Helfen Sie Katzen und Hunden, ihr gesündestes Leben zu führen
Veterinary Focus

Ausgabe nummer 2 Marketing und Verkauf

Wie man ein guter Tierarzt wird (Teil 2)

veröffentlicht 28/04/2021

Geschrieben von Philippe Baralon , Antje Blättner , Pere Mercader und Mark Moran

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Kunst der Kommunikation, insbesondere beim Umgang mit Tierhaltern. Denn nichts ist frustrierender als eine mangelhafte Compliance, wenn Sie ein Tier behandeln.

Wie man ein guter Tierarzt wird

Kernaussagen

Ihre Fähigkeiten in Sachen Kundenkommunikation haben einen Einfluss auf die Compliance und somit letztlich auch auf den Erfolg Ihrer tierärztlichen Tätigkeit.


Für einen jungen Tierarzt kann die tägliche Realität in der tierärztlichen Praxis zu einer kolossalen Herausforderung werden, insbesondere, wenn es um ethische Fragen geht.


Grundregeln der Kundenkommunikation

Ein vom medizinischen Standpunkt aus guter Tierarzt zu sein, sollten wir bereits an der Universität gelernt haben; ein guter Kommunikator zu sein, ist hingegen etwas, das wir erst mit der Zeit lernen werden. Kommunikations fähigkeit wird in der Regel erst in der täglichen Praxis durch „Versuch und Irrtum“ entwickelt, es sei denn, wir hatten einen guten Mentor, der uns dies beigebracht hat. Eine gute Kommunikation ist von zentraler Bedeutung, um Vertrauen aufzubauen, tiermedizinische Dienstleistungen und Produkte erfolgreich zu platzieren und zu verkaufen und so in den Augen des Kunden Mehrwert zu bieten. Eine gute Kommunikation mit den Kunden ist eigentlich recht einfach, wenn man folgende Grundregeln beachtet (Tabelle 1).
 
Tabelle 1. Regeln für die Kommunikation mit dem Kunden.
 Richtig  Falsch
Begrüßen Sie Kunden und Tier freundlich. Eine Begrüßung murmeln oder per Handzeichen begrüßen.
Lächeln Sie. Finster dreinschauen oder unaufmerksam sein.
Stellen Sie Augenkontakt her und halten Sie ihn. Den Blickkontakt mit dem Kunden vermeiden.
Fragen Sie, was Sie für den Kunden tun können und hören Sie zu. Wortlos mit der Untersuchung des Patienten beginnen.
Sprechen Sie deutlich und betonen Sie Wichtiges. Unverständliches vor sich her murmeln.
Erklären Sie bei der Untersuchung, was Sie gerade tun. Roboterartig und kommentarlos untersuchen
Verwenden Sie eine normale Sprache und übersetzen Sie Fachbegriffe. Hochgestochen in Fachterminologie sprechen.
Erklären Sie dem Kunden, dass Sie ihn nicht hören, wenn Sie gerade das Stethoskop benutzen. Den Kunden und sein Anliegen ignorieren.
Fassen Sie die Untersuchungsergebnisse zusammen, warten Sie auf ein Feedback des Kunden und besprechen Sie mit ihm die Behandlungsoptionen. Den Patienten ohne vorherige Erklärungen und ohne Feedback des Kunden sofort behandeln.
Geben Sie dem Kunden einen schriftlichen Bericht mit. Voraussetzen, dass sich der Kunde alles Gesagte merken kann.
Bedanken Sie sich herzlich beim Kunden für seinen Besuch. Sich kurz angebunden verabschieden.


Regel Nr. 1 – Kunden sind Laien!

Seien Sie sich immer Ihrer Rolle als veterinärmedizinischer Wissenschaftler bewusst und vergessen Sie nie, dass Ihre Kunden darauf angewiesen sind, dass Sie die medizinische Fachsprache in eine für sie verständliche Sprache übersetzen. Sie mögen vielleicht den Eindruck haben, dass Kunden Ihre Erklärungen inhaltlich verstehen, nur weil sie nicht rückfragen. Diese Annahme kann aber trügerisch sein, weil die Tierbesitzer nur deshalb keine Fragen stellen, weil sie zu gestresst sind oder sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befinden. Damit Ihre Kunden Sie besser verstehen, modifizieren Sie Ihre Sprache und lernen Sie, Fachausdrücke zu übersetzen und Ihre Informationen sozusagen „zweisprachig“ rüberzubringen (Abbildung 5). Überprüfen Sie, ob der Kunde alles verstanden hat, indem Sie immer, wenn Sie etwas erklärt haben oder dem Kunden etwas angeboten haben, ein entsprechendes Feedback einfordern. Fragen Sie z.B. einfach „Wie hört sich das für Sie an?“ und geben Sie dem Kunden Zeit zu antworten. Die Kunden werden Ihnen sagen, wenn sie mehr wissen wollen.

Abbildung 5: Damit Ihre Kunden Sie besser verstehen, modifizieren Sie Ihre Sprache und lernen Sie, Fachausdrücke zu übersetzen und Ihre Informationen sozusagen „zweisprachig“ rüberzubringen.
Abbildung 5: Damit Ihre Kunden Sie besser verstehen, modifizieren Sie Ihre Sprache und lernen Sie, Fachausdrücke zu übersetzen und Ihre Informationen sozusagen „zweisprachig“ rüberzubringen. © Shutterstock

Regel Nr. 2 – Wissenschaft ist Nummer 1

In Ihrer Ausbildung zum Tierarzt war die Wissenschaft das Wichtigste, insbesondere bei den Prüfungen oder wenn Sie eine akademische Karriere an der Universität angestrebt haben. Wenn wir in die Praxis gehen, bleibt die Wissenschaft zwar immer noch die Basis für eine gute Tiermedizin, doch reicht sie nicht aus, wenn es darum geht, eine gute Beziehung zu den Kunden aufzubauen.

Kommunikationsspezialisten vertreten die Ansicht, dass eine gute Kommunikation mehr ist als die bloße Übertragung wissenschaftlicher Fakten vom Sender (Ihnen) an einen Empfänger (Ihren Kunde). Um den Weg für einen motivierenden Dialog zu ebnen, sollte Ihr erster Schritt sein, eine positive Beziehung zum Kunden aufzubauen. Ihre „Türöffner“ sind Lächeln, Augenkontakt und vielleicht eine Frage wie „Was kann ich heute für Sie tun?”, gefolgt von aufmerksamem Zuhören (Abbildung 6).

Unterbrechen Sie den Kunden nicht! In der Regel erzählen die Kunden nicht stundenlang. Wenn Sie diese wenigen Ratschläge beachten, können Sie Vertrauen aufbauen und dem Kunden das Gefühl geben, dass sein Problem wirklich ernst genommen wird. So ist er bestens für den weiteren Verlauf der Sprechstunde und die von Ihnen angebotenen Leistungen vorbereitet.

 

Abbildung 6: Ihre „Türöffner“ sind Lächeln, Augenkontakt und vielleicht eine Frage wie „Was kann ich heute für Sie tun?“, gefolgt von aufmerksamem Zuhören.
Abbildung 6: Ihre „Türöffner“ sind Lächeln, Augenkontakt und vielleicht eine Frage wie „Was kann ich heute für Sie tun?“, gefolgt von aufmerksamem Zuhören. © Shutterstock

Regel Nr. 3 – Strategie für die Sprechstunde

Sie sollten sich von Anfang an eine Strategie für den Ablauf der Sprechstunde zulegen und sich während Ihrer ganzen Laufbahn daran halten. Eine solche Strategie ist das Rahmenwerk für Ihre Interaktion mit dem Kunden und stellt sicher, dass alle Ihre Kunden das individuell am besten geeignete Angebot erhalten und der Patient die bestmögliche medizinische Versorgung bekommt. Eine gut vorbereitete Strategie für den Ablauf der Sprechstunde schafft für Ihre Kunden erkennbaren Mehrwert und trägt dazu bei, dass das Tier optimal versorgt wird. Wenn Sie dies schaffen, werden Ihre Kunden gerne wieder kommen, und es wird sich zwischen Tierbesitzer und Ihnen als primärem Gesundheitsdienstleister eine wirklich starke Bindung entwickeln.

Die Entwicklung einer Sprechstundenstrategie ist einfach, wenn Sie die folgenden Punkte berücksichtigen. Außerdem werden Sie bald merken, dass Sie damit auch eine Menge Zeit sparen.

  • Begrüßen Sie den Kunden und fragen Sie ihn, wie es seinem Tier geht und wo Sie helfen können (siehe Regel Nr. 2).
  • Hören Sie dem Tierbesitzer aufmerksam zu, machen Sie sich Notizen und entscheiden dann, was Sie in der aktuellen Sprechstunde für das Tier tun können und was auf einen nächsten Termin verschoben werden muss. Bevor Sie weitermachen, gehen Sie Ihre Notizen noch einmal mit dem Kunden durch, erklären Sie ihm, welche Behandlungen Sie planen und warten Sie auf sein Feedback und seine Zustimmung.
  • Führen Sie eine umfassene klinische Untersuchung durch (von der Nasenspitze bis zur Schwanzspitze), kommentieren Sie kurz und verständlich, was Sie tun und warum und erklären Sie dem Kunden dann
    die Ergebnisse Ihrer Untersuchung.
  • Nach der Untersuchung des Patienten sollten Sie dem Tierbesitzer eine kurze und genaue Zusammenfassung des Befundes geben und danach Ihre Behandlungsvorschläge präsentieren bzw. weitere Dienstleistungen (weiterführende Diagnostik, Produkte, etc.) anbieten. In diesem Stadium ist es wichtig, den Kunden nicht mit zu vielen Informationen zu überlasten! Beschränken Sie sich auf maximal drei wichtige Punkte und beschreiben Sie die Behandlungsoptionen sowie den Nutzen und die Vorteile für das Tier, sofern dem Therapievorschlag zugestimmt wird.
  • Nun ist der Zeitpunkt, da Sie beide sich einig werden müssen, und der Kunde muss seine Einwilligung zu den vorgeschlagenen Dienstleistungen und empfohlenen Produkten geben. Fordern Sie dieses Feedback heraus und fragen Sie z.B. „Wie klingt das für Sie?“. Der Kunde hat dann vielleicht noch weitere Fragen. Wenn auch diese beantwortet sind, können Sie mit der Diagnostik fortfahren, das T behandeln, die medizinische Indikation erklären, über die richtige Ernährung sprechen und abschließend den nächsten Termin festlegen.
  • Stellen Sie einen kurzen Bericht über die Sprechstunde aus und gegebenenfalls ein Rezept und geben Sie diese dem Kunden mit. Der Bericht sollte die wichtigsten Untersuchungsergebnisse sowie die Therapieempfehlungen und den nächsten Termin enthalten. Dadurch ist sichergestellt, dass der Kunde die wichtigsten Punkte nicht vergisst (Ernährung, Verabreichung der Medikamente, andere Maßnahmen). Außerdem kann dieser „Arztbericht“ dann auch mit den anderen Familienmitgliedern des betroffenen Tieres besprochen werden, sodass diese auch in die Betreuung des Patienten involviert sind.
  • Wenn alles abgeschlossen ist, bedanken Sie sich beim Kunden dafür, dass er Sie für die medizinische Versorgung seines Tieres gewählt hat (es gibt noch etliche andere Tierärzte in Ihrer Umgebung) und beenden Sie die Sprechstunde mit den besten Genesungswünschen für das Tier. Verabschieden Sie sich vom Kunden und vom Patienten und sagen Sie, dass Sie sich auf den nächsten Besuch freuen.


Wie man die Kundencompliance verbessert

Studien, die von der American Animal Hospital Association (AAHA) in den USA sowie in Spanien durchgeführt wurden, haben belegt, dass mangelnde Compliance (Therapietreue) der Kunden hinsichtlich der Empfehlungen der Tierärzte nicht nur die Gesundheit der Tiere gefährdet, sondern auch eine signifikante Ursache von verlorenen Einnahmen der Tierarztpraxen ist. Aus diesem Grund wirken sich interne Praxismaßnahmen, die gezielt die Kundencompliance fördern, sowohl auf das Behandlungsergebnis als auch auf die Praxiseinnahmen positiv aus.
 

Die Bedeutung klarer Empfehlungen

Eine Schlüsselaussage aus den AAHA-Studien ist die Wichtigkeit einer klar und betont formulierten Empfehlung durch den Tierarzt (Box 2). Die Studien warnen auch, dass viele Tierärzte eine nur ungenaue Wahrnehmung dessen haben, was aus der Sicht der Kunden eine klare Empfehlung ist. Dies ist auch der Grund dafür, warum Kunden oft der Art und Weise, wie Empfehlungen ausgesprochen werden, übertriebene Bedeutung zumessen und nicht so sehr auf den Inhalt der angebotenen Therapieoptionen achten. Stellen Sie sicher, dass Ihre Empfehlungen klar rüberkommen, indem Sie eine „positive“ Sprache verwenden, die keinerlei Zweifel offen lässt. Sagen Sie z.B. nicht „Wir könnten einige Bluttests machen, um zu sehen, was los ist, oder wir warten ein paar Tage ab und sehen, wie sich die Sache entwickelt.“ Vielmehr muss die positive Aussage heißen: „Wir müssen herausfinden, wo die Ursache des Problems ist, und dafür ist es am besten, wir machen gleich einige Bluttests.“


Box 2
 Die CRAFT-Gleichung (C=R+A+FT)
 Die AAHA hat den Prozess der Erzielung einer maximalen Compliance der tierärztlichen Empfehlungen in der sogenannten CRAFT-Gleichung zusammengefasst.
 C=R+A+FT

 Dabei ist:

  • C = Compliance
  • R = Recommendation, also die Empfehlung des Tierarztes
  • A = Akzeptanz durch den Kunden
  • FT = „Follow Through“, also Nachverfolgung durch das Praxisteam


Akzeptanz durch den Kunden

Nach einer klar ausgesprochenen Empfehlung des Tierarztes und gegebenenfalls der entsprechenden Verstärkung der Aussage durch andere Mitglieder des Praxisteams ist der nächste wichtige Schritt die Akzeptanz vonseiten des Kunden. Es ist eine traurige Tatsache, dass viele Tierbesitzer trotz einer klar formulierten Therapieempfehlung des Tierarztes sich nicht an diese halten. Der Grund dafür ist, dass sie die Empfehlung zwar gehört, aber innerlich nicht akzeptiert haben. Nun könnte man die Schuld dafür einfach dem Kunden zuschieben, aber so einfach ist der Akzeptanzprozess dann doch nicht.

Um eine Akzeptanz durch den Kunden zu erzielen, muss dieser nicht nur die Empfehlung als solche verstanden haben, sondern es muss ihm auch klar sein, warum diese sofort umgesetzt werden muss und dass dies für sein Tier und ihn von Vorteil ist. Um die Akzeptanz des Kunden zu erreichen, können einige zusätzliche Schritte erforderlich sein:

1. Machen Sie dem Kunden ein klares, konkretes Angebot!
Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre medizinische Empfehlung in ein konkretes Angebot (unter Angabe der ungefähren Kosten) umgewandelt haben, sodass der Kunde genau weiß, was von ihm erwartet wird.
 
2. Erklären Sie dem Kunden, warum sofort gehandelt werden muss!
Beschreiben Sie die Vorteile für das Tier und ihn selbst, wenn er die empfohlene Aktion sofort durchführt (durchführen lässt) und erklären Sie ihm auch die Konsequenzen, wenn er dies nicht tut.
 
3. Ermuntern Sie den Kunden, Fragen zu stellen!
Es ist wichtig, dass der Kunde sowohl die ärztliche Empfehlung als auch den Nutzen derselben versteht. Bieten Sie dem Kunden daher an, dass Sie gerne bereit sind, alle seine Fragen zu beantworten und gehen Sie auf seine etwaigen Bedenken ein.
 
4. Erzielen Sie die volle Zustimmung des Kunden!
Nehmen Sie sich die Zeit, um alles zu tun, dass der Kunde dem vorgeschlagenen Behandlung-/Aktionsplan vollinhaltlich und deutlich zustimmt, bevor Sie dann die Einzelheiten des weiteren Vorgehens besprechen.

 

Unterstützung des Praxisteams zur Verbesserung der Compliance

Die AAHA hat das sogenannte „CRAFT“-Modell entwickelt, um Tierarztpraxen dabei zu unterstützen, die wichtigsten Schritte zur Erzielung einer guten Kundencompliance zu beachten. Diese Schritte sind: eine klare Empfehlung durch den Tierarzt (verstärkt durch das Praxisteam), gefolgt von der Akzeptanz durch den Kunden und einer konsequenten Nachverfolgung durch das Praxisteam. Die wichtigste Botschaft der von der AAHA durchgeführten Studien ist, dass Compliance ein Mannschaftsspiel ist.

1. Verstärkung durch das Praxisteam

Damit das Praxisteam die Empfehlungen des Tierarztes unterstützen und verstärken kann, muss es diese kennen. Das ist Ziel und Zweck von Praxisprotokollen und standardisierten Vorgehensweisen. Protokolle stellen sicher, dass der Kunde eine einheitliche Botschaft empfängt und dass das Praxisteam in der Lage ist, die Empfehlungen anderer aus dem Team zu verstärken und sogar selbst Empfehlungen auszusprechen, ohne dabei in Widerspruch mit den Empfehlungen anderer zu geraten.

Wenn natürlich die einzelnen Tierärzte einer Praxis/Klinik unterschiedliche Ansichten haben, dann ist das nicht nur für die Kunden verwirrend, sondern auch für das Praxisteam schwierig. Teil der Entwicklung effizienter Protokolle ist, dass sich alle Tierärzte einig darüber sind, wie bei Routinefällen und häufigen Krankheiten vorzugehen ist. Dabei sind das lokale Risikoniveau, neu auf den Markt kommende Arzneimittel und neu entwickelte Therapieformen zu berücksichtigen. Es sei daran erinnert, dass man bei unterschiedlichen klinischen Vorgehensweisen zwar unter Umständen etwas bessere Ergebnisse erzielen kann, dass diese aber, sobald man sie in Relation zu der aufgrund fehlender Protokolle sehr niedrigen Compliance setzt, kaum ins Gewicht fallen.

Das positive Resultat effektiver Protokolle konnte in von mehreren Arzneimittelunternehmen durchgeführten Studien gezeigt werden. Alle haben belegt, dass die Entwicklung und Umsetzung von effektiven Protokollen für Routinebehandlungen (z.B. Parasitenkontrolle) signifikante positive Auswirkungen auf die insgesamte Compliance hatten.

2. Follow-up durch das Praxisteam
Sobald eine tierärztliche Empfehlung akzeptiert wurde und die Behandlung begonnen hat, ist es die Aufgabe des Praxisteams, den Kunden und das Tier durch Nachbetreuung (Follow-up) zu unterstützen und so eine gute Compliance sicherzustellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Kunden vielbeschäftigte Menschen sein können, mit zahlreichen Verpflichtungen, die ihre Zeit und Aufmerksamkeit absorbieren. Daher können wir ihnen helfen sicherzustellen, dass die Bedürfnisse des Tieres befriedigt werden. Das Praxisteam sollte alle verfügbaren Elemente des Praxismanagements nutzen, um Kunden an therapeutisch notwendige Aktionen zu erinnern. Dies umfasst auch das telefonische Nachhaken (Recall-Anrufe), falls ein Kunde nicht zur Kontrolluntersuchung erscheint oder wenn ein neues Rezept für die verschriebenen Medikamente fällig ist (Abbildung 7).

 
Abbildung 7: Das Praxisteam sollte alle verfügbaren Elemente des Praxismanagements nutzen, um für die Nachbetreuung der Kunden zu sorgen und z.B. telefonisch nachhaken (Recall-Anrufe), falls ein Kunde nicht zur Kontrolluntersuchung erscheint oder wenn ein neues Rezept für die verschriebenen Medikamente fällig ist.
Abbildung 7: Das Praxisteam sollte alle verfügbaren Elemente des Praxismanagements nutzen, um für die Nachbetreuung der Kunden zu sorgen und z.B. telefonisch nachhaken (Recall-Anrufe), falls ein Kunde nicht zur Kontrolluntersuchung erscheint oder wenn ein neues Rezept für die verschriebenen Medikamente fällig ist. © Shutterstock

Ethik im Beruf und in der Tiermedizin

Wie schon erwähnt, ist das Führen einer privaten Tierarztpraxis eine beruflich außerordentlich fordernde Tätigkeit. Man verlangt von jungen Tierärzten, dass sie schnell Experten in verschiedenen medizinischen Disziplinen werden, dass sie geschult in der Kommunikation mit Kunden sind, dass sie Empathie gegenüber den Patienten und deren Besitzern zeigen, dass sie dabei aber auch die finanzielle Situation der Praxis im Hinterkopf behalten, etc., etc. Kurz, – das alles ist eine kolossale Herausforderung für junge Tierärzte!

Einige Studien zur mentalen Gesundheit von Veterinärmedizinern haben eine beunruhigend hohe Rate an Stress und psychologischen Problemen bei Tierärzten festgestellt. Die qualitative Analyse der stressigsten oder unangenehmsten Faktoren hat gezeigt, was Tierärzte am meisten belastet:

  • Interaktionen mit schwierigen Kunden
  • Streit mit Kunden um das Honorar
  • Interessenskonflikte zwischen Kundenmeinung und Patientenversorgung
  • Euthanasie und emotionale Begleitung der Tierbesitzer (Abbildung 8)
     
Abbildung 8: Ein Tier einschläfern zu müssen, ist eine sowohl menschlich, als auch beruflich belastende Erfahrung, mit der der Tierarzt fertig werden muss. Dazu zählt auch die Trauerarbeit mit dem Tierbesitzer
Abbildung 8: Ein Tier einschläfern zu müssen, ist eine sowohl menschlich, als auch beruflich belastende Erfahrung, mit der der Tierarzt fertig werden muss. Dazu zählt auch die Trauerarbeit mit dem Tierbesitzer. © Shutterstock

Viele erfahrene Tierärzte beschreiben persönliche stressige Erfahrungen, die sie emotional belastet haben. Hier einige Beispiele:

  • Tierbesitzer, die eine Behandlung nicht bezahlen können (oder dies zumindest behaupten), die aber fordern, dass die Behandlung fortgesetzt wird, weil dies doch unsere berufliche Pflicht sei.
  • Kunden, die die vorgeschlagene Behandlung anzweifeln und dem Tierarzt vorwerfen, aus rein wirtschaftlichen Gründen eine bestimmte aufwändige Therapie vorgeschlagen zu haben.
  • Wohlmeinende Menschen, die verlassene oder verletzte Tiere aufsammeln und bringen und die Tierklinik mit einer Wohlfahrtseinrichtung verwechseln.
  • Tierbesitzer, die aus „praktischen“, aber für einen Tiermediziner nicht akzeptablen Gründen wünschen, dass ihr Tier eingeschläfert wird.
 

Leider ist es unmöglich, einem jungen Tierarzt einen Zauberstab an die Hand zu geben, mithilfe dessen er alle schwierigen Situationen stressfrei managen könnte, aber die folgenden Gedanken können vielleicht hilfreich sein:

1. Suchen Sie Rat oder Unterstützung bei Ihrem Chef, Ihren Kollegen, Tierärzten in anderen Praxen oder bei wem auch immer, der in diesem emotionalen Dilemma zur Verfügung steht. Fressen Sie nichts in sich hinein, sondern teilen Sie sich mit und hören Sie auf Personen, die ähnliche Situationen bereits vor Ihnen durchleben mussten!

2. Wann immer Sie merken, dass zwischen Ihren Prinzipien und denen Ihrer Praxis eine Diskrepanz herrscht, sollten Sie das Thema zur rechten Zeit und mit geeigneten Worten zur Sprache bringen – nicht fordernd und nicht kritisierend, sondern eher fragend und um Verständnis bemüht. 

3. Eine Tierarztpraxis ist ein Unternehmen mit sehr engen Gewinnmargen. Die meisten Praxen/Kliniken weltweit erzielen Profite von weniger als 10-20 % ihrer Einnahmen. Und dies noch vor Steuern, finanziellen Aufwendungen und Investitionen. Zudem ist das Gehalt von Tierärzten in vielen Ländern merklich niedriger als bei anderen qualifizierten Berufen vergleichbarer Anforderungen und Verantwortung. Wenn daher ein Tierarzt für seine Dienstleistungen Gebühren verlangt, so bricht er damit weder ethische Grundsätze noch begeht er Verrat an seiner Berufung. Vielmehr kämpft er als Unternehmer einfach ums Überleben.

4. Wir sind Tierärzte, nicht Manager der persönlichen Finanzen unserer Kunden. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die es uns erlauben würden, den Grad der emotionalen Bindung eines Menschen an sein Haustier auf der Basis seiner sozialen Klasse, seiner Herkunft bzw. der Kleidung oder des Autos, das er fährt, zu beurteilen. Es ist somit nicht Sache des Tierarztes, mit Vorurteilen dem Kunden gegenüber zu treten, ohne ihn zu fragen, welche Qualität der medizinischen Versorgung er für sein Tier wünscht. Die Pflicht des Tierarztes ist es, ehrlich und objektiv zu sein und die verfügbaren medizinischen Optionen verständlich darzulegen. Beginnen Sie immer mit der besten medizinischen Option als Ihrer allerersten Empfehlung, und wenn Sie merken, dass dies für die wirtschaftliche Situation des Kunden nicht machbar ist, schlagen Sie die möglichen Alternativen vor, die zwar nicht die optimale Version sind, aber doch weder dem Wohlbefinden des Patienten noch Ihrer Integrität schaden.

 
 
Antje Blättner

Für viele junge Tierärzte ist eine Euthanasie die schwierigste Situation im Umgang mit Patientenbesitzern.

Antje Blättner

5. Wir müssen lernen zu verstehen, warum ein Kunde unsere Vorschläge ablehnt. Wenn ein Tierbesitzer eine von uns empfohlene Behandlung ablehnt, kann dies viele verschiedene Gründe haben, und wir sollten den Kunden nach dem Grund fragen. Hier einige der typischen Antworten:

  • „Ich möchte nicht so viel Geld für ein Tier ausgeben.“ „Ich liebe meinen Hund, aber schließlich und endlich ist es nur ein Hund. Es erscheint mir nicht richtig, so viel Geld für ein Tier auszugeben.“ Das ist ein legitimer Grund, den wir respektieren sollten, ohne Druck auf den Kunden auszuüben.

  • „ Ich habe das Geld nicht. Ich kann mir das nicht leisten. Ich wünschte, ich könnte es mir leisten.“ In diesen Fällen dem Kunden einen Zahlungsaufschub, eine Ratenzahlung oder sogar einen Kredit anzubieten, kann eine gute Lösung sein. Allerdings gibt es dabei auch Risiken zu bedenken. Manche Tierärzte haben Abmachungen mit einem Geldinstitut getroffen, sodass sie ihren Kunden tatsächlich einen Kredit anbieten können.

  • „ Ich glaube nicht, dass diese Behandlung die Lösung für die Probleme meines Tieres ist.“ „Ich habe einfach kein Vertrauen in diesen Tierarzt.“ In diesem Fall, der viel häufiger vorkommt, als wir meinen, schiebt der Kunde in der Regel finanzielle Probleme als Grund vor, während der wahre Grund für die Verweigerung in der mangelnden Kommunikation vonseiten des Tierarztes liegt. 

Die Herausforderung für junge Tierärzte liegt darin, sich die Fähigkeit und das Einfühlungsvermögen anzueignen, mit Kunden, die eine Behandlung ablehnen, ein ehrliches Gespräch führen zu können und dabei herauszufinden, welcher der genannten Gründe tatsächlich zutrifft.

Schlussfolgerung

Um ein „ guter Tierarzt“ zu werden, müssen Sie zunächst das für Sie passende Berufsumfeld finden. Der Erwerb des notwendigen Know Hows erfordert dann aber zusätzlich die Unterstützung von erfahrenen Kollegen. Ein wichtiger Aspekt ist eine gute Kommunikation mit den Tierbesitzern, und schließlich sollte man eine Ahnung davon haben, was eine gute Work-Life-Balance ausmacht, und wie man sie erreichen kann.
Philippe Baralon

Philippe Baralon

Dr. Baralon absolvierte 1984 die École Nationale Vétérinaire in Toulouse (Frankreich) und studierte anschließend Volkswirtschaftslehre (Master of Economics, Toulouse, 1985) und Betriebswirtschaftslehre (MBA, HEC-Paris 1990). Mehr lesen

Antje Blättner

Antje Blättner

Dr. Blaettner wuchs in Südafrika und Deutschland auf und graduierte 1988 nach dem Veterinärmedizinstudium in Berlin und München. Mehr lesen

Pere Mercader

Pere Mercader

Dr. Mercader etablierte sich 2001 als Praxismanagement-Berater für Tierkliniken und hat seitdem diesen Beruf in Spanien, Portugal und einigen lateinamerikanischen Ländern entwickelt. Mehr lesen

Mark Moran

Mark Moran

Mark Moran ist seit 19 Jahren als Berater für die Tierärzteschaft tätig und bietet Mentoring und Unterstützung für Inhaber von Tierarztpraxen und deren Mitarbeiter in Schlüsselpositionen. Mehr lesen

Andere Artikel in dieser Ausgabe

Ausgabe nummer 2 veröffentlicht 03/05/2021

Der Tierarzt als Unternehmer (Teil 2)

Die meisten Tierärzte fühlen sich nicht besonders wohl, wenn es um das Festsetzen von Preisen geht oder wenn sie etwas „verkaufen“ sollen - aber das ist normal! Dieses Kapitel zeigt Ihnen Strategien, wie Sie Produkte und Leistungen effektiv verordnen oder empfehlen können.

von Philippe Baralon , Antje Blättner , Pere Mercader und Mark Moran

Ausgabe nummer 2 veröffentlicht 30/04/2021

Der Tierarzt als Unternehmer (Teil 1)

Das Verständnis der unterschiedlichen Faktoren, die zu den Einnahmen und Ausgaben einer tierärztlichen Praxis beitragen, ist der Schlüssel zu einem dauerhaften und nachhaltigen Erfolg.

von Philippe Baralon , Antje Blättner , Pere Mercader und Mark Moran

Ausgabe nummer 2 veröffentlicht 28/04/2021

Wie man ein guter Tierarzt wird (Teil 1)

„Wenn Ihr einziges Werkzeug ein Hammer ist, gleichen alle Probleme einem Hammer“. Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene Faktoren, die Sie zu einem „guten Tierarzt“ machen und dafür sorgen, dass Sie Vertrauen in Ihre medizinischen Entscheidungen gewinnen.

von Philippe Baralon , Antje Blättner , Pere Mercader und Mark Moran