Einleitung
Sie schließen die Ultraschalluntersuchung ab, lächeln Ihren Kunden an und sagen: „Herzlichen Glückwunsch! Sie ist trächtig.“ Diese Szene kann sich so oder so ähnlich in jeder tierärztlichen Praxis abspielen, aber während Sie nun die Ultraschallsonde an ihren Platz zurückhängen, sollten Sie daran denken, dass die Konsultation damit bei weitem noch nicht beendet sein sollte. In der Tat muss jetzt eine neue – und sehr wichtige – Unterhaltung mit dem Kunden eingeleitet werden. Ein Teil dieses Gesprächs wird sich mit der caninen Neonatologie beschäftigen müssen, und hier insbesondere mit der richtigen Versorgung neugeborener Hundewelpen, wobei ein sehr hilfreiches Mantra in diesem Zusammenhang lautet: „Vorsorge ist besser als Nachsorge“. Ein wichtiger Aspekt bei dieser Diskussion rund um die Versorgung neugeborener Hunde ist das Thema Ersatzmilch – und in der Tat sollten Ersatzmilchprodukte integraler Bestandteil eines jeden Geburtssets für Hunde sein. An dieser Stelle kommen nun aber zahlreiche Fragen auf. Welche Ersatzmilch soll ich nehmen? Welche wichtigen Faktoren muss ich überprüfen? Auf welche Weise soll ich Ersatzmilch anwenden und wann? Dieser Artikel möchte alle diese Fragen beantworten, so dass Tierärzte in der Lage sind, ihre Kunden in der Praxis optimal zu beraten.
Was ist der beste Milchersatz für Hundewelpen?
Ausgewogener Nährstoff- und Energiegehalt
Viele Hundehalter gehen davon aus, dass prinzipiell jede Milch für neugeborene Welpen geeignet ist. Die normale Trinkmilch in ihrem Kühlschrank, Ersatzmilch für Babys aus der Drogerie oder eine zu Hause selbst zubereitete Milch nach einem Rezept aus dem Internet – alle diese Optionen werden oft in Betracht gezogen, wenn Hundehalter nicht richtig beraten werden. Besitzer müssen also rechtzeitig darüber informiert werden, dass die Milch ihrer Hündinnen sehr spezifisch ist. So weist Hundemilch im Vergleich zur Milch vieler anderer Spezies eine höhere Energiedichte auf, enthält mehr Mineralstoffe (z. B. Calcium und Phosphor) und hat einen höheren Proteingehalt (Tabelle 1). So ist es offensichtlich, dass Kuh- und Ziegenmilch (ein Favorit im Internet) eine deutlich andere Zusammensetzung haben als die Milch der Hündin und nicht die erforderliche nutritive Ausgewogenheit aufweisen, um neugeborenen Hundewelpen ein nachhaltig gesundes Wachstum zu garantieren.
Tabelle 1. Durchschnittliche Zusammensetzung von Hunde-, Kuh- und Ziegenmilch.
Humane Ersatzmilch für Babys ist ebenfalls nicht zu empfehlen. Diese Produkte enthalten Stärke, die als Verdickungsmittel dient und das Sättigungsgefühl der Babys fördern soll, aber auch Kohlenhydrate liefert. Da neugeborenen Hundewelpen jedoch die für eine adäquate Stärkeverdauung erforderlichen Enzyme (Amylase und Maltase) fehlen 1, sollten solche humanen Produkte vermieden werden. In der Theorie ist es natürlich möglich, mit Hilfe von Rezepten aus dem Internet eine der Hundemilch ähnelnde Ersatzmilch zu Hause selbst herzustellen. Dies ist aber sowohl sehr zeitaufwendig als auch schwierig, da sichergestellt werden muss, dass verschiedene spezifische Parameter – wie die nutritive Ausgewogenheit, die Sterilität, die richtige Osmolalität – korrekt sind und dass die Vorteile die potenziellen Risiken deutlich überwiegen. Besitzer, die darauf bestehen, diesen Weg zu gehen, sollten nach Möglichkeit von einem veterinärmedizinischen Ernährungsexperten (z. B. Fachtierarzt für Tierernährung und Diätetik) beraten werden, um sicherzustellen, dass die gewählten Rezepturen für Hundewelpen auch tatsächlich geeignet sind.
Die Osmolalität ist entscheidend
Osmolalität bezeichnet den durch gelöste Partikel in der Milch hervorgerufenen osmotischen Druck. Große Mengen hochosmolarer Partikel im Verdauungstrakt Neugeborener können eine osmotische Diarrhoe verursachen. Da der Körper eines Hundewelpen zu 84 % aus Wasser besteht
4, muss eine osmotische Diarrhoe vermieden werden, insbesondere während der neonatalen Lebensphase. Einen Einfluss auf die Osmolalität der Milch hat insbesondere die Laktose, und in Anbetracht der im Vergleich zu Hundemilch relativ hohen Laktosekonzentrationen in Kuh- und Ziegenmilch sollten Letztere bei neugeborenen Hundewelpen nicht eingesetzt werden.
Die beste Option
Heute sind kommerzielle Ersatzmilchprodukte speziell für Hunde weithin erhältlich und sollten immer die bevorzugte Wahl sein. Wichtig ist natürlich, dass ihre Zusammensetzung so nah wie möglich an der typischen Zusammensetzung der natürlichen Milch der Hündin liegt. Einige Berichte weisen jedoch darauf hin, dass dies bei bestimmten auf dem Markt erhältlichen Produkten nicht immer der Fall ist
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Boutigny L, Grellet A, Feugier C, et al. Effect of energy supplementation between birth and 3 weeks on growth rate in puppies. In Proceedings, 19th Congress European Society of Veterinary and Comparative Nutrition (ESVCN) 2016, Berlin, Germany.
Boutigny L, Grellet A, Feugier C, et al. Effect of energy supplementation between birth and 3 weeks on growth rate in puppies. In Proceedings, 19th Congress European Society of Veterinary and Comparative Nutrition (ESVCN) 2016, Berlin, Germany.
Boutigny L, Grellet A, Feugier C, et al. Effect of energy supplementation between birth and 3 weeks on growth rate in puppies. In Proceedings, 19th Congress European Society of Veterinary and Comparative Nutrition (ESVCN) 2016, Berlin, Germany.
Boutigny L, Grellet A, Feugier C, et al. Effect of energy supplementation between birth and 3 weeks on growth rate in puppies. In Proceedings, 19th Congress European Society of Veterinary and Comparative Nutrition (ESVCN) 2016, Berlin, Germany.
Boutigny L, Grellet A, Feugier C, et al. Effect of energy supplementation between birth and 3 weeks on growth rate in puppies. In Proceedings, 19th Congress European Society of Veterinary and Comparative Nutrition (ESVCN) 2016, Berlin, Germany.
5. Sobald diesbezüglich der geringste Zweifel besteht, sollten Tierärzte die Zusammensetzung dieser Produkte gründlich überprüfen. Einige Ersatzmilchprodukte können darüber hinaus auch mehrere „optionale“ Bestandteile enthalten (siehe Tabelle 2). Die meisten auf dem Markt angebotenen Ersatzmilchprodukte für Hunde sind jedoch zufriedenstellender Qualität und bieten dem Besitzer sowohl eine hohe Anwenderfreundlichkeit als auch die beruhigende Gewissheit einer bedarfsgerechten Ernährung für die Hundewelpen. Für neugeborene Hundewelpen sollte deshalb stets die Anwendung solcher kommerziellen Produkte empfohlen werden. Auf vielen Märkten werden heute zwei Optionen von Ersatzmilch angeboten – flüssige Ersatzmilch und pulverförmige Produkte- und beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile.
Tabelle 2. Weitere mögliche Inhaltsstoffe von Ersatzmilchprodukten.
Flüssige Ersatzmilch ist ohne Zweifel einfacher in der praktischen Anwendung. Die Produkte sind gebrauchsfertig gemischt und stehen ohne weitere Zubereitung für die unmittelbare Anwendung bereit, sie müssen lediglich vor der Gabe erwärmt werden. Gebrauchsfertige Produkte vermeiden zudem den häufigsten Fehler bei der Anwendung von Produkten auf Pulverbasis, nämlich die Neigung der Besitzer, entweder zu viel Wasser zuzusetzen (das Endprodukt ist dann zu stark verdünnt) oder zu wenig Wasser (das Endprodukt ist dann zu hoch konzentriert)
6. Nach dem Öffnen der Originalverpackung sollten flüssige Ersatzmilchprodukte jedoch nicht über längere Zeit im Kühlschrank gelagert werden und gängigen Empfehlungen zufolge nach spätestens 72 Stunden entsorgt werden.
Ersatzmilch in Pulverform kann dagegen über sehr viel längere Zeit gelagert werden – meist während eines Monats nach dem Öffnen der Originalverpackung. Wie oben erwähnt können beim Mischen dieser Produkte jedoch Fehler auftreten, die die Osmolalität der Milch beeinflussen und bei Neugeborenen zu Diarrhoe oder Obstipation führen können. Auf der anderen Seite bieten Ersatzmilchprodukte in Pulverform aber die Möglichkeit einer gezielten Variation der Osmolalität der Lösung für die spezifische Behandlung einiger ernährungsinduzierter Erkrankungen, wie unten diskutiert.
Wann brauchen neugeborene Hundewelpen Ersatzmilch?
Probleme im Zusammenhang mit der Mutterhündin
Verfügbarkeit & Verhalten
Es gibt Zeiten und Situationen, in denen ein Besitzer auf Ersatzmilch zurückgreifen muss, um eine bedarfsgerechte Fütterung der neugeborenen Welpen sicherzustellen. In einigen Fällen haben neugeborene Hundewelpen keine Mutter – zum Beispiel nach einem Unfall oder infolge eines Narkosezwischenfalls während eines Kaiserschnitts. Solche Szenarien sind zwar insgesamt eher selten, sie sind aber in der Regel nicht vorhersehbar, und wenn sie tatsächlich eintreten, verhindern sie ganz offensichtlich die natürliche maternale Versorgung der Welpen mit Muttermilch. Eine weitere Situation, in der Ersatzmilch zum Einsatz kommen muss, ist die Abgabe verwaister neugeborener Hundewelpen im Tierheim. Solche Einrichtungen werden zwar meist eher mit mutterlosen Katzenwelpen konfrontiert, da gelegentlich aber durchaus auch verwaiste Hundewelpen abgegeben werden, müssen Mitarbeiter von Tierheimen und Pflegeeltern verwaister Welpen jederzeit Zugang zu geeigneter Ersatzmilch haben. Neben der Problematik verwaister Welpen dürfen aber auch die Risiken eines mangelhaften mütterlichen Verhaltens nicht übersehen werden. So vernachlässigen einige Mutterhündinnen ihre neugeborenen Welpen, während andere ein aggressives Verhalten gegenüber ihrem Nachwuchs an den Tag legen können. Erstgebärende Hündinnen neigen eher zu solchen Verhaltensproblemen 12), und bestimmte Rassen sind häufiger betroffen (z. B. Englischer Bullterrier) 13. Besitzer sollten vom Tierarzt bereits im Vorfeld der Geburt auf diese potenziellen Probleme hingewiesen werden, damit sie besser in der Lage sind, entsprechende Situationen zu antizipieren.
Probleme im Zusammenhang mit der Laktation
Während im Falle einer Agalaktie bei der Mutterhündin die Gabe von Ersatzmilch obligatorisch ist, stellt sich die Situation weit weniger eindeutig dar, wenn es um eine akute Mastitis geht, die bei Hündinnen am häufigsten auftretende Laktationsstörung. Akute Mastitis tritt typischerweise entweder unmittelbar nach dem Partus auf oder etwa zum Zeitpunkt drei Wochen post partum, wenn die Laktation ihren Höhepunkt erreicht 14. Klinische Symptome sind eine Entzündung einer oder mehrerer Milchdrüsen, oft einhergehend mit einer Veränderung der Milchfarbe, in der Regel in Richtung eines gelblich-braunen Sekretes. Generalisierte Symptome wie Lethargie, Fieber oder Beschwerden beim Säugen der Welpen können ebenfalls auftreten, sind aber nicht in jedem Fall vorhanden. Besitzern muss daher geraten werden, den Zustand des Gesäuges ihrer Hündin täglich zu kontrollieren. Eine Mastitis kann erhebliche Auswirkungen auf neugeborene Welpen haben und zu verzögerter Entwicklung, neonataler Diarrhoe und/oder Colitis führen. Die Behandlung einer akuten Mastitis besteht aus der Gabe von Antibiotika, wobei als First-Line-Therapie oft Cephalosporine eingesetzt werden 15. Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch hinsichtlich der Behandlung der Welpen betroffener Hündinnen. Einige Autoren empfehlen, dass die Welpen während der Behandlung der Mutterhündin weiterhin auf natürlichem Wege gesäugt werden können (solange dies keine Beschwerden bei der Hündin auslöst), da so eine Galaktostase verhindert wird, die wiederum negative Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Behandlung hätte. Antibiotika werden auch über die Milch ausgeschieden, so dass die Welpen auf diesem Weg einen gewissen Schutz vor den Auswirkungen der Mastitis erhalten, auch wenn unter diesen Umständen immer auch die Gefahr einer Dysbiose und neonatalen Diarrhoe bei den Welpen besteht – der Tierarzt sollte deshalb in jeder individuellen Situation die potenziellen Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Andere Autoren empfehlen dagegen, mit Beginn der Behandlung der Mastitis den gesamten Wurf unmittelbar auf Ersatzmilch umzustellen, da neugeborene Hundewelpen sehr anfällig gegenüber Ernährungsdefiziten sind und sehr schnell abbauen können, und die Aufnahme kontaminierter Milch dieses Risiko zusätzlich erhöhen kann. Zur Verhinderung einer Galaktostase bei der Mutterhündin kann die Laktation in diesen Fällen mit dopaminergen Arzneimitteln wie Cabergolin gestoppt werden 16.
Beide Optionen haben ihre spezifischen Pros und Contras, und nach Meinung des Autors muss bei der Entscheidung immer die Gesundheit der Neugeborenen an erster Stelle stehen. Mit anderen Worten heißt dies, wenn die Welpen Anzeichen einer sich verschlechternden Gesundheit zeigen, sollten sie nicht mehr von der Mutterhündin gesäugt und unmittelbar auf eine Ersatzmilch umgestellt werden.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch das in mehreren Lehrbüchern der caninen Neonatologie beschriebene „toxische Milchsyndrom“. In diesen Fällen entwickeln einige Welpen des Wurfes eine neonatale Diarrhoe oder Colitis, obwohl die Mutterhündin keine klinischen Symptome einer Mastitis zeigt. Betroffene Welpen zeigen eine verzögerte Entwicklung und leiden nach dem Säugen unter abdominalen Schmerzen. Gelegentlich zeigt nur ein einziger Welpe eines Wurfes entsprechende klinische Symptome, während die Wurfgeschwister gesund bleiben. Jüngste Studien weisen darauf hin, dass hier ein Zusammenhang mit subklinischer Mastitis bestehen könnte 17. Die Diagnose kann über eine mikroskopische Untersuchung der Milch (die in tierärztlichen Praxen allerdings nicht routinemäßig erfolgt) gestellt werden, wobei auf erhöhte Anzahlen neutrophiler Granulozyten pro Hauptgesichtsfeld geachtet wird. Subklinische Mastitis sollte immer auf der Liste der Differenzialdiagnosen stehen, wenn sich ein neugeborener Hundewelpe nicht wohl fühlt, selbst wenn nur ein einziger Welpe im Wurf entsprechende klinische Symptome zeigt. Betroffene Welpen sollten unmittelbar auf Ersatzmilch umgestellt werden, und wenn weitere Welpen dieselben Symptome entwickeln, ist es ratsam, den gesamten Wurf auf das Ersatzmilchprodukt umzustellen.