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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 26.2 Marketing und Verkauf

Tierärztliche Praxis mit Fokus auf Katzen – Warum?

veröffentlicht 25/02/2021

Geschrieben von Susan Little

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Vor gerade einmal etwas mehr als 50 Jahren veröffentlichte das Canadian Veterinary Journal einen Artikel, der alles zusammenfasste, was man damals über die feline Medizin wusste. Es handelte sich dabei insgesamt um gerade einmal zehn Seiten. Seit damals ist die Popularität der Katzenmedizin stetig gestiegen. Die ersten ausschließlich auf Katzen ausgerichteten Praxen entstanden in den USA in den 1970er Jahren. Heute können Tierärzte in vielen Ländern spezielle fachtierärztliche Zertifikate für feline Medizin und Chirurgie erwerben und spezifische Fortbildungsangebote nutzen, einschließlich Fachzeitschriften und Lehrbüchern, die sich speziell dem Thema Katzenmedizin widmen. 

Ein wichtiger Teil des respektvollen Umgangs mit Katzen ist es, für ihre Bequemlichkeit zu sorgen, zum Beispiel während einer subkutanen Flüssigkeitstherapie.

Key points

Auch wenn in den vergangenen 50 Jahren große Fortschritte in der Katzenmedizin erzielt werden konnten, kommen Katzenbesitzer tendenziell weniger häufig in die Tierarztpraxis als Hundebesitzer.


Es liegt im besten Interesse von Tier, Besitzer und Tierarzt, die Praxispolitik und die Praxisabläufe auch den Bedürfnissen feliner Patienten anzupassen. Ein guter Ausgangspunkt ist das Verständnis der einzigartigen Wesensart der Katze.


Viele kleine Faktoren können den Unterschied ausmachen zwischen einer einladenden, entspannten, katzenfreundlichen Praxis und einer Praxis, die auf Katzen und deren Besitzer abschreckend wirkt.


Der respektvolle Umgang mit Katzen ist eine entscheidende Komponente einer erfolgreichen Katzenpraxis und kann auf mehreren Wegen erreicht werden.


Einleitung

Vor gerade einmal etwas mehr als 50 Jahren veröffentlichte das Canadian Veterinary Journal einen Artikel 1, der alles zusammenfasste, was man damals über die feline Medizin wusste. Es handelte sich dabei insgesamt um gerade einmal zehn Seiten. Seit damals ist die Popularität der Katzenmedizin stetig gestiegen. Die ersten ausschließlich auf Katzen ausgerichteten Praxen entstanden in den USA in den 1970er Jahren. Heute können Tierärzte in vielen Ländern spezielle fachtierärztliche Zertifikate für feline Medizin und Chirurgie erwerben und spezifische Fortbildungsangebote nutzen, einschließlich Fachzeitschriften und Lehrbüchern, die sich speziell dem Thema Katzenmedizin widmen. Allerdings besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen den Fortschritten in der Katzenmedizin und dem, was in der täglichen tierärztlichen Praxis geschieht. Obwohl die Katze inzwischen in vielen Ländern den Hund als beliebtestes Gesellschaftstier überholt hat, sind die meisten tierärztlichen Praxen nach wie vor in erster Linie auf canine Patienten ausgerichtet. Erst jüngst wurden zudem einige alarmierende Zahlen zur tierärztlichen Versorgung von Katzen veröffentlicht, die diese Kluft zwischen der Versorgung feliner und caniner Patienten deutlich unterstreichen. So war beispielsweise in den USA im Jahr 2011 die Anzahl der Tierarztbesuche mit Katzen im Vergleich zum Jahr 2006 um 4,4 % gesunken, während Besuche mit Hunden im selben Zeitraum um mehr als 9 % zugenommen hatten 2. Man schätzt, dass weniger als die Hälfte aller 74 Millionen Hauskatzen in den USA eine regelmäßige tierärztliche Versorgung erhalten. Einer Untersuchung in Kanada aus dem Jahr 2011 zufolge hatten nur 46 % der Katzenbesitzer ihre Katze im Jahr davor bei einem Tierarzt vorgestellt, während dieser Anteil unter Hundebesitzern 77 % betrug 3. Diese Statistiken sind zweifellos enttäuschend, sie können aber zugleich als Motivation dienen, die medizinische Versorgung zu verbessern und das tierärztliche Business zu fördern.

Die Gründe für den Rückgang der tierärztlichen Versorgung bei Katzen sind zahlreich und komplex 4:

Praktische Schwierigkeiten, eine Katze in die Praxis zu bringen
Geringes Bewusstsein unter Besitzern über die grundlegenden medizinischen Bedürfnisse von Katzen 
Schwierigkeiten der Besitzer, subtile Krankheitsanzeichen bei Katzen zu erkennen 
Die Wahrnehmung, dass Katzen sich sehr gut um sich selbst kümmern können
Die Meinung, dass Wohnungskatzen vor den meisten Krankheiten geschützt sind 
Der als eher gering wahrgenommene Wert von Katzen, da viele Katzen entweder zugelaufen sind oder kostenlos erworben wurden
Unannehmlichkeiten und Stress auf Seiten des Besitzers rund um den Besuch in der tierärztlichen Praxis 

Warum eine katzenfreundliche Praxis? 

Alle Tierärzte, die Katzen behandeln, können von einem besseren Verständnis des einzigartigen Wesens der Katze, aber auch ihrer speziestypischen physiologischen und behavioralen Reaktionen auf Stress profitieren. Katzen haben eine sehr enge Bindung an ihre gewohnte heimische Umgebung und verlassen diese nur selten freiwillig. Wird die Katze gegen ihren Willen in eine ihr fremde Umgebung verfrachtet, verliert sie das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit und entwickelt Angst und Distress. Katzen ziehen es generell vor, sich Gefahren und Konfrontationen zu entziehen, indem sie flüchten oder sich verstecken. Während eines Tierarztbesuches sind diese Vermeidungsstrategien natürlich nur schwer umzusetzen. Es ist daher wichtig, den Besuch beim Tierarzt für die Katze, aber auch für ihren Besitzer, so angenehm wie möglich zu gestalten. Nach Möglichkeit sollte diese Prämisse bereits beim ersten Praxisbesuch eines Katzenwelpen oder einer jungen Katze beherzigt werden. Da Katzen in dieser Altersgruppe während einer tierärztlichen Konsultation in der Regel weniger zu Angst neigen als ihre adulten Artgenossen, bieten diese ersten Besuche eine gute Gelegenheit zum Aufbau einer Bindung zwischen Katze und Besitzer auf der einen Seite und der Praxis auf der anderen Seite. Voraussetzung ist, dass der Besuch zu einer positiven Erfahrung für alle Beteiligten wird. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil einige Besitzer eine traumatische Erfahrung in der Tierarztpraxis als deutlich schlimmer empfinden als eine vernachlässigte tierärztliche Versorgung ihrer Katzen. Die Implementierung von Maßnahmen zur Schaffung einer katzenfreundlichen Praxisumgebung kombiniert mit Anwendung respektvoller Techniken zum Handling von Katzen führt daher zu einer Verbesserung des Tierwohls und der tierärztlichen Versorgung. Darüber hinaus wird die tägliche Arbeit mit Katzen dadurch sicherer und letztlich gewinnbringender für das gesamte Praxisteam. Eine den unterschiedlichen Lebensabschnitten der Katze angepasste Medizin fördert zudem das frühzeitige Erkennen und damit eine frühzeitige Behandlung von Problemen. Dadurch werden nicht nur die Tiergesundheit und das Tierwohl verbessert, sondern auch die Mensch Tier-Bindung gestärkt.

Stressminderung

Es liegt im besten Interesse unserer felinen Patienten und natürlich auch im besten geschäftlichen Interesse der Veterinärmedizin, die Praxispolitik und die Praxisabläufe auch auf die Bedürfnisse unserer felinen Patienten auszurichten. Dies beginnt bereits vor dem Praxisbesuch mit der Beratung der Besitzer zu wichtigen Themen wie geeigneten Katzentransportkörben und dem Transport der Katze zur Praxis. In einer Studie sagten 58 % der Katzenbesitzer, dass bereits der Gedanke an die Fahrt mit der Katze zur Praxis Stress auslöst (im Vergleich zu 38 % der Hundebesitzer), und 38 % sagten, dass ihre Katze den Besuch in der Tierarztpraxis hasst (verglichen mit 26 % der Hundebesitzer) 5.

Die Reduzierung von Stress im Zusammenhang mit dem Tierarztbesuch beginnt bereits zu Hause beim Besitzer. Die Gewöhnung an die Transportbox und an die Fahrt sollte bereits früh im Leben einer Katze beginnen. Katzen sollten immer in einer geeigneten, geschlossenen Transportbox zur Praxis gefahren werden, da es sehr gefährlich ist, eine Katze frei im Auto zu transportieren. In einem Transportkorb sollte maximal eine Katze transportiert werden, da es in angstvollen Situationen zu umgeleiteten Aggressionen und Verletzungen von Mitinsassen der Box kommen kann. Am besten geeignet sind stabile, massive Transportboxen mit breiten Öffnungen an der Front- und an der Oberseite oder mit einfach abnehmbarem Oberteil (Abbildung 1).

Die Box sollte der Katze ein sicheres und geborgenes Gefühl verleihen. Boxen mit transparenten Seiten können mit einem Handtuch oder einer Decke verhängt werden, um der Katze eine gewisse Privatsphäre zu verschaffen. Zur Unterstützung kann ein mit felinen Gesichtspheromonen besprühtes Handtuch in die Box gelegt werden, am besten etwa 15 Minuten vor dem Zusetzen der Katze (damit der Alkohol im Spray verdampfen kann). Verschiedene zusätzliche Maßnahmen können helfen, der Katze die Angst vor der Transportbox zu nehmen, wie zum Beispiel das Aufstellen der Box in der Wohnung damit sich die Katze daran gewöhnt, das Füttern der Katze in der Nähe der Box oder sogar in der Box, das Deponieren von Katzenminze oder Spielzeug in der Box, das Trainieren des Betretens der Box auf Kommando über Belohnungen und schließlich das frühzeitige Gewöhnen der Katze an das Auto und die Transportbox durch gelegentliche kurze Fahrten, die nicht zur Tierarztpraxis führen. Für die Fahrt zur Praxis sollte die Katze einen nüchternen Magen haben, da dies zum einen die Prävention der Reisekrankheit unterstützt und zum anderen dafür sorgt, dass die Katze in der Praxis größeres Interesse an Snacks zeigt. In einigen Fällen können Arzneimittel wie Maropitant hilfreich sein, um einer Reisekrankheit vorzubeugen.

 
Ein Katzentransportkorb mit großer Öffnung ist ideal.

Abbildung 1. Ein Katzentransportkorb mit großer Öffnung ist ideal. © Susan Little

Die katzenfreundliche Praxis 

In der Praxis angekommen sollte der Besitzer mit sichtbaren Signalen empfangen werden, wie zum Beispiel Postern, Fotos von Katzen der Mitarbeiter und Kunden, Produkten für Katzen und katzenspezifischen Informationen, die ihm deutlich vermitteln, dass Katzen in dieser Praxis willkommen sind und für das Team einen wichtigen Stellenwert als Patienten haben. Praxismitarbeiter, die mit Katzen und deren Besitzern interagieren, sollten gute Kenntnisse haben über die allgemeine Pflege und das Verhalten von Katzen, das Handling von Katzen, ihre medizinischen und chirurgischen Bedürfnisse sowie die verschiedenen Katzenrassen. Die Praxis kann zudem spezielle Informations- und Schulungsveranstaltungen über interessante Themen wie Diabetes, Prävention und Behandlung von Adipositas, Welpenkindergarten etc. anbieten. Ein separater, katzenfreundlicher Wartebereich, in den Hunde keinen Zutritt haben, kann durch räumliche Abtrennung eines Teils des Empfangsbereiches eingerichtet werden. Im Wartebereich für Katzen sollten erhöhte Abstellmöglichkeiten (Stühle oder kleine Tische) vorhanden sein, damit die Transport boxen mit den Katzen nicht auf dem Boden abgestellt werden müssen (Abbildung 2). Im Idealfall werden Besitzer und Katze so bald wie möglich nach ihrer Ankunft in der Praxis in einen ruhigen und stressfreien Untersuchungsraum gesetzt. Eine Minimierung der Wartezeiten unterstützt die Minderung von Stress bei Katze und Besitzer. Einige Praxen bieten sehr erfolgreich exklusiv für feline Patienten reservierte Sprechzeiten an (z. B. einen Nachmittag in der Woche oder einen Samstag pro Monat).

Ein katzenfreundlicher Empfangs­ und Wartebereich in einer Tierklinik in Tokio

Abbildung 2a. Ein katzenfreundlicher Empfangs­ und Wartebereich in einer Tierklinik in Tokio mit Tischen zum Abstellen der Katzenboxen und Decken, um die Boxen abzudecken. © Susan Little

Kommerzielle Regale zum Abstellen von Katzenboxen im Wartezimmer.

Abbildung 2b. Kommerzielle Regale zum Abstellen von Katzenboxen im Wartezimmer. © Susan Little

 

Im Untersuchungsraum sollten sämtliche für feline Patienten benötigten Materialien, Medikamente und Instrumente verfügbar sein (Abbildung 3), damit der Raum während der Untersuchung nicht verlassen werden muss, um eventuell fehlende Dinge zu holen. Sämtliches Equipment (z. B. Stethoskop, Fieberthermometer etc.) muss nach jedem Patienten gereinigt werden, und zwar nicht nur zur Verringerung der Gefahr einer Übertragung von Krankheiten, sondern auch zur Vermeidung anhaftender Gerüche von zuvor behandelten Patienten. Nach Möglichkeit sollte ein Untersuchungsraum in der Praxis speziell für die Untersuchung und Behandlung von Katzen konzipiert und eingerichtet werden. Im Untersuchungsraum sollte der Tierarzt zunächst im Gespräch mit dem Besitzer den Vorbericht erheben und der Katze während dieser Zeit die Möglichkeit geben, aus der Box herauszukommen und den Untersuchungsraum zu erkunden. Katzen reagieren sehr empfindlich auf optische (andere Katzen, andere Tiere), akustische (z. B. Stimmen, Instrumente, Türklingeln) und olfaktorische (Parfüm, Desinfektionsmittel, Alkohol) Reize, die im Umfeld einer Untersuchung ganz im Sinne einer Reduzierung der Angst bei der Katze sehr sorgfältig vermieden werden sollten. Der Untersuchungsraum für Katzen sollte in einem ruhigen, wenig frequentierten Bereich der Praxis liegen.

Es gibt keine Regel, die besagt, dass alle Katzen zwingend auf einem rostfreien Stahltisch untersucht werden müssen. Viele Katzen fühlen sich deutlich wohler, wenn sie für die Untersuchung in ihrer Transportbox bleiben können (bei abgenommenem Oberteil) oder auf dem Schoß, auf dem Boden, auf einem Regal oder dem Fensterbrett, in einer Kiste oder einem Korb oder sogar auf der Tierwaage untersucht werden. Die Oberfläche von Untersuchungstischen sollte mit rutschfestem, abwaschbarem Material abgedeckt werden, wie zum Beispiel Badezimmermatten aus Gummi. Für die Untersuchung von Katzen eignen sich oft auch Tische aus dem nicht medizinischen Bereich, wie zum Beispiel kleinere Tische aus Möbelgeschäften oder speziell angefertigte Tische unterschiedlicher Formen. Nach Möglichkeit sollte man die Katze auf dem gewohnten Handtuch oder der Liegeunterlage lassen, mit der sie in die Praxis transportiert wurde. Im Wartebereich, im Untersuchungsraum und in allen Bereichen der Praxis, in denen Katzen untergebracht werden, sollten unterstützend feline Gesichtspheromone mit Hilfe von Zerstäubern für die Steckdose appliziert werden. Die Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt. So muss zum Beispiel ausgeschlossen sein, dass frei umherlaufende Katzen durch offene Türen oder Fenster entkommen oder sich in unzugänglichen Bereichen der Praxis verstecken können.

Einfache Maßnahmen wie Krallenschneiden, Blutdruckmessung, Blutprobenentnahme oder das Auffangen von Harnproben sollten nach Möglichkeit im Untersuchungsraum durchgeführt werden, so dass die Katze hierfür nicht extra in einen anderen Teil der Praxis verbracht werden muss. Es ist besser, das Personal begibt sich zur Katze, als die Katze in einen anderen Bereich der Praxis zu verbringen, wo sie sich zunächst erst wieder an die neue Umgebung gewöhnen muss. Ist es dem Besitzer unangenehm, bei bestimmten Maßnahmen anwesend zu sein, sollte man ihn bitten, im Empfangsbereich zu warten, bis die Behandlung abgeschlossen ist.

 
Ein katzenfreundlicher Untersuchungsraum sollte mit relevanten Informationen über Katzen ausgestattet sein und sämtliches Equipment in Reichweite haben.

Abbildung 3. Ein katzenfreundlicher Untersuchungsraum sollte mit relevanten Informationen über Katzen ausgestattet sein und sämtliches Equipment in Reichweite haben. © Susan Little

Susan Little

Alle Tierärzte, die Katzen behandeln, können von einem besseren Verständnis des einzigartigen Wesens der Katze, aber auch ihrer speziestypischen physiologischen und behavioralen Reaktionen auf Stress profitieren.

Susan Little

Der Umgang mit Katzen

Der respektvolle Umgang mit Katzen ist eine ganz wesentliche Komponente für eine erfolgreiche Katzenpraxis 6. Die Wahrscheinlichkeit, dass Besitzer auch im Anschluss für regelmäßige Visiten in die Praxis zurückkommen, erhöht sich deutlich, wenn sie den Eindruck haben, dass Tierarzt und Praxisteam mit Katzen gekonnt und sanft umgehen können. Zudem sind viele Teammitglieder nicht gerade begeistert, mit Katzen arbeiten zu müssen, wenn ihnen die hierfür notwendigen Kenntnisse und das geeignete Equipment fehlen. Sie machen sich Sorgen über mögliche Verletzungen und zoonotische Krankheiten und mögen es nicht, wenn schwierig zu behandelnde feline Patienten für Störungen im effizienten und geregelten Praxisablauf sorgen. Im schlimmsten Fall sind eine vollständige klinische Untersuchung, die Entnahme von Proben für die Labordiagnostik oder die Durchführung diagnostischer Tests sehr schwierig oder gänzlich unmöglich. Angst und Stress auf Seiten der Katze können zudem einen Einfluss auf die Ergebnisse diagnostischer Tests haben (Tabelle 1).

 

Tabelle 1. Auswirkungen von Stress und Angst auf die Ergebnisse diagnostischer Tests bei Katzen.
Stresshyperglycämie
Bluthochdruck („Weißkitteleffekt“)
Lymphozytose und Neutrophilie
Erhöhter Harn­pH­Wert
Hypokaliämie

 

Endgültig vorbei sind die Zeiten, in denen ängstliche oder defensive Katzen routinemäßig mit dicken Lederhandschuhen angefasst oder im Genick gepackt wurden. Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Handling von Katzen liegt im Verständnis ihres arttypischen Verhaltens. Die meisten unerwünschten Verhaltensweisen, die Katzen in der Tierarztpraxis an den Tag legen, werden durch Angst oder Schmerz ausgelöst. Die körperliche Auseinandersetzung ist für die meisten Katzen nur der letzte Ausweg. In solchen Situationen ist ihr Verhalten in erster Linie auf Vermeidung und Flucht ausgerichtet. Je mehr Kontrolle die Katze während der Visite hat, je weniger energisch und aggressiv das Handling und je nachsichtiger und sanfter das Agieren des Praxispersonals, desto besser ist letztlich das Ergebnis für alle Beteiligten. Viele ängstliche Katzen lassen sich erfolgreich untersuchen, wenn man ihnen ein Handtuch über den Kopf legt, um ihnen die Sicht auf ihr unbekannte Menschen und Orte zu nehmen und dadurch ihre Angst zu lindern. Einer Katze sollte man sich stets ruhig und leise sprechend annähern. Direkter Augenkontakt ist zu vermeiden, da das „Starren“ von der Katze als konfrontativ empfunden wird. Minimale Zwangsmaßnahmen sind generell der beste Ansatz für das Handling von Katzen. In der Literatur werden zahlreiche Methoden, wie zum Beispiel das Einwickeln in ein Handtuch, beschrieben, man sollte aber immer mit der am wenigsten invasiven Methode beginnen und erst im weiteren Verlauf der Visite zu stressreichen Maßnahmen greifen, wenn sanfte Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Zudem empfiehlt es sich, positives Verhalten der Katze mit Spielzeug (Abbildung 4) oder Snacks (nach Genehmigung des Besitzers) zu verstärken und negatives Verhalten zu ignorieren, anstatt den Versuch zu unternehmen, es zu korrigieren.

In der Patientenkartei sollte immer vermerkt werden, welche Art und Weise des Handlings bei einem gegebenen Patienten am besten funktioniert hat und welche Maßnahmen vermieden werden sollten. Katzen, die bei tierärztlichen Visiten ängstlich oder furchtsam sind, können von längeren Terminen profitieren, die verhindern, dass die Konsultation in einer gehetzten Atmosphäre abläuft. Wenn alle anderen Maßnahmen scheitern, sollte eine Sedierung in Betracht gezogen werden. Nicht zu empfehlen sind eskalierende Zwangsmaßnahmen mit dem Risiko eines ungünstigen Ergebnisses für alle Beteiligten.

 
Snacks oder Spielzeuge können helfen, den Stress der Katze im Untersuchungsraum zu lindern.

Abbildung 4. Snacks oder Spielzeuge können helfen, den Stress der Katze im Untersuchungsraum zu lindern. © Susan Little

Überlegungen zum Besitzer 

Nicht nur Katzen durchleben während einer Visite in der tierärztlichen Praxis Angst. Auch der Besitzer, der sein Tier in den Untersuchungsraum begleitet, fühlt oft ein banges Unbehagen, das sein Verhalten und das der Katze beeinflussen kann. Folgende Tipps für Besitzer unterstützen die Linderung seiner Angst im Untersuchungsraum:

Bitten Sie den Besitzer, menschliches Verhalten, das die Katze beruhigen soll, zu unterlassen, da es ihre Angst tatsächlich noch zusätzlich steigern kann. Beispiele wären das feste Umklammern der Katze, das direkte Ansprechen oder Starren in ihr Gesicht oder die Verletzung ihres persönlichen Bereiches. Auch Geräusche, die eine Katze besänftigen oder beruhigen sollen („schhhhhhh“), können kontraproduktiv sein, da sie das Fauchen einer anderen Katze imitieren.
Körperliche Züchtigungen wie das Tätscheln des Kopfes oder strenge verbale Maßregelungen können die Katze erschrecken und die „Fight-or-Flight“-Reaktion auslösen. Katzenbesitzer und Praxismitarbeiter sollten berücksichtigen, dass Katzen zwar Familienmitglieder sind, letztlich aber keine Menschen, und unsere Bemühungen, sie zu disziplinieren, deshalb nicht verstehen.
Oft ist es hilfreich, den Besitzer zu bitten, die Katze zunächst nicht aus der Transportbox zu nehmen, bis alle Vorbereitungen getroffen sind und ein Mitglied des Praxisteams explizit dazu auffordert. 

Nach Abschluss der Visite kann ein Teammitglied für die Durchführung des „Check out“ und des Zahlungsvorgangs in den Untersuchungsraum kommen oder die Katze bleibt zunächst im Transportkorb im Untersuchungsraum, während der Besitzer die Formalitäten draußen am Empfang regelt.

Stationäre Aufnahme von Katzen

Es gibt viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Erfahrungen von Katzen im Zusammenhang mit einem stationären Aufenthalt, unabhängig davon, ob sie gesund sind und für eine elektive Maßnahme aufgenommen werden oder ob es sich um kranke Katzen handelt, die für diagnostische und therapeutische Maßnahmen eingestellt werden (Abbildung 5) 7. Die Käfige für stationäre Katzen sollten nach Möglichkeit immer räumlich getrennt von der Hundestation sein. Zudem sollten die Katzenkäfige so positioniert werden, dass Katzen keinen direkten Blickkontakt zu Artgenossen haben. Material und Ausstattung des Käfigs sollten Geräusche dämpfen und Wärme speichern und können aus Liegeunterlagen oder Decken von zu Hause bestehen. Kisten als Versteckmöglichkeiten sollten aus gut zu reinigenden Materialien bestehen oder dem Einmalgebrauch dienen, wie zum Beispiel Kartons. Bei ausreichendem Platzangebot kann auch die eigene Transportbox mit offener oder entfernter Tür im Käfig aufgestellt werden. Die Öffnung jeglicher Boxen oder Kisten sollte nicht direkt zur Tür des Katzenkäfigs gerichtet sein, um der Katze eine gewisse geschützte Privatsphäre zu bieten. Der Käfig sollte eine ausreichende Größe haben, um Futter- und Wassernäpfe in ausreichendem Abstand von der Katzentoilette entfernt aufstellen zu können. Zur Verbesserung des Appetits und des normalen Verhaltens können feline Gesichtspheromone 15 Minuten vor dem Einsetzen der Katze auf Handtücher oder Liegeunterlagen im Käfig gesprüht werden 8.

Da Katzen ursprünglich in wüstenartigen Regionen lebten, sind im Katzenkäfig Umgebungstemperaturen anzustreben, die etwas oberhalb der Komfortzone für uns Menschen liegen. Höhere Temperaturen können unter anderem mit zusätzlich isolierenden Decken erreicht werden, die von Katzen gern zum „Nestbau“ verwendet werden. Viele stationär untergebrachte Katzen fressen schlecht, da sie unter Stress leiden. Die Verbesserung der Käfigausstattung, insbesondere das Anbieten von Versteckmöglichkeiten kann die Nahrungsaufnahme fördern, parallel müssen aber in jedem Fall auch mögliche medizinische Anorexieursachen, wie zum Beispiel Nausea oder Schmerzen abgeklärt werden. Zudem empfiehlt es sich, den Besitzer zu bitten, das gewohnte Futter von zu Hause mitzubringen, anstatt die Katze während des stationären Aufenthaltes an eine neue Nahrung zu gewöhnen.

 
Ein wichtiger Teil des respektvollen Umgangs mit Katzen ist es, für ihre Bequemlichkeit zu sorgen, zum Beispiel während einer subkutanen Flüssigkeitstherapie.

Abbildung 5. Ein wichtiger Teil des respektvollen Umgangs mit Katzen ist es, für ihre Bequemlichkeit zu sorgen, zum Beispiel während einer subkutanen Flüssigkeitstherapie. © Susan Little

Weitere Überlegungen 

Inzwischen gibt es zahlreiche Ressourcen zur Unterstützung von Tierärzten bei ihren Bemühungen, die Katzen weiter in den Fokus ihrer Praxis zu rücken. In vielen Ländern stehen verschiedene Programme von Organisationen wie International Cat Care (www.icatcare.org) und der American Association of Feline Practitioners (www.catvets.com) zur Verfügung, die tierärztlichen Praxen helfen, die Anzahl der felinen Praxisbesuche zu erhöhen und die medizinische Versorgung von Katzen zu verbessern. Die Teilnahme an diesen Programmen eröffnet Praxen unter anderem die Möglichkeit, die Bezeichnung „Cat Friendly Practice” oder „Cat Friendly Clinic” zu erwerben. Darüber hinaus bieten diese Programme zahlreiche Ressourcen für die Ausbildung der Praxismitarbeiter, Fortbildungen und Unterstützung für die Nutzung sozialer Medien (z. B. Facebook, Twitter und Pinterest). Katzenbesitzer greifen sehr gern auf solche Webseiten zu, und eine Präsenz in den sozialen Medien hilft tierärztlichen Praxen, ihre Expertise im Bereich der Katzenmedizin und ihr Engagement für eine Verbesserung der Erfahrungen von Katzen und Besitzern in der tierärztlichen Praxis in die breite Öffentlichkeit zu transportieren.

Das Optimum in der veterinärmedizinischen Versorgung von Katzen

Die höchste Stufe der Anpassung in der felinen Medizin ist die reine Katzenpraxis. In Nordamerika gibt es bereits hunderte solcher Praxen und Kliniken und die Idee ist, deren Popularität auch in Europa und Asien weiter zu steigern. Das Konzept der tierartspezifischen Praxis oder Klinik hat zahlreiche Vorteile, wie zum Beispiel Mitarbeiter mit besonderem Interesse an der Katzenmedizin und besonderer Befähigung zum Umgang mit Katzen. Da Katzen kleiner sind als die Mehrzahl der Hunde, haben die meisten reinen Katzenpraxen in der Regel eine geringere Größe als traditionelle tierärztliche Praxen, was sich insbesondere in Regionen mit hohen Immobilienpreisen als durchaus vorteilhaft erweisen kann. Zudem wird eine geringere Bandbreite an Equipment benötigt und ein insgesamt kleineres Inventar an Arzneimitteln und sonstigen Materialien. Gleichzeitig können auf Katzen spezialisierte Praxen aber oft sehr viel spezifischere diagnostische und therapeutische Maßnahmen anbieten, da sich ihr Budget auf nur eine Tierart fokussiert.

Eine weitere Option für eine angepasste Veterinärmedizin ist das Anbieten von Hausbesuchen. Die meisten präventiven Maßnahmen bei Katzen kann ein Tierarzt zusammen mit einer TFA (oder einem anderen ausgebildeten Teammitglied) auch zu Hause beim Besitzer durchführen. Katzenbesitzer schätzen es zudem, wenn einfachere medizinische Maßnahmen, Blutentnahmen, das Sammeln von Harnproben und natürlich eine Euthanasie im heimischen Umfeld durchgeführt werden. Hausbesuche haben zahlreiche Vorteile für Besitzer und für Katzen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, die gewohnte heimische Umgebung nicht verlassen zu müssen und die Vermeidung von Stress im Zusammenhang mit der Fahrt in die Praxis. Zudem haben manche Besitzer aus gesundheitlichen oder transporttechnischen Gründen Probleme, in die Praxis zu kommen, oder sie haben schlicht nicht die Zeit, um offizielle Termine in der Praxis wahrzunehmen, insbesondere, wenn damit längere Fahrten unter schwierigen Verkehrsverhältnissen verbunden sind. Es gibt aber auch Vorteile für den Tierarzt. Richtig durchgeführte Hausbesuche können eine relativ entspannte Angelegenheit sein mit sehr viel mehr Zeit für den Vorbericht und die klinische Untersuchung. Zudem kann sich der Tierarzt vor Ort ein Bild von der häuslichen Umgebung und den Haltungsbedingungen der Katze machen. Wichtig ist dies insbesondere bei Katzen mit Verhaltensproblemen und Unsauberkeitsproblemen. Hausbesuche haben aber auch einige potenzielle Nachteile, insbesondere wenn es sich um kranke Katzen handelt, die letztlich doch in die Praxis gebracht werden müssen, um weiterführende diagnostische Maßnahmen und spezifischere Behandlungen durchzuführen.

Unabhängig von der Art der Praxis oder Klinik ist jeder Tierarzt, der Katzen behandelt, letztlich ein „Katzentierarzt“. Folgt man dem Rat der legendären Katzentierärztin Dr. Barbara Stein, die immer betonte, dass „Katzen keine kleinen Hunde sind“, und nutzt man die Fülle der verfügbaren Ressourcen, so kann man als praktischer Tierarzt die ersten wichtigen Schritte zur Verbesserung der Versorgung von Katzen gehen und damit die Erfahrungen von Katzen, Besitzern und Praxismitarbeitern stetig verbessern.

 

References

  1. Graham JEB. An outline of feline medicine. Can Vet J 1961;2:257-260, 282-287. 

  2. AVMA. US pet ownership and demographic sourcebook. Schaumburg, Ill: AVMA, 2012.

  3. Canada’s Pet Wellness Report, CVMA & Hill’s Pet Nutrition, 2011. Available at: https://www.canadianveterinarians.net/documents/canada-s-pet-wellness- report2011. Accessed 29th Feb 2016.

  4. Lue TW, Pantenburg DP, Crawford PM. Impact of the owner-pet and client-veterinarian bond on the care that pets receive. J Am Vet Med Assoc 2008;232:531-540. 

  5. Volk JO, Felsted KE, Thomas JG, et al. Executive summary of the Bayer veterinary care usage study. J Am Vet Med Assoc 2011;238(10):1275-1282. 

  6. Rodan I, Sundahl E, Carney H, et al. AAFP and ISFM Feline-Friendly Handling Guidelines. J Feline Med Surg 2011;13:364-375. Available at: http://www. catvets.com/guidelines/practice-guidelines. Accessed 29th Feb 2016.

  7. Carney HC, Little S, Brownlee-Tomasso D, et al. AAFP and ISFM Feline- Friendly Nursing Care Guidelines. J Feline Med Surg 2012;14:337-349. Available at: http://www.catvets.com/guidelines/practice-guidelines. Accessed 29th Feb 2016. 

  8. Griffith CA, Steigerwald ES, Buffington CAT. Effects of a synthetic facial pheromone on behavior of cats. J Am Vet Med Assoc 2000;217(8):1154-1156.

Susan Little

Susan Little

Susan Little, Cat Hospital, Ottawa, Kanada Mehr lesen

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