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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 32.3 Sonstiges Wissenschaft

Sepsis beim Hund

veröffentlicht 12/04/2023

Geschrieben von Rafael Obrador de Aguilar

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Sepsis ist ein medizinischer Notfall bei Hunden; Schnelles Erkennen und proaktives Intervenieren sind die Voraussetzungen für ein positives Outcome.

Die zytologische Untersuchung der Flüssigkeit zeigt intrazelluläre Bakterien

Kernaussagen

Eine Sepsis muss als medizinischer Notfall betrachtet werden, und eine schnelle Diagnose ist entscheidend für ein gutes Outcome.


Der Übergang von Sepsis zu multiplem Organversagen und septischem Schock kann durch eine schnelle und zielgerichtete Reanimation verhindert werden.


Eine antibiotische Therapie ist unerlässlich bei kritischen Patienten mit Verdacht auf Sepsis und Symptomen eines Schocks.


Kontrollieren, wieder kontrollieren und nochmals kontrollieren – Sepsis ist ein ständig fortschreitender Zustand, der eine intensive Überwachung des therapeutischen Ansprechens erfordert.


Einleitung

Sepsis ist ein medizinischer Notfall, der schon seit der Zeit von Hippokrates etwa 400 v. Chr. bekannt ist. Damals wurde die Sepsis mit jeder Erkrankung assoziiert, die eine „Fäulnis des Fleisches“ hervorruft, und 1400 Jahre später beschrieb der persische Arzt Avicenna die Sepsis als eine „mit Fieber einhergehende Fäulnis von Blut und Gewebe“ 1. Heute wissen wir, dass es sich um eine systemische Erkrankung handelt, die durch eine unkontrollierte Antwort des Immunsystems auf einen infektiösen Zustand verursacht wird. Eine mögliche Folge dieser Reaktion ist die Dysfunktion eines oder mehrerer Organe – die häufigste Mortalitätsursache bei Sepsispatienten. Wichtig sind also eine frühzeitige Diagnose und ein wirksamer Behandlungsplan.

Definition von Sepsis

Die ersten Definitionen von Sepsis in der modernen Medizin stammen aus dem Jahr 1991 (bekannt als „Sepsis-1“), und obgleich sich diese Definition im Laufe der Jahre verändert hat („Sepsis-2“ und „Sepsis-3“), werden in der praktischen Veterinärmedizin noch immer diese primären Konzepte am häufigsten verwendet 2. Die ursprüngliche Idee hinter der Definition war eine Standardisierung der Kriterien und die Erstellung von Leitlinien, die das Erkennen und die Behandlung von Patienten mit Sepsis auf die schnellste und möglichst effektive Weise unterstützen. Diese Konzepte sind:

  • Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) – wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um eine systemische entzündliche Antwort auf Trigger infektiösen (Sepsis) oder nicht-infektiösen Ursprungs. Die Kriterien für SIRS sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
  • Sepsis –SIRS infolge einer bestätigten oder vermuteten Infektion.
  • Schwere Sepsis – Sepsis mit Organdysfunktion; die Kriterien sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
  • Septischer Schock – Sepsis mit systemischer Hypotonie, die trotz adäquater Flüssigkeitstherapie persistiert und die Verabreichung von Vasopressoren erfordert.

Tabelle 1. Kriterien für die Diagnose eines SIRS beim Hund.

Temperatur (°C) ≤ 37,2 oder ≥ 39,2
Herzfrequenz (Schläge/Min.) ≥ 140
Atemfrequenz (Atemzüge/Min.) > 20
Weiße Blutkörperchen (x 103/µL) ≥ 16 oder ≤ 6
Stabkernige Granulozyten (%) ≥ 3

 

Der Schlüssel liegt im Verständnis des Konzeptes des systemischen inflammatorischen Response-Syndroms oder SIRS. Das SIRS ist die systemische Antwort des Organismus auf jegliche Erkrankung, die eine Entzündung hervorruft, die anfangs entweder breit gestreut sein kann, wie z. B. im Falle eines Hitzschlages, oder lokal begrenzt wie im Falle einer akuten Pankreatitis. Der Körper ist dann nicht in der Lage, die entzündliche Reaktion auf den ursprünglichen Herd zu beschränken, so dass sich das Entzündungsgeschehen generalisiert, und beginnt, gesunde Gewebe in anderen Bereichen des Körpers zu erfassen, die nicht mit der ursprünglichen Ursache in Zusammenhang stehen. Unabhängig von der initialen Ursache können letztlich also sämtliche Körpersysteme Anzeichen eines Entzündungsgeschehens zeigen. Wenn die initiale Erkrankung infektiösen Ursprungs ist, liegt per Definition eine Sepsis vor; mit anderen Worten: alle septischen Patienten zeigen eine systemische Entzündung (d.h. SIRS), aber nicht alle Patienten mit SIRS sind septisch (z. B. Verletzungen, Hitzschlag, Pankreatitis).

Tabelle 2. Definitionen von Organdysfunktion beim Hund.

Organsystem Kriterium
Niere
Harnproduktion < 0,5 ml/kg/h über ≥ 12 Stunden oder Serumkreatinin Anstieg auf ≥ 0,3 mg/dl ohne Hinweise auf prä- oder postrenale Azotämie
Kardiovaskularsystem
Hypotonie, die den Einsatz von Vasopressoren erfordert
Respiratorisches System
Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe oder Beatmung, basierend auf klinischer Beurteilung, arteriellen Blutgasen (alveolo – arterielle Sauerstoffdruckdifferenz > 10 mmHg) und/oder Pulsoximetrie (SpO2 < 95%)
Leber
Gesamtbilirubin im Serum oder Plasma > 0,5 mg/dl
Blutgerinnung
Prothrombinzeit oder aktivierte partielle Thromboplastinzeit mehr als 25% über dem oberen Limit der Referenzspanne und/oder Thrombozytenzahl ≤ 100.000/µL

 

Die Diagnose – Wie erkenne ich einen septischen Patienten?

Auf der Grundlage des oben beschriebenen Konzeptes besteht der erste Schritt in der Bestimmung, ob der Patient tatsächlich eine systemische entzündliche Antwort aufweist. Die klinischen Kriterien hierfür sind Veränderungen der Atemfrequenz (Tachypnoe), der Herzfrequenz (Bradykardie oder Tachykardie) und der Rektaltemperatur (Hypothermie oder Fieber), aber auch abnorme Blutwerte (Leukopenie oder Leukozytose mit oder ohne Linksverschiebung) (Tabelle 1). Liegen bei einem Hund zwei oder mehr dieser Kriterien vor, reicht dies aus, um die Diagnose SIRS zu bestätigen 3. Der diagnostische Wert dieser Kriterien liegt insbesondere in ihrer Einfachheit, denn es müssen keine komplizierteren Tests durchgeführt werden, und in der Regel sind betroffene Patienten schnell zu erkennen. Das größte Problem liegt allerdings in der mangelnden Spezifität dieser Kriterien, und letztlich dürften die meisten stationären Patienten in einer tierärztlichen Klinik eines oder mehrere der SIRS-Kriterien erfüllen. Allgemein gilt jedoch, je mehr Kriterien ein Patient erfüllt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines SIRS. So leidet zum Beispiel ein Hund mit Tachykardie, Tachypnoe, Fieber und Leukozytose mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit unter SIRS, als ein Hund mit Tachykardie und Tachypnoe, bei dem diese Veränderungen möglicherweise auch auf Stress und Angst im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in der Klinik zurückgeführt werden können.

Im nächsten Schritt wird nun geklärt, ob der Ursprung des systemischen Entzündungsgeschehens infektiöser (d. h., Sepsis) oder nicht-infektiöser Natur ist. Hierfür sind in erster Linie der Vorbericht und die Befunde der klinischen Untersuchung erforderlich (Abbildung 1). In einigen Fällen, wie z. B. beim Nachweis eines Hautabszesses infolge einer Bissverletzung, ist es relativ einfach, die initiale Ursache zu ermitteln. In anderen Fällen kann sich die Suche als deutlich schwieriger gestalten und eine umfassendere diagnostische Abklärung erfordern. Bei einem Patienten mit Sepsisverdacht ist es immer ratsam, mindestens eine vollständige Blutuntersuchung (Hämatologie und Biochemie) und eine Harnuntersuchung (einschließlich Kultur) durchzuführen. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung können eine Leukozytose oder Leukopenie, Thrombozytopenie, Hypalbuminämie, Hyperbilirubinämie, Hypokalzämie, Azotämie und Hyper- oder Hypoglykämie zeigen. Diese initialen Tests können durch weitere diagnostische Maßnahmen für eine detailliertere und zielgerichtete Suche nach dem Entzündungsherd ergänzt werden, wie z. B. Röntgen von Thorax, Abdomen und/oder Wirbelsäule (Abbildung 2), Ultraschall von Abdomen und/oder Thorax und weitere bildgebende Verfahren, falls zugänglich (Abbildung 3), eine Punktion zur Entnahme von Zerebrospinalflüssigkeit und/oder eine Punktion von Gelenken, Serologie und/oder PCR auf infektiöse Erkrankungen, basierend auf dem klinischen Erscheinungsbild und der geographischen Lokalisation. Allgemein gilt, dass jede abnorme Flüssigkeitsansammlung zytologisch untersucht werden muss, da der Nachweis intrazellulärer Bakterien als Bestätigung für ein infektiöses Geschehen gilt, wobei stets eine Probe aufbewahrt werden sollte für eine nachfolgende Kultur mit antibiotischem Empfindlichkeitstest, falls dies angezeigt ist (Abbildung 4). Wenn bei einem Patienten mit Verdacht auf eine septische Peritonitis in der Peritonealflüssigkeit keine intrazellulären Bakterien zu finden sind, kann die Blutglukosekonzentration mit der Glukosekonzentration in der Peritonealflüssigkeit verglichen werden. Eine Differenz von mehr als 20 mg/dl (Blut > Peritonealflüssigkeit) spricht für die Diagnose einer septischen Peritonitis 4. Zu berücksichtigen ist aber, dass ein Verdacht auf eine infektiöse Ursache, der sich aufgrund der initialen Beurteilung ergibt, nicht immer bestätigt werden kann. Es müssen daher auch andere potenzielle Ursachen in Betracht gezogen werden, und das therapeutische Ansprechen muss durch regelmäßige und häufige Nachkontrollen des Patienten überwacht werden.

Gestaute Maulschleimhaut eines Hundes mit SIRS

Abbildung 1. Gestaute Maulschleimhaut eines Hundes mit SIRS.
© Rocio Redondo

Laterale Thoraxröntgenaufnahme eines Hundes mit Aspirationspneumonie

Abbildung 2 Laterale Thoraxröntgenaufnahme eines Hundes mit Aspirationspneumonie. Zu beachten ist die alveoläre Zeichnung in den rechten und linken kranialen Lungenlappen sowie im rechten mittleren Lappen. Zudem liegt eine generalisierte Erweiterung des Ösophagus vor.
© Rafael Obrador de Aguilar

Stabilisierung und Behandlung des septischen Patienten

Das klinische Erscheinungsbild eines Hundes mit Sepsis kann hochgradig variabel sein, und während einige Tiere eine intensive Behandlung benötigen, um zu überleben, können andere ambulant behandelt werden. Wichtige Punkte bei der Stabilisierung dieser Patienten sind die Reanimation, die Kontrolle der Infektionsquelle, eine Antibiotikabehandlung und die Anwendung von Vasopressoren (wenn ein septischer Schock vorliegt).

Sagittal image
a
Transverse image
b

Abbildung 3. Sagittale (a) und transversale (b) CT-Bilder eines Sepsispatienten mit Pyothorax infolge der Wanderung eines Pflanzenstachels. Der linke kaudale Lungenlappen ist von der Thoraxwand weg verlagert und zeigt ein fokales alveoläres Muster, zu sehen ist auch ein kleines Luftbronchogramm.
© Rafael Obrador de Aguilar

 

Reanimation

Die Reanimation eines Hundes mit Sepsis unterscheidet sich von der Reanimation bei Patienten mit anderen Formen des Schocks. Bei Sepsis liegt die Ursache einer hämodynamischen Insuffizienz in der Kombination von absoluter Hypovolämie (die von einer Flüssigkeitsgabe profitiert) und relativer Hypovolämie als Folge der erhöhten Gefäßpermeabilität, die einen Flüssigkeitsverlust, einen Verlust des Gefäßtonus und (bei einigen Patienten) eine myokardiale Dysfunktion hervorruft. Der Grad, in dem jeder einzelne dieser Faktoren einen gegebenen Patienten beeinträchtigen kann, ist dabei hochgradig variabel und dynamisch. Es scheint daher logisch, dass nicht alle diese Patienten gleichermaßen von einem standardisierten Behandlungsansatz profitieren. Vielmehr sollte die Flüssigkeitstherapie individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten werden, und sich stets an seinem tatsächlichen aktuellen Bedarf orientieren.

Sample obtained by abdominocentesis in a patient with septic abdomen Cytology of the fluid shows the presence of intracellular bacteria
a b

Abbildung 4. (a) Über eine Abdominozentese gewonnene Probe eines Patienten mit septischem Abdomen. (b) Die zytologische Untersuchung der Flüssigkeit zeigt intrazelluläre Bakterien (x100).
© Rafael Obrador de Aguilar

 

Bis heute hat sich keine Strategie einer Flüssigkeitstherapie (Typ, Volumen, Häufigkeit) bei der Behandlung septischer Patienten als überlegen erwiesen. Ein sehr wichtiger Aspekt ist jedoch die Zeit bis zur Reanimation nach der Feststellung einer hämodynamischen Störung, und im Idealfall sollte die Reanimation innerhalb von 20-30 Minuten erfolgen. Eine frühzeitige Applikation von Flüssigkeit kann in der Tat den entzündlichen Zustand modulieren und sogar den Bedarf an Vasopressoren reduzieren (Abbildung 5), während auf der anderen Seite eine verzögerte oder unzureichende Flüssigkeitsgabe mit einer Verschlechterung des hämodynamischen Zustands, einer Abnahme des mikrozirkulatorischen Blutflusses und Organdysfunktionen einhergeht 5,6,7. Empfohlen wird die frühzeitige Einleitung der Reanimation mit einer ausgeglichenen, isotonischen kristalloiden Lösung (z. B. Ringer-Laktat-Lösung) 8. Im Allgemeinen wird initial ein intravenöser Bolus (10-20 ml/kg über etwa 15 Minuten) verabreicht, während gleichzeitig alle klassischen Perfusionsparameter überwacht werden (mentaler Status, Herzfrequenz, Schleimhautfarbe, kapilläre Rückfüllzeit, Temperatur der Extremitäten, Pulsqualität). Das Ziel ist eine Verbesserung dieser Parameter oder sogar ihre Rückkehr in den Normalbereich. Spricht der Patient auf die erste Bolusgabe nicht an (d. h., die Perfusionsparameter bessern sich nicht), kann der Flüssigkeitsbolus zwei bis drei Mal wiederholt werden, wobei sorgfältig auf Symptome einer möglichen Volumenüberladung zu achten ist (d. h., Tremor, Nausea, Pfeifen, Chemosis, seröser Nasenausfluss, erhöhte Atemfrequenz und/oder Atmungsanstrengung, subkutanes Ödem, Rasselgeräusche bei der Lungenauskultation). Treten solche Symptome auf, wird eine fortgesetzte Flüssigkeitszufuhr schädliche Auswirkungen haben und ist deshalb nicht angezeigt.

Sobald der Patient reanimiert ist, muss die Flüssigkeitstherapie – wie bei jedem stationären Patienten – angepasst werden in Abhängigkeit vom Hydratationsstatus, dem täglichen physiologischen Flüssigkeitsbedarf und eventuellen anhaltenden Flüssigkeitsverlusten. Bei etwa 15 % der Patienten mit Sepsis schreitet der Zustand fort in Richtung eines septischen Schocks, der gekennzeichnet ist durch eine zirkulatorische Insuffizienz, eine multiple Organdysfunktion und eine erhöhte Mortalität. An diesem Punkt ist selbst eine adäquate Flüssigkeitsgabe nicht mehr in der Lage, die nachfolgende systemische Hypotonie umzukehren, so dass zusätzlich Vasopressoren (siehe unten) verabreicht werden müssen.

Die Flüssigkeitstherapie sollte bei einem Hund mit septischem Schock so früh wie möglich eingeleitet werden

Abbildung 5. Die Flüssigkeitstherapie sollte bei einem Hund mit septischem Schock so früh wie möglich eingeleitet werden. Geeignet sind abgestimmte isotonische kristalloide Lösungen.
© Shutterstock

Bekämpfung des Infektionsherdes 

Die Bekämpfung des Infektionsherdes dient der Beseitigung der ursprünglichen Ursache und verhindert ein mögliches Fortschreiten einer Sepsis in Richtung Organdysfunktion. Sobald die Reanimation erfolgreich abgeschlossen ist, muss das infizierte Gewebe so zeitnah wie möglich drainiert oder chirurgisch reseziert werden, da ein frühzeitiges Entfernen des Infektionsherdes nachweislich einen positiven Einfluss auf die Prognose dieser Patienten hat (Abbildung 6) 9. Bei diesem Schritt können auch Proben für mikrobiologische Analysen gewonnen werden.

duodenal perforation secondary to nonsteroidal anti-inflammatory dr
a
intestinal perforation from a foreign body
b
mesenteric torsion
c

Abbildung 6. Beispiele für ein septisches Abdomen: (a) Duodenale Perforation infolge nichtsteroidaler antiinflammatorischer Arzneimittel; (b) Intestinale Perforation durch einen Fremdkörper; (c) Mesenteriale Torsion.
© Nuria Vizcaíno 

 

Antibiotische Therapie

Eine frühzeitige geeignete antibiotische Therapie ist einer der Grundpfeiler der Sepsisbehandlung. Insbesondere gilt dies für kritisch kranke Patienten mit Organdysfunktion oder septischem Schock. Wenn immer möglich, und wenn dies die Einleitung der antibiotischen Therapie nicht verzögert, sollten Proben für eine Kultur mit Empfindlichkeitstest entnommen werden. Bis die bakteriologischen Ergebnisse aus dem Labor vorliegen, wird eine empirische Therapie mit einem Breitbandantibiotikum durchgeführt, das mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die dem Problem potenziell zugrundeliegenden Erreger wirksam ist. Weitere Faktoren, die bei der Wahl des Antibiotikums berücksichtigt werden müssen, sind der Zustand des Patienten (d.h., muss das bevorzugte Antibiotikum peroral oder intravenös verabreicht werden?) und die Möglichkeit multiresistenter Infektionen (nach vorangegangener Exposition gegenüber Antibiotika, nach jüngsten stationären Aufenthalten oder bei ambulant erworbenen Infektionen). Die gewählte Dosierung muss zum einen eine maximale Beseitigung des pathogenen Erregers gewährleisten und zum anderen die Möglichkeit der Entwicklung antibiotischer Resistenzen so weit wie möglich einschränken und nicht zuletzt auch Nebenwirkungen vermeiden. Hier folgen nun einige Beispiele für Kombinationsbehandlungen bei Patienten mit Sepsis, die stationär aufgenommen werden müssen und in den Wochen vor der Hospitalisierung keine Antibiotika erhalten hatten 10:

  • Ampicillin (22 mg/kg IV alle 8 Std.) und Enrofloxacin (5-20 mg/kg IV alle 24 Std.)
  • Ampicillin (22 mg/kg IV alle 8 Std.) und Cefoxitin (15-30 mg/kg IV alle 4-6 Std.)
  • Clindamycin (8-10 mg/kg IV alle 12 Std.) und Enrofloxacin (5-20 mg/kg IV alle 24 Std.)
  • Ticarcillin und Clavulansäure (50 mg/kg IV alle 6 Std.) und Enrofloxacin (5-20 mg/kg IV alle 24 Std.)

Die initial gewählte empirische Kombination wird anschließend angepasst auf der Grundlage der Fortschritte des Patienten und anhand der Ergebnisse von Kultur und Empfindlichkeitstest, sobald diese vorliegen. Dieser Prozess des gezielten „Herunterfahrens“ der antibiotischen Therapie wird auch als Deeskalation bezeichnet. Das Ziel ist eine Anpassung des Spektrums und der Anzahl der Antibiotika bis auf das minimale Maß, das erforderlich ist, um eine adäquate Kontrolle der Infektion nach Bestimmung des Erregers zu erreichen. Diese Strategie ist ganz im Sinne der rationalen Antibiotikatherapie, denn sie minimiert das Risiko für Nebenwirkungen und unterstützt nicht zuletzt das Verhindern der Entstehung bakterieller Resistenzen.

Vasopressortherapie

Besteht bei einem septischen Patienten eine systemische Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg), die auf eine Flüssigkeitsreanimation nicht anspricht (septischer Schock), muss so schnell wie möglich eine Behandlung mit Vasopressoren eingeleitet werden 11. Die frühzeitige Einleitung einer Vasopressortherapie bei Patienten mit septischem Schock führt zu einem geringeren Bedarf an Reanimationsflüssigkeiten, zu einer geringeren Akkumulation von Flüssigkeit im Gewebe und zu einer kürzeren Dauer der Hypotonie, und dadurch letztlich zu einer Reduzierung der Mortalität 12. Das Ziel der Vasopressortherapie ist die Erhöhung des systemischen Gefäßwiderstands durch Verbesserung des Blutdrucks und dadurch die Aufrechterhaltung der Perfusion lebenswichtiger Organe. Der systolische Blutdruck muss über 90-100 mmHg gehalten werden, wenn der Patient zuvor einen normalen Blutdruck aufgewiesen hatte.

Die beiden in der Veterinärmedizin am häufigsten eingesetzten Vasopressoren sind Noradrenalin (Norepinephrin) und Dopamin (Tabelle 3). Noradrenalin ist ein Katecholamin, das den Blutdruck hauptsächlich über seine vasokonstriktiven Eigenschaften erhöht und gleichzeitig nur minimale Auswirkungen auf die Herzfrequenz hat (ausgeprägte α-1-Wirkung und moderate β-1-Wirkung). Bei adäquater Volumenreanimation kommt es zusätzlich zu einer Verbesserung des renalen Blutflusses und zu einer Absenkung der Laktatkonzentration. Dopamin ist die natürliche Vorläufersubstanz von Noradrenalin im Körper, seine Effekte unterscheiden sich geringfügig und sind dosisabhängig. Im Allgemeinen wirkt Dopamin bei mittlerer Dosierung (3-10 µg/kg/Min.) stärker auf das Herz (β-1) und schwächer auf Gefäßebene (α-1). Es besteht also ein höheres Risiko für Tachykardie und/oder Arrhythmien, und insgesamt wird Dopamin in diesem Zusammenhang weniger häufig eingesetzt als Noradrenalin. Letztlich hängt die Wahl des Vasopressors im Einzelfall aber auch von den Vorlieben und Erfahrungen des behandelnden Personals bzw. der Praxis ab.

Tabelle 3. Vasopressoren beim Hund: Wirkungsmechanismen und empfohlene Dosierungen.

Vasopressor α β1 β2
Kontraktibilität Herzfrequenz Gefäßtonus Blutdruck Dosierung
Dobutamin + + ++ ↑↑ Variabel 5-20 µg/kg/min
Dopamin ++ + ++ ↑↑ ↑↑ ↑↑ ↑↑ 5-20 µg/kg/min
Adrenalin +++ +++ +++ ↑↑↑ ↑↑↑ ↑↑↑ ↑↑↑ 0,05-1,0 µg/kg/min
Noradrenalin +++ + 0 Variabel ↑↑↑ ↑↑↑ 0,1-2,0 µg/kg/min
Vasopressin 0 0 0 0 ↑↑ ↑↑
0,5-5,0 mU/kg/min

Beide Arzneimittel werden intravenös per Dauertropfinfusion (DTI) verabreicht, anfangs am unteren Ende der empfohlenen Dosierungsspanne, und dann in schrittweise ansteigender Dosierung, bis der Patient hämodynamisch stabilisiert werden kann (systolischer Blutdruck > 90-100 mmHg). Bei einigen Hunden mit septischem Schock kommt es trotz Flüssigkeitstherapie und trotz hoch dosierten Vasopressoren nicht zu einer Verbesserung der Hypotonie, eine Situation, die als refraktärer Schock bezeichnet wird 13. In diesen Fällen muss der Patient erneut untersucht und beurteilt werden, um mögliche Ursachen eines refraktären Schocks abzuklären (Tabelle 4).

Tabelle 4. Ursachen eines refraktären Schocks.

  • Inadäquates intravaskuläres Volumen
  • Myokardinsuffizienz oder Myokarddepression
  • Elektrolytstörungen
  • Organischämie
  • Glukokortikoidmangel
  • Übermäßige periphere Vasodilatation
  • anhaltender Flüssigkeitsverlust
  • Herzarrhythmie
  • Azidämie/Alkalämie
  • Hypoxämie
  • Hochgradige Schmerzen
  • Übermäßige periphere Vasokonstriktion
  • Verminderter venöser Rückfluss (Obstruktion des Blutflusses)
  • Myokardiale Tamponade
  • Hypoglykämie
  • Inadäquate Sauerstofftransportkapazität

 

Weitere Überlegungen bei septischen Patienten

Kortikosteroide

Die Gabe von Glukokortikoiden wird bei septischen Patienten nicht empfohlen, wenn die hämodynamische Stabilität mit Hilfe einer Flüssigkeitstherapie und Vasopressoren aufrechterhalten werden kann. Spricht ein Hund mit septischem Schock aber nicht auf eine Volumenexpansion an und persistiert die Hypotonie trotz Katecholaminen in hohen Dosen, muss eine Behandlung mit Kortikosteroiden in Erwägung gezogen werden 14,15. Kortikosteroide steigern die vaskuläre α-adrenerge Antwort und reduzieren die auf ein Entzündungsgeschehen zurückzuführende Vasodilatation. Empfohlen wird die Gabe eines intravenösen Bolus von entweder Hydrokortison (1 mg/kg, gefolgt von einer DTI mit 0,08 mg/kg/Std.) 16 oder Dexamethason (DTI von 0,01-0,02 mg/kg/Std.).

Enterale Ernährung

Der Verdauungstrakt gilt bei der Spezies Hund als „Schockorgan“ und ist deshalb besonders anfällig für Probleme im Zusammenhang mit einer Hypoperfusion, in Situationen, in denen der Blutfluss nach Bedarf in wichtigere Organe umgeleitet wird. In Kombination mit einer Anorexie kann dieser Effekt einen signifikanten Einfluss auf die Permeabilität der gastrointestinalen Barriere haben und die Translokation von Bakterien (oder Endotoxinen) begünstigen. Zudem sind anorektische Sepsispatienten besonders anfällig für eine Mangelernährung. Aus diesen Gründen ist es wichtig, so früh wie möglich eine enterale Ernährung einzuleiten, grundsätzlich aber erst dann, wenn der Patient adäquat hydriert und hämodynamisch stabil ist und keine signifikanten Elektrolytstörungen aufweist. Die Ernährung erfolgt entweder über eine freiwillige Nahrungsaufnahme oder im Falle einer Anorexie mit Hilfe von Ernährungssonden. Das primäre Ziel der Ernährung auf enteralem Weg ist die Versorgung der Enterozyten mit Nährstoffen, um die Integrität der gastrointestinalen Barriere aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund kann die Nahrungszufuhr anfangs auch unterhalb des Ruheenergiebedarfs des Hundes liegen (berechnet auf der Basis 70x [Gewicht in kg]0,75).

Kontrolle des Blutglukosespiegels

Bei Patienten mit Sepsis beobachtet man häufig Veränderungen der Blutzuckerregulation mit einer Hyperglykämie in den sehr frühen Stadien, gefolgt von einer Hypoglykämie mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung. Es wird empfohlen, die Blutglukosekonzentration im Bereich zwischen 70 und 140 mg/dl zu halten. Hypoglykämische Patienten erhalten einen intravenösen Glukose-Bolus (0,5-1,0 ml/kg verdünnter 50 % Glukose). Spricht der Patient auf den Bolus transient an, können Infusionsflüssigkeiten mit Glukose (2,5-5,0 %) supplementiert werden. Wenn der Blutglukosespiegel kontinuierlich über 150 mg/dl liegt, kann eine Behandlung mit Normalinsulin per DTI (0,05-0,1 IU/kg/Std.) eingeleitet werden, stets begleitet von einer intensiven Überwachung des Blutglukosespiegels.

Rafael Obrador de Aguilar

Das klinische Erscheinungsbild eines Hundes mit Sepsis kann hochgradig variabel sein; während einige Tiere eine intensive Behandlung benötigen, um zu überleben, können andere ambulant behandelt werden.

Rafael Obrador de Aguilar

Prognose

Bei septischen Patienten ist die Prognose in erster Linie abhängig vom Schweregrad der Erkrankung, von der initial zugrundeliegenden Ursache und vom Vorhandensein oder Fehlen von Organdysfunktionen. Hunde mit unkomplizierter Sepsis haben eine gute Prognose und erreichen Überlebensraten von etwa 84 %. Sobald sich aber Organdysfunktionen oder ein septischer Schock entwickeln, verschlechtert sich die Prognose deutlich. Die Mortalität ist in der Tat sehr eng verknüpft mit Organdysfunktionen und steigt mit zunehmender Anzahl dysfunktioneller Organsysteme 17. Gewebeschäden müssen aber nicht unbedingt irreversibler Natur sein und können teilweise oder sogar vollständig zurückgehen, wenn es gelingt, die zugrundeliegende Ursache des Entzündungsgeschehens erfolgreich zu behandeln.

Schlussfolgerung

Eine Sepsis ist ein medizinischer Notfall, und die Prognose ist davon abhängig, wie schnell gezielte diagnostische und therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Betroffene Patienten müssen häufig und in sehr engen Intervallen untersucht und klinisch beurteilt werden, da es sich um eine konstant fortschreitende Erkrankung handelt, die eine intensive und konstante Überwachung des therapeutischen Ansprechens verlangt.

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Rafael Obrador de Aguilar

Rafael Obrador de Aguilar

Dr. Obrador schloss sein Tiermedizinstudium an der Universität Saragossa Mehr lesen

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