Tägliche Herausforderungen
Dieses Kapitel befasst sich mit einigen schwierigen Situationen, denen sich praktische Tierärzte tagtäglich stellen müssen...
Ausgabe nummer 1 Kommunikation
veröffentlicht 06/02/2020
Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português , Română , Español und English
Werfen wir einen kurzen Blick auf die wissenschaftlichen Grundlagen der Kommunikation und sehen wir uns an, was die Neurowissenschaft zu diesem Thema zu bieten hat.
Die Kommunikation mit unseren Kunden muss die emotionalen Aspekte auf die geeignete Weise ansprechen. Unsere Vernunft kann nur dann funktionieren, wenn sich auch um unsere emotionale Seite gekümmert wird und wenn beide Seiten im Einklag miteinander stehen.
Wussten Sie, dass wir unsere Umwelt bis zu fünfmal pro Sekunde auf Signale scannen, die uns die Frage beantworten „Ist es sicher oder ist es gefährlich?“
Die Evolution hat uns zu wandelnden Scannern geformt, jederzeit wachsam auf Bedrohungen achtend, die uns davon abhalten können, unsere DNA an zukünftige Generationen weiterzugeben.
Unser Gehirn haben wir von unseren Vorfahren geerbt, die überlebt haben. Ein Gehirn also, das auf das Überleben fokussiert ist. Wenn wir etwas wahrnehmen, was wir nicht mögen, leuchten unsere Kampf-und-Flucht-Signale auf. Bereits ein mürrischer Gesichtsausdruck eines Gegenübers reicht aus, dass wir nicht mit dieser Person zusammenarbeiten möchten, und ein einfaches Lächeln ist genug, um eine Affinität zu einem Gegenüber zu empfinden.
Wenn wir uns in Anwesenheit einer anderen Person wohl und sicher fühlen, setzt unser Gehirn Neurotransmitter wie Dopamin, Oxytocin und Serotonin und andere chemische Substanzen frei 1.
Dopamin, Oxytocin und Serotonin werden durch das bei allen Säugetieren vorhandene limbische System (LS) kontrolliert. Das LS besitzt Strukturen, die essenziell für die Kommunikation mit unserer Umwelt sind: der Hypothalamus (spezialisiert auf die Koordination unserer grundlegenden Impulse und Motivationen), der Hippocampus (spezialisiert auf das Gedächtnis) und schließlich die Amygdala (spezialisiert auf das emotionale Lernen und die schnelle Reaktion auf Stimuli) (Abbildung 1). Umgeben wird das LS von der Großhirnrinde, die für logisches und rationales Denken zuständig ist.
Unser LS reagiert automatisch auf bestimmte Stimuli (ein Lächeln, ein missbilligender Blick, ein übler Geruch, ein Zähne fletschender Hund, eine Katze mit zurückgelegten Ohren und aufgestellten Haaren etc.). In der Großhirnrinde gibt es einen Bereich, den so genannten präfrontalen Cortex (PFC), der diese durch einen Stimulus generierten Empfindungen prozessiert und dann entscheidet, ob wir uns einer Situation annähern oder fliehen. Um die Kommunikation mit unseren Kunden auf eine professionellere Ebene zu heben, müssen wir verstehen, dass das LS und der PFC eng zusammenarbeiten. Aber auch wenn der PFC Alternativen zu einer unmittelbaren Reaktion des LS generieren kann, ist er dazu in weitaus geringerem Maße in der Lage, als wir vermuten 1. Mit anderen Worten: Wir sind viel mehr Gefangene unserer eigenen instinktiven Impulse, als wir uns selbst eingestehen würden 1.
Der Schlüssel für die Verbesserung der Kommunikation mit unseren Kunden liegt also nicht nur im Appell an ihre Vernunft, sondern auch im Ansprechen ihrer Emotionen. Wenn wir dafür sorgen, dass das Gehirn unserer Kunden während unserer Interaktionen Dopamin, Oxytocin und Serotonin bekommt, ist das ein guter Start für unsere Kommunikation (Abbildung 2).
Die Freisetzung von Oxytocin wird stimuliert, wenn wir unserem Gegenüber das Gefühl geben, erwünscht, akzeptiert und vertrauenswürdig zu sein.
Beispiele:
Die Notwendigkeit dieser Art der Kontaktaufnahme bezieht sich auf Kunden, Tierärzte und das restliche Team. Als Daumenregel gilt dabei: Behandle jeden so, wie Du selbst gern behandelt werden würdest.
Das Bedürfnis, sich erwünscht, akzeptiert und vertrauenswürdig zu fühlen, existiert in jedem von uns, nicht nur in unseren Kunden.
Wir stimulieren die Freisetzung von Dopamin, wenn sich unsere Kunden durch die Beziehung zu uns belohnt oder wertgeschätzt fühlen.
Zum Beispiel:
Aber auch wir als Tierärzte brauchen unsere Dopamin-Dosis und bekommen diese zum Beispiel durch:
Wenn wir dafür sorgen, dass sich der Kunde als etwas Besonderes fühlt, stimulieren wir die Freisetzung von Serotonin. Das Gleiche geschieht bei uns, wenn unsere Kunden oder unsere Mitarbeiter dafür sorgen, dass wir uns einzigartig fühlen. Unser primitives Gehirn ist ständig bestrebt, sich mit anderen zu vergleichen, um zu sehen, wer das Sagen hat und wie unser eigener Status ist. Natürlich ist es sehr verlockend, zu denken, dass dies uns selbst nicht betrifft. Denken Sie aber daran, wie Sie sich fühlen, wenn Sie von einer sehr wichtigen Person gegrüßt oder aber ignoriert werden. Wir fühlen uns schlecht, wenn uns klar gemacht wird, dass wir gar nicht so einzigartig sind, wie wir glauben.
Möchten Sie, dass das LS Ihrer Kunden oder Mitarbeiter Serotonin freisetzt?
Die Kommunikation mit unseren Kunden muss die emotionalen Aspekte auf die geeignete Weise ansprechen. Unsere Vernunft kann nur dann funktionieren, wenn sich auch um unsere emotionale Seite gekümmert wird und wenn beide Seiten im Einklag miteinander stehen 2. Das Verstehen, das Anerkennen und das Zufriedenstellen der Emotionen unserer Kunden muss die Basis unserer Kommunikation mit ihnen bilden.
Hier folgen zwei Beispiele wie das sorgfältige Umgehen mit Emotionen eine gute Basis für Kommunikation schaffen kann.
Eine schlechte Erfahrung…
Kundin | „Guten Morgen” . An der Rezeption spricht eine Mitarbeiterin am Telefon, antwortet nicht und scheint der Kundin keine Beachtung zu schenken. |
Rezeptionistin | … legt nach einigen Minuten am Telefon auf. Sie macht einen gestressten Eindruck. „Haben Sie einen Termin?” |
Kundin | „ Ja natürlich, ich bin jetzt schon zum dritten Mal mit Toby hier.” |
Rezeptionistin | “Setzen Sie sich schon mal ins Wartezimmer, der Doktor nimmt Sie dann dran, sobald er Zeit hat.” |
Kundin |
“OK, Danke.”
Sie setzt sich, in deutlich schlechterer Stimmung als zum Zeitpunkt des Betretens der Praxis. |
Tierarzt | „ Der Nächste?!“ ruft der Tierarzt laut ohne Anzeichen des Bedauerns über die lange Wartezeit von 25 Minuten. |
Kundin | Geht in Richtung Sprechzimmer in sehr angespanntem emotionalem Zustand. |
Eine bessere Erfahrung…
Kundin | „Guten Morgen” . An der Rezeption spricht eine Mitarbeiterin am Telefon, sie lächelt die Kundin sofort an und macht eine entschuldigende Geste, die zum Ausdruck bringt, dass sie gleich für die Kundin da sein wird. |
Rezeptionistin |
„Guten Morgen, Frau Schmidt. Entschuldigen Sie bitte, ich hatte gerade ein Telefongespräch als Sie reinkamen. Schön, dass Sie hier sind, wie geht es Toby?“
Sie hat sich die Zeit genommen, in den Terminkalender zu schauen und kennt die Namen der Kundin und des Patienten. |
Kundin | “Nicht besonders gut, er kämpft immer noch mit den Ohrenschmerzen, heute ist unser dritter Termin.” |
Rezeptionistin | „Dann hoffen wir, dass es ihm bald besser geht. Nehmen Sie bitte Platz. Der Doktor wird sich freuen zu hören, dass Sie da sind“, wobei sie eine Handbewegung macht, die Toby und die Besitzerin einschließt. Oh, ich sehe, dass Toby hechelt, möchten Sie, dass ich ihm etwas Wasser bringe? |
Kundin | Nein, vielen Dank, das ist nicht nötig. Wir sind recht schnell hierher gelaufen, und jetzt ist er ein bisschen müde. Wir warten dann solange hier, das ist ok.” |
Tierarzt | “Guten Tag, Frau Schmidt, schön Sie zu sehen, es tut mir Leid, dass Sie so lange warten mussten. Ich hoffe, das war nicht allzu schlimm für Sie. „Und Toby, alles klar? Wollen wir reingehen?“ fragt er mit einem Lächeln, während er Toby sanft tätschelt. |
Kundin | ““Toby ist nie bereit, rein zu gehen, obwohl Sie immer gut zu ihm sind.“ sagt sie mit einem Lächeln, während sie dem Tierarzt ins das Sprechzimmer folgt…” |
Handlungen und Kommentare, die Frau Schmidt‘s limbisches System dazu veranlassen, Oxytocin, Dopamin und Serotonin auszuschütten, sind in roter Schrift)
(Handlungen und Kommentare, die Frau Schmidt‘s limbisches System dazu veranlassen, Oxytocin, Dopamin und Serotonin auszuschütten, sind in roter Schrift)
Graziano L. Habits of a happy brain. 2016 Adams media.
Haidt J. The Happiness Hypothesis, 2006 Basic Books.
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