Der Weg nach vorn
Oft wird angemerkt, dass Studierenden der Tiermedizin in der Universität jede Menge Wissenschaft beigebracht wird, sie aber andere wichtige Kompetenzen und Fähigkeiten in sehr viel geringeren Maße vermittelt bekommen, die letztlich unerlässlich sind, um im Praxisalltag zu bestehen. Auch wenn im Zentrum einer Praxis zweifellos die Behandlung von Tieren steht, ist auch der optimale Umgang mit Besitzern eine ganz wesentliche Voraussetzung für das Tierwohl und die Linderung der von Tierärzten empfundenen Spannungen im Berufsalltag. Die Kunst der guten Kommunikation sollte aus diesen Gründen eigentlich ein Kernbestandteil eines jeden Lehrplans im Tiermedizinstudium sein. Aber auch wir „alte Hasen“, die wir bereits täglich in der Praxis arbeiten, sollten unsere Kommunikationstechniken regelmäßig überprüfen und hart daran arbeiten, ihre Qualität aufrechtzuerhalten und stetig weiterzuentwickeln. Frisch approbierte Tierärzte sollten darüber hinaus auch über wirtschaftliche Basiskenntnisse verfügen und ein grundlegendes Verständnis der finanziellen Rahmenbedingungen einer Praxis haben.
Neben den bereits genannten Aspekten sollten Berufstätige in der tierärztlichen Praxis auch in der Lage sein, eine Resilienz, also eine psychische Widerstandskraft, zu entwickeln, um die tägliche Routine zu bewältigen. Ganz praktisch können wir uns gezielt die in der Studie von den befragten Tierärzten als besonders problematisch herausgestellten Themen (Abbildung 6) betrachten, und dann individuelle Strategien entwickeln, um deren Auswirkungen für uns und unser Umfeld abzumildern. Unerlässlich für unser mentales und physisches Wohlbefinden ist es, zu wissen, wie wir Stress effizient abbauen können, insbesondere, wenn wir uns vom Druck unseres Jobs überfordert fühlen. Zudem sollten wir bereit und in der Lage sein, geeignete Hilfe und Unterstützung von außen zu suchen und auch anzunehmen, wenn dies erforderlich ist. Auch wenn unser Berufsstand in den letzten Jahren durchaus gute Fortschritte macht, was entsprechende Angebote zur Unterstützung betroffener Kollegen betrifft, so besteht ohne Zweifel auch weiterhin die Notwendigkeit, diesbezügliche Dienstleistungen stärker zu fördern und weiter zu entwickeln. Eine ausschließlich passive Herangehensweise ist hier jedoch keineswegs ausreichend – wir als Tierärzte sollten auch auf individueller Basis stets aktiv daran arbeiten, eine positive Sicht auf unseren Job zu verinnerlichen, und eine proaktive Strategie für unsere mentale und körperliche Gesundheit verfolgen.
Insbesondere Tiermedizinstudenten und frisch approbierte Tierärzte sollten eindringlich auf den mit dem Job verbundenen potenziellen Stress hingewiesen und ermutigt werden, geeignete Wege zu finden, um die Entwicklung von Schmerzpunkten aktiv zu verhindern, anstatt lediglich passiv abzuwarten, bis diese so weit fortgeschritten sind, dass sie die Arbeitsbelastung beeinflussen und weitreichende Probleme hervorrufen. Erforderlich ist aber in jedem Fall eine ganzheitliche Herangehensweise. Und nicht zuletzt sorgen die interessierte Wahrnehmung und die Anerkennung der Schmerzpunkte der anderen Interessenvertreter in unserem Wirkungsbereich dafür, dass der einzelne Tierarzt sehr viel besser in der Lage sein wird, die Probleme zu verstehen, die zur Entstehung von gegenseitigem Misstrauen, Frustration oder negativen Emotionen führen können.
Letztlich sollten wir also in der Lage sein, uns primär auf die Stärken unseres Jobs zu fokussieren, und uns weniger den Kopf über Dinge zerbrechen, die wir nur wenig oder gar nicht beeinflussen können. So wird zum Beispiel der Online-Verkauf von Kleintierprodukten sehr wahrscheinlich nie zu unserer Haupteinnahmequelle werden, und wir sollten deshalb nicht allzu viel Zeit damit verbringen, mit Händlern im Internet konkurrieren zu wollen, die im Zweifel sehr viel größere finanzielle Mittel und Ressourcen besitzen, um umfangreiche Webseiten zu betreiben. Ernsthaft entgegentreten können wir den selbst ernannten Online-Experten letztlich nur über das Anbieten fundierter tierärztlicher Leistungen und eines hervorragenden Preis-Leistungsverhältnisses für unsere Kunden. Dabei müssen wir uns auf unsere individuellen Stärken fokussieren und selbstbewusst das betonen, worin wir gut sind. Auf diese Weise wird es uns gelingen, nachhaltige Bindungen zwischen Tierhaltern und unserer Praxis zu knüpfen und dadurch die Zukunft der individuellen Mitarbeiter der Praxis sowie des gesamten wirtschaftlichen Unternehmens Tierarztpraxis zu sichern.