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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 32.3 Sonstiges Wissenschaft

Kopfverletzungen beim Hund

veröffentlicht 04/01/2023

Geschrieben von David Sender und Kendon Kuo

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português , Español und English

Kopfverletzungen bei Kleintieren können für jeden Tierarzt eine Herausforderung darstellen. Dieser Artikel bietet eine übersichtliche und kurz gefasste Zusammenfassung praktischer Behandlungsoptionen in solchen Fällen.

Diese 3D-Darstellung aus dem Ganzkörper-CT

Kernaussagen

Kopfverletzungen, die eine Dysfunktion der normalen Hirnphysiologie hervorrufen, sind relativ häufige Befunde in der Notfallsprechstunde bei Kleintieren.


Das unmittelbare therapeutische Ziel bei traumatischen Hirnverletzungen ist die schnelle Minimierung sekundärer Hirnverletzungen durch geeignete Flüssigkeitstherapie, Analgesie und adjuvante Behandlungen.


Verlaufsuntersuchungen von Patienten mit Kopfverletzungen unterstützen die Orientierung der Behandlungsstrategien und sollten als ein fester Bestandteil der kontinuierlichen medizinischen Versorgung eingeplant werden.


Die Prognose kann bei der ersten Untersuchung schwierig zu stellen sein. Sogar Patienten mit persistierenden neurologischen Defiziten kommen oft überraschend gut zurecht.


Einleitung

Kopfverletzungen und traumatische Hirnverletzungen (THV) sind eine häufige Ursache signifikanter Morbidität und Mortalität bei Kleintieren. Einem Review über stumpfe Traumata bei Hunden zufolge zeigten 25 % der Patienten Hinweise auf traumatische Hirnverletzungen, und diese waren mit verminderten Überlebensraten assoziiert 1. Häufige Ursachen von Kopfverletzungen sind stumpfe Traumata durch ein sich bewegendes Fahrzeug, Bissverletzungen, Stürze, Quetsch- und Stoßverletzungen, Schussverletzungen und durch Menschen zugefügte Traumata 2. In einer Studie waren die meisten Fälle von Verletzungen bei Hunden und Katzen auf stumpfe Traumata durch Fahrzeuge und Quetsch- oder Stoßverletzungen zurückzuführen 3. Kopfverletzungen können selbstlimitierend sein, aber auch zu signifikanten traumatischen Hirnverletzungen, Koma und sogar Todesfällen führen, wobei Mortalitätsraten von 18-24 % beschrieben werden 4. Bei veterinärmedizinischen Patienten können Kopfverletzungen anfangs sehr dramatisch und besorgniserregend erscheinen, so dass die Prognose hinsichtlich einer Erholung von den Besitzern der betroffenen Tiere nicht selten in Frage gestellt wird. Tiere scheinen diesbezüglich aber relativ resilient zu sein, und unter adäquater medizinischer Versorgung und Pflege können sich viele Patienten selbst nach einem Verlust erheblicher Volumina von Hirngewebe erholen 5. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Pathophysiologie, die klinische Beurteilung betroffener Patienten, die Diagnose und die Behandlungsempfehlungen für Hunde mit Kopfverletzungen und traumatischen Hirnverletzungen.

Pathophysiologie

Normale Hirnphysiologie

Die Schädelhöhle ist ein starrer Hohlraum mit definiertem Volumen. Die Monro-Kellie-Doktrin (Abbildung 1) besagt, dass die Summe der drei Komponenten innerhalb der Schädelhöhle – also Hirnparenchym + Blut + Liquor cerebrospinalis - stets gleich bleiben muss, um den intrakraniellen Druck konstant zu halten. Die Zunahme einer dieser Komponenten oder die Addition einer zubildungsartigen Komponente sorgt stets für eine kompensatorische Abnahme der anderen Komponenten. In diesen Fällen spricht man auch von einer veränderten intrakraniellen Compliance. Kann dieser kompensatorische Ausgleich nicht in ausreichendem Maße stattfinden, kommt es zu einer Erhöhung des intrakraniellen Drucks.

Der intrakranielle Druck (ICP) ist der durch die Gewebe und Flüssigkeiten ausgeübte Druck auf die Schädelhöhle. Der zerebrale Blutfluss (CBF) versorgt das Hirngewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen und wird primär durch den zerebralen Perfusionsdruck (CPP) bestimmt. Letzterer wird durch folgende Gleichung repräsentiert: CPP = MAP – ICP, wobei MAP für den mittleren arteriellen Blutdruck steht. Die treibende Kraft für den zerebralen Blutfluss (CBF) ist der zerebrale Perfusionsdruck (CPP). Dies wird durch folgende Gleichung zum Ausdruck gebracht: CBF= CPP/CVR, wobei CVR für den zerebrovaskulären Widerstand steht.

Die Autoregulation sorgt über eine Regulation der Weite der zerebralen Blutgefäße auch bei Veränderungen des systemischen Blutdrucks (MAP 50-150 mmHg) für einen weitgehend konstanten zerebralen Blutfluss. Unter normalen Bedingungen ist die intrakranielle Compliance hoch, so dass Veränderungen des intrakraniellen Volumens nur einen minimalen Einfluss auf den intrakraniellen Druck haben. Eine Kopfverletzung kann jedoch zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks mit einem Verlust der Autoregulation führen. Die Folge ist eine vermehrte Abhängigkeit des zerebralen Blutflusses vom systemischen Blutdruck (vom mittleren arteriellen Blutdruck). Ein signifikanter Anstieg des intrakraniellen Drucks kann letztlich also zu einem verminderten zerebralen Perfusionsdruck und damit zu einem reduzierten zerebralen Blutfluss führen, und dies hat wiederum eine Ischämie und den Tod von Nervenzellen zur Folge 6.

Nach der Monro-Kellie Doktrin ist die Schädelhöhle ein starrer Hohlraum mit definiertem Volumen

Abbildung 1. Nach der Monro-Kellie Doktrin ist die Schädelhöhle ein starrer Hohlraum mit definiertem Volumen, bestehend aus Hirnparenchym, Blut und Liquor cerebrospinalis (CSF). Die Zunahme einer oder mehrerer dieser Komponenten oder die Addition einer zubildungsartigen Komponente sorgt für eine kompensatorische Abnahme der anderen Komponenten. Wenn diese intrakranielle Compliance gestört ist, kommt es zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks. 
© Silas Zee/redrawn by Sandrine Fontègne

Primäre und sekundäre Hirnverletzungen

Als primäre Hirnverletzung (Tabelle 1) bezeichnet man die unmittelbar zum Zeitpunkt des traumatischen Ereignisses eintretende physikalische Disruption von Gewebe innerhalb der Schädelhöhle (Abbildung 2). Eine Klassifikation primärer Hirnverletzungen erfolgt nach ihrer Lokalisation, nach der Art der Verletzung und nach dem Verteilungsmuster (fokal oder diffus) 7. Sobald eine primäre Hirnverletzung eingetreten ist, kann sie nicht mehr verändert werden, sie hat im weiteren Verlauf aber einen Einfluss auf sekundäre Hirnverletzungen, die im Anschluss und als Reaktion auf eine primäre Hirnverletzung auftreten. Diese nachfolgenden sekundären Prozesse umfassen eine komplexe Serie biologischer Ereignisse, die zu neuronalem Tod, einschließlich der Freisetzung und Akkumulation exzitatorischer Neurotransmitter, zytotoxischem Ödem und Aktivierung von Proteasen und Entzündungsmediatoren, ebenso wie einer mitochondrialen Dysfunktion und der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) führen können. Mit seiner reichlich vorhandenen Lipidsubstanz ist das Hirnparenchym zudem einem besonders hohen Risiko für eine Lipidperoxidation ausgesetzt 8, die durch intrakranielle Blutungen und die Freisetzung von Eisenionen zusätzlich verstärkt werden kann. Die Zerstörung von Nervenzellen durch diese Prozesse führt zur Aktivierung von Stickstoffmonoxid-Pathways, die eine zerebrale Vasodilatation und somit Veränderungen des zerebralen Blutflusses und der Gefäßpermeabilität induzieren, die dann wiederum zu einem Verlust der Autoregulation beitragen.

Tabelle 1. Klassifikation primärer Hirnverletzungen.

Konkussion
  • Definiert als Verlust des Bewusstseins ohne histopathologische Läsionen. Gilt als die geringgradigste Form primärer Hirnverletzungen
Kontusion
  • Prellung des Hirnparenchyms
Hämatom
  • Schwellungen durch koaguliertes Blut
  • Kann im Hirnparenchym auftreten (intraaxial) oder außerhalb des Hirnparenchyms (extraaxial) im Subarachnoidalraum, Subduralraum oder Epiduralraum
Lazeration
  • Zerreißung von Hirngewebe
  • gilt als hochgradige Form primärer Hirnverletzungen
Diffuse axonale Verletzung
  • Scherverletzung von Hirnaxonen, wenn sich das Gehirn in der Schädelhöhle verschiebt oder rotiert
  • gilt als hochgradige Form der primären Hirnverletzungen

 

Sekundäre Hirnverletzungen können aber auch durch weitere intrakranielle Faktoren verstärkt werden. Dazu gehören eine intrakranielle Hypertonie, eine Laktatazidose, eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke, Gefäßspasmen, Blutungen, Infektionen, Masseneffekte und Anfallsaktivitäten 9. Auch systemische Faktoren wie Hypotonie, Hyper- oder Hypoglykämie, Hyperthermie, Hyper- oder Hypokapnie, Hypoxie sowie Störungen im Säure-Basen-Gleichgewicht oder im Elektrolythaushalt können sekundäre Hirnverletzungen über eine Beeinträchtigung des zerebralen Blutflusses zusätzlich verstärken.

Die auch als Cushing-Reflex bezeichnete Kombination von systemischer Hypertonie und Bradykardie bei neurologischen Patienten kann auf eine hochgradige intrakranielle Hypertonie hinweisen. Da bei Patienten mit traumatischer Hirnverletzung eine Hirnhernie drohen kann, sind das schnelle Erkennen einer intrakraniellen Hypertonie und eine unverzügliche therapeutische Intervention unerlässlich. Untersuchungen zufolge ist der Nachweis eines Cushing-Reflexes bei Hunden spezifisch für Hirnhernien, das Fehlen dieses Zeichens kann eine intrakranielle Hypertonie aber keineswegs ausschließen 10. Es ist daher durchaus begründet und ratsam, zunächst immer von einer intrakraniellen Hypertonie auszugehen, wenn die vorliegenden klinischen Symptome generell dafür sprechen.

Schematische Darstellung ausgewählter primärer Hirnverletzungen

Abbildung 2. Schematische Darstellung ausgewählter primärer Hirnverletzungen. Weitere Beschreibungen primärer Hirnverletzungen sind in Tabelle 1 aufgelistet.
© Silas Zee/redrawn by Sandrine Fontègne

Beurteilung des Patienten

Die Beurteilung des Patienten beginnt unmittelbar mit einer kurzen ersten Evaluierung nach dem ABC-Schema (Airway, Breathing, Circulation), gefolgt von einer gründlicheren zweiten Untersuchung. Faktoren wie eine Hypoxämie, Veränderungen der Ventilation und eine Hypotonie tragen zur Entstehung und Verstärkung sekundärer Hirnverletzungen bei und müssen deshalb sehr schnell erkannt und unverzüglich therapeutisch angegangen werden. Die Beurteilung der Atmung umfasst mindestens eine Evaluierung der Atemwege, der Atemfrequenz und der Atmungsanstrengung, des SpO2 (pulsoximetrisch gemessene periphere Sauerstoffsättigung) sowie einen Point-of-Care-Ultraschall (POCUS) des Thorax. Die initiale Beurteilung des Herzkreislaufsystems berücksichtigt mindestens die Schleimhautfarbe, die kapilläre Rückfüllzeit, die Herz- und Pulsfrequenz, die Pulsqualität, die Blutlaktatwerte, eine Palpation der distalen Extremitätenabschnitte zur Bestimmung der relativen Temperatur sowie eine Blutdruckmessung. Im Falle eines hochgradigen Kopftraumas sorgt die gestörte zerebrale Autoregulation für eine höhere Abhängigkeit des zerebralen Blutflusses und des zerebralen Perfusionsdrucks vom mittleren arteriellen Blutdruck. Aus diesem Grund ist die Aufrechterhaltung des systemischen Blutdrucks bei diesen Patienten ein zentral wichtiger Aspekt der Therapie.

Neurologische Beurteilung

Die neurologische Beurteilung sollte im Idealfall vor der Verabreichung von Analgetika und wenn möglich erst nach adäquater Reanimation des Patienten durchgeführt werden. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf dem Bewusstsein des Patienten, seiner Haltung und den Hirnstammreflexen. Hunde mit Kopfverletzungen und traumatischen Hirnverletzungen können entweder eine dezerebrierte oder eine dezerebellierte Haltung zeigen, wobei aber zu beachten ist, dass eine physiologische Körperhaltung eine traumatische Hirnverletzung keineswegs ausschließen kann (Abbildung 3 und 4). Ein dezerebrierter Patient kann an der Streckung von Kopf und Hals (Opisthotonus), sowie aller vier Gliedmaßen zu erkennen sein, während eine dezerebellierte Haltung durch einen Opisthotonus und eine Extension der Schultergliedmaßen bei gleichzeitig physiologischen bis gebeugten Beckengliedmaßen gekennzeichnet ist. In beiden Situationen ist oft auch die mentale Aktivität beeinträchtigt, und die betroffenen Patienten können signifikante intrakranielle Schäden aufweisen. Bei der Beurteilung der Hirnstammreflexe werden die Pupillengröße, die pupillären Lichtreflexe und der physiologische Nystagmus untersucht (Abbildung 5). Da begleitend zu einer Kopfverletzung auch Verletzungen des Halses bestehen können, sollten zusätzlich auch die motorischen und sensorischen Funktionen untersucht werden.

Eine dezerebrierte Haltung ist gekennzeichnet durch die Seitenlage des Hundes mit Streckung von Kopf und Hals

Abbildung 3. Eine dezerebrierte Haltung ist gekennzeichnet durch die Seitenlage des Hundes mit Streckung von Kopf und Hals (Opisthotonus) sowie Streckung aller vier Gliedmaßen.
© Silas Zee/redrawn by Sandrine Fontègne

Eine dezerebellierte Haltung ist gekennzeichnet durch die Seitenlage des Hundes mit Opisthotonus

Abbildung 4. Eine dezerebellierte Haltung ist gekennzeichnet durch die Seitenlage des Hundes mit Opisthotonus und Streckung der Schultergliedmaßen, während die Beckengliedmaßen normal oder gebeugt sind.
© Silas Zee/redrawn by Sandrine Fontègne

Hirnstammreflexe können mit Hilfe eines Ophthalmoskopes untersucht werden

Abbildung 5. Hirnstammreflexe können mit Hilfe eines Ophthalmoskopes untersucht werden. Beurteilt werden die Pupillengröße, die pupillaren Lichtreflexe und der physiologische Nystagmus. 
© Shutterstock

Die modifizierte Glasgow Coma Scale (MGCS) wurde für Hunde (und Katzen) validiert 11, um den Grad neurologischer Defizite zu beurteilen und zu klassifizieren (Box 1). Die Skala bewertet drei Kategorien – die motorische Aktivität, die Hirnstammreflexe und das Bewusstsein – mit Punkten von 1 bis 6 in jeder Kategorie. Eine Studie zeigt, dass ein MGCS-Gesamtscore von 8 zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten mit einer 50 %igen Wahrscheinlichkeit des Überlebens über die ersten 48 Stunden nach stationärer Aufnahme einhergeht 11. Kontinuierliche Verlaufsmessungen der MGCS (z. B. alle 30 bis 60 Minuten nach der ersten Vorstellung) unterstützen unter anderem die Überwachung des Ansprechens auf die Therapie. Weitere Scoring-Systeme wie der Animal Trauma Triage (ATT) Score sind ebenfalls validiert.

Box 1. Modifizierte Glasgow Coma Scale (MGCS).

Motorische Aktivität Score
Normaler Gang, normale spinale Reflexe
Hemiparese, Tetraparese oder Dezerebrierungsstarre
Kollabiert, intermittierende Extensorenrigidität
Kollabiert, permanente Extensorenrigidität
Kollabiert, permanente Extensorenrigidität mit Opisthotonus
Kollabiert, Muskelschwäche, reduzierte oder abwesende spinale Reflexe
6
5
4
3
2
1
Hirnstammreflexe  
Normale Pupillenreflexe und okulozephalische Reflexe
Verlangsamte Pupillenreflexe mit normalen oder reduzierten okulozephalischen Reflexen
Bilaterale nicht-responsive Miose mit normalen oder reduzierten okulozephalischen Reflexen
Stecknadelkopfgroße Pupillen mit reduzierten oder abwesenden okulozephalischen Reflexen
Einseitige, nicht-responsive Mydriase mit reduzierten oder abwesenden okulozephalischen Reflexen
Bilaterale, nicht-responsive Miose mit reduzierten oder abwesenden okulozephalischen Reflexen
6

5

4

3

2

1
Bewusstsein  
Bewusstsein gelegentlich normal und reagiert auf Stimulation
Reduziertes Bewusstsein mit reduzierter Antwort auf Stimulation
Im Semikoma, reagiert auf visuelle Stimulation
Im Semikoma, reagiert auf Geräusche
Im Semikoma, reagiert nur auf wiederholte schmerzhafte Stimuli
Im Koma, reagiert nicht auf wiederholte schmerzhafte Stimuli
6
5
4
3
2
1
MGCS-Score Prognose
3-8
9-14  
15-18
schlecht
vorsichtig
gut

 

Bildgebende Diagnostik

Die bildgebende Diagnostik umfasst extrakranielle und intrakranielle Verfahren. Zu den extrakraniellen Bildgebungsverfahren gehört die Anfertigung von Röntgenaufnahmen des Thorax, des Abdomens und jeglicher potenziell betroffener Gliedmaßen. Ziel ist es, mögliche Komorbiditäten zu evaluieren, wie z. B. Rippenfrakturen, Lungenkontusionen, Pneumothorax, freie Flüssigkeit im Abdomen, Zwerchfellshernien, Luxationen oder Frakturen von Röhrenknochen. POCUS kann eine im Vergleich zu Röntgenaufnahmen höhere Sensitivität für den Nachweis von Lungenkontusionen und geringer Mengen freier Flüssigkeit in Thorax oder Abdomen aufweisen 12. Wenn verfügbar, haben Ganzkörper-CT-Scans den Vorteil, dass sie sehr schnell eine große Menge an wichtigen Informationen liefern, und dies bei minimaler Sedierung und relativ geringer Manipulation des Patienten.

Intrakranielle bildgebende Untersuchungen sind bei Patienten angezeigt, die auf eine medikamentöse Therapie nicht ansprechen, aber auch bei Patienten, die sich nach anfänglichem Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie wieder verschlechtern und schließlich bei Patienten mit fokaler oder asymmetrischer neurologischer Erkrankung 13. Röntgenaufnahmen des Schädels besitzen in diesem Kontext eine geringe Sensitivität und werden deshalb nicht empfohlen 8. In der Notfallsituation ist die Computertomographie (Abbildung 6) gegenüber Magnetresonanztomographie (MRT) vorzuziehen, da für eine CT keine Allgemeinanästhesie erforderlich ist, das Verfahren in der Regel schneller durchführbar ist, und eine höhere Sensitivität für den Nachweis von Frakturen und Arealen akuter Blutungen oder Ödeme aufweist 4,8. Die MRT kann jedoch einen prognostischen Wert haben und die Vorhersage der Entwicklung posttraumatischer Epilepsien unterstützen (Abbildung 7) 14.

Diese 3D-Darstellung aus dem Ganzkörper-CT

Abbildung 6. Diese 3D-Darstellung aus dem Ganzkörper-CT eines Hundes mit Kopfverletzung zeigt eine Fraktur im Bereich des Os frontale und des Processus zygomaticus. Ganzkörper-CT-Scans sind heute in der Kleintierpraxis zunehmend verfügbar und liefern eine große Menge an wertvollen Informationen über einen Traumapatienten bei minimaler Manipulation.
© Silas Zee

Ein MRT kann bei der Beurteilung von Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen sehr hilfreich sein

Abbildung 7. Ein MRT kann bei der Beurteilung von Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen sehr hilfreich sein, zum Beispiel zur Unterstützung bei der Erstellung der Prognose. 
© Shutterstock

Behandlung intrakranieller Veränderungen

Hochlagerung des Kopfes 

Das Hochlagern des Kopfes in einem Winkel von 15-30o kann den intrakraniellen Druck durch die Förderung der venösen Drainage senken, ohne dabei den zerebralen Blutfluss zu beeinträchtigen 15. Mit Hilfe eines Brettes wird entweder das gesamte Tier in der entsprechenden Position gelagert (Abbildung 8) oder zumindest der kraniale Körperabschnitt von den Schultern bis zum Kopf, um so das Risiko einer Kompression oder Distorsion des Halses zu senken, die zu einer Okklusion der venösen Drainage führen könnte.

Hochlagerung des Kopfes

Abbildung 8. Hochlagerung des Kopfes: Mit Hilfe eines zusammengerollten Handtuchs und eines Brettes kann der Patient in einem Winkel von 15-30 ° gelagert werden, um die venöse Drainage zu unterstützen ohne dabei die zerebrale Perfusion herabzusetzen.
© Silas Zee/redrawn by Sandrine Fontègne

Sauerstofftherapie und Beatmung

Das Ziel einer Sauerstoffsupplementierung ist die Aufrechterhaltung der Normoxämie. Eine routinemäßige Sauerstoffsupplementierung ist jedoch nicht ratsam, da im Falle einer Hyperoxämie die Gefahr einer Verstärkung von Reperfusionsschäden besteht. Liegt die Indikation für eine Sauerstoffsupplementierung vor, kann zunächst eine stressarme Flow-by-Applikation in Betracht gezogen werden, bis weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Patienten durchgeführt werden. Nasenkanülen zur externen Sauerstoffversorgung sollten dagegen nur mit großer Vorsicht angewendet werden, da Frakturen im Schädelbereich die normale Anatomie verändern und im Extremfall eine Kommunikation mit dem Inneren der Schädelhöhle hervorrufen können. Die High-Flow-Sauerstofftherapie hat den Vorteil eines besseren Komforts für den Patienten, da sie angewärmten und angefeuchteten Sauerstoff zuführt. Niesen aufgrund einer Reizung in der Nase kann jedoch zu einer Erhöhung des intrakraniellen Drucks führen. Ein Sauerstoffkäfig ist unter Umständen weniger stressreich für den Patienten, hat aber den Nachteil einer Barriere zwischen Patient und Behandlungsteam, die zu einer praktischen Beeinträchtigung der Intensivversorgung und des in diesen Fällen häufig erforderlichen Monitorings führen kann.

Kohlendioxid spielt eine signifikante Rolle für den zerebralen Blutfluss. Eine Hyperkapnie verursacht eine Vasodilatation und einen erhöhten intrakraniellen Druck, während eine Hypokapnie umgekehrt eine Vasokonstriktion hervorruft und für einen Abfall des intrakraniellen Drucks sorgt. Während früher in diesen Fällen eine Hyperventilation empfohlen wurde, weiß man heute, dass dies schädliche Folgen haben kann, da sogar eine geringgradige Hypokapnie (PaCO2 < 34 %) eine hochgradige Vasokonstriktion mit herabgesetztem zerebralem Blutfluss, Ischämie und neuronalem Tod hervorrufen kann 16.

Intravenöse Flüssigkeitstherapie

Die intravenöse Flüssigkeitstherapie ist der Grundpfeiler der Schockbehandlung. Nach wie vor kontrovers diskutiert wird dagegen die Frage der am besten geeigneten Flüssigkeiten bei Patienten mit Kopfverletzung, und bislang konnte diesbezüglich kein allgemeiner Konsens erzielt werden. Die zentralen Ziele einer Flüssigkeitstherapie sind die Bekämpfung der Hypovolämie, die Prävention einer Hypotonie und damit letztlich die Aufrechterhaltung des zerebralen Blutflusses. Patienten mit Kopfverletzung weisen meist einen hypovolämischen Schock unterschiedlichen Grades auf, und empfohlen wird eine Aufrechterhaltung eines systolischen Blutdrucks > 90 mmHg 4. Eine humanmedizinische Studie zeigt eine 150 %ige Steigerung der Mortalität bei Patienten, die auch nur eine einzelne hypotonische Episode mit einem systolischen Blutdruck < 90 mmHg aufwiesen 17.

Aufgrund der bei Patienten mit traumatischer Hirnverletzung bestehenden Gefahr eines Zusammenbruchs der Blut-Hirn-Schranke kann eine Flüssigkeitstherapie über die Induzierung eines vasogenen Ödems, eines zytotoxischen Ödems und Flüssigkeitsverschiebungen aber auch zu einer weiteren Schädigung des Hirnparenchyms beitragen. Entscheidend ist die Aufrechterhaltung eines adäquaten zerebralen Perfusionsdrucks, da die zerebrovaskuläre Autoregulation bei diesen Patienten häufig beeinträchtigt ist, so dass der zerebrale Perfusionsdruck vermehrt vom systemischen Blutdruck abhängt. Die Flüssigkeitstherapie muss also stets sorgfältig ausgewählt, häufig überwacht und je nach Indikation flexibel individuell angepasst werden.

Isotone kristalloide Lösungen

Da aufgrund des Verlustes zellulärer Tight Junctions große Mengen freien intravenösen Wassers im geschädigten Hirnparenchym zu einem Hirnödem beitragen können, ist 0,9 %ige Kochsalzlösung eine potenzielle Wahl, da sie die geringste Menge freien Wassers enthält. Aufgrund ihres höheren Chloridgehaltes und der fehlenden Puffer handelt es sich aber auch um eine ansäuernde Lösung, die vorbestehende Säure-Basen-Ungleichgewichte zusätzlich verstärken und im Zusammenhang mit akuten Nierenschäden stehen kann 18. Aus diesen Gründen gelten gepufferte isotone kristalloide Lösungen als eine gut begründete und zu rechtfertigende Wahl bei diesen Patienten. Unabhängig von der letztlich gewählten kristalloiden Lösung sollte die Flüssigkeitstherapie stets gezielt auf die Korrektur der oben genannten Störungen ausgerichtet sein (z. B. Schock). Die Autoren empfehlen die Gabe von 10-20 ml/kg über 10-15 Minuten bis eine Wirkung eintritt.

David Sender

Die neurologische Beurteilung des Patienten sollte im Idealfall vor der Verabreichung von Analgetika und wenn möglich erst nach adäquater Reanimation durchgeführt werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Bewusstsein des Patienten, seiner Haltung und den Hirnstammreflexen.

David Sender

Kolloidale Lösungen

Kolloidale Lösungen sollen von ihrer Grundkonzeption als Plasmaexpander wirken, indem sie den onkotischen Druck erhöhen, um so Volumen im intravaskulären Raum zurückzuhalten. Aufgrund dieser Eigenschaften können sie ein attraktives Hilfsmittel bei der Reanimation hypovolämischer oder hypotonischer Patienten mit Kopfverletzungen sein. Es gibt allerdings Bedenken, dass osmotisch wirksame Partikel aufgrund eines Zusammenbruchs der Blut-Hirn-Schranke in ein entsprechend traumatisiertes Hirnparenchym übertreten können. Bislang existieren in der Veterinärmedizin aber keine randomisierten Studien zur Untersuchung entsprechender Effekte kolloidaler Lösungen bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen. Die Post-hoc-Analyse einer Studie über humane Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen zum Vergleich einer Reanimation mit physiologischer Kochsalzlösung gegenüber einer Reanimation mit Albumin 19 fand ein signifikant erhöhtes Todesrisiko im Zusammenhang mit der Gabe von Albumin. Bis endgültige Studien einen klaren Vorteil von kolloidalen Lösungen gegenüber kristalloiden Lösungen zeigen, empfehlen die Autoren die Anwendung kolloidaler Lösungen bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen nicht.

Hypertone Kochsalzlösung

Hypertone Kochsalzlösung hat mehrere Eigenschaften, die sie für die Behandlung von Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen interessant machen. So generieren hypertone Lösungen ein osmotisches Potential für Verschiebungen von Wasser aus dem intrazellulären und interstitiellen Raum in den intravaskulären Raum, um auf diese Weise das intravaskuläre Volumen zu erhöhen. Dadurch erhöht sich auch das Herzzeitvolumen. Zudem sorgt hypertone Kochsalzlösung für eine Expansion des intravaskulären Volumens in einem Maße, das über ihr eigenes Volumen hinausgeht. Aufgrund dieser Eigenschaften ist hypertone Kochsalzlösung besonders wirksam bei hypertonen Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen. Als kristalloide Lösung wird sie sich aber schnell in den interstitiellen Raum umverteilen, so dass ihre Volumen expandierenden Eigenschaften letztlich nur über einen relativ kurzen Zeitraum von etwa 45 bis 75 Minuten anhalten. Weitere Vorteile von hypertoner Kochsalzlösung werden unten diskutiert.

Hyperosmolare Lösungen 

Sowohl Mannitol als auch hypertone Kochsalzlösung können aufgrund ihrer hyperosmolaren Eigenschaften von Vorteil sein. Mannitol ist ein osmotisches Diuretikum, das auch freie Radikale fangende Eigenschaften besitzt 13 und darüber hinaus die Blutviskosität reduziert und den mikrozirkulatorischen Blutfluss verbessert. Eine Vasokonstriktion der pialen Arteriolen trägt ebenfalls zur Senkung des zerebralen Blutvolumens und des intrakraniellen Drucks bei 20,21. Die empfohlene Dosierung beträgt 0,5-1,5 g/kg intravenös über 15-20 Minuten 7,8,21 und kann den intrakraniellen Druck über eine Dauer von 2-5 Stunden absenken 21. Da Mannitol aber auch diuretisch wirkt, sollten die Patienten vor der Applikation eine entsprechende Volumenauffüllung erhalten, um die Euvolämie aufrechtzuerhalten.

Hypertone Kochsalzlösung wirkt über ihre osmolaren Effekte als Volumenexpander, hat aber darüber hinaus noch einige weitere Vorteile. Dazu gehören unter anderem eine reduzierte endotheliale Schwellung und ein verbesserter regionaler Blutfluss, aber auch rheologische Eigenschaften, die die Viskosität des Blutes vermindern und die Perfusion verbessern, sowie eine verminderte Exzitotoxizität im Hirn durch Förderung des Reuptakes von Neurotransmittern wie Glutamat, und schließlich einige immunmodulatorische Effekte 4,7,13. Hypertone Kochsalzlösung kann Mannitol bei der Reduzierung der intrakraniellen Hypertonie überlegen sein 7, sie sollte aber immer von der Gabe isotoner kristalloider Lösungen gefolgt werden, um eine adäquate Hydratation aufrechtzuerhalten. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn hypertone Kochsalzlösung bei Patienten mit Dysnatriämie eingesetzt wird. Empfohlen werden Dosierungen von 4 ml/kg einer 7,5 %-igen Kochsalzlösung oder 5,4 ml/kg einer 3 %-igen Kochsalzlösung intravenös über 15-20 Minuten.

Antiepileptische Therapie

Anfälle können über einen erhöhten intrakraniellen Druck, einen erhöhten Sauerstoffbedarf im Hirn und einen herabgesetzten zerebralen Blutfluss sekundäre Hirnverletzungen hervorrufen. Humane Patienten mit traumatischer Hirnverletzung weisen erhöhte Anfallsraten von bis zu 12 % auf 20, und eine veterinärmedizinische Studie zeigt, dass 6,8 % der entsprechenden kaninen Patienten posttraumatische Anfälle entwickelten 22. Eine prophylaktische Gabe von Antiepileptika kann also in Betracht gezogen werden, mangels entsprechender Studien können evidenzbasierte Empfehlungen diesbezüglich jedoch bislang nicht gegeben werden. Empfohlen wird einleitend die Gabe von Benzodiazepinen in der Notfallsituation, gefolgt von der Einleitung einer kontinuierlichen antiepileptischen Medikation, z. B. mit Levetiracetam oder Phenobarbital.

Kortikosteroide

Steroide werden bei Patienten mit Kopfverletzungen und traumatischen Hirnverletzungen nicht empfohlen. Es handelt sich zwar um potente antiinflammatorische Wirkstoffe, die historisch auch durchaus zur Behandlung von Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen eingesetzt wurden, eine große humanmedizinische klinische Studie zeigt jedoch ein erhöhtes Todesrisiko nach zwei und sechs Wochen unter den entsprechenden Behandlungen 23, und die Brain Trauma Foundation empfiehlt den Einsatz von Steroiden bei diesen Patienten nicht 20.

Hypothermie

Da traumatische Hirnverletzungen mit einem erhöhten metabolischen Bedarf einhergehen, kann eine Hypothermie die Linderung dieser Bedarfe und die Vermeidung sekundärer Hirnverletzungen fördern. In der Humanmedizin gibt es derzeit widersprüchliche Daten über die potenziellen Vorteile einer therapeutischen Hypothermie über ein Barbiturat-induziertes Koma, wobei letztlich keine Empfehlungen ausgesprochen werden 20, und auch in der Tiermedizin gibt es zu diesem Thema kaum Evidenzen. Die Autoren empfehlen bei hypothermischen Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen eine passive Aufwärmung unter regelmäßiger Temperaturüberwachung, um die Entstehung einer Hyperthermie sowie eine übermäßige Hypothermie zu vermeiden.

Kendon Kuo

Intrakranielle bildgebende Untersuchungen sind bei Patienten angezeigt, die auf eine medikamentöse Therapie nicht ansprechen, bei Patienten, die sich nach anfänglichem Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie wieder verschlechtern sowie bei Patienten mit fokaler oder asymmetrischer neurologischer Erkrankung.

Kendon Kuo

Systemische Behandlung

Analgesie

Die wichtige Bedeutung einer adäquaten Analgesie bei Patienten mit Kopftrauma kann an dieser Stelle nicht zu stark betont werden. Opioide sind eine vernünftige erste Wahl, da sie eine gute analgetische Wirkung haben und im Allgemeinen eine gute kardiovaskuläre Sicherheit aufweisen. Dringend zu empfehlen ist jedoch eine multimodale schmerzlindernde Therapie, sobald der Patient ausreichend stabil und entsprechend klinisch evaluiert ist.

Lidocain ist ein Natriumkanalblocker, der systemisch als Analgetikum eingesetzt werden kann. Neben einer gering- bis mittelgradigen Analgesie fängt Lidocain nachweislich ROS und hemmt die Lipidperoxidation 21.

Ketamin ist ein dissoziatives Anästhetikum und ein Antagonist am N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) Rezeptor, was bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen besonders hilfreich sein kann. Während einige ältere Studien darauf hinweisen, dass Ketamin den intrakraniellen Druck erhöhen könnte, zeigen neue Daten, dass seine Eigenschaften wie die Hemmung der Glutamataktivierung, die neuroprotektiven Effekte, die Hemmung der NO-Synthase sowie die Vasokonstriktion eine Verbesserung des systemischen Blutdrucks und des zerebralen Blutflusses unterstützen, sekundäre Hirnverletzungen minimieren und den intrakraniellen Druck senken 24.

Sedativa

Alpha-2-Agonisten wie Dexmedetomidin sind verlässliche Sedativa mit milden analgetischen Eigenschaften. Studien an Menschen und Fallberichte in der Veterinärmedizin kommen jedoch nicht zu eindeutigen Ergebnissen bezüglich des Pro oder Contra einer Anwendung bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen, und randomisierte, prospektive Studien über veterinärmedizinische Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen wurden bislang nicht durchgeführt. Bis weitere Daten vorliegen, wird deshalb empfohlen, diese Klasse von Arzneimitteln bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen sparsam einzusetzen 4.

Benzodiazepine wirken über eine Modulation der Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und haben sedative und anxiolytische Wirkungen 21, was sie zu einer interessanten Behandlungsoption bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen macht, insbesondere in Kombination mit ihren antikonvulsiven Eigenschaften und ihren minimalen kardiovaskulären und respiratorischen Effekten.

Phenothiazine (z. B. Acepromazin) wirken über einen unspezifischen Antagonismus an Alpha-1- und Alpha-2-Rezeptoren und haben sedative und anxiolytische Effekte 21. Ursprünglich nahm man an, dass Phenothiazine die Anfallsschwelle bei Epileptikern senken, inzwischen wurden diese Arzneimittel jedoch neu evaluiert 21. In niedrigen Dosen scheinen sie eine relativ gute kardiovaskuläre Sicherheit aufzuweisen, in höheren Dosen verursachen sie jedoch eine Vasodilatation, die eine Hypotonie nach sich ziehen kann. Zudem sind sie nicht reversibel und haben weniger verlässliche sedative und anxiolytische Wirkungen.

Propofol ist ein kurzzeitwirksames Hypnotikum, das in Fällen eines therapieresistenten Status epilepticus eingesetzt wird 21. Propofol kann über seine Modulation von GABA neuroprotektive Effekte haben, kann aber auch eine Hypotonie, eine negative Inotropie und eine tiefgreifende Atemdepression hervorrufen.

Verschiedene Therapien

Hyperglykämie ist bei Menschen und Tieren mit traumatischen Hirnverletzungen ein relativ häufiger Befund, und korreliert bei Letzteren nachweislich mit dem Grad der traumatischen Hirnverletzung, nicht aber mit dem Outcome 3. Die Anwendung von Insulin zur Blutzuckerkontrolle wird vor diesem Hintergrund nicht empfohlen 13.

Eine parenterale Ernährung kann bei Patienten mit erhöhtem Risiko einer Aspiration in Erwägung gezogen werden. Bei Menschen gehen traumatische Hirnverletzungen zudem auch mit Magenulzera und Magenblutungen einher 7, so dass eine prophylaktische Gabe von Antazida wie Protonenpumpenhemmern (z. B. Omeprazol), Pantoprazol) oder H2-Blockern (z. B. Famotidin) in Betracht gezogen werden kann. Die chirurgische Behandlung erfordert zunächst weitere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet, bevor entsprechende Empfehlungen ausgesprochen werden können.

Tabelle 2 listet eine Zusammenfassung von Arzneimitteln, die häufig bei Hunden mit Kopfverletzungen eingesetzt werden.

Tabelle 2. Arzneimittel, die häufig in der Behandlung von Hunden mit traumatischen Hirnverletzungen eingesetzt werden.

Arzneimittel Dosierung Nebenwirkungen
Opioide – Volle Agonisten am µ-Rezeptor
Fentanyl
Methadon
Morphin
 
2-5 µg/kg IV, dann DTI 2-5 µg/kg/Std
0,2-0,5 mg/kg IV/IM
0,25-0,5 mg/kg IM
Sedierung
Atemdepression 
Mydriasis
Hecheln
Dysphorie
Nausea
Opioide – partielle Agonisten am µ-Rezeptor
Buprenorphin
0,01-0,03 mg/kg IV/IM
Sedierung
Atemdepression 
Mydriasis
Hecheln (seltener)
Dysphorie
Nausea 
Dissoziative NMDA- Antagonisten 
Ketamin
0,1-1,0 mg/kg IV, dann 2-10 µg/kg/Min
Tachykardie
Erhöhter myokardialer Sauerstoffbedarf
Desorientierung
Natriumkanalblocker 
Lidocain
1-2 mg/kg IV über 5-10 Minuten, dann 25-50 µg/kg/Min
Nausea
Arrhythmien
Alpha-2-Agonisten
Dexmedetomidin
0,5-3 µg/kg IV/IM, dann 0,5-1 µg/kg/Std
Sedierung
Hypotonie
Atemdepression
Benzodiazepine 
Midazolam
0,1-0,5 mg/kg IV/IM/IN Paradoxe Erregung
Phenothiazinderivate 
Acepromazin
0,005-0,02 mg/kg IV 
20-30 Minuten bis zur maximalen Wirkung 
Hypotonie
Hypnotische Anästhetika 
Propofol
1-5 mg/kg IV, dann 100-400 µg/kg/Min
Hypotonie
reduzierte Herzzeitvolumen
Atemdepression
Antikonvulsiva
Levetiracetam

40-60 mg/kg IV, dann 20-40 mg/kg IV/PO alle 8 Std.

Sedierung (minimal)
Barbiturat- Antikonvulsiva
Phenobarbita
4 mg/kg IV alle 6 Std. über 24 Stunden, dann 2-2,5 mg/kg PO alle 12 Std.
Verhaltensänderungen
Sedierung
Ataxie (trunkal)
Polyurie/Polydipsie
Leberenzymveränderungen

 

Schlussfolgerung

Die Diagnose und Behandlung von Hunden mit traumatischen Hirnverletzungen können sich als schwierige Herausforderung erweisen. Mit der geeigneten therapeutischen Intervention zeigen viele dieser Patienten jedoch eine signifikante Besserung und scheinen oft in der Lage zu sein, bleibende neurologische Defizite relativ gut zu kompensieren. Es ist jedoch schwierig, unmittelbar nach Eintritt einer traumatischen Hirnverletzung eine Prognose zu stellen, da diese ganz entscheidend vom Grad der Verletzung sowie vom Timing und der Wirksamkeit der Behandlung abhängt. Unterstützt wird die Einschätzung der Prognose hinsichtlich einer Erholung in individuellen Fällen durch Verlaufsuntersuchungen mit Hilfe einer validierten Koma-Skala. Besitzer betroffener Hunde müssen jedoch über mögliche bleibende neurologische Defizite, einschließlich (aber nicht nur) Anfälle, informiert werden.

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David Sender

David Sender

Dr. Sender schloss sein Studium an der Veterinary School der University of Illinois ab und absolvierte danach ein rotierendes Internship im Kleintierbereich an der Colorado State University Mehr lesen

Kendon Kuo

Kendon Kuo

Nach Abschluss seines Tiermedizinstudiums an der University of California, Davis im Jahr 2010 absolvierte Dr. Kuo ein einjähriges Internship im Bereich Small Animal Medicine and Surgery an der Auburn University Mehr lesen

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