Einleitung
Bei der Untersuchung des maternalen Verhaltens bei Säugetieren erhält man eine Vorstellung von den notwendigen Interaktionen zwischen einer Mutter und ihren Nachkommen. Das Ausmaß der Abhängigkeit der Nachkommen von ihrer Mutter sowie die entsprechenden Verhaltensweisen unterscheiden sich zwischen Nestflüchter- und Nesthockerspezies. Bei der Hündin ist ein gutes maternales Verhalten vor allem aus zwei Gründen sehr wichtig. Zunächst werden Hundewelpen hilflos, taub und blind geboren und können sich nur in sehr begrenztem Maße bewegen (Nesthocker). In der frühen Lebensphase ist ihr Überleben deshalb vollständig abhängig von einer äußeren Quelle. Bei domestizierten Hunden erfolgt die elterliche Fürsorge im Vergleich zu frei umherstreifenden Hunden und einigen wilden Caniden hauptsächlich durch die Mutterhündin, so dass das Überleben der Welpen ganz unmittelbar durch die maternalen Fähigkeiten beeinflusst wird (unter der Annahme, dass keine humane Intervention stattfindet). Zum Zweiten kann das Verhalten der Mutterhündin die zukünftige Entwicklung ihrer Nachkommen beeinflussen. Auch wenn die Ergebnisse jüngster Studien nicht eindeutig sind, scheint kognitive Entwicklung und Leistungsfähigkeit eines Hundewelpen direkt durch maternale Qualität beeinflusst zu werden 1,2,3.
Das maternale Verhalten bei Hunden wird bereits seit vielen Jahrzehnten untersucht 4,5,6 und es herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass maternales Verhalten eine Antwort auf die Bedürfnisse der Welpen ist. Die Hauptaspekte hierbei sind der direkte Körperkontakt (für die Thermoregulation der Welpen), die orale Interaktion (durch Belecken) sowie das Säugen, das Spielen und die Disziplinierung der Welpen. Der Einfluss der maternalen Fürsorge auf die kognitive Entwicklung von Hunden steht jedoch erst in jüngerer Zeit im Fokus des Interesses. Zahlreiche Studien 1,2,3,7,8 versuchen zu verstehen und vorherzusagen, auf welche Weise frühe Interaktionen zwischen der Mutterhündin und ihren Welpen die späteren kognitiven Fähigkeiten der Nachkommen beeinflussen können, wie lange diese Effekte anhalten, und schließlich wie groß dieser Einfluss auf das zukünftige Leistungsvermögen und Verhalten adulter Hunde tatsächlich ist. Dieser Hypothese folgend, könnte ein inadäquates maternales Verhalten der Ursprung von unerwünschten Verhaltensweisen im späteren Leben des Hundes sein. Dieser Artikel konzentriert sich auf die gewöhnlichen Aspekte des maternalen Verhaltens rund um die Geburt und während der ersten Lebenswochen und diskutiert, auf welche Weise die maternale Fürsorge die kognitiven Fähigkeiten und das Temperament eines Hundes beeinflussen könnte.
Die bevorstehende Geburt
Verhaltensänderungen bei der Hündin können bereits ein bis zwei Tage vor dem erwarteten Geburtstermin auftreten 9, die entsprechenden Anzeichen können im Einzelfall aber mehr oder weniger offensichtlich sein, unter anderem abhängig davon, ob es sich um eine primipare oder um eine multipare Hündin handelt. In den meisten Fällen wird die Hündin 12-24 Stunden vor der Geburt unruhig und zeigt einen reduzierten Appetit. Nestbau- und Grabverhalten kommen unregelmäßiger vor und sind weitgehend von individuellen Faktoren und Umweltfaktoren abhängig, sowie vom Ausmaß der Kontakte mit Menschen 10. Eine Korrelation zwischen der Intensität der Vorbereitung auf die Geburt und der Qualität des maternalen Verhaltens konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Weitere Anzeichen einer nahenden Geburt sind Unaufmerksamkeit, Trägheit, Aggression, Angst, Unberechenbarkeit, Reizbarkeit und bei einigen Hündinnen eine vermehrte Tendenz zur Suche nach Aufmerksamkeit des Besitzers, wohingegen sich andere Hündinnen in dieser Phase eher zurückziehen und absondern. Mit der nahenden Geburt wird die Hündin zunehmend mehr Zeit im Geburtsbereich verbringen. Eine Abnahme der Körpertemperatur kann zu Zittern führen 9 und könnte andere Verhaltensänderungen erklären. Die Anwendung der Körpertemperatur als Indikator für die nahende Geburt ist aber nach wie vor umstritten. So wird ein Abfall der Temperatur um etwa 1 °C zwar vielfach als Anzeichen der bevorstehenden Geburt herangezogen 11, Aufzeichnungen der Vaginaltemperatur zeigen jedoch, dass dieser Abfall keinen prädiktiven Wert für das Einsetzen der Geburt hat 12.
Die Geburt
Bei der physiologischen Geburt (Eutokie) handelt es sich um eine Kombination physiologischer, endokriner und behavioraler Veränderungen, die in der Austreibung der Welpen kumulieren. Die Geburt der Hundewelpen verläuft in drei Phasen, die von jeweils unterschiedlichen Verhaltensweisen geprägt sind. Die erste Phase oder Eröffnungsphase ist gekennzeichnet vom Beginn subklinischer Uteruskontraktionen, einhergehend mit vaginaler Relaxation und einer Erweiterung des Gebärmutterhalses, aber ohne Anzeichen abdominaler Kontraktionen. Einige Hündinnen zeigen in dieser Phase keine auffälligen Symptome, wenn aber entsprechende Symptome auftreten, ähneln sie den im Abschnitt zur bevorstehenden Geburt beschriebenen Anzeichen, wie zum Beispiel das Zurechtrücken von Decken oder Kissen in einem Versuch, ein Nest zu bauen. Die Dauer dieser Phase kann durch die Parität der Hündin beeinflusst werden und bei nervösen primiparen Hündinnen bis zu 36 Stunden betragen 9, sie liegt ansonsten aber in der Regel zwischen 6 und 12 Stunden. Die zweite Phase oder Austreibungsphase entspricht dem aktiven Geburtsprozess und ist gekennzeichnet durch starke und koordinierte abdominale Kontraktionen, gefolgt von Lautäußerungen der Hündin und dem Abgang fetaler Flüssigkeiten. Sobald die Zervix vollständig geöffnet ist, induziert die Anwesenheit des ersten Welpen an der Zervix den Ferguson-Reflex und triggert die Freisetzung von Oxytocin, einhergehend mit Kontraktionen der Bauchmuskeln, die schließlich zur Austreibung der Welpen führen.
Sobald der Welpe geboren ist, muss die Hündin die Fruchtblase öffnen (wenn diese nicht bereits während des Geburtsvorganges gerissen ist) (Abbildung 1). Welpen, die nach der Geburt in den geschlossenen Fruchthüllen verbleiben, können innerhalb weniger Minuten sterben, wenn sie nicht unverzüglich befreit werden. Die Hündin sollte zudem die Nabelschnur trennen und den neugeborenen Welpen intensiv lecken 9. Das Lecken ist wichtig, um die Atmung zu stimulieren und den Welpen zu trocknen, und spielt darüber hinaus eine ganz essenzielle Rolle für den Aufbau der maternalen Bindung. Unerfahrenheit (bei primiparen Hündinnen) und große Angst während der Geburt können das maternale Verhalten negativ beeinflussen und zu erhöhter Welpensterblichkeit führen. Dieser gesamte Prozess wird sich nun mehrfach wiederholen bis alle Welpen geboren sind. Die Hündin wird die Pflege eines Neugeborenen unterbrechen, wenn erneut Kontraktionen einsetzen und die Geburt des nächsten Welpen ankündigen. In der Tat kann sich eine Hündin vollständig auf den Geburtsprozess fokussieren und empfindungslos gegenüber ihren schreienden Welpen erscheinen 4, und ihren Wurf dabei ignorieren bis die Austreibungsphase abgeschlossen ist 5. Im Allgemeinen wird der erste Welpe innerhalb von 1-2 Stunden nach Einsetzen der zweiten Phase geboren, dies kann aber auch bis zu 4 Stunden dauern; die Gesamtdauer der zweiten Phase ist abhängig von der Größe des Wurfes und kann bis zu 12 Stunden betragen, wobei sie durch jegliche Form von Stress oder externe Störungen verzögert oder sogar gestoppt werden kann 4,5.