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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 29.1 Kardiologie

Persönliche Empfehlungen für... Herzgeräusche bei Katzenwelpen

veröffentlicht 14/03/2019

Geschrieben von Meg M. Sleeper und Camden Rouben

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português , Español , English und 한국어

Jeder praktische Tierarzt hat wahrscheinlich schon einmal bei einem jungen, offenbar gesunden Katzenwelpen, der zur Impfung oder für eine andere Routineuntersuchung vorgestellt wurde, ein Herzgeräusch festgestellt. Meg Sleeper und Camden Rouben diskutieren die praktische Herangehensweise an solche Fälle und zeigen, welche diagnostischen Tests am besten geeignet sind.

Persönliche Empfehlungen für... Herzgeräusche bei Katzenwelpen

Kernaussagen

Nicht selten wird bei der klinischen Untersuchung einer jungen Katze ein Herzgeräusch festgestellt. Jeder Tierarzt sollte mit einer solchen Situation sicher umgehen können.


Die Herzauskultation sollte methodisch erfolgen und alle vier Herzklappenregionen abdecken.


Jedes Herzgeräusch sollte nach Zeitpunkt, Lokalisation und Grad klassifiziert werden.


Die gewählte Therapie ist abhängig von den klinischen Symptomen, dem Ergebnis weiterführender Untersuchungen und der Diagnose/Prognose.


Einleitung

Junge Katzen (< 1 Jahr) werden praktischen Tierärzten häufig vorgestellt, sei es zur Erstuntersuchung, als neue Patienten, für Impfungen oder für ein Rassescreening. Dabei kann am Ende ein Herzgeräusch als „Zufallsbefund“ entdeckt werden. Darüber hinaus gibt es aber auch Situationen, in denen ein Herzgeräusch festgestellt wird, nachdem bereits klinische Symptome den Verdacht einer Herzerkrankung nahelegen. Der praktische Tierarzt muss in der Lage sein, mit beiden Situationen sicher und effizient umzugehen, um seinen Patienten bestmöglich medizinisch versorgen zu können und seinem Kunden die bestmögliche Dienstleistung anzubieten. Unabhängig davon, ob ein Herzgeräusch vorliegt oder nicht, sollte bei einem Patienten mit klinischen Symptomen einer Herzerkrankung immer die Überweisung zu einem Kardiologen in Erwägung gezogen werden.

Ein Herzgeräusch ist eine Schallwelle, die durch den das Herz oder die angrenzenden Gefäße durchströmenden turbulenten Blutfluss hervorgerufen wird. Am auffälligsten sind Herzgeräusche, wenn Blut von einer Kammer mit relativ hohem Druck in eine Kammer mit niedrigem Druck fließt (z. B. vom Ventrikel zum Atrium). Die Bewegung von Blut zwischen zwei Kammern mit ähnlich hohem Druck muss dagegen kein mit dem Stethoskop auskultierbares Geräusch verursachen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass kongenitalen Herzdefekte bei Katzen nicht zwingend ein Herzgeräusch hervorrufen müssen (z. B. ein offener Ductus arteriosus mit Umkehr der Strömungsrichtung), obgleich in der Praxis die meisten Defekte am Herzen dies tun. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Herzgeräusche oft bei Katzen ohne strukturelle Herzerkrankung auftreten und in diesen Fällen als benigne oder funktionelle Herzgeräusche bezeichnet werden 1.

Meg M. Sleeper

Bei klinisch instabilen Patienten oder bei Patienten mit Atemnot sollten alle weiteren diagnostische Schritte erst nach initialer Stabilisierung durchgeführt werden, wobei Thoraxröntgenaufnahmen eventuell ausgenommen sind

Meg M. Sleeper

Unabhängig davon, aus welchem Grund eine Katze im Untersuchungsraum vorgestellt wird, ist es wichtig, immer einen sorgfältigen Vorbericht zu erheben. Wenn im Rahmen der klinischen Untersuchung ein Herzgeräusch festgestellt wird, müssen folgende spezifische Details vom Besitzer erfragt werden: Hinweise auf Lethargie, Leistungsintoleranz, Gewicht des Patienten im Vergleich zu seinen Wurfgeschwistern, jegliche Erhöhung der Atemfrequenz/Atmungsanstrengung in Ruhe und jegliche Kollaps-Episoden. Wichtig sind zudem Fragen nach der prophylaktischen Entwurmung (insbesondere Lungenwürmer) und dem Herzwurmstatus des Patienten. Darüber hinaus sollte der Besitzer ermutigt werden, beim Züchter seiner Katze nachzufragen, ob kardiovaskuläre Probleme bei den Wurfgeschwistern oder bei den Eltern des Patienten bekannt sind.

Klinische Untersuchung

Die Beurteilung von Herzgeräuschen ist nur ein kleiner Teil einer gründlichen kardiovaskulären Untersuchung. Wir beginnen eine kardiovaskuläre klinische Untersuchung am Schwanz und arbeiten uns in Richtung Kopf vor, da dies für eine nervöse oder ängstliche Katze oft weniger bedrohlich ist. Im Idealfall sollte der Femoralispuls bei gleichzeitiger Auskultation des Herzens palpiert werden, um sicherzustellen, dass ein Puls- mit jedem Herzschlag zu palpieren ist. Bei der Palpation des Femoralispulses werden die Synchronizität zum Herzschlag und die Pulsqualität untersucht. Die Pulsstärke wird als schwach, normal oder verstärkt (hyperdynamisch oder springend) charakterisiert. Tiere mit schwachem Puls haben einen niedrigen systolischen Druck oder einen hohen diastolischen Druck (wie z. B. bei Perikarderguss oder dilatativer Kardiomyopathie). Tiere mit springendem Puls haben dagegen einen niedrigen diastolischen Druck oder einen hohen systolischen Druck (wie z. B. bei offenem Ductus arteriosus oder Aorteninsuffizienz).

Die Herzfrequenz und der Herzrhythmus werden bestimmt und aufgezeichnet. Wartet man mit der Untersuchung einige Augenblicke, bis sich ein Katzenwelpe an die neue Umgebung des Untersuchungsraumes gewöhnt hat, geht die initiale erregungsinduzierte Tachykardie in der Regel zurück. Im Falle eines unregelmäßigen Rhythmus sollte ein EKG angefertigt werden, um den Herzrhythmus im Detail zu beurteilen. Die Schleimhautfarbe kann an Zahnfleisch, Vulva und Krallenbett beurteilt werden. Eine gesunde Katze sollte rosafarbene Schleimhäute mit einer kapillären Rückfüllzeit unter zwei Sekunden haben. Blasse Schleimhäute können bei Katzenwelpen mit Anämie festzustellen sein. Eine Zyanose ist die Folge einer arteriellen Hypoxie aufgrund einer hochgradigen respiratorischen oder kardialen Erkrankung. Zyanotische Schleimhäute können zum Beispiel bei Katzen mit intrakardialen Rechts-Links-Shunts oder Shunts großer Gefäße auftreten. Die Zyanose ist entweder generalisiert mit zentralvenöser Beimischung (z. B. bei Fallot’scher Tetralogie) oder segmental/differenziell bei Rechts-Links-Shunt (z. B. offener Ductus arteriosus mit Umkehr der Strömungsrichtung). Der Begriff differenzielle Zyanose beschreibt eine Zyanose der distalen Extremitätenabschnitte und des Bereiches von Vulva bzw. Präputium, während die proximalen Extremitätenabschnitte und die Maulschleimhaut gut mit Sauerstoff versorgt zu sein scheinen (d. h., rosafarben sind).

Die Atemfrequenz und die Atmungsanstrengung sollten nach Möglichkeit am Patienten in Ruhe beurteilt werden. Die Lungenauskultation ist bei Katzen leider keine besonders sensitive Methode für die Diagnose eines Lungenödems oder eines Pleuraergusses. Ergibt die klinische Untersuchung Symptome, die auf das respiratorische System zurückzuführen sein könnten, sollten Thoraxröntgenaufnahmen in drei Ebenen (linkslateral, rechtslateral und ventrodorsal) in Betracht gezogen werden ( Abbildung 1 , Abbildung 2 , Abbildung 3 ). Das Abdomen wird sanft palpiert auf Hinweise für eine Organomegalie oder einen Aszites, der auf eine Rechtsherzinsuffizienz hindeuten könnte. Generalisierte venöse Stauungen und/oder ein Jugularispuls können ebenfalls auf eine rechtsseitige Herzerkrankung hinweisen.  Tabelle 1  fasst die häufigsten kongenitalen Herzdefekte bei Katzen zusammen.

Abbildung 1. Physiologische laterale (a) und ventrodorsale (VD) (b) Thoraxröntgenaufnahme einer jungen Katze. Thoraxröntgenaufnahmen in drei Ebenen sollten bei jedem Patienten mit klinischen Symptomen, die auf das respiratorische System zurückzuführen sein könnten, in Erwägung gezogen werden.© Camden Rouben
Abbildung 1. Physiologische laterale (a) und ventrodorsale (VD) (b) Thoraxröntgenaufnahme einer jungen Katze. Thoraxröntgenaufnahmen in drei Ebenen sollten bei jedem Patienten mit klinischen Symptomen, die auf das respiratorische System zurückzuführen sein könnten, in Erwägung gezogen werden.© Camden Rouben
Abbildung 2. Laterale (a) und VD (b) Röntgenaufnahme eines 8 Monate alten Katzenwelpen mit Vorbericht „Seit zwei Tagen bestehender Husten, versteckt sich und zieht sich zurück“. Die laterale Aufnahme zeigt eine abnorm vergrößerte, ovale Herzsilhouette mit nach dorsal angehobener Trachea. Die VD-Aufnahme zeigt eine deutlich vergrößerte Herzsilhouette mit klar abgrenzbaren Rändern, die mit der rechten und linken Thoraxwand in Kontakt treten. Diagnostiziert wurde schließlich eine peritoneoperikardiale Zwerchfellshernie.© Camden Rouben
Abbildung 2. Laterale (a) und VD (b) Röntgenaufnahme eines 8 Monate alten Katzenwelpen mit Vorbericht „Seit zwei Tagen bestehender Husten, versteckt sich und zieht sich zurück“. Die laterale Aufnahme zeigt eine abnorm vergrößerte, ovale Herzsilhouette mit nach dorsal angehobener Trachea. Die VD-Aufnahme zeigt eine deutlich vergrößerte Herzsilhouette mit klar abgrenzbaren Rändern, die mit der rechten und linken Thoraxwand in Kontakt treten. Diagnostiziert wurde schließlich eine peritoneoperikardiale Zwerchfellshernie.© Camden Rouben
Abbildung 3. Laterale (a) und VD (b) Röntgenaufnahme einer jungen Europäisch Kurzhaarkatze, die mit erhöhter Atemfrequenz und vermehrter Atmungsanstrengung vorgestellt wurde. In der lateralen Ebene ist die Herzsilhouette mittelgradig vergrößert mit verlängerter Kontur und abgerundetem kranialem Rand. In der VD-Ebene ist die Herzsilhouette breit. Die Verteilung der unstrukturierten interstitiellen bis alveolären Lungenzeichnung spricht am ehesten für ein kardiogenes Lungenödem. Bei der Herzultraschalluntersuchung wurden eine Vergrößerung des linken Vorhofs und eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie diagnostiziert.© Camden Rouben
Abbildung 3. Laterale (a) und VD (b) Röntgenaufnahme einer jungen Europäisch Kurzhaarkatze, die mit erhöhter Atemfrequenz und vermehrter Atmungsanstrengung vorgestellt wurde. In der lateralen Ebene ist die Herzsilhouette mittelgradig vergrößert mit verlängerter Kontur und abgerundetem kranialem Rand. In der VD-Ebene ist die Herzsilhouette breit. Die Verteilung der unstrukturierten interstitiellen bis alveolären Lungenzeichnung spricht am ehesten für ein kardiogenes Lungenödem. Bei der Herzultraschalluntersuchung wurden eine Vergrößerung des linken Vorhofs und eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie diagnostiziert.© Camden Rouben

 

Tabelle 1. Die vier häufigsten kongenitalen Herzdefekte bei Katzen 2.
• Ventrikelseptumdefekt, membranös
• Subvalvuläre Aortenstenose
• Valvuläre Aortenstenose / Pulmonalstenose
• Pulmonalarterienstenose

 

Die Beurteilung eines Herzgeräusches

Abbildung 4. Die Herzauskultation ist eine Untersuchungstechnik, die sich mit zunehmender Praxiserfahrung stetig verfeinert. Auch wenn sich die Untersuchung bei Katzenwelpen als Herausforderung erweisen kann, sollten nach Möglichkeit alle vier Herzklappenregionen sorgfältig auskultiert werden. © Shutterstock
Abbildung 4. Die Herzauskultation ist eine Untersuchungstechnik, die sich mit zunehmender Praxiserfahrung stetig verfeinert. Auch wenn sich die Untersuchung bei Katzenwelpen als Herausforderung erweisen kann, sollten nach Möglichkeit alle vier Herzklappenregionen sorgfältig auskultiert werden. © Shutterstock

Die Herzauskultation ist eine Untersuchungstechnik, die wir im Studium erlernen und im Laufe der Jahre in der Praxis weiter vervollkommnen. Insbesondere Katzenwelpen können sehr schwierig zu auskultieren sein, da sie in der Regel nicht besonders kooperativ sind. Um einen Katzenwelpen zu beruhigen, können wir ihm seinen Lieblingssnack anbieten, ihn sanft in einer Hand wiegen und mit der anderen Hand das Stethoskop führen oder das Tier vom Besitzer oder einer Tierarzthelferin während der Auskultation sanft halten lassen. Die Herzauskultation sollte nach Möglichkeit immer über den anatomischen Lokalisationen aller vier Herzklappen erfolgen (Abbildung 4). Die normalen Herztöne (HT1 und HT 2) sind hochfrequente Töne und am besten mit der Membran des Stethoskops zu hören. Galopptöne treten während der Diastole (HT3 und HT4) auf. Es handelt sich in der Regel um niederfrequente Töne, die am besten mit dem Trichter (ohne Membran) zu hören sind.

Camden Rouben

Die Auskultation von Katzenwelpen kann sich als Herausforderung erweisen, da diese Tiere oft nicht besonders kooperativ sind. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, einen Katzenwelpen zu beruhigen, um eine vollständige kardiologische Beurteilung durchführen zu könnenext in field

Camden Rouben

Wenn bei der Auskultation eines Katzenwelpen ein Herzgeräusch festgestellt wird, sollte es zunächst charakterisiert und klassifiziert werden, um die Erstellung der Liste der Differenzialdiagnosen zu erleichtern ( Tabelle 2 ).

Tabelle 2. Charakteristika eines Herzgeräusches.
Zeitpunkt Localization Grad/Intensität
• Systolisch
• Diastolisch
• Kontinuierlich
• Apikal (links, rechts)
• Basal (links, rechts)
• Parasternal (links, rechts)
• 1/6
• 2/6
• 3/6
• 4/6
• 5/6
• 6/6

 

  • Das erste Charakteristikum ist der Zeitpunkt (In welchem Abschnitt des Herzzyklus tritt das Geräusch auf?)Geräusche zwischen HT1 und HT2 sind systolische Herzgeräusche. Geräusche, die zwischen HT2 und dem nächsten HT1 auftreten, sind diastolische Herzgeräusche. Geräusche, die während der Systole UND während der Diastole auftreten, werden als kontinuierliche Herzgeräusche (systolisch-diastolische Herzgeräusche) bezeichnet. Aufgrund der bei vielen Katzenwelpen sehr hohen Herzfrequenz kann sich die eindeutige Differenzierung zwischen systolischen und diastolischen Herzgeräuschen als schwierig erweisen. Diastolische Herzgeräusche kommen bei kleinen Tieren insgesamt jedoch eher selten vor.
     
  • Das zweite Merkmal ist die Lokalisation (Wo am Thorax liegt das Punctum maximum, also die Auskultationsstelle, an der das Herzgeräusch am lautesten ist? - links oder rechts; apikal oder basal oder parasternal). Wenn ein präkardiales Schwirren zu palpieren ist, liegt dieses am Punctum maximum ( Abbildung 5 ).
     
  • Das dritte Charakteristikum ist der Intensitätsgrad des Herzgeräusches (Wie laut ist das Geräusch?). Herzgeräusche werden in die Grade 1 bis 6 unterteilt. Der Grad eines Herzgeräusches sagt im Wesentlichen aus, wie intensiv, also wie laut das Geräusch ist. Ein Grad-1-Geräusch ist per Definition so schwach, dass es nur mit Mühe bei der Auskultation hörbar ist, während ein Grad-6-Geräusch so laut ist, dass es bereits bei nicht vollständig auf die Thoraxwand aufgelegtem Stethoskopkopf hörbar ist. Herzgeräusche, die ein palpierbares präkardiales Schwirren hervorrufen, diastolische Herzgeräusche oder kontinuierliche Herzgeräusche sind immer als pathologisch zu betrachten und werden am besten mit Hilfe einer Herzultraschalluntersuchung weiter abgeklärt 3.

 

Abbildung 5. Die Herzauskultation erfolgt über den anatomischen Lokalisationen aller vier Herzklappen. Schematische Darstellung der anatomischen Lokalisationen für die Auskultation der einzelnen Klappen (2).© Sandrine Fontègne
Abbildung 5. Die Herzauskultation erfolgt über den anatomischen Lokalisationen aller vier Herzklappen. Schematische Darstellung der anatomischen Lokalisationen für die Auskultation der einzelnen Klappen (2).© Sandrine Fontègne

Legende: RA = rechtes Atrium; RV = rechter Ventrikel; LA = linkes Atrium; LV = linker Ventrikel; AO = Aorta; PA = Pulmonalarterie
Klappe Anatomische Lokalisation
Mitralklappe (M) 5. Interkostalraum linksseitig am kostochondralen Übergang
Trikuspidalklappe (T) Rechtsseitig zwischen dem 3. und 4. Interkostalraum, unmittelbar dorsal des kostochondralen Übergangs
Aortenklappe (A) Linksseitig zwischen dem 4. und 5. Interkostalraum, unmittelbar dorsal des kostochondralen Übergangs
Pulmonalklappe (P) Linksseitig zwischen dem 2. und 3. Interkostalraum unmittelbar dorsal des Sternums

Diagnose

Auf der Grundlage des Charakters des Herzgeräusches und des klinischen Status des Patienten können schließlich Empfehlungen für die weiterführende Diagnostik und/oder Therapie gegeben werden. Bei klinisch instabilen Patienten oder Patienten mit Atemnot sollten weitere diagnostische Schritte jedoch erst nach initialer Stabilisierung durchgeführt werden, wobei Thoraxröntgenaufnahmen eventuell ausgenommen sind und unmittelbar angefertigt werden müssen. Für die endgültige Diagnose der einem Herzgeräusch zugrundeliegenden Ursache ist eine vollständige Herzultraschalluntersuchung erforderlich. Anhand der sonographischen Befunde kann der Tierarzt die Ätiologie des Herzgeräusches in der Regel sehr schnell erkennen, und somit ad hoc entscheiden, ob eine unmittelbare Intervention erforderlich ist und schließlich zeitnah eine Prognose für den Patienten erstellen.

Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass in der Praxis Katzenwelpen mit einem Herzgeräusch in jedem Fall einer vollständigen Herzultraschalluntersuchung unterzogen werden. Wenn das bei der Auskultation festgestellte Herzgeräusch eine Intensität von ≤ Grad 3/6 aufweist oder intermittierend auftritt (d. h., es variiert mit der Herzfrequenz und/oder ist nicht bei jeder Untersuchung feststellbar), kann zunächst empfohlen werden, die mögliche Persistenz des Herzgeräusches im Rahmen der kommenden Wiederholungsimpfungen zu überprüfen. Wenn der betroffene Katzenwelpe blasse Schleimhäute aufweist, kann eine Blutentnahme für die Hämatokritbestimmung eine schnelle und kostengünstige Maßnahme zum Ausschluss einer Anämie sein. Ist der Patient anämisch, sollte die Ursache der Blutarmut diagnostiziert und entsprechend behandelt werden. Liegt der Hämatokrit nach der entsprechenden Therapie wieder innerhalb des Referenzbereiches, sollte der Patient erneut daraufhin untersucht werden, ob das Herzgeräusch weiterhin vorhanden ist. Ein Serum-NT-proBNP-Test kann die Diagnose unterstützen, insbesondere in Fällen, in denen eine Herzultraschalluntersuchung keine Option ist. Bei einem Patienten mit einem Serum-NT-proBNP über 100pmol/l ist eine Herzerkrankung wahrscheinlicher, während bei einem Patienten mit physiologischem Serum-NT-proBNP (unter 100 pmol/l) eine Herzerkrankung unwahrscheinlich und das Herzgeräusch tendenziell eher benigner (funktioneller) Natur ist 4.

Wie oben erwähnt sollten Thoraxröntgenaufnahmen insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Patient respiratorische Symptome zeigt. Lehnt der Besitzer weiterführende Maßnahmen zur Erlangung einer endgültigen Diagnose ab, sollte er gebeten werden, zu Hause auf Anzeichen zu achten, die für ein Fortschreiten der Herzerkrankung sprechen könnten, also Symptome einer Herzinsuffizienz, wie zum Beispiel Dyspnoe oder Tachypnoe.

Therapie und Management

Die therapeutischen Optionen und die diesbezügliche Diskussion mit dem Katzenbesitzer sind vollständig abhängig von der endgültigen Diagnose und den Befunden des Herzultraschalls. Bei Katzenwelpen mit bestätigter kongestiver Herzinsuffizienz sollte eine medikamentöse Behandlung eingeleitet werden, es sei denn, die Besitzer entscheiden sich für eine Euthanasie. Weitere Befunde, die eine medikamentöse Behandlung rechtfertigen, sind Tachy- und Bradyarrhythmien, SAM Phänomen („systolic anterior movement“) der Mitralklappe und eine hochgradige pulmonale Hypertonie.

Bei Katzen mit kongestiver Herzinsuffizienz gelten Furosemid und ein ACE-Hemmer als Arzneimittel der ersten Wahl. Spironolacton und Pimobendan sollten in therapieresistenten Fällen in Betracht gezogen werden, oder wenn davon auszugehen ist, dass die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung von diesen Wirkstoffen profitieren würde. So wird Pimobendan beispielsweise bei Patienten mit Evidenz für eine systolische Dysfunktion befürwortet.  Tabelle 3  fasst die üblichen Dosierungen häufig eingesetzter Arzneimittel zusammen. Sildenafil sollte bei Katzenwelpen mit Symptomen einer hochgradigen pulmonalen Hypertonie in Erwägung gezogen werden, und Atenolol kann für die Kontrolle einer hochgradigen dynamischen Ausflusstraktobstruktion und bei einigen Arrhythmien eingesetzt werden (Abbildung 6), sollte bei Patienten mit Symptomen einer kongestiven Herzinsuffizienz aber nicht verabreicht werden. Bezüglich spezifischer antiarrhythmischer Behandlungen sei der Leser auf die zahlreichen Artikel und Buchkapitel zu dieser Thematik verwiesen. Dort findet man ausführliche Diskussionen darüber, wann welche Therapie angezeigt ist und anhand welcher Kriterien die im Einzelfall am besten geeigneten Arzneimittel auszuwählen sind.

Abbildung 6. Diese EKG-Aufzeichnung (25 mm/sec; 10 mm/mV) mit Ableitung I, II und III einer Katze zeigt eine ventrikuläre Extrasystole. Zu beachten ist der breite unregelmäßige QRS-Komplex.© Meg Sleeper
Abbildung 6. Diese EKG-Aufzeichnung (25 mm/sec; 10 mm/mV) mit Ableitung I, II und III einer Katze zeigt eine ventrikuläre Extrasystole. Zu beachten ist der breite unregelmäßige QRS-Komplex.© Meg Sleeper

Tabelle 3. Häufig bei kardiologischen Patienten eingesetzte Arzneimittel und ihre Dosierungen
Furosemid 1-2 mg/kg IV, IM oder PO (Dosierungshäufigkeit ist abhängig von der Applikationsroute)
Angiotensin Converting Enzyme (ACE) Hemmer 0,5 mg/kg PO, 1x bis 2x täglich
Spironolacton 1-2 mg/kg PO, 1x bis 2x täglich
Pimobendan* 0,25-0,3 mg/kg PO, 2x täglich
Sildenafil 1-2 mg/kg PO, 3x täglich
Atenolol 6,25-12,5 mg pro Katze PO pro Tag, auf 1-2 Dosen verteilt

Einige Herzerkrankungen eignen sich für spezifische therapeutische Interventionen. So werden bei Katzen beispielsweise Herzkathetergestützte Eingriffe für die wirksame Behandlung des offenen Ductus arteriosus und der Pulmonalstenose eingesetzt. Einfacher verfügbar sind jedoch konventionelle chirurgische Behandlungen über eine Thorakotomie oder Thorakoskopie, zum Beispiel bei offenem Ductus arteriosus (Ligatur), bei Gefäßringanomalien und bei perikardialen Defekten. Diese chirurgischen Eingriffe sind ebenso effektiv wie ihre minimalinvasiven Alternativen. Weniger häufig durchgeführte Maßnahmen wie das pulmonalarterielle Banding werden erfolgreich eingesetzt, um Shunts bei Katzen mit Ventrikelseptumdefekten zu reduzieren. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit und Durchführbarkeit kardialer Bypass-Operationen in der Veterinärmedizin könnte auch die endgültige chirurgische Korrektur für eine größere Zahl dieser Patienten in naher Zukunft Wirklichkeit werden.

Herzgeräusche werden bei Katzenwelpen gar nicht so selten festgestellt und sollten systematisch abgeklärt werden. Ein vollständiger Vorbericht und eine sorgfältige klinische Untersuchung sind die Voraussetzungen für die Festlegung der nächsten Schritte. Thoraxröntgenaufnahmen können für die initiale Beurteilung des Patienten von Nutzen sein, die endgültige Diagnose der dem Herzgeräusch zugrundeliegenden Ursache erfordert jedoch eine Herzultraschalluntersuchung. Die Echokardiographie wird immer empfohlen bei Herzgeräuschen ab Grad 4 oder wenn klinische Symptome festzustellen sind. Die Therapie ist vollständig abhängig von der endgültigen Diagnose.

Literatur

  1. Fox PR, Sisson DD, Moise NS. The Physical Examination.In: Textbook of Canine and Feline Cardiology 2nd ed. London, WB Saunders, 1999; 52-59.
  2. Schrope D. Prevalence of congenital heart disease in 76,301 mixed-breed dogs and 57,025 mixed-breed cats. J Vet Cardiol 2015;17:192-202.
  3. Cote E, Edwards NJ, Ettinger S, et al. Management of incidentally detected heart murmurs in dogs and cats. J Vet Cardiol 2015;17:245-261.
  4. Scansen B, Schneider M, Bonagura J. Sequential segmental classification of feline congenital heart disease. J Vet Cardiol 2015; 17:S10-S52.
Meg M. Sleeper

Meg M. Sleeper

Dr. Sleeper schloss ihr Tiermedizinstudium an der Veterinary School der University of Pennsylvania cum laude ab und arbeitete nach ihrer Board Certification Mehr lesen

Camden Rouben

Camden Rouben

Dr. Rouben ist Resident im Bereich Kardiologie am Veterinary Teaching Hospital der University of Florida, USA. Mehr lesen

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