Regel Nr. 3 – Strategie für die Sprechstunde
Sie sollten sich von Anfang an eine Strategie für den Ablauf der Sprechstunde zulegen und sich während Ihrer ganzen Laufbahn daran halten. Eine solche Strategie ist das Rahmenwerk für Ihre Interaktion mit dem Kunden und stellt sicher, dass alle Ihre Kunden das individuell am besten geeignete Angebot erhalten und der Patient die bestmögliche medizinische Versorgung bekommt. Eine gut vorbereitete Strategie für den Ablauf der Sprechstunde schafft für Ihre Kunden erkennbaren Mehrwert und trägt dazu bei, dass das Tier optimal versorgt wird. Wenn Sie dies schaffen, werden Ihre Kunden gerne wieder kommen, und es wird sich zwischen Tierbesitzer und Ihnen als primärem Gesundheitsdienstleister eine wirklich starke Bindung entwickeln.
Die Entwicklung einer Sprechstundenstrategie ist einfach, wenn Sie die folgenden Punkte berücksichtigen. Außerdem werden Sie bald merken, dass Sie damit auch eine Menge Zeit sparen.
- Begrüßen Sie den Kunden und fragen Sie ihn, wie es seinem Tier geht und wo Sie helfen können (siehe Regel Nr. 2).
- Hören Sie dem Tierbesitzer aufmerksam zu, machen Sie sich Notizen und entscheiden dann, was Sie in der aktuellen Sprechstunde für das Tier tun können und was auf einen nächsten Termin verschoben werden muss. Bevor Sie weitermachen, gehen Sie Ihre Notizen noch einmal mit dem Kunden durch, erklären Sie ihm, welche Behandlungen Sie planen und warten Sie auf sein Feedback und seine Zustimmung.
- Führen Sie eine umfassene klinische Untersuchung durch (von der Nasenspitze bis zur Schwanzspitze), kommentieren Sie kurz und verständlich, was Sie tun und warum und erklären Sie dem Kunden dann
die Ergebnisse Ihrer Untersuchung.
- Nach der Untersuchung des Patienten sollten Sie dem Tierbesitzer eine kurze und genaue Zusammenfassung des Befundes geben und danach Ihre Behandlungsvorschläge präsentieren bzw. weitere Dienstleistungen (weiterführende Diagnostik, Produkte, etc.) anbieten. In diesem Stadium ist es wichtig, den Kunden nicht mit zu vielen Informationen zu überlasten! Beschränken Sie sich auf maximal drei wichtige Punkte und beschreiben Sie die Behandlungsoptionen sowie den Nutzen und die Vorteile für das Tier, sofern dem Therapievorschlag zugestimmt wird.
- Nun ist der Zeitpunkt, da Sie beide sich einig werden müssen, und der Kunde muss seine Einwilligung zu den vorgeschlagenen Dienstleistungen und empfohlenen Produkten geben. Fordern Sie dieses Feedback heraus und fragen Sie z.B. „Wie klingt das für Sie?“. Der Kunde hat dann vielleicht noch weitere Fragen. Wenn auch diese beantwortet sind, können Sie mit der Diagnostik fortfahren, das T behandeln, die medizinische Indikation erklären, über die richtige Ernährung sprechen und abschließend den nächsten Termin festlegen.
- Stellen Sie einen kurzen Bericht über die Sprechstunde aus und gegebenenfalls ein Rezept und geben Sie diese dem Kunden mit. Der Bericht sollte die wichtigsten Untersuchungsergebnisse sowie die Therapieempfehlungen und den nächsten Termin enthalten. Dadurch ist sichergestellt, dass der Kunde die wichtigsten Punkte nicht vergisst (Ernährung, Verabreichung der Medikamente, andere Maßnahmen). Außerdem kann dieser „Arztbericht“ dann auch mit den anderen Familienmitgliedern des betroffenen Tieres besprochen werden, sodass diese auch in die Betreuung des Patienten involviert sind.
- Wenn alles abgeschlossen ist, bedanken Sie sich beim Kunden dafür, dass er Sie für die medizinische Versorgung seines Tieres gewählt hat (es gibt noch etliche andere Tierärzte in Ihrer Umgebung) und beenden Sie die Sprechstunde mit den besten Genesungswünschen für das Tier. Verabschieden Sie sich vom Kunden und vom Patienten und sagen Sie, dass Sie sich auf den nächsten Besuch freuen.
Wie man die Kundencompliance verbessert
Studien, die von der American Animal Hospital Association (AAHA) in den USA sowie in Spanien durchgeführt wurden, haben belegt, dass mangelnde Compliance (Therapietreue) der Kunden hinsichtlich der Empfehlungen der Tierärzte nicht nur die Gesundheit der Tiere gefährdet, sondern auch eine signifikante Ursache von verlorenen Einnahmen der Tierarztpraxen ist. Aus diesem Grund wirken sich interne Praxismaßnahmen, die gezielt die Kundencompliance fördern, sowohl auf das Behandlungsergebnis als auch auf die Praxiseinnahmen positiv aus.
Die Bedeutung klarer Empfehlungen
Eine Schlüsselaussage aus den AAHA-Studien ist die Wichtigkeit einer klar und betont formulierten Empfehlung durch den Tierarzt (Box 2). Die Studien warnen auch, dass viele Tierärzte eine nur ungenaue Wahrnehmung dessen haben, was aus der Sicht der Kunden eine klare Empfehlung ist. Dies ist auch der Grund dafür, warum Kunden oft der Art und Weise, wie Empfehlungen ausgesprochen werden, übertriebene Bedeutung zumessen und nicht so sehr auf den Inhalt der angebotenen Therapieoptionen achten. Stellen Sie sicher, dass Ihre Empfehlungen klar rüberkommen, indem Sie eine „positive“ Sprache verwenden, die keinerlei Zweifel offen lässt. Sagen Sie z.B. nicht „Wir könnten einige Bluttests machen, um zu sehen, was los ist, oder wir warten ein paar Tage ab und sehen, wie sich die Sache entwickelt.“ Vielmehr muss die positive Aussage heißen: „Wir müssen herausfinden, wo die Ursache des Problems ist, und dafür ist es am besten, wir machen gleich einige Bluttests.“
Box 2
Die CRAFT-Gleichung (C=R+A+FT) |
Die AAHA hat den Prozess der Erzielung einer maximalen Compliance der tierärztlichen Empfehlungen in der sogenannten CRAFT-Gleichung zusammengefasst. |
C=R+A+FT |
Dabei ist:
- C = Compliance
- R = Recommendation, also die Empfehlung des Tierarztes
- A = Akzeptanz durch den Kunden
- FT = „Follow Through“, also Nachverfolgung durch das Praxisteam
|
Akzeptanz durch den Kunden
Nach einer klar ausgesprochenen Empfehlung des Tierarztes und gegebenenfalls der entsprechenden Verstärkung der Aussage durch andere Mitglieder des Praxisteams ist der nächste wichtige Schritt die Akzeptanz vonseiten des Kunden. Es ist eine traurige Tatsache, dass viele Tierbesitzer trotz einer klar formulierten Therapieempfehlung des Tierarztes sich nicht an diese halten. Der Grund dafür ist, dass sie die Empfehlung zwar gehört, aber innerlich nicht akzeptiert haben. Nun könnte man die Schuld dafür einfach dem Kunden zuschieben, aber so einfach ist der Akzeptanzprozess dann doch nicht.
Um eine Akzeptanz durch den Kunden zu erzielen, muss dieser nicht nur die Empfehlung als solche verstanden haben, sondern es muss ihm auch klar sein, warum diese sofort umgesetzt werden muss und dass dies für sein Tier und ihn von Vorteil ist. Um die Akzeptanz des Kunden zu erreichen, können einige zusätzliche Schritte erforderlich sein:
1.
Machen Sie dem Kunden ein klares, konkretes Angebot!
Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre medizinische Empfehlung in ein konkretes Angebot (unter Angabe der ungefähren Kosten) umgewandelt haben, sodass der Kunde genau weiß, was von ihm erwartet wird.
2.
Erklären Sie dem Kunden, warum sofort gehandelt werden muss!
Beschreiben Sie die Vorteile für das Tier und ihn selbst, wenn er die empfohlene Aktion sofort durchführt (durchführen lässt) und erklären Sie ihm auch die Konsequenzen, wenn er dies nicht tut.
3. Ermuntern Sie den Kunden, Fragen zu stellen!
Es ist wichtig, dass der Kunde sowohl die ärztliche Empfehlung als auch den Nutzen derselben versteht. Bieten Sie dem Kunden daher an, dass Sie gerne bereit sind, alle seine Fragen zu beantworten und gehen Sie auf seine etwaigen Bedenken ein.
4.
Erzielen Sie die volle Zustimmung des Kunden!
Nehmen Sie sich die Zeit, um alles zu tun, dass der Kunde dem vorgeschlagenen Behandlung-/Aktionsplan vollinhaltlich und deutlich zustimmt, bevor Sie dann die Einzelheiten des weiteren Vorgehens besprechen.
Unterstützung des Praxisteams zur Verbesserung der Compliance
Die AAHA hat das sogenannte „CRAFT“-Modell entwickelt, um Tierarztpraxen dabei zu unterstützen, die wichtigsten Schritte zur Erzielung einer guten Kundencompliance zu beachten. Diese Schritte sind: eine klare Empfehlung durch den Tierarzt (verstärkt durch das Praxisteam), gefolgt von der Akzeptanz durch den Kunden und einer konsequenten Nachverfolgung durch das Praxisteam. Die wichtigste Botschaft der von der AAHA durchgeführten Studien ist, dass Compliance ein Mannschaftsspiel ist.
1. Verstärkung durch das Praxisteam
Damit das Praxisteam die Empfehlungen des Tierarztes unterstützen und verstärken kann, muss es diese kennen. Das ist Ziel und Zweck von Praxisprotokollen und standardisierten Vorgehensweisen. Protokolle stellen sicher, dass der Kunde eine einheitliche Botschaft empfängt und dass das Praxisteam in der Lage ist, die Empfehlungen anderer aus dem Team zu verstärken und sogar selbst Empfehlungen auszusprechen, ohne dabei in Widerspruch mit den Empfehlungen anderer zu geraten.
Wenn natürlich die einzelnen Tierärzte einer Praxis/Klinik unterschiedliche Ansichten haben, dann ist das nicht nur für die Kunden verwirrend, sondern auch für das Praxisteam schwierig. Teil der Entwicklung effizienter Protokolle ist, dass sich alle Tierärzte einig darüber sind, wie bei Routinefällen und häufigen Krankheiten vorzugehen ist. Dabei sind das lokale Risikoniveau, neu auf den Markt kommende Arzneimittel und neu entwickelte Therapieformen zu berücksichtigen. Es sei daran erinnert, dass man bei unterschiedlichen klinischen Vorgehensweisen zwar unter Umständen etwas bessere Ergebnisse erzielen kann, dass diese aber, sobald man sie in Relation zu der aufgrund fehlender Protokolle sehr niedrigen Compliance setzt, kaum ins Gewicht fallen.
Das positive Resultat effektiver Protokolle konnte in von mehreren Arzneimittelunternehmen durchgeführten Studien gezeigt werden. Alle haben belegt, dass die Entwicklung und Umsetzung von effektiven Protokollen für Routinebehandlungen (z.B. Parasitenkontrolle) signifikante positive Auswirkungen auf die insgesamte Compliance hatten.
2. Follow-up durch das Praxisteam
Sobald eine tierärztliche Empfehlung akzeptiert wurde und die Behandlung begonnen hat, ist es die Aufgabe des Praxisteams, den Kunden und das Tier durch Nachbetreuung (Follow-up) zu unterstützen und so eine gute Compliance sicherzustellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Kunden vielbeschäftigte Menschen sein können, mit zahlreichen Verpflichtungen, die ihre Zeit und Aufmerksamkeit absorbieren. Daher können wir ihnen helfen sicherzustellen, dass die Bedürfnisse des Tieres befriedigt werden. Das Praxisteam sollte alle verfügbaren Elemente des Praxismanagements nutzen, um Kunden an therapeutisch notwendige Aktionen zu erinnern. Dies umfasst auch das telefonische Nachhaken (Recall-Anrufe), falls ein Kunde nicht zur Kontrolluntersuchung erscheint oder wenn ein neues Rezept für die verschriebenen Medikamente fällig ist (Abbildung 7).