Helfen Sie Katzen und Hunden, ihr gesündestes Leben zu führen
Veterinary Focus

Ausgabe nummer 31.2 Sonstiges Wissenschaft

Hyperadrenokortizismus beim Hund

veröffentlicht 04/11/2021

Geschrieben von Fiona Scholz und Sam Crothers

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español , English , ภาษาไทย und 한국어

Hunde mit Hyperadrenokortizismus werden oft mit dermatologischen Symptomen vorgestellt. Dieser Artikel beleuchtet die Diagnose und Behandlung einer häufigen kaninen Erkrankung.

Generalised bilateral symmetrical alopecia of the trunk with consequent intense hyperpigmentation of the skin due to exposure to UV light.

Kernaussagen

Hypophysenabhängiger Hyperadrenokortizismus ist die häufigste Ursache des spontanen Hyperkortisolismus bei Hunden.


Die klinischen Symptome des Hyperadrenokortizismus sind ausgesprochen breitgefächert und vielfältig, die verschiedenen Hautveränderungen sind aber oft sehr deutlich ausgeprägt und dramatisch. 


Es gibt zahlreiche diagnostische Optionen; wichtig für einen geeigneten Therapieplan ist aber auch der Nachweis des Ursprungs eines Hyperadrenokortizismus.


Die Therapie eines Hyperadrenokortizismus sollte immer auch die Behandlung jeglicher begleitender Erkrankungen einschließen, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.


 Einleitung

Hyperadrenokortizismus bei Hunden ist eine relativ häufige Erkrankung, die entweder spontan auftritt oder iatrogen verursacht wird. Zu den spontanen Ätiologien gehören eine Hypersekretion endogener Glukokortikoide durch einen funktionellen Nebennierentumor oder eine Hypersekretion von Corticotropin (ACTH) oder corticotropin-ähnlichen Substanzen durch einen idiopathischen funktionellen Hypophysentumor. Die iatrogene Form der Erkrankung kann durch exogene Applikation von Glukokortikoiden entstehen. Etwa 85 % aller Hunde mit spontanem Hyperkortisolismus weisen einen hypophysenabhängigen Hyperadrenokortizismus auf, der die Folge einer übermäßigen Sekretion von Corticotropin ist, die ihre Ursache wiederum in einem Mikro- oder Makroadenom der Hypophyse hat 1. Etwa 90 % aller Hypophysentumore sind funktionell, wobei die Hypersekretion von Corticotropin zu einer beidseitigen Nebennierenhyperplasie führt.

 

Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse

Die Nebennierenrinde besteht aus drei unterschiedlichen anatomischen Regionen, der Zona glomerulosa, der Zona fasciculata und der Zona reticularis. Glukokortikoide werden in der Zona fasciculata unter der Kontrolle der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse gebildet. Das Hormon Corticotropin (adrenocorticotropes Hormon oder ACTH) wird von der Adenohypophyse, also dem endokrinen Anteil der Hypophyse, sezerniert und hat die primäre Aufgabe, die Nebennierenrinde zu stimulieren. Die Sekretion von ACTH erfolgt auf pulsatile Weise, wird durch Stress stimuliert und normalerweise über ein negatives Feedback der Glukokortikoidkonzentration im Serum kontrolliert. Das Corticotropin wiederum wird kontrolliert durch das vom Hypothalamus ebenfalls auf pulsatile Weise sezernierte Corticotropin Releasing Hormon (CRH) 2 3. Die CRH-Sekretion wird durch Glukokortikoide gehemmt und durch Serotonin und Epinephrin stimuliert.

 
Diagnose

Die Diagnose des kaninen Hyperadrenokortizismus kann sehr komplex sein, und da keiner der gängigen Screeningtests zu 100 % präzise Ergebnisse liefert, ist eine integrierte Vorgehensweise erforderlich, die das Signalement, den Vorbericht, die klinischen Befunde, Screeningtests und spezifische Assays für die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse berücksichtigen muss, um Fehldiagnosen und das Übersehen begleitender Erkrankungen zu vermeiden. 

Signalement, Vorbericht und klinische Symptome 

Hyperadrenokortizismus tritt typischerweise bei mittelalten bis alten Hunde kleiner Rassen auf, ohne erkennbare geschlechtsspezifische Prädisposition. Grundsätzlich kann die Erkrankung bei jeder Rasse auftreten, Pudel, Dackel und Terrier scheinen jedoch ein erhöhtes Risiko zu haben. Die klinischen Symptome zeichnen sich im Allgemeinen durch eine schleichende Entwicklung und eine langsame Progression aus. Viele Besitzer betrachten die frühen Stadien der Erkrankung als einen Teil des normalen Alterungsprozesses ihres Hundes. Die verschiedenen Hautveränderungen – siehe Tabelle 1 – sind oft sehr stark ausgeprägt.

 

Tabelle 1. Hautsymptome bei Hyperadrenokortizismus.
Bilateral-symmetrische Hypotrichose / Alopezie
Veränderung der Fellfarbe 
Hyperpigmentierung 
Dünne, hypotonische Haut 
Komedonen
Calcinosis cutis
Schlechte/verzögerte Wundheilung 
Phlebektasie (Venendilatation)
Petechien und Ekchymosen 
Seborrhoische Dermatitis
Supprimierte Immunfunktion (chronisch rezidivierende oberflächliche Pyodermie, Malassezia-Dermatitis, Demodikose, Dermatophytose)

 

Dazu gehört das klassische, geradezu lehrbuchmäßige klinische Erscheinungsbild einer generalisierten, bilateral symmetrischen Alopezie am Körperstamm (Abbildung 1), oft begleitet von einer Hyperpigmentierung (Abbildung 2). Häufig zu beobachten sind auch eine Verdünnung der Haut (Abbildung 3) und eine Calcinosis cutis (Abbildung 4), und eine Suppression des Immunsystems kann zu chronischer Dermatitis und Furunkulose beitragen (Abbildung 5). Weitere häufige systemische Symptome eines Hyperadrenokortizismus sind in einer Übersicht in Tabelle 2 zusammengefasst 4. Wichtig im Rahmen der Erhebung des Vorberichts ist vor allem die Frage nach kürzlich durchgeführten Behandlungen mit Glukokortikoiden (topisch, oral und parenteral), um mögliche iatrogene Ursachen eines Hyperadrenokortizismus auszuschließen, bevor man im nächsten Schritt versucht, die spontane Form der Erkrankung zu diagnostizieren.

 

Tabelle 2. Systemische Symptome bei Hyperadrenokortizismus.
Polyurie / Polydipsie 
Erweitertes Abdomen
Polyphagie 
Hecheln
Schwäche und Lethargie
Muskelatrophie
Neuromuskuläre Symptome (Makroadenome der Hypophyse können Anfälle, Kreisbewegungen oder Erblindung hervorrufen) 
Reproduktionsstörungen (persistierender Anöstrus, Hodenhypoplasie) 
Rezidivierende Harnwegsinfektionen
Diabetes mellitus 
Akute Pankreatitis 

 

Befunde im allgemeinen Gesundheitsprofil

Wenn bei einem Hund nach der Bestimmung des Signalements, nach der Erhebung des Vorberichts und nach der klinischen Untersuchung der Verdacht auf einen Hyperadrenokortizismus besteht, erfolgt in einem nächsten Schritt die Entnahme von Blut- und Harnproben (Hämatologie, Biochemie, Harnanalyse und Harnkultur). Häufige Laborbefunde bei Hunden mit Hyperadrenokortizismus sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

 

Tabelle 3. Routinemäßige Laborbefunde bei Hunden mit Hyperadrenokortizismus.
Hämatologie
Stressleukogramm (Neutrophilie, Lymphopenie und Eosinopenie) 
Erythrozytose 
Serumbiochemie 
Erhöhte alkalische Phosphatase (ALKP)* 
Erhöhte Alanin-Aminotransferase (ALT) 
Hypercholesterinämie 
Hyperlipidämie 
Hyperglykämie
Niedriger Blutharnstoffstickstoff (BUN) 
Harnanalyse und Harnkultur 
SHG: Hyposthenurie (oft <1.008), wenn der Zugang zu Trinkwasser nicht unterbunden ist
Glukosurie (bei begleitendem Diabetes mellitus) 
Möglicherweise Bakteriurie und Proteinurie, oft ohne Pyurie

*85-90 % der Hunde mit Hyperadrenokortizismus zeigen eine erhöhte ALKP 567

 

Owners may believe that some of the signs that can develop with hyperadrenocorticism, such as bilateral trunk hypotrichosis.

Abbildung 1. Besitzer glauben nicht selten, dass einige der typischen Symptome des Hyperadrenokortizismus, wie zum Beispiel eine bilaterale Hypotrichose am Rumpf (eines der häufigsten Symptome), ein normales Anzeichen der Alterung sind. Das bei diesem Hund entlang der Blaschko-Linien zu erkennende Neuwachstum von Haaren ist ein ungewöhnlicher Befund. © Christoph klinger

Generalised bilateral symmetrical alopecia of the trunk with consequent intense.

Abbildung 2. Generalisierte bilateral-symmetrische Alopezie am Rumpf mit dadurch bedingter intensiver Hyperpigmentierung der Haut infolge der UV-Lichtexposition. © Christoph klinger

The abdomen of a dog with Cushings disease. Note the thin skin with superficial blood.

Abbildung 3. Abdomen eines Hundes mit Cushing-Erkrankung. Zu beachten ist die dünne Haut mit gut sichtbaren oberflächlichen Blutgefäßen und einem Bereich von Hypokollagenose, in dem die Haut gerissen erscheint. © Christoph klinger

Calcinosis cutis (white spots) and comedone formation (black spots) which can be typical.

Abbildung 4. Calcinosis cutis (weiße Flecken) und Komedonen (schwarze Flecken), die als typische Befunde einer Cushing-Erkrankung auftreten können. © Christoph klinger

A dog with severe furunculosis on the right hind limb; this was due to ruptured inflamed.

Abbildung 5. Hund mit hochgradiger Furunkulose an der rechten Beckengliedmaße. Die Ursache waren rupturierte, entzündete Haarfollikel mit freien Haarschäften in der Dermis, die zu einer Fremdkörperreaktion in den betroffenen Arealen geführt haben. © Christoph klinger

Diagnostische Tests 

Die Verdachtsdiagnose eines Hyperadrenokortizismus wird oft auf der Grundlage der klinischen Befunde und der Ergebnisse der routinemäßigen Laboruntersuchungen gestellt, die vorläufige Diagnose sollte in jedem Fall aber mit Hilfe spezifischer Hormonassays bestätigt werden 567. In der tierärztlichen Praxis stehen für die Beurteilung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse verschiedene Tests zur Verfügung.

Low-Dose Dexamethason Suppressionstest (LDDST). 

Nach Ansicht vieler praktischer Tierärzte ist der LDDST der diagnostische Test der Wahl für den Nachweis des Hyperadrenokortizismus bei Hunden, hauptsächlich, weil er bei Hunden mit hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus eine Sensitivität von 90-95 % aufweist 8. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die Spezifität niedrig sein kann, so dass bei Tieren mit Verdacht auf eine nebennierenunabhängige Erkrankung zunächst abgewartet werden sollte, bis sich der Hund von der begleitenden Erkrankung erholt hat, bevor man schließlich auf Hyperadrenokortizismus testet. Beim LDDST wird Dexamethason-Natriumphosphat in einer Dosierung von 0,01 mg/kg intravenös appliziert, und die Cortisolkonzentration im Serum wird an den Zeitpunkten 0, 4 und 8 Stunden nach der Injektion gemessen. Wenn das verabreichte Dexamethason nicht in der Lage ist, die zirkulierenden Cortisolkonzentrationen nach 4 und nach 8 Stunden adäquat zu supprimieren (mit Konzentrationen, die unterhalb von 1 µg/dl bzw. 30 nmol/l bleiben), kann die Diagnose eines Hyperadrenokortizismus bei einem Hund mit kompatiblen klinischen Symptomen als bestätigt betrachtet werden, auch wenn dieses Ergebnis keine Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Ursache zulässt. Wenn es zu einer initialen Suppression der Cortisolkonzentration zum Zeitpunkt 4 Stunden nach der Dexamethasongabe kommt (<1 µl/dl bzw. <30 nmol/l), gefolgt von einem anschließenden Anstieg der Cortisolkonzentration zum Zeitpunkt 8 Stunden, so kann dies für einen hypophysenabhängigen Hyperadrenokortizismus sprechen – etwa 30 % aller Hunde mit hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus zeigen dieses „Escape-Muster“ 567 9.

ACTH-Stimulationstest. 

Der ACTH-Stimulationstest ist die am besten geeignete Screeningmethode zur Unterscheidung zwischen iatrogenem und spontanem Hyperadrenokortizismus bei Hunden. Der Test ist nicht nur einfach und schnell durchführbar, er liefert darüber hinaus auch wertvolle Basisinformationen für die Überwachung einer anschließenden Behandlung mit Mitotan oder Trilostan 567. Die bevorzugte Methode besteht in der Entnahme einer Basisblutprobe zur Bestimmung des Cortisolspiegels im Serum unmittelbar vor der intravenösen oder intramuskulären Injektion von Cosyntropin (ACTH) in einer Dosierung von 5 µg/kg, und der anschließenden erneuten Bestimmung des Cortisolspiegels eine Stunde nach der Injektion. Betroffene Hunde neigen zu einer starken Reaktion auf die Applikation von Cosyntropin mit Cortisolkonzentrationen, die auf Werte von über 20 µg/dl (>600 nmol/l) steigen. Niedrig-normale Basisresultate mit geringgradiger bis gar keiner Reaktion auf die ACTH-Stimulation sind diagnostisch für einen iatrogenen Hyperadrenokortizismus. Mit diesem Test werden etwa 85 % aller Hunde mit hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus identifiziert 5678 10 11, das Ergebnis kann jedoch nicht unterscheiden zwischen einem hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus und einem Nebennierentumor. In diesen Fällen sind daher weiterführende diagnostische Maßnahmen erforderlich, wie zum Beispiel eine abdominale Ultraschalluntersuchung. Zu beachten ist, dass gestresste Hunde oder Hunde mit einer signifikanten nebennierenunabhängigen Erkrankung erhöhte Cortisolkonzentrationen aufweisen können, die dann im ACTH-Stimulationstest falsch-positive Ergebnisse liefern. Im Idealfall sollten betroffene Hunde vor der Durchführung eines ACTH-Stimulationstests deshalb zunächst die Möglichkeit bekommen, sich von ihrer nebennierenunabhängigen Erkrankung zu erholen.


Urin-Cortisol-Creatinin-Quotient.

Ein unspezifischer Screeningtest mit hoher Sensitivität (85-99 %), aber außergewöhnlich niedriger Spezifität ist die Bestimmung des Urin-Cortisol-Creatinin-Quotienten (Urine Cortisol:Creatinine ratio oder UCCR). Dieser Test wird insbesondere aufgrund seines negativen prädiktiven Wertes eingesetzt und eignet sich in der Tat nur für den Ausschluss eines Hyperadrenokortizismus.

Sobald die Diagnose eines Hyperadrenokortizismus bestätigt ist, muss ermittelt werden, ob der Patient einen funktionellen Nebennierenrindentumor aufweist oder unter einem hypophysenabhängigen Hyperadrenokortizismus leidet. Endokrine Tests, die die Suche nach der Ätiologie unterstützen, sind der High-Dose Dexamethason Suppressionstest (HDDST) und die Bestimmung der endogenen ACTH-Konzentration im Plasma. Bildgebende Verfahren wie das abdominale Röntgen, die abdominale Sonographie oder die Computertomographie bzw. Magnetresonanztomographie können ebenfalls sehr hilfreiche diagnostische Informationen liefern (Tabelle 4).


Tabelle 4. Bildgebende Verfahren zur Unterstützung der Diagnose bei hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus.
BIldgebendes Verfahren  Kommentar 
Röntgen  Nicht hilfreich für die Bestätigung von hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus, Verkalkungen im Bereich der Nebennieren können jedoch auf einen Nebennierentumor hinweisen. Fehlende Verkalkung führt aber nicht zum Ausschluss eines Tumors
Abdominaler Ultraschall  Besonders hilfreich für die Unterscheidung zwischen hypophysenabhängigem und adrenalem Hyperadrenokortizismus. Eine bilaterale Hyperplasie der Nebennieren >7,5 mm spricht bei einem Hund mit bestätigtem Hyperadrenokortizismus für einen hypophysenabhängigen Hyperadrenokortizismus. Die Sonographie sollte nur zur Bestimmung der Ursache eingesetzt werden, nachdem eine Diagnose mit den im Artikel beschriebenen Hypophysenfunktionstests bestätigt wurde.
Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRZ)  Mit beiden Verfahren kann eine beidseitige Nebennierenvergrößerung einfach von einem einseitigen Nebennierentumor unterschieden werden. Beide Techniken eignen sich zur Bestätigung eines Hypophysentumors, die MRT ermöglicht aufgrund des besseren Weichteilgewebekontrasts jedoch eine präzisere Visualisierung kleiner Hypophysentumore 12.

 

High-Dose-Dexamethason-Suppressionstest (HDDST).

Wenn eine Cushing-Erkrankung mit Hilfe eines LDDST bestätigt ist, kann in einem nächsten Schritt der HDDST eingesetzt werden, um aufzuklären, ob der Hund unter der Hypophysenform leidet oder die Nebennierenform der Erkrankung aufweist. Mit dem HDDST wird die Ursache des Hyperadrenokortizismus bei etwa 75 % aller betroffenen Hunde herausgefunden. Das Protokoll des HDDST entspricht dem des LDDST, lediglich die Dosierung des Dexamethasons ist mit 0,1 mg/kg IV höher. Wenn die Cortisolkonzentration durch das exogen zugeführte Dexamethason supprimiert wird, lautet die Diagnose hypophysenabhängiger Hyperadrenokortizismus.

Endogene ACTH-Konzentration im Plasma. 

Die endogene ACTH-Konzentration bei Hunden mit hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus ist normal bis hoch (>40 pg/ml oder >8,8 pmol/l), und bei Hunden mit Nebennierentumor niedrig (<20 pg/ml oder <4,4 pmol/l). Leider weist dieser Test bei etwa 20 % aller Hunde mit Hyperadrenokortizismus nicht-diagnostische Resultate im „Graubereich“ auf, so dass ergänzend eine bildgebende Diagnostik oder ein HDDST erforderlich ist, um die Ursache des Hyperadrenokortizismus zu ermitteln 4. Darüber hinaus kann das Handling der Proben schwierig und kostspielig sein, so dass eine Bestimmung der endogenen ACTH-Konzentration in der Regel nicht routinemäßig durchgeführt wird. Praktische Tierärzte sollten die Anforderungen für die Probenentnahme und die weitere Verarbeitung der Proben deshalb zunächst mit dem beauftragten externen Labor besprechen.

Fiona Scholz

Da die Diagnose des kaninen Hyperadrenokortizismus komplex sein kann, und da keiner der gängigen Screeningtests zu 100 % präzise Ergebnisse liefert, ist eine integrierte Vorgehensweise erforderlich, die Signalement, Vorbericht, klinische Befunde und Screeningtests berücksichtigt.

Fiona Scholz

Behandlung

Bevor man mit der Behandlung des Hyperadrenokortizismus beginnt, sollten zunächst sämtliche begleitenden Erkrankungen wie Harnwegsinfektionen und Diabetes mellitus diagnostiziert und entsprechend therapiert werden. Auch wenn diese Komorbiditäten möglicherweise nicht vollständig zurückgehen, bis der Hyperkortisolismus unter Kontrolle gebracht werden kann, sollten sie in jedem Fall therapeutisch berücksichtigt werden, da sie lebensbedrohend werden können, wenn sie gänzlich ignoriert werden. Wichtig ist auch die Behandlung einer etwaigen Demodikose oder sekundärer Hautinfektionen mit Bakterien oder Malassezia-Hefen, da eine erfolgreiche Resolution diese Erkrankungen zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität des Patienten beitragen kann.

Eine Calcinosis cutis (Abbildung 6) geht in der Regel mit der Beseitigung der zugrundeliegenden Ursache zurück, häufiges Baden betroffener Patienten mit medizinischen Shampoos und eine Hydrotherapie können aber hilfreich sein. In einigen Fällen kann eine chirurgische Resektion isolierter Läsionen zu empfehlen sein, wenn der Chirurg davon ausgeht, dass die Wundheilung beim individuellen Patienten erfolgreich verlaufen wird. Eine Calcinosis cutis kann darüber hinaus auch ein- bis zweimal täglich bis zur Heilung mit Dimethylsulfoxid (DMSO)-Gel behandelt werden 13. Zudem sollte bei Patienten mit Calcinosis cutis die Kalziumkonzentration im Serum überwacht werden, da eine Kalziumfreisetzung aus einem größeren Nidus im Gewebe zu einer Erhöhung des Serumspiegels führen kann. Vor kurzem wurde die Anwendung von Minocyclin zur Behandlung von Calcinosis cutis beschrieben 14. Minocyclin ist zwar eigentlich ein Antibiotikum, es bindet aber auch Kalzium in Chelatkomplexen und bewirkt eine direkte Hemmung kollagenolytischer Enzyme. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Heilung nicht unmittelbar erfolgt, und dass sich das Erscheinungsbild der Haut zunächst oft verschlechtert, bevor schließlich eine sichtbare Besserung eintritt.

Calcinosis cutis with surrounding post-inflammatory pigment alterations.

Abbildung 6. Calcinosis cutis mit postinflammatorischen Pigmentveränderungen. In der Regel bildet sich eine Calcinosis cutis mit der Beseitigung der zugrundeliegenden Ursache zurück, häufiges Baden und eine Hydrotherapie können jedoch hilfreich sein. © Christoph klinger

Sam Crothers

Die klinischen Symptome zeichnen sich im Allgemeinen durch eine schleichende Entwicklung und eine langsame Progression aus. Viele Besitzer betrachten die frühen Stadien der Erkrankung als einen Teil des normalen Alterungsprozesses ihres Hundes; die verschiedenen Hautveränderungen sind aber oft sehr stark ausgeprägt.

Sam Crothers

Trilostan
Trilostan ist ein kompetitiver Inhibitor des 3-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Enzymsystems und wirkt daher über eine Hemmung der Steroidsynthese. Die Induktionsdosis beträgt 2-5 mg/kg PO täglich (in der Regel verteilt auf zwei Gaben), und wird im Allgemeinen gut vertragen, obgleich Nebenwirkungen wie Lethargie, Appetitminderung, Anorexie und Erbrechen beschrieben werden. Bei Überdosierung kann sich ein Hypoadrenokortizismus entwickeln, der sich aber nach dem Absetzen des Arzneistoffes wieder schnell zurückbilden sollte. Die schwerwiegendste potenzielle Nebenwirkung ist eine akute Nebennierennekrose. Während Todesfälle in diesem Zusammenhang selten vorkommen, findet man häufiger subklinische histopathologische Hinweise auf eine kortikale Nekrose. Die der Nekrose zugrundeliegende Ursache ist unklar, das Phänomen kann aber nicht direkt mit der kompetitiven Hemmung der Steroidsynthese erklärt werden. Möglicherweise handelt es sich um die Folge einer Hypersekretion von ACTH, die neben der Steigerung der Nebennierengröße paradoxerweise auch zu einer Nekrose und einer Hämorrhagie im Gewebe führen könnte. 

Mitotan (o,p’-DDD)

Mitotan kann bei Hunden mit Hyperadrenokortizismus eingesetzt werden, da es eine selektive Nekrose der Zona fasciculata und der Zona reticularis der Nebennierenrinde hervorruft, während die Zona glomerulosa (die Mineralokortikoide produziert) relativ widerstandsfähig ist 13. Die Induktionsdosis (mit dem Futter zu verabreichen) beträgt 12,5-25 mg/kg alle 12 Stunden über 7 bis 10 Tage 15. Die häufigsten initial auftretenden Nebenwirkungen sind Symptome eines Hypoadrenokortizismus, einschließlich Lethargie, Erbrechen, Diarrhoe, Anorexie und Schwäche 16. Wenn entsprechende Nebenwirkungen auftreten, sollte das Mitotan abgesetzt und Glukokortikoide verabreicht werden. Seltener können nach Gabe von Mitotan auch Desorientierung, Ataxie, Kopfpressen und eine akute Hepatopathie zu beobachten sein 17.

Weitere Optionen

Ketoconazol hat einen reversiblen inhibitorischen Effekt auf die Glukokortikoidsynthese, aber nur minimale Auswirkungen auf die Produktion von Mineralokortikoiden. Beschrieben wird der wirksame Einsatz von Ketoconazol zur Behandlung des Hyperadrenokortizismus bei Hunden, wobei jedoch 33-50 % aller Patienten nicht adäquat auf diese Therapie ansprechen. Die empfohlene Initialdosis beträgt 10 mg/kg alle 12 Stunden über einen Zeitraum von 14 Tagen. Die Behandlung kann aber auch mit einer Dosierung von 5 mg/kg alle 12 Stunden über die ersten sieben Tage eingeleitet werden, um zunächst die Verträglichkeit des Arzneistoffes zu beurteilen, bevor man auf die empfohlene Dosierung von 10 mg/kg erhöht. Die Wirksamkeit der initialen 14-tägigen Behandlung wird anschließend mit Hilfe eines ACTH-Stimulationstests beurteilt.

Selegilin (L-Deprenyl)-hydrochlorid ist ein irreversibler Monoaminoxidase (Typ B) – Inhibitor, der zu einer Erhöhung der Dopaminkonzentration führt, die wiederum die ACTH-Freisetzung aus der Hypophyse hemmt. Eingeleitet wird die Behandlung mit einer Dosierung von 1 mg/kg täglich, die im Falle eines unzureichenden Ansprechens nach zwei Monaten auf 2 mg/kg erhöht wird. Allerdings zeigen nur 10-15 % aller betroffenen Hunde mit dieser Behandlung eine Besserung der klinischen Symptome 3.

Die Strahlenbehandlung von Hypophysentumoren zeigt eine hohe Ansprechrate, obgleich die meisten Hunde aufgrund einer residualen ACTH-Sekretion über einige Monate nach der Strahlenbehandlung eine begleitende Therapie mit Trilostan oder Mitotan benötigen.

Die Hypophysektomie wird bei Hunden mit hypophysenabhängigem Hyperadrenokortizismus erfolgreich durchgeführt. Es handelt sich aber um einen operationstechnisch sehr anspruchsvollen chirurgischen Eingriff, der im Allgemeinen nicht routinemäßig zur Verfügung steht. Nach der Operation kann eine Supplementierung von Schilddrüsenhormonen und Glukokortikoiden erforderlich sein. Zudem können hypophysektomierte Patienten die Fähigkeit zur Sekretion von Vasopressin verlieren und infolgedessen einen Diabetes insipidus entwickeln.

Schlussfolgerung

Das frühzeitige Erkennen der klinischen Symptome eines Hyperadrenokortizismus ermöglicht die zeitnahe Einleitung der erforderlichen diagnostischen Tests und der geeigneten Therapie, sobald die Diagnose bestätigt ist. Betroffene Hunde sollten 6-8 Wochen nach Behandlungsbeginn erneut untersucht werden, und zu diesem Zeitpunkt sollte eine signifikante Besserung festzustellen sein. Die deutlichste und zugleich schnellste Antwort auf die erfolgreiche Therapie ist eine Abnahme der Trinkwasseraufnahme, des Harnvolumens und des Appetits. Die Besserung von Veränderungen der Haut und des Haarkleides kann dagegen längere Zeit in Anspruch nehmen, gelegentlich sogar mehrere Monate. Die dermatologischen Symptome können sich unter der Behandlung zunächst deutlich verstärken, bevor schließlich eine sichtbare Besserung eintritt. Bei betroffenen Tieren sind lebenslang alle drei bis sechs Monate Kontrolluntersuchungen zu empfehlen, da es zu Rezidiven und Perioden einer Überdosierung kommen kann. Angezeigt ist zudem eine regelmäßige Beurteilung der funktionellen Nebennierenreserve mit Hilfe von ACTH-Stimulationstests.
 

Literatur

  1. Kemppainen RJ, Boehrend E. Adrenal physiology. Vet Clin North Am 1997;27:173-186. 

  2. Chastain CB, Franklin RT, Ganjam VK, et al. Evaluation of the hypothalamic pituitary-adrenal axis in clinically stressed dogs. J Am Anim Hosp Assoc 1986;22:435-442.

  3. Feldman EC, Nelson RW. Hypoadrenocorticism. In; Canine and Feline Endocrinology and Reproduction 4th ed. Philadelphia: WB Saunders Co, 2004;377-452.

  4. Peterson ME. Hyperadrenocorticism. Vet Clin North Am 1984;14:731-749.

  5. Herrtage ME. Canine hyperadrenocorticism. In: Mooney CT, Peterson ME (eds.) Manual of Endocrinology 3rd ed. Gloucester: BSAVA, 2004;50-171.

  6. Feldman EC, Nelson RW. Canine hyperadrenocorticism (Cushing’s syndrome). In: Canine and Feline Endocrinology and Reproduction. 3rd ed. Philadelphia: PA Saunders, 2004;252-357.

  7. Kintzer PP, Peterson ME. Diseases of the adrenal gland. In: Birchard SJ, Sherding RG (eds.) Manual of Small Animal Practice 3rd ed. Philadelphia: Saunders Elsevier, 2006;357-375. 

  8. Feldman EC: Comparison of ACTH response and dexamethasone suppression as screening tests in canine hyperadrenocorticism. J Am Vet Med Assoc 1983;182:506-510. 

  9. Peterson ME. Hyperadrenocorticism. In: Kirk RW (ed.) Current Veterinary Therapy VIII. Philadelphia: WB Saunders, 1983;863-869.

  10. Reusch CE, Feldman EC. Canine hyperadrenocorticism due to adrenocortical neoplasia; pre-treatment evaluation of 41 dogs. J Vet Intern Med 1991;5:3-10.

  11. Peterson ME, Gilbertson SR, Drucker WD. Plasma cortisol response to exogenous ACTH in 22 dogs with hyperadrenocorticism caused by adrenocortical neoplasia. J Am Vet Med Assoc 1982;180:542-544.

  12. Bertoy EH, Feldman EC, Nelson RW, et al. Magnetic resonance imaging of the brain in dogs with recently diagnosed but untreated pituitary-dependent hyperadrenocorticism. J Am Vet Med Assoc 1995;206:651-656. 

  13. Miller WH, Griffin CE, Campbell KL. Endocrine and metabolic diseases. Muller & Kirk’s Small Animal Dermatology, 7th ed. St. Louis: Saunders, 2013;515-525.

  14. Cho DH, Lee WH, Park SJ. Treatment of calcinosis cutis with minocycline in five dogs. J Vet Clin 2017;34:119-122. 10.17555/jvc.2017.04.34.2.119.

  15. Watson AD, Rijnberk A, Moolenaar AJ. Systemic availability of o,p’-DDD in normal dogs, fasted and fed, and in dogs with hyperadrenocorticism. Res Vet Sci 1987;43:160-165.

  16. Kintzer PP, Peterson ME. Mitotane (o,p’-DDD) treatment of 200 dogs with pituitary-dependent hyperadrenocorticism. J Vet Intern Med 1991;5:182-190.

  17. Webb CB, Twedt DC. Acute hepatopathy associated with mitotane administration in a dog. J Am Anim Hosp Assoc 2006;42:298-301.

Fiona Scholz

Fiona Scholz

Veterinary Dermatology Specialists, Perth, Australien Mehr lesen

Sam Crothers

Sam Crothers

Veterinary Dermatology Specialists, Perth, Australien Mehr lesen

Andere Artikel in dieser Ausgabe

Ausgabe nummer 31.2 veröffentlicht 09/12/2021

Wundbehandlung mit der Kaltplasmatherapie

Die Kaltplasmatherapie (CAPP) ist eine in der Tiermedizin neu aufkommende Technologie.

von Christoph J. Klinger

Ausgabe nummer 31.2 veröffentlicht 03/12/2021

Isoxazoline bei caniner Demodikose

In den vergangenen Jahren kamen einige neue Wirkstoffe für die Behandlung von Ektoparasiten bei Hunden auf den Markt. In diesem Artikel diskutiert Vincent Defalque die Anwendung der vielversprechendsten Vertreter dieser neuen Arzneistoffe.

von Vincent E. Defalque

Ausgabe nummer 31.2 veröffentlicht 23/11/2021

Im Überblick: Kutane Reaktionen bei Hunden mit Futtermittelunverträglichkeit

Futtermittelunverträglichkeitsreaktionen können zahlreichen anderen Hauterkrankungen ähneln.

von Elisa Maina

Ausgabe nummer 31.2 veröffentlicht 22/11/2021

Hautinfektionen mit multiresistenten Staphylokokken

Die Behandlung von Patienten mit Infektionen durch multiresistente Staphylokokken stellt eine enorme Herausforderung für tierärztliche Praxen dar.

von Eleanor K. Wyatt und Laura M. Buckley