Diagnostische Tests – chronisches Erbrechen
Bei ansonsten systemisch gesunden Katzen mit chronischem Erbrechen, mit oder ohne Diarrhoe, sollte vor einem umfassenderen diagnostischen Work-up zunächst eine Eliminationsdiät und eine minimale Diagnostik (z. B. eine parasitologische Kotuntersuchung) in Betracht gezogen werden. Umgekehrt muss bei Katzen, die zusätzlich zu ihrem chronischen Erbrechen einen signifikanten Gewichtsverlust oder weitere klinische Symptome einer systemischen Erkrankung aufweisen, unmittelbar eine gründlichere Untersuchung in die Wege geleitet werden (siehe unten).
Wie bei akutem Erbrechen umfassen die Differentialdiagnosen für chronisches Erbrechen eine ganze Reihe verschiedener gastrointestinaler und extragastrointestinaler Erkrankungen (Tabelle 2). Umfassende Laboruntersuchungen (großes Blutbild, Serumbiochemie, Gesamtthyroxin, Harnanalyse, parasitologische Kotuntersuchung und andere Tests auf fäkale Pathogene [z. B. mittels PCR]) sind dabei die ersten und relativ wenig invasiven diagnostischen Schritte, da sie einen wichtigen Beitrag zum differenzialdiagnostischen Ausschluss häufiger extragastrointestinaler Erkrankungen leisten können. In den meisten Fällen ist es ratsam, zusätzliche Serumproben zu nehmen, die später für ergänzende Laboruntersuchungen verwendet werden können, falls diese auf Basis der initialen Befunde erforderlich werden sollten. Zu diesen möglichen ergänzenden Untersuchungen gehören beispielsweise Pankreas- und/oder Darmfunktionstests (fPLI, fTLI, Serum-Cobalamin), spezifische Tests auf Infektionskrankheiten (z. B. Toxoplasma-Titer, feliner Coronavirus (FCoV)-Titer) und Leberfunktionstests (Baseline-Gallensäuren). Die Diagnose einer chronischen Pankreatitis kann bei Katzen besonders herausfordernd sein, da die klinischen Symptome in der Regel unspezifischer Natur sind und der fPLI-Wert physiologisch oder grenzwertig erhöht sein kann. Je nach weiteren vorliegenden klinischen Befunden können dann weiterführende Laboruntersuchungen in Erwägung gezogen werden, wie zum Beispiel die Überprüfung der Gerinnungszeiten (Citratblut) bei hepatobiliären Erkrankungen oder die Bestimmung des ionisierten Kalziums bei Verdacht auf eine Neoplasie.
Tabelle 2. Differentialdiagnosen bei chronischem Erbrechen bei Katzen. Tabelle 2. Differentialdiagnosen bei chronischem Erbrechen bei Katzen.
EHBDO = extrahepatische Gallengangsobstruktion, FCoV = felines Coronavirus, FIP = feline infektiöse Peritonitis, GI = gastrointestinal, FGESF = feline gastrointestinale eosinophile sklerosierende Fibroplasie, LGAL = Low Grade Alimentäres Lymphom, MCT = Mastzelltumor.
Die Ultraschalluntersuchung ist insbesondere in den Händen erfahrener Untersucher oder Untersucherinnen das bildgebende Verfahren der Wahl, da sie nützliche Details über die Größe und die Struktur sämtlicher intraabdominaler Organe liefern kann. Initial können auch Röntgenübersichtsaufnahmen des Abdomens in Betracht gezogen werden, sie besitzen aber keine Sensitivität für die Diagnose einer Pankreatitis und einer Cholezystitis/Cholangitis oder für die Beurteilung von Veränderungen der Gastrointestinalwand, die auf eine Entzündung/IBD (oder eine Triaditis, die alle drei Erkrankungen kombiniert) oder diffuse GI-Neoplasien hindeuten können. Zudem können in Röntgenaufnahmen abdominale Zubildungen erst ab einer bestimmten Größe erkannt werden, und auch ihr Ursprung ist auf diesem Weg nur selten zu ermitteln. Ausschließlich Ultraschall ermöglicht eine detailliertere Beurteilung von Veränderungen innerhalb der Gastrointestinalwand (d. h. Dicke und Struktur, wobei der Verlust der Schichtung den Verdacht in Richtung Neoplasie lenkt) sowie eine detaillierte Beurteilung der abdominalen Lymphknoten (hinsichtlich Größe und Echogenität). Eine erhöhte Echogenität bestimmter Darmschichten (z. B. der Mukosa) kann ein Hinweis auf entzündliche oder neoplastische Veränderungen oder (selten) für eine Lymphangiektasie sein. Eine Verdickung der Muskularis wird häufig bei Patienten mit IBD beobachtet, kann aber auch bei gesunden Katzen festgestellt werden. Erfahrene Untersucher und Untersucherinnen können auch die Bauchspeicheldrüse mittels Ultraschall zuverlässig beurteilen, hinsichtlich der Diagnose einer chronischen Pankreatitis weist die Sonographie allerdings eine geringe Sensitivität auf, und die Bauchspeicheldrüse betroffener Tiere kann im Sonogramm völlig normal erscheinen 4. Mittels Ultraschall können schließlich auch der Ursprung und die innere Architektur jeglicher Zubildungen charakterisiert werden, dabei muss aber berücksichtigt werden, dass bei einigen Katzen mit diffusen primären GI-Erkrankungen wie einer Futtermittel-responsiven Enteropathie, einer IBD oder sogar einem Low Grade alimentären Lymphom (LGAL) diese bildgebenden Befunde völlig normal sein können, so dass allein auf der Basis eines „normalen“ Ultraschallbefundes eine primäre GI-Erkrankung also nicht ausgeschlossen werden kann.
Werden abnorme oder verdächtige Strukturen im Abdomen gefunden, sollte in jedem Fall eine minimalinvasive Entnahme von Proben (z. B. mittels FNA) in Betracht gezogen werden. Da die Probengewinnung in diesen Fällen oft in Verbindung mit der Ultraschalluntersuchung erfolgt, sollte dieses mögliche Szenario im Idealfall bereits im Vorfeld mit den Besitzern besprochen werden. Die Hauptindikation für eine FNA ist die Unterscheidung zwischen entzündlichen und neoplastischen Erkrankungen. Zwar führt die FNA nicht in jedem Fall auch zur Diagnose, sie ist aber einfach durchzuführen, erfordert kein spezielles Equipment, kann unter Sedierung durchgeführt werden und ist mit einer extrem niedrigen Morbidität verbunden. Wie bei den oben erwähnten akuten hepatobiliären Erkrankungen sollte eine Cholezystozentese auch bei Verdacht auf chronische hepatobiliäre Erkrankungen in Betracht gezogen werden, bei denen sonographische Veränderungen möglicherweise noch subtilerer Natur sein können. Sind die zytologischen Befunde nicht diagnostisch, können die Untersuchungen wiederholt werden (mit Ausnahme der Gallenproben), oder man entnimmt Biopsieproben des betreffenden Organs auf laparoskopischem oder chirurgischem Weg, z. B. über eine Tru-Cut-Biopsie der Leber oder eine Pinch-Biopsie der gastrointestinalen Schleimhaut.
Insbesondere bei solitären abdominalen Zubildungen (mit oder ohne vergrößerte Lymphknoten) können Ultraschall und Biopsien zur Unterscheidung zwischen einer Neoplasie und anderen möglichen Differenzialdiagnosen beitragen. Dazu gehören unter anderem Granulome im Zusammenhang mit Mykosen oder feliner infektiöser Peritonitis (FIP) aber auch mykobakterielle Erkrankungen oder (wenn im Darm lokalisiert) eine feline gastrointestinale eosinophile sklerosierende Fibroplasie (FGESF) 8. FNAs sind darüber hinaus auch für die Charakterisierung von Neoplasien innerhalb oder außerhalb des GI-Trakts hilfreich, wobei zu berücksichtigen ist, dass einige Tumore (Lymphome, Adenokarzinome, Mastzelltumore) besser exfolieren als andere (gastrointestinale Stromatumore [GIST], Leiomyome oder Leiosarkome). Bei einigen der häufiger vorkommenden Tumorarten kann die FNA auch als Instrument für ein vollständiges Staging dienen (Beurteilung von Metastasen in Leber, Milz, Lymphknoten oder anderen Organen).
Eine Computertomographie (CT) ist schließlich nur sehr selten erforderlich zur Unterstützung der Diagnose einer primären abdominalen Erkrankung, die zu (chronischem) Erbrechen führt. Die CT kann jedoch hilfreich sein bei Mesenterialtorsionen (extrem selten bei Katzen), bei Gefäßanomalien (portosystemische Shunts) oder für die Beurteilung großer abdominaler Zubildungen vor deren chirurgischer Resektion (Evaluierung einer möglichen Invasion umliegender Strukturen einschließlich Gefäße, Thrombenbildung usw.).
GI-Biopsie
Die beiden wichtigsten Differentialdiagnosen bei Katzen mit chronischem Erbrechen, mit oder ohne Diarrhoe, mit oder ohne Gewichtsverlust, aber ohne weitere spezifische Befunde sind die Inflammatory Bowel Disease (IBD) und das Low Grade Alimentäre Lymphom (LGAL) 1,9, zwei Erkrankungen, die sich leider weitgehend identisch darstellen können. Biopsien sind daher oft die einzige Möglichkeit, um diese Erkrankungen mit einem gewissen Grad an Sicherheit zu unterscheiden. Bioptate können entweder während der Endoskopie als Schleimhaut-Pinch-Biopsien oder als chirurgische Vollwandbiopsien gewonnen werden. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile (Tabelle 3), die diagnostische Präzision kann aber auch von der Entnahmetechnik abhängen. So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass Vollwandbiopsien aus dem Duodenum bei der Differenzierung zwischen IBD und LGAL genauere Resultate liefern als endoskopische Biopsien10.
Tabelle 3. Vor- und Nachteile endoskopischer und chirurgischer gastrointestinaler Biopsien.
Bei endoskopischen Pinch-Biopsien der Schleimhaut empfehlen die aktuellen Leitlinien eine Entnahme von mindestens sechs Proben aus jedem Abschnitt des GI-Trakts der Katze 11. Die meisten Tierärzte und Tierärztinnen entnehmen jedoch a priori mindestens 8-15 Biopsieproben aus jedem Segment, da man generell davon ausgeht, dass immer einige Proben suboptimaler Qualität dabei sind. Wichtige Aspekte sind darüber hinaus die Einsendung und Verarbeitung der Proben 12, die unter anderem von den Methoden und Verfahrensweisen des jeweiligen Labors bzw. Pathologen abhängig sein können. Eine jüngste Studie zeigt, dass eingebettete und orientierte GI-Proben den frei in Formalin schwimmenden Bioptaten überlegen sind 12.
Die Entscheidung über die Biopsiemethode sollte daher in jedem Einzelfall in Abhängigkeit von der Höhe des Verdachtsindex für eine bestimmte Erkrankung oder eine Kombination mehrerer Erkrankungen getroffen werden. Besteht zum Beispiel der Verdacht auf eine hepatobiliäre und/oder eine pankreatische Erkrankung, kombiniert mit einer chronischen Enteropathie, könnte es sowohl aus medizinischen als auch aus praktischen Erwägungen vorteilhafter sein, Bioptate aus allen drei Organen (Leber, Pankreas, Darm) auf chirurgischem Weg zu entnehmen, als sich ausschließlich auf endoskopische Darmbiopsien zu beschränken. Bei der Entscheidung müssen letztendlich aber auch die Kosten, die Invasivität des Eingriffes, potenzielle Risiken und nicht zuletzt die Präferenzen des Besitzers eine Rolle spielen.
Die Histopathologie ist zwar nach wie vor der Goldstandard für die Differenzierung zwischen IBD und LGAL, sie hat aber durchaus auch ihre Grenzen, insbesondere im Hinblick auf Sensitivität und Spezifität 1,9. Wahrscheinlich ist dies auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich beim LGAL der Katze – im Gegensatz zu den meisten Hunden mit Lymphomen – um eine Fortentwicklung einer seit langer Zeit bestehenden IBD handelt, so dass es einen stufenweisen, fließenden Übergang von Entzündung in Richtung Neoplasie gibt, der die Diagnose in einigen Fällen durchaus erschwert. Darüber hinaus scheint es trotz des Vorliegens entsprechender histopathologischer Vorlagen 11 schwierig zu sein, IBD und LGAL von gesundem Gewebe zu unterscheiden. In einer jüngsten Blindstudie wurden 12 von 20 Duodenum-Biopsien von vermeintlich gesunden Katzen als LGAL klassifiziert, aber nur drei dieser Katzen entwickelten nach einer medianen Follow-up-Periode von 709 Tagen tatsächlich GI-Symptome 13. In Fällen, in denen die klinischen Beobachtungen und die histopathologische Diagnose nicht übereinstimmen zu scheinen, empfehlen die Autoren deshalb nachdrücklich das Gespräch mit den involvierten Pathologen oder Pathologinnen, um zu erörtern, welche zusätzlichen Maßnahmen zur weiteren Präzisierung der Diagnose ergriffen werden könnten. Unter anderem wären dies immunhistochemische Untersuchungen oder Klonalitätstests, aber auch diese Methoden haben ihre Grenzen 9,14. So wurde beispielsweise in einer Studie festgestellt, dass 40 % der Katzen mit IBD in ihren GI-Bioptaten eine Monoklonalität aufwiesen 14.
Die Diagnose von IBD oder LGAL bleibt also eine Herausforderung, da sich klinische Symptome, Laborergebnisse, bildgebende Befunde, Histologie, Immunhistochemie und Klonalitätsmerkmale dieser beiden Erkrankungen überschneiden können 1,9,14. Ferner gibt es weitere Formen alimentärer Lymphome, darunter Intermediate-/High-Grade-Lymphome, Lymphome mit großen granulären Lymphozyten (Feline Large Granular Lymphocyte Lymphoma) oder epitheliotrope Lymphome, die sich häufiger als fokale intestinale Massenläsion(en) mit einem B- oder T-Zellen-Immunphänotyp präsentieren 15,16. Diese Formen können in der Regel mit weniger invasiven Tests, wie z. B. durch Beurteilung der Zytologie oder eine Durchflusszytometrie anhand von FNAs diagnostiziert werden 15,16.