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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 32.1 Sonstiges Wissenschaft

Die erfolgreiche Katzenwelpensprechstunde

veröffentlicht 24/05/2022

Geschrieben von Elizabeth O’Brien

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Português , Español und English

Erfolgreiche Katzenwelpenvisiten bereiten unsere felinen Patienten optimal auf eine lebenslange tierärztliche Versorgung vor, wie uns Liz O’Brien erläutert.

Ein gut designtes Sprechzimmer bietet eine mit Pheromon-Spray vorbehandelte Decke sowie Snacks

Kernaussagen

Tierärzte müssen das Naturell der Katze, aber auch die Mentalität des Katzenhalters verstehen, um erfolgreiche Katzenwelpensprechstunden sicherzustellen.


Die erfolgreiche Katzenwelpensprechstunde beginnt bereits lange Zeit bevor der Besitzer in der Praxis ankommt – eine gute Vorbereitung ist entscheidend.


Katzen und Katzenwelpen sind „Kontrollfreaks“ und sollten während der gesamten Konsultation das Gefühl haben, jederzeit Herr der Lage zu sein.


Eine gesunde Katze beginnt mit guten Erfahrungen im Welpenalter, zusammen mit einer klaren Kommunikation zwischen Tierarzt und Tierhalter.


Einleitung

Bereits Leonardo Da Vinci war der Meinung, dass „schon die kleinste Katze ein Meisterwerk ist“. Es sollte uns also vielleicht nicht überraschen, dass Katzenwelpen bei Tierliebhabern unglaublich populär sind und deshalb heute einen signifikanten Anteil des Patientengutes tierärztlicher Praxen ausmachen, und zwar sowohl in allgemeinen Kleintierpraxen, als auch in Praxen, die sich auf die Behandlung von Katzen spezialisiert haben. Positive Erfahrungen von Besitzern und Katzenwelpen bei der ersten Visite und bei allen nachfolgenden Praxisbesuchen sind dabei von ganz zentraler Bedeutung. Der Start ins Leben einer kleinen Katze bietet dem Praxisteam die Gelegenheit, den Katzenhalter zu beraten und eine auf lange Zeit angelegte, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Beziehung aufzubauen, die letztlich das Fundament einer lebenslangen präventiven Gesundheitsfürsorge für die Katze bildet.

Feline Patienten verstehen

Ganz entscheidend ist, dass wir unsere felinen Patienten verstehen, und zwar nicht nur ihre ganz eigenen Bedürfnisse, sondern auch wie sie – und ihre Besitzer – den Besuch in der tierärztlichen Praxis wahrnehmen. Mehr als bei jeder anderen Spezies sind bei unseren Katzen eine gute präventive Gesundheitsfürsorge und ein frühzeitiger Nachweis von Erkrankungen erforderlich, und dies gelingt letztlich nur mit Hilfe regelmäßiger tierärztlicher Visiten. Katzen sind wahre Meister darin, Erkrankungen zu verbergen, und oft sind ihre Krankheitssymptome sehr subtiler Natur. Trotz der unzweifelhaften Notwendigkeit einer regelmäßigen präventiven Gesundheitsfürsorge besuchen Katzenbesitzer tierärztliche Praxen aber deutlich seltener als Hundehalter, und dies, obwohl einer Untersuchung in den USA aus dem Jahr 2006 zufolge 78 % aller Katzen haltenden Familien ihre Katzen als echte Familienmitglieder betrachten 1. Zum Teil liegt dies an dem mit einer Visite in der tierärztlichen Praxis verbundenen „Stress“, und zwar sowohl für die Katze als auch für den Katzenhalter. Eine jüngste Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 58,2 % der Besitzer es „hassen“, ihre Katze zum Tierarzt zu bringen, und 38 % fühlen sich bereits gestresst, wenn sie nur an den Tierarztbesuch mit ihrer Katze denken 2. Und in der Tat sind solche Visiten oft eine extreme Herausforderung für Katzen, ihre Besitzer und nicht zuletzt auch für das gesamte Praxisteam. Ein weiterer wichtiger Faktor, den es in diesem Zusammenhang unbedingt zu berücksichtigen gilt, ist die Wahrnehmung der Besitzer. In Nordamerika werden die meisten Katzen ausschließlich „Indoor“ gehalten, und ihre Besitzer gehen oft irrtümlicherweise davon aus, dass ihre Tiere Dank dieser Haltungsform keinerlei Krankheitsrisiken ausgesetzt sind. Dieser „Indoor-Katzen-Mythos“ kann es dem Praxisteam sehr schwer machen, Katzenhalter davon zu überzeugen, ihre Tiere regelmäßig ein- oder zweimal pro Jahr in der Praxis vorzustellen. Auf der anderen Seite bieten aber gerade die zahlreichen Visiten im Rahmen einer umfassenden präventiven Gesundheitsfürsorge bei Katzenwelpen die ideale Gelegenheit, wundervolle „katzenzentrierte“ Erfahrungen zu kreieren, die zum einen vom Besitzer als angenehm positiv empfunden werden, und zum anderen übermäßigen Stress für den felinen Patienten verhindern. Mit der richtigen Kommunikationsstrategie sind diese Praxisbesuche im Welpenalter zugleich die ideale Möglichkeit, um Besitzer eingehend zu beraten und so den Grundstein für eine regelmäßige tierärztliche Versorgung der Katzen in der Zukunft zu legen.

Elizabeth O’Brien

Mehr als bei jeder anderen Spezies sind bei unseren Katzen eine gute präventive Gesundheitsfürsorge und ein frühzeitiger Nachweis von Erkrankungen erforderlich, und dies gelingt letztlich nur mit Hilfe regelmäßiger tierärztlicher Visiten.

Elizabeth O’Brien

Dabei müssen wir aber erkennen und berücksichtigen, dass der Tierarztbesuch für die Katze und ihren Besitzer sehr viel länger dauert, als die für die eigentliche Sprechstunde anberaumte Zeitspanne. Der Besuch beginnt nämlich bereits deutlich vor der Ankunft in der Praxis und endet sehr viel später – manchmal erst nach Tagen – mit einem nach der Tierarztvisite unglücklichen und aus den Fugen geratenen Leben zu Hause. Von der Transportbox über die Reise zur Praxis bis hin zur Exposition gegenüber fremden Anblicken, Gerüchen und Geräuschen in der Praxis hat eine Katze jede Menge gute Gründe, um misstrauisch zu sein. Ihre Natur als Einzelgänger und die Tatsache, dass ihre Evolution von dem stetigen Risiko, als Beutetier zu enden, geprägt ist, haben zur Folge, dass sich eine Katze ständig in einer natürlichen Selbstverteidigungshaltung befindet und sich permanent selbst schützen muss. Hinzu kommt, dass Katzen ein gutes Langzeitgedächtnis haben, so dass negative Erfahrungen in der Vergangenheit einen Einfluss auf ihre Reaktionen in ähnlichen Situationen zu einem späteren Zeitpunkt haben können, und somit schlecht verlaufende Praxisbesuche sowohl kurz- als auch langfristig negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Katzen haben können 3,4. Die Aufgabe des Praxisteams ist es deshalb, für „katzenzentrierte“ Erfahrungen zu sorgen, und zwar sowohl für den felinen Patienten selbst, als auch für dessen Besitzer. Glücklicherweise sind tierärztliche Praxen heute mit Hilfe von Ressourcen wie dem Cat Friendly Practice® Program der AAFP*/ISFM** und dem Cat Friendly Certificate Program der AAFP für Praxismitarbeiter, in der Lage, die wunderbare Spezies Katze besser zu verstehen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die umweltbedingten Stress sowie Stress im Zusammenhang mit dem Handling von Katzen vermeiden und auf diese Weise die Erfahrungen der felinen Patienten und ihrer Besitzer verbessern.

* American Association of Feline Practitioners

** International Society for Feline Medicine

Die erstmalige Aufnahme eines Katzenwelpen im Haushalt – oder die Aufnahme eines zusätzlichen Welpen in eine bestehende Katzenfamilie – ist eine aufregende Zeit für die Besitzer, und die initiale Kommunikation zwischen der tierärztlichen Praxis und den frisch gebackenen Katzenbesitzern ist von entscheidender Bedeutung in dieser Phase. Diese Kommunikation muss einen verbindlichen, beratenden und mitfühlenden Charakter haben. Auch wenn bereits eine langjährige Beziehung zum Kunden besteht, bietet sich in dieser Situation die Gelegenheit, seine neue Begeisterung zu teilen und eine enge Bindung zum Kunden zu schaffen oder weiter zu stärken. Von Beginn an müssen Kunden spüren, dass das gesamte Team glaubwürdig am Wohl seiner Katze interessiert ist. So müssen zum Beispiel bereits die Mitarbeiter an der Rezeption ein echtes Interesse zeigen, und eine Verbindung zum Kunden herstellen, zum Beispiel mit Hilfe von Fragen darüber, woher sie den Katzenwelpen bezogen haben, wie sie den Namen ausgewählt haben und welche kleinen Dinge einzigartig sind an diesem neuen Familienmitglied. Es empfiehlt sich, diese Informationen in der Patientenkartei der Katze zu vermerken, da so sämtliche Mitglieder des Praxisteams jederzeit darauf zurückgreifen können, um mit dem Kunden auf einer persönlicheren Ebene zu kommunizieren.

Für eine einfachere Reise sorgen

Wie oben erwähnt beginnt der Tierarztbesuch für die Katze und ihre Familie bereits lange Zeit vor dem eigentlichen Termin in der Praxis. Für viele Katzen ist die Transportbox schon die erste Hürde vor einer erfolgreichen Visite. Einen jungen Katzenwelpen zum ersten Mal in die Transportbox zu setzen ist möglicherweise keine allzu große Herausforderung, sehr wahrscheinlich wird dieses Unterfangen aber von Tierarztbesuch zu Tierarztbesuch immer schwieriger. Am besten geeignet nach Meinung der Autorin sind billige Boxen mit harten Seitenwänden, die sowohl an der Frontseite als auch von oben zu öffnen sind und auch in der Mitte in ein Oberteil und ein Unterteil auseinandergebaut werden können (Abbildung 1). Die Alternative ist eine weiche, „kapselartige“ Box mit einem Bett, in dem die Katze schläft und einem mittels Reißverschluss abnehmbaren Dach. Beide Optionen besitzen ein einfach abzunehmendes Dach, so dass ein traumatisches Herausziehen oder Herausschütteln der Katze aus ihrer Box nicht erforderlich ist. Besonders furchtsame oder ängstliche Katzen oder Tiere mit Schmerzen können während der gesamten Untersuchung im Bodenteil der Box sitzen bleiben. Auch wenn der obere Teil der Box leicht abnehmbar sein sollte, muss dennoch eine ausreichende Stabilität gewährleistet sein, um sicherzustellen, dass sich das Oberteil nicht beim Transport versehentlich löst. Transportboxen für Katzen sollten daher vor jeder Anwendung immer doppelt überprüft werden. Zudem sollte Besitzern geraten werden, die Box beim Tragen von unten zu unterstützen und immer parallel zum Boden auszurichten, um Stress zu reduzieren und eine Kinetose (Reiseübelkeit) bei den Katzenwelpen zu vermeiden. In der Box sollte eine Decke oder ein dickes Handtuch liegen, damit es die Katzenwelpen bequem haben und beim Transport nicht hin und her rutschen. Dreißig Minuten vor Reisebeginn können die Liegeunterlagen mit synthetischen Pheromonanaloga besprüht werden, um die Angst der Katze zu lindern. Die erste Katzenwelpensprechstunde bietet auch die Gelegenheit, den Besitzer darauf hinzuweisen, dass die Transportbox nicht in einem staubigen Schrank, Schuppen oder einer Garage verwahrt werden sollte, wo sie außerhalb der Sichtweite ist, bis sie für den nächsten Tierarztbesuch gebraucht wird.

Eine ideale Transportbox muss sicher sein, sollte aber auch über ein leicht abnehmbares Oberteil verfügen

Abbildung 1. Eine ideale Transportbox muss sicher sein, sollte aber auch über ein leicht abnehmbares Oberteil verfügen, damit ein schüchterner und ängstlicher Katzenwelpe für die Untersuchung im Bodenteil der Box sitzen bleiben kann. 
Credit: Shutterstock

Im Idealfall werden Katzenwelpen und Katzen darauf trainiert, ihre Transportbox zu mögen, und schrittweise an das Reisen in der Box gewöhnt. Aufgrund ihrer natürlichen Selbstverteidigungshaltung sind Katzen in der Regel argwöhnisch gegenüber allem Neuen in ihrer Umgebung, und das plötzliche Auftauchen der Transportbox ist für sie in der Regel ein Signal, sich schnell und so weit wie möglich unter dem Bett zu verstecken. Glücklicherweise sind Katzenwelpen aber von Natur aus neugierig und abenteuerlustiger als ihre adulten Artgenossen und deshalb meist nicht von vornherein beunruhigt, wenn die Transportbox ins Spiel kommt. Besitzer sollten sich dieses welpentypische Verhalten zu Nutze machen. Empfehlen Sie den Besitzern, die Transportbox mit offener oder entfernter Tür in einen Raum zu stellen, in dem sich die Welpen gern aufhalten, und die Box als bequeme Liegestätte mit dicker Decke, Spielzeug und Snacks auszustatten. Zudem erweist es sich als eine gute Idee, Katzenwelpen frühzeitig an Autofahrten zu gewöhnen, schrittweise beginnend mit kurzen Fahrten in der Transportbox. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine Katze nie ohne Aufsicht im Auto bleiben sollte. Der sicherste Ort für die Transportbox im Auto ist der Fußraum hinter einem der Vordersitze, auf der Rückbank muss die Box mit einem Sicherheitsgurt fixiert werden. Zusätzliche Behaglichkeit verschafft man dem Katzenwelpen, indem man die Box teilweise mit einem mit synthetischen Pheromonen besprühten Handtuch abdeckt.

Als Daumenregel für adulte Katzen gilt eine Katze pro Transportbox, die Autorin akzeptiert aber auch zwei Katzenwelpen (oder sogar einen gesamten Wurf) in einer Box für den Transport zur Praxis, zumindest für die ersten Visiten. Sobald aber die Welpen etwas größer und selbständiger werden, muss jedes Tier seine eigene Transportbox bekommen. Adulte Katzen sollten vor einer Visite idealerweise fasten, damit Snacks, die sich als hervorragende Ablenkungen erweisen, noch interessanter sind für den Patienten und einfacher angenommen werden. Katzenwelpen sind in der Regel aber so neugierig, dass meist auch Spielzeug hervorragend als Ablenkung funktioniert, und Snacks in der Sprechstunde eingesetzt werden können, um zu überprüfen, ob der Welpe Nahrung aufnimmt. Bei Katzenwelpen bringt das Fasten vor der Visite also keine Vorteile und ist auch aufgrund ihrer sehr hohen Stoffwechselrate generell nicht zu empfehlen.

Ein wichtiger Beitrag zum Erfolg der ersten Visite und alle nachfolgenden Praxisbesuche ist die richtige Vorbereitung durch das Rezeptionsteam. Das Versenden eines individuellen Willkommensbriefes und einer Informationsbroschüre über alle oben genannten Punkte, einschließlich Bildern von geeigneten Transportboxen, im Vorfeld des Termins per Brief oder per Email, hat in diesem Zusammenhang enorme Vorteile.

Katzenfreundliche und katzenzentrierte Praxiserfahrungen

Warteraum und Rezeption

Der neue Patient erreicht die Praxis in der Transportbox, die er mag und akzeptiert, und ist durch die Reise nicht besonders gestresst. Jetzt gilt es, den bis dahin erfolgreichen Besuch, auch genauso erfolgreich fortzusetzen. Katzen fühlen sich unsicher, wenn sie auf dem Boden abgestellt werden. Jede Praxis sollte deshalb über eine klar erkennbare Zone an der Rezeption verfügen, getrennt von Hunden und anderen Katzen, in der die Transportbox erhöht abgestellt werden kann, idealerweise in einer Höhe von 1,20 Meter oder mehr über dem Boden. Katzen lieben hohe Positionen, von denen aus sie auf die Welt herabschauen können, und Katzenwelpen bilden diesbezüglich keine Ausnahme (Abbildung 2). Mit synthetischen Pheromonen behandelte Handtücher sollten bereitliegen, um die Box teilweise abzudecken, wenn dies nicht bereits vom Besitzer getan wurde. Das Bereitstellen von Handtüchern in einem dekorativen Korb – ganz so wie im Wellnessbereich eines Hotels – versehen mit einem informativen aber einladenden Hinweisschild ist eine pfiffige Idee, die vom Besitzer äußerst gut aufgenommen wird. Solche kleinen Details zeigen den Besitzern das Commitment des Praxisteams für seine felinen Patienten.

Jede Praxis sollte eine klar erkennbare und von Hunden getrennte Zone im Bereich der Rezeption haben

Abbildung 2. Jede Praxis sollte eine klar erkennbare und von Hunden getrennte Zone im Bereich der Rezeption haben, wo Transportboxen erhöht abgestellt werden können.
Credit: Royal Canin

Überraschenderweise scheinen viele Praxen auf Hunde fokussiert zu sein. Praxismitarbeiter sollten die Praxis auch einmal auf dem Weg der Kunden betreten und sich den Rezeptionsbereich und die Sprechzimmer aus dieser Perspektive betrachten. Vermitteln die Praxis und das Personal einem neuen Katzenbesitzer, dass hier jeder Mitarbeiter Katzen liebt? Insbesondere die Rezeption und die Sprechzimmer sollten diese Botschaft vermitteln, indem sichergestellt ist, dass Katzen mindestens genauso gut repräsentiert sind wie Hunde, zum Beispiel, wenn es um Infomaterial und Pet Shop-Artikel (z. B. Katzenspielzeug, Transportboxen und Halsbänder) geht (Abbildung 3). Klar ist, dass sich diese Botschaft primär an den Kunden richtet und nicht unbedingt Vorteile für die Katze mit sich bringt. Um für den felinen Patienten umfassend sorgen zu können, müssen die Praxis und das Praxisteam aber zunächst den Besitzer für sich gewinnen. „Katzenfokussiert“ zu sein, wenn es um Katzenwelpen und ihre Besitzer geht, ist in diesem Zusammenhang ganz entscheidend. Selbst die Kunst an den Wänden sollte die Spezies Katze angemessen repräsentieren – auch wenn Fotos von realen Katzen, die vom Untersuchungstisch oder dem Abstellplatz für die Transportbox aus zu sehen sind, vermieden werden sollten, da diese bei manchen Katzen negative Reaktionen auslösen können. Vorzuziehen sind deshalb Art-Déco-Objekte und abstrakte Bilder.

Spielzeug, Halsbänder und ein „Katzenfokus“ an der Rezeption, zusammen mit einem praxiseigenen „Katzenbotschafter“ zeigen

Abbildung 3. Spielzeug, Halsbänder und ein „Katzenfokus“ an der Rezeption, zusammen mit einem praxiseigenen „Katzenbotschafter“ zeigen, dass das Praxisteam „katzenzentriert“ ist.
Credit: Elizabeth O’Brien 

Der Beginn der Konsultation

Im Idealfall sollte ein Katzenwelpe so schnell wie möglich in das Sprechzimmer gebracht werden, weil der Rezeptionsbereich nicht selten sehr betriebsam und geräuschvoll ist. „Nur für Katzen“-Sprechzimmer sind ideal und sollten mit einem Pheromon-Verdampfer ausgestattet sein. Im Sprechzimmer sollte die Transportbox auf den Boden oder auf eine niedrige Bank gestellt und geöffnet werden, damit der Katzenwelpe freiwillig herauskommen kann. Snacks, Futter und Spielzeug unmittelbar außerhalb der Box können hilfreich sein, um den Patienten herauszulocken. Die Autorin nutzt auch gern eine Matte in Industriequalität im Untersuchungsraum. Da Katzen Kontrollfreaks sind, bietet eine Matte ausreichende Bodenhaftung und Sicherheit beim Spielen, während der Tierarzt den Vorbericht aufnimmt (Abbildung 4).

Ist der Katzenwelpe besonders schüchtern oder ängstlich und entscheidet sich dafür, in der Box zu bleiben, kann der Deckel der Box abgenommen werden, so dass der Welpe sicher im Bodenteil der Box sitzen bleiben kann. Die meisten Katzenwelpen entscheiden sich in dieser Situation dann doch dafür, auf Erkundungstour zu gehen, wobei hier Vorsicht geboten ist, wenn dies auf dem Untersuchungstisch stattfindet. Stellen Sie sicher, dass die kleine Katze nicht vom Tisch springt, da sie sich dabei verletzen kann. Setzen sie die Katze sanft und kontrolliert auf den Boden. Katzenwelpen sollten zunächst die Möglichkeit bekommen, sich frei im Untersuchungsraum zu bewegen, vor der eigentlichen Untersuchung herumzutollen und sich mit Spielzeug zu beschäftigen. Wenn es sich um mehrere Katzenwelpen handelt, sollten alle Tiere die Möglichkeit bekommen, sich zusammen mit den Gegebenheiten des Untersuchungsraumes vertraut zu machen. Katzen und Katzenwelpen brauchen auch bei der Visite das Gefühl, dass sie „den Untersuchungsraum besitzen“ und „das Sagen haben“. Ideal ist, Katzen ausreichend Gelegenheit zu geben zum Spielen und zum Markieren des Raumes mit ihren Gesichtspheromonen durch Reiben des Kopfes am Tisch, an Ecken und an Schränken – und selbst am Tierarzt. Zudem sollte eine Möglichkeit zum Verstecken vorhanden sein, wie zum Beispiel der obere Teil der Transportbox oder Tierzelte. Und schließlich ist das Bezeichnen der Katze mit ihrem Namen und dem richtigen Geschlecht ein kleines, aber sehr wichtiges Detail für eine weiterhin erfolgreiche Tierarzt-Besitzer-Beziehung.

Ein gut designtes Sprechzimmer bietet eine mit Pheromon-Spray vorbehandelte Decke sowie Snacks

Abbildung 4. Ein gut designtes Sprechzimmer bietet eine mit Pheromon-Spray vorbehandelte Decke sowie Snacks, um die Visite für den Katzenwelpen und den Besitzer positiv zu gestalten, ergänzt durch Bilder mit Katzenbezug an den Wänden. 
Credit: Elizabeth O’Brien 

Die Untersuchung

Der Untersuchungsraum sollte leicht zugänglich mit allem ausgestattet sein, was der Tierarzt für die Sprechstunde benötigt, aber auch Spaß und Informationen vermitteln. Eine Katzenwaage oder eine Babywaage sollte auf dem Tisch oder auf dem Boden vorhanden sein für die möglichst präzise und einfache Bestimmung des Körpergewichts der Welpen (Abbildung 5). Auf dem Untersuchungstisch sollte eine dicke Decke oder ein dickes Handtuch liegen, das dem Katzenwelpen Sicherheit und Bodenhaftung bietet. Eine Yogamatte oder eine Badematte aus Gummi verhindert das Verrutschen der Decke. Denken Sie daran, dass auch Katzenwelpen Kontrollfreaks sind, und das Ausrutschen auf einem glatten Edelstahltisch eine durchaus angsteinflößende Erfahrung für Katzen sein kann. Im Idealfall ist der Untersuchungsraum mit Pheromon-Verdampfern ausgestattet, alternativ kann die Tischauflage vor der Sprechstunde mit einem Pheromon-Spray behandelt werden, um die Katzenwelpen zu beruhigen. Das Handtuch oder die Decke kann natürlich auch verwendet werden, um besonders zappelige oder nervöse Katzenwelpen für die Untersuchung sanft einzuwickeln. Nach der Sprechstunde werden die Matte und der Tisch desinfiziert, das Handtuch oder die Decke landen in der Wäsche.

Normalerweise arbeitet die Autorin eine Checkliste in ihrem Kopf ab, der Katzenwelpe darf sich aber frei im Raum bewegen und die eigentliche Untersuchung findet dann oft an vielen Stellen im gesamten Raum statt – auf der Matte oder auf der Arbeitsfläche, auf dem Untersuchungstisch, auf dem Fensterbrett, auf einem Kletterbaum oder wo auch immer sich die Katze am wohlsten fühlt.

Eine Babywaage und sämtliches Instrumentarium, das für die Untersuchung erforderlich ist, müssen in Reichweite des behandelnden Tierarztes im Sprechzimmer zur Verfügung stehen

Abbildung 5. Eine Babywaage und sämtliches Instrumentarium, das für die Untersuchung erforderlich ist, müssen in Reichweite des behandelnden Tierarztes im Sprechzimmer zur Verfügung stehen. 
Credit: Elizabeth O’Brien 

Sämtliche Impfungen, Entwurmungen und Retrovirustests können auf diese Weise durchgeführt werden, wobei der Katzenwelpe letztlich bestimmt, wo und wie die Untersuchung voranschreitet. Die Cat Healthy Preventive Healthcare Protocols, und insbesondere die Cat Healthy Simplified Protocols, sind hervorragende Referenzen für die Bedürfnisse von Katzenwelpen im ersten Lebensjahr im Rahmen der Gesundheitsfürsorge*.

* https://www.cathealthy.ca/

Ganz entscheidend ist das sanfte Handling von Katzenwelpen, wobei sämtliche Maßnahmen auf einer mit Pheromonspray vorbehandelten Decke durchgeführt werden sollten, idealerweise unter Ablenkung der Katze mit Snacks, Feuchtnahrung und gelegentlich auch Spielzeug. Bewegen Sie sich langsam und ruhig, denn „weniger ist mehr“. Da Katzenwelpen wie Kinder eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, sollten Sie immer nur eine Maßnahme durchführen und zwischen den einzelnen Schritten kurze Spielpausen gewähren. Dabei muss immer daran gedacht werden, wie wichtig es ist, dass sowohl der Katzenwelpe, als auch der Besitzer eine hervorragende Erfahrung machen. Verwenden Sie zum Beispiel zum Impfen eine frische, sterile 25G-Kanüle und injizieren Sie in eine der von der AAFP empfohlenen Stellen. Während der Durchführung der Impfung sollte ein Helfer den Katzenwelpen sanft stützen und mit einem Snack oder einer geringen Menge Feuchtfutter in einem kleinen Napf oder auf einem Spatel ablenken. Bei guter Ablenkung bemerken die meisten Katzenwelpen die eigentliche Injektion gar nicht, und der Besitzer wird begeistert sein. Bei Katzenwelpen können anlässlich jeder Visite auch die Krallen geschnitten werden, wobei man dem Besitzer die Technik demonstriert und ihn ermutigt, die Krallen zu Hause regelmäßig selbst zu schneiden. Und schließlich müssen Unterbrechungen und Störungen durch Praxismitarbeiter vermieden werden, denn wenn Personal den Untersuchungsraum ständig betritt und verlässt, wird sich der Katzenwelpe nicht entspannen können. 

Erziehung der Katzenwelpenbesitzer

Das Fundament des Erfolges ist eine gute Kommunikation und eine effektive Erziehung der Besitzer. Die Sprechstunde bietet zudem die Gelegenheit, wichtige Themen anzusprechen und mit dem Besitzer zu diskutieren. So ist zum Beispiel der Einsatz von Snacks und Futter in der Sprechstunde der perfekte Anlass, um über die wichtige Bedeutung der Ernährung zu sprechen. Besitzer sind beispielsweise oft überrascht, dass die Tagesration von Katzenwelpen und adulten Katzen durchaus zum größten Teil aus Feuchtnahrung bestehen kann. Die Autorin ist der Auffassung, dass diese beiläufigen aufklärenden Gespräche in der Sprechstunde, während der Katzenwelpe noch spielt, zu lebenslanger Compliance führen können, da die Besitzer in dieser Situation meist besonders begeistert und aufnahmewillig sind und sich voll und ganz einer guten Zukunft mit ihrem neuen Familienmitglied verschreiben möchten. Bei aller Beiläufigkeit muss diese Diskussion aber dennoch eine gewisse Struktur haben. Frisch gebackene Katzenwelpenbesitzer haben in der Regel eine ellenlange Liste mit Fragen, oft auch aufgrund von verwirrenden und sich zum Teil widersprechenden Informationen von Tierheimen, Züchtern, aus dem Internet, von Tierschutzvereinen oder von Freunden und Nachbarn. Das Praxisteam muss hier flexibel sein und zuerst die drängendsten Fragen der Besitzer beantworten, gleichzeitig aber auch Ordnung in das Durcheinander bringen, am besten mit Hilfe einer Liste von Themen, die zu bestimmten Punkten während der geplanten Welpenvisiten erörtert werden sollen.

Eine Masterliste mit den wichtigen Themen ist hilfreich, um keine Punkte zu vergessen, und bei jeder Visite können dann unterschiedliche Punkte dieser Liste abgedeckt werden. Hier kann es hilfreich sein, zu notieren, welche Themen der Besitzer bei der nächsten Visite besprochen haben möchte. So kann zum Beispiel die Aufklärung des hoch engagierten frisch gebackenen Besitzers über das Zahnen („die kleine Katze hat 26 Milchzähne, die bald durch die bleibenden Zähne ersetzt werden“) der Beginn einer Diskussion über die große Bedeutung der Zahnhygiene sein. Sehr wichtig ist darüber hinaus, dass Katzenbesitzer die artspezifischen Umweltbedürfnisse von Katzenwelpen und Katzen verstehen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Diskussionen über Arten und Standorte von Kratzbäumen, Wassernäpfen und Schlafstellen, die Spielzeiten und die Fütterungszeiten sowie über die Standorte, die Arten und die Anzahl der Katzentoiletten und nicht zuletzt Katzentoilettenhygiene. Das Spielen ist ein wichtiges Umweltbedürfnis jeder Katze. Es lohnt sich, Besitzer zu ermutigen, Katzen mit Hilfe von Snacks zu „trainieren“, und oft zeigen diese Besitzer dann bei der nächsten Visite voller Stolz, was ihre Katzen bereits können, zum Beispiel „High Five“ oder andere Kunststückchen. Erinnern Sie die Besitzer aber immer daran, dass Snacks maximal 10 % der Tagesration eines Katzenwelpen ausmachen sollten, und dass sie stets die Gesamtkalorienzufuhr im Auge haben sollten. Die Integration des natürlichen Jagdtriebes in die Fütterung, zum Beispiel durch die Anwendung von Puzzle-Feedern und Bringspielen, zeigt die nachhaltigsten Erfolge, wenn sie bereits im Welpenalter empfohlen wird.

Neben dem vor dem Termin verschickten Willkommensbrief kommt es bei Besitzern auch gut an, wenn jeder Katzenwelpe ein kleines individuelles Willkommenspaket mit nach Hause bekommt. Darin enthalten sind zusätzliche Informationen und Broschüren, zusammen mit einer Liste dessen, was bei der ersten Visite getan wurde und was dann bei den folgenden Visiten noch zu tun ist. Fügen Sie das Spielzeug hinzu, mit dem die Katze im Untersuchungsraum gespielt hat – Knisterbälle oder Ähnliches sind ideal – oder andere geeignete Gadgets. Dem Praxisteam kann es sehr viel Spaß machen, geeignete „Geschenktüten“ zusammenzustellen mit verschiedenen Dingen wie Sicherheitshalsbändern, wiederverwendbaren Plastikdeckeln für geöffnete Dosennahrung, Snacks, Puzzle-Feeder, kleine Decken oder Ähnliches – Dinge also, die oft von der Industrie speziell für solche Zwecke gesponsort werden.

Mit der fortschreitenden Entwicklung des Katzenwelpen sollten entsprechende Gesundheitspläne zur Vorbereitung des Übergangs zum adulten Leben erstellt werden. Dazu gehören ein Schema für die prophylaktische Anwendung von Breitspektrumantiparasitika und Informationen darüber, welche Impfungen eine adulte Katze im nächsten Jahr und in allen folgenden Jahren brauchen wird. Sehr geschätzt von den Besitzern wird in der Regel auch eine enge Überwachung von Körpergewicht und Body Condition Score der Katze bei jeder Visite, ergänzt um Empfehlungen darüber, was und wie viel jetzt gefüttert werden sollte und was und wie viel gefüttert werden sollte, wenn die Katze älter wird. Wichtig ist eine gezielte Ernährungsberatung aber auch bei der Entlassung einer Katze nach der Kastration, denn dies ist ein idealer Zeitpunkt, um die entsprechenden Ernährungsempfehlungen nochmals zu unterstreichen und die Besitzer darauf hinzuweisen, dass dieser operative Eingriff den Stoffwechselbedarf ihrer Katze um 25-30 % reduziert.

Schlussfolgerung

Im Welpenalter einer Katze bietet sich dem Praxisteam die Möglichkeit, den Besitzer zu erziehen und das Fundament für eine lebenslange präventive Gesundheitsfürsorge zu legen. Es handelt sich aber auch um eine sehr viel Freude bringende und dankbare Zeit für das Team – nutzen und genießen Sie also alle diese Erfahrungen. Katzenbesitzer unterscheiden sich oft von Hundebesitzern, und wie bei den Katzen selbst, muss man oft hart arbeiten, um ihr Vertrauen zu gewinnen und ihre Compliance zu sichern. Wenn Sie aber erst einmal das Vertrauen und den Respekt eines Katzenbesitzers gewonnen haben, dann hält dies meist ein Leben lang an, ganz so wie bei den Katzen selbst.

Literatur

  1. Taylor P, Funk, Craighill P. Gauging family intimacy: dogs edge cats (dads trail both). Washington DC: Pew Research Center; 2006

  2. Volk JO, Felsted KE, Thomas JG, et al. Bayer Veterinary Care Usage Study. J. Am. Vet. Med. Assoc. 2011;238(10):1275-1282.

  3. Fiset S, Dore FY. Duration of cats’ (Felis catus) working memory for disappearing objects. Anim. Cogn. 2006;9:62-70.

  4. Vitale Shreve KR, Udell MA. What’s inside your cat’s head? A review of cat (Felis sylvestris catus) cognition research past, present and future. Anim. Cogn. 2015;18(6):1195-1206.

Elizabeth O’Brien

Elizabeth O’Brien

Dr. Elizabeth O’Brien ist Managerin von zwei auf Katzen spezialisierten Praxen in Ontario, wo sie auch als praktische Tierärztin arbeitet und eine passionierte Anwältin für das Wohl der Katzen ist. Mehr lesen

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