Abbildung 5 und 6). Am Ende der Studienperiode erfolgt ein erneutes Scoring der ausgewählten Zähne auf Plaque und Zahnstein. Berücksichtigt werden darüber hinaus etwaige mit Plaque und Zahnstein assoziierte Gingivitiden sowie jegliche während der Studie aufgetretenen nicht-gingivalen Entzündungen oder Traumata. Mit Hilfe dieser Scores wird ein Gingivitis-Index erstellt, der aber lediglich auf die Produktsicherheit hinweist, da das VOHC die Produkte nicht hinsichtlich etwaiger beanspruchter Wirkungen für eine Reduzierung von Gingivitis bewertet.
Danksagung
Ana Nemec ist seit 2019 Mitglied des VOHC Councils.
Tägliches Zähneputzen ist nach wie vor die bevorzugte Methode für die Bekämpfung von Plaque und Zahnstein bei Kleintieren. Es müssen jedoch auch Alternativen in Betracht gezogen werden, entweder als Ergänzung zu weniger regelmäßigem Zähneputzen oder als einzige Methode der Plaque- und Zahnsteinkontrolle, wenn das Zähneputzen aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist. Produkte mit VOHC® Siegel sind sicher und wurden gründlich getestet, um sicherzustellen, dass sie die Standards der Wirksamkeit bei der Reduzierung von Plaque und/oder Zahnstein erfüllen, wenn sie nach den Vorgaben des Herstellers angewendet werden. Produkte mit dem VOHC®; Siegel können deshalb für eine sichere häusliche Zahnpflege bei Hunden und Katzen empfohlen werden. |
Veterinary Oral Health Council Web site. Available at: www.vohc.org. Accessed Feb 28, 2021.
Ana Nemec
Ana Nemec, Small Animal Clinic, Veterinary Faculty, University of Ljubljana, Slowenien Mehr lesen
Die Diagnose von Zahnerkrankungen verlangt eine initiale Untersuchung der Maulhöhle, gefolgt von einer endgültigen Untersuchung der Maulhöhle unter Allgemeinanästhesie.
Die Zahnpflege und die zahnärztliche Versorgung sind notwendige Maßnahmen zur Förderung einer optimalen Gesundheit und Lebensqualität.
Zahnschäden treten häufig auf, sie werden aber oft übersehen oder ihre Folgen werden ignoriert, im besten Falle unterschätzt.
Bei der parodontalen Erkrankung handelt es sich um die bei Kleintieren am häufigsten festzustellende infektiöse Erkrankung mit einer Prävalenz von nahezu 80%.