Ausgabe nummer 31.2 Sonstiges Wissenschaft
Hyperadrenokortizismus beim Hund
veröffentlicht 04/11/2021
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Hunde mit Hyperadrenokortizismus werden oft mit dermatologischen Symptomen vorgestellt. Dieser Artikel beleuchtet die Diagnose und Behandlung einer häufigen kaninen Erkrankung.
Kernaussagen
Hypophysenabhängiger Hyperadrenokortizismus ist die häufigste Ursache des spontanen Hyperkortisolismus bei Hunden.
Die klinischen Symptome des Hyperadrenokortizismus sind ausgesprochen breitgefächert und vielfältig, die verschiedenen Hautveränderungen sind aber oft sehr deutlich ausgeprägt und dramatisch.
Es gibt zahlreiche diagnostische Optionen; wichtig für einen geeigneten Therapieplan ist aber auch der Nachweis des Ursprungs eines Hyperadrenokortizismus.
Die Therapie eines Hyperadrenokortizismus sollte immer auch die Behandlung jeglicher begleitender Erkrankungen einschließen, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.
Einleitung
Hyperadrenokortizismus bei Hunden ist eine relativ häufige Erkrankung, die entweder spontan auftritt oder iatrogen verursacht wird. Zu den spontanen Ätiologien gehören eine Hypersekretion endogener Glukokortikoide durch einen funktionellen Nebennierentumor oder eine Hypersekretion von Corticotropin (ACTH) oder corticotropin-ähnlichen Substanzen durch einen idiopathischen funktionellen Hypophysentumor. Die iatrogene Form der Erkrankung kann durch exogene Applikation von Glukokortikoiden entstehen. Etwa 85 % aller Hunde mit spontanem Hyperkortisolismus weisen einen hypophysenabhängigen Hyperadrenokortizismus auf, der die Folge einer übermäßigen Sekretion von Corticotropin ist, die ihre Ursache wiederum in einem Mikro- oder Makroadenom der Hypophyse hat 1. Etwa 90 % aller Hypophysentumore sind funktionell, wobei die Hypersekretion von Corticotropin zu einer beidseitigen Nebennierenhyperplasie führt.
Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse
Die Nebennierenrinde besteht aus drei unterschiedlichen anatomischen Regionen, der Zona glomerulosa, der Zona fasciculata und der Zona reticularis. Glukokortikoide werden in der Zona fasciculata unter der Kontrolle der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse gebildet. Das Hormon Corticotropin (adrenocorticotropes Hormon oder ACTH) wird von der Adenohypophyse, also dem endokrinen Anteil der Hypophyse, sezerniert und hat die primäre Aufgabe, die Nebennierenrinde zu stimulieren. Die Sekretion von ACTH erfolgt auf pulsatile Weise, wird durch Stress stimuliert und normalerweise über ein negatives Feedback der Glukokortikoidkonzentration im Serum kontrolliert. Das Corticotropin wiederum wird kontrolliert durch das vom Hypothalamus ebenfalls auf pulsatile Weise sezernierte Corticotropin Releasing Hormon (CRH) 2 3. Die CRH-Sekretion wird durch Glukokortikoide gehemmt und durch Serotonin und Epinephrin stimuliert.
Die Diagnose des kaninen Hyperadrenokortizismus kann sehr komplex sein, und da keiner der gängigen Screeningtests zu 100 % präzise Ergebnisse liefert, ist eine integrierte Vorgehensweise erforderlich, die das Signalement, den Vorbericht, die klinischen Befunde, Screeningtests und spezifische Assays für die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse berücksichtigen muss, um Fehldiagnosen und das Übersehen begleitender Erkrankungen zu vermeiden.
Signalement, Vorbericht und klinische Symptome
Hyperadrenokortizismus tritt typischerweise bei mittelalten bis alten Hunde kleiner Rassen auf, ohne erkennbare geschlechtsspezifische Prädisposition. Grundsätzlich kann die Erkrankung bei jeder Rasse auftreten, Pudel, Dackel und Terrier scheinen jedoch ein erhöhtes Risiko zu haben. Die klinischen Symptome zeichnen sich im Allgemeinen durch eine schleichende Entwicklung und eine langsame Progression aus. Viele Besitzer betrachten die frühen Stadien der Erkrankung als einen Teil des normalen Alterungsprozesses ihres Hundes. Die verschiedenen Hautveränderungen – siehe Tabelle 1 – sind oft sehr stark ausgeprägt.
• Bilateral-symmetrische Hypotrichose / Alopezie
• Veränderung der Fellfarbe
• Hyperpigmentierung
• Dünne, hypotonische Haut
• Komedonen
• Calcinosis cutis
• Schlechte/verzögerte Wundheilung
• Phlebektasie (Venendilatation)
• Petechien und Ekchymosen
• Seborrhoische Dermatitis
• Supprimierte Immunfunktion (chronisch rezidivierende oberflächliche Pyodermie, Malassezia-Dermatitis, Demodikose, Dermatophytose)
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Dazu gehört das klassische, geradezu lehrbuchmäßige klinische Erscheinungsbild einer generalisierten, bilateral symmetrischen Alopezie am Körperstamm (Abbildung 1), oft begleitet von einer Hyperpigmentierung (Abbildung 2). Häufig zu beobachten sind auch eine Verdünnung der Haut (Abbildung 3) und eine Calcinosis cutis (Abbildung 4), und eine Suppression des Immunsystems kann zu chronischer Dermatitis und Furunkulose beitragen (Abbildung 5). Weitere häufige systemische Symptome eines Hyperadrenokortizismus sind in einer Übersicht in Tabelle 2 zusammengefasst 4. Wichtig im Rahmen der Erhebung des Vorberichts ist vor allem die Frage nach kürzlich durchgeführten Behandlungen mit Glukokortikoiden (topisch, oral und parenteral), um mögliche iatrogene Ursachen eines Hyperadrenokortizismus auszuschließen, bevor man im nächsten Schritt versucht, die spontane Form der Erkrankung zu diagnostizieren.
• Polyurie / Polydipsie
• Erweitertes Abdomen
• Polyphagie
• Hecheln
• Schwäche und Lethargie
• Muskelatrophie
• Neuromuskuläre Symptome (Makroadenome der Hypophyse können Anfälle, Kreisbewegungen oder Erblindung hervorrufen)
• Reproduktionsstörungen (persistierender Anöstrus, Hodenhypoplasie)
• Rezidivierende Harnwegsinfektionen
• Diabetes mellitus
• Akute Pankreatitis
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Befunde im allgemeinen Gesundheitsprofil
Wenn bei einem Hund nach der Bestimmung des Signalements, nach der Erhebung des Vorberichts und nach der klinischen Untersuchung der Verdacht auf einen Hyperadrenokortizismus besteht, erfolgt in einem nächsten Schritt die Entnahme von Blut- und Harnproben (Hämatologie, Biochemie, Harnanalyse und Harnkultur). Häufige Laborbefunde bei Hunden mit Hyperadrenokortizismus sind in Tabelle 3 zusammengefasst.
Hämatologie |
• Stressleukogramm (Neutrophilie, Lymphopenie und Eosinopenie)
• Erythrozytose
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Serumbiochemie |
• Erhöhte alkalische Phosphatase (ALKP)*
• Erhöhte Alanin-Aminotransferase (ALT)
• Hypercholesterinämie
• Hyperlipidämie
• Hyperglykämie
• Niedriger Blutharnstoffstickstoff (BUN)
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Harnanalyse und Harnkultur |
• SHG: Hyposthenurie (oft <1.008), wenn der Zugang zu Trinkwasser nicht unterbunden ist
• Glukosurie (bei begleitendem Diabetes mellitus)
• Möglicherweise Bakteriurie und Proteinurie, oft ohne Pyurie
*85-90 % der Hunde mit Hyperadrenokortizismus zeigen eine erhöhte ALKP 567 |
Abbildung 1. Besitzer glauben nicht selten, dass einige der typischen Symptome des Hyperadrenokortizismus, wie zum Beispiel eine bilaterale Hypotrichose am Rumpf (eines der häufigsten Symptome), ein normales Anzeichen der Alterung sind. Das bei diesem Hund entlang der Blaschko-Linien zu erkennende Neuwachstum von Haaren ist ein ungewöhnlicher Befund. © Christoph klinger
Abbildung 2. Generalisierte bilateral-symmetrische Alopezie am Rumpf mit dadurch bedingter intensiver Hyperpigmentierung der Haut infolge der UV-Lichtexposition. © Christoph klinger
Abbildung 3. Abdomen eines Hundes mit Cushing-Erkrankung. Zu beachten ist die dünne Haut mit gut sichtbaren oberflächlichen Blutgefäßen und einem Bereich von Hypokollagenose, in dem die Haut gerissen erscheint. © Christoph klinger
Abbildung 4. Calcinosis cutis (weiße Flecken) und Komedonen (schwarze Flecken), die als typische Befunde einer Cushing-Erkrankung auftreten können. © Christoph klinger
Abbildung 5. Hund mit hochgradiger Furunkulose an der rechten Beckengliedmaße. Die Ursache waren rupturierte, entzündete Haarfollikel mit freien Haarschäften in der Dermis, die zu einer Fremdkörperreaktion in den betroffenen Arealen geführt haben. © Christoph klinger
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