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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 32.1 Sonstiges Wissenschaft

Anwendung von Antibiotika bei Hunde- und Katzenwelpen

veröffentlicht 04/05/2022

Geschrieben von J. Scott Weese

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Wie nähern wir uns der problematischen Wahl von Antibiotika bei jungen Hunde- und Katzenwelpen? J. Scott Weese gibt uns einige praktische Hinweise für diese allzu häufige Situation in der Kleintierpraxis.

Das Säugen kann die Antibiotikaaufnahme durch das Neugeborene beeinflussen

Kernaussagen

Die richtige und wirksame Anwendung von Antibiotika bei Neugeborenen ist kompliziert, da Daten fehlen; die Dosierung muss also auf Annahmen basieren.


Zahlreiche Faktoren beeinflussen die Mikrobiota eines Neugeborenen, die tiefgreifendsten potenziellen Auswirkungen haben jedoch wahrscheinlich die während dieser Lebensphase verabreichten Antibiotika.


Sämtliche Aspekte der Pharmakokinetik von Antibiotika – Absorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung – können sich bei Neugeborenen von denen adulter Tiere unterscheiden.


Die Optimierung der Gesundheit der Mutter und der Neugeborenen reduziert den Antibiotikabedarf bei Neugeborenen und damit die Unsicherheiten bei der Dosierung und mögliche Langzeiteffekte.


Einleitung

Heute wissen wir sehr gut, dass Welpen nicht einfach nur kleinere Versionen von Hunden und Katzen sind. Das Welpenalter ist eine hochdynamische Lebensphase, in der substanzielle Veränderungen verschiedener Faktoren stattfinden, die einen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Arzneimitteln und das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen haben. Die variable und sich schnell verändernde Physiologie in diesen frühen Lebensabschnitten kann sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit antibiotischer Behandlungen beeinträchtigen. Spezies- oder arzneimittelspezifische Informationen liegen für diese kritische neonatale Periode aber nur in sehr begrenztem Ausmaß vor, und klinische Studien über geeignete antibiotische Behandlungsschemata und selbst Daten darüber, ob Antibiotika tatsächlich Vorteile haben, gibt es für junge Hunde- und Katzenwelpen so gut wie nicht. Alle diese Faktoren verkomplizieren natürlich die Entwicklung evidenzbasierter Behandlungspläne, die potenzielle therapeutische Vorteile maximieren und gleichzeitig etwaige Risiken minimieren sollen. Hinzu kommt, dass das Ausmaß potenzieller Risiken kaum bekannt ist, und selbst wenn entsprechende Risiken bekannt sind, ist unser Verständnis darüber oft nur sehr begrenzt, da es kaum Informationen gibt über die tatsächlichen Inzidenzen und etwaige Langzeitauswirkungen in klinisch relevanten Situationen.

Auch aus mikrobiologischer Sicht ist die neonatale Periode, während der das Individuum seine kritische und komplexe kommensalische Mikrobiota ausbildet, hochgradig variabel und veränderlich. Die Betrachtung von „unerwünschten Ereignissen“ konzentriert sich typischerweise auf Arzneimittel-Patient-Wechselwirkungen, wobei Arzneimittel-Mikrobiota-Interaktionen kaum berücksichtigt werden. Heute stehen die Auswirkungen von Antibiotika auf die kommensalische Mikrobiota jedoch zunehmend im Fokus des Interesses, aber gleichzeitig handelt es sich hierbei um einen Bereich, in dem objektive Daten nur sehr spärlich vorhanden sind. Die richtige „Kosten/Nutzen-Analyse“ und die Anwendung evidenzbasierter Behandlungsschemata erweist sich daher als eine große Herausforderung bei der Behandlung neonataler Infektionskrankheiten.

Pharmakokinetik von Antibiotika bei Neugeborenen

Die Pharmakokinetik umfasst alles, was der Körper mit einem Arzneimittel nach dessen Verabreichung tut, sie ist also gewissermaßen eine Funktion von Absorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung. Bei Neugeborenen können sich alle diese Faktoren von denen adulter Tiere unterscheiden, und auch im Verlauf der neonatalen Periode Veränderungen unterliegen. Diese Einflüsse auf die pharmakokinetischen Eigenschaften (z. B. Halbwertszeit, Bioverfügbarkeit, Verteilungsvolumen) können das Wirksamkeitspotenzial eines Arzneistoffes beeinträchtigen und das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen beeinflussen.

Nach ihrer Verabreichung müssen Antibiotika absorbiert werden, um in die Zirkulation hinein zu gelangen. Bei Neugeborenen kann diese Absorption unvorhersagbar oder auf andere Weise ablaufen als bei adulten Tieren. Insbesondere die Absorption oral verabreichter Arzneimittel kann durch das Alter des Patienten beeinflusst werden (Abbildung 1). So kann die Absorption während der ersten 24 Lebensstunden eines Welpen sehr hoch sein und zu einer unerwarteten und potenziell unerwünschten Bioverfügbarkeit des Wirkstoffes führen. Insbesondere potenziell toxische Arzneimittel, die nach Möglichkeit nicht in hohem Maße absorbiert werden sollen (z. B. Neomycin), sollten aus diesem Grund bei sehr jungen Tieren vermieden werden. Auch das Säugen kann zu einer Beeinträchtigung der Absorption bestimmter Arzneistoffe führen, entweder weil sich der Arzneistoff an bestimmte Komponenten der Muttermilch bindet oder weil es bei auf natürlichem Weg gesäugten Tieren nicht möglich ist, ein Arzneimittel auf leeren Magen zu verabreichen (Abbildung 2). Ein weiterer möglicher Faktor ist eine langsamere Magenentleerung, da sie die Absorption möglicherweise verzögert, aufgrund des längeren Schleimhautkontaktes letztlich aber auch die Bioverfügbarkeit erhöhen kann 1. Ein bei gesäugten Individuen häufig bestehender höherer Magen-pH-Wert kann die Absorption schwach saurer Arzneistoffe (z. B. Fluoroquinolone) herabsetzen. Eine Studie berichtet, dass die orale Verabreichung von Enrofloxacin bei gesäugten Katzenwelpen im Alter von 6-8 Wochen nicht zu therapeutischen Wirkspiegeln führt, ein Ergebnis, dass potenzielle Probleme in diesem Zusammenhang unterstreicht 2. Während also insgesamt nur wenige evidenzbasierte Informationen über die bei Hunde- und Katzenwelpen häufig eingesetzten Arzneimittel vorliegen, gibt es eine ganze Reihe von konkurrierenden Faktoren, die die Bioverfügbarkeit bei Tieren in diesem Alter entweder steigern oder herabsetzen können.

as Alter eines Tieres kann einen Einfluss auf die Absorption von Antibiotika haben

Abbildung 1. Das Alter eines Tieres kann einen Einfluss auf die Absorption von Antibiotika haben. Insbesondere peroral verabreichte Antibiotika können hiervon betroffen sein.
Credit: Shutterstock

Andere Applikationswege können bei Neugeborenen ebenfalls eingesetzt werden. So kann eine Verabreichung von Antibiotika via Magensonde bei Welpen erforderlich sein, die auf oralem Weg nicht wirksam behandelt werden können, die aber als ausreichend stabil beurteilt werden und deren gastrointestinale Motilität als gut eingeschätzt wird. Die subkutane Verabreichung führt wahrscheinlich zu ähnlichen Arzneimittelspiegeln wie die intravenöse und die orale Applikation, sie kann aber durch eine inadäquate Hydratation und Durchblutung beeinträchtigt werden, Befunde also, die insbesondere bei geschwächten Neugeborenen mit höherer Wahrscheinlichkeit auftreten. Bei einigen Arzneimitteln kommt auch eine intraossäre Applikation in Frage.

Nach ihrer Absorption verteilen sich Antibiotika über das Serum in die verschiedenen Gewebe. Junge Tiere weisen eine größere Fraktion extrazellulärer Flüssigkeit auf – bis zum Zweifachen von adulten Tieren – und besitzen gleichzeitig weniger Fett- und Muskelgewebe. Die Folgen sind eine höhere Verteilung wasserlöslicher Arzneistoffe (z. B. Penicilline, Cephalosporine, Aminoglykoside) und entsprechend niedrigere Gewebekonzentrationen. Niedrigere Serumproteinkonzentrationen und eine niedrigere Proteinbindungsaffinität bei Neugeborenen können zu einer Erhöhung der freien (wirksamen) Arzneistoffkonzentrationen stark proteingebundener Substanzen wie Cefovecin führen, und dies erhöht auch die Ausscheidungsrate der entsprechenden Arzneistoffe. Die freie antibiotische Wirkstoffkonzentration an der betroffenen Lokalisation ist der Faktor, der letztlich die potenzielle antimikrobielle Wirksamkeit am Wirkort beeinflussen wird. Der behandelnde Tierarzt muss sich also darüber im Klaren sein, dass eine Dosierung bei Welpen unter Umständen erhöht oder reduziert werden muss, abhängig vom jeweiligen Arzneimittel und vom individuellen Patienten.

Insbesondere während der ersten vier Lebenswochen eines Welpen kann der Metabolismus von Arzneistoffen durch niedrige Konzentrationen von Enzymen, die an der hepatischen Verstoffwechselung beteiligt sind, beeinträchtigt werden. Zahlreiche Arzneistoffe unterliegen der renalen Ausscheidung, die wiederum beeinflusst wird durch die glomeruläre Filtrationsrate und renale tubuläre Transportmechanismen, zwei Faktoren also, die im Laufe der Entwicklung Veränderungen unterliegen. Relevant ist dies hauptsächlich während der sehr frühen Phase des Lebens, da die Nierenfunktion und die Leberfunktion bei Welpen wahrscheinlich erst im Alter von etwa vier bis sechs Wochen nahezu das Niveau adulter Tiere erreichen. Vor diesem Zeitpunkt kann deshalb ein erhöhtes Toxizitätsrisiko bestehen, insbesondere durch Arzneistoffe wie Chloramphenicol, die engere Sicherheitsspannen haben und auf einen effektiven hepatischen Metabolismus angewiesen sind. Untersuchungen zufolge ist die Halbwertszeit von Enrofloxacin bei zwei, sechs und acht Wochen alten Hundewelpen signifikant kürzer als bei adulten Hunden, da eine höhere Ausscheidungsrate vorliegt, die letztlich niedrigere Peakkonzentrationen des Arzneistoffes zur Folge hat 2.

Das Säugen kann die Antibiotikaaufnahme durch das Neugeborene beeinflussen

Abbildung 2. Das Säugen kann die Antibiotikaaufnahme durch das Neugeborene beeinflussen, da einige antibiotische Wirkstoffe an Komponenten der Muttermilch binden und weil das natürliche Säugen verhindert, dass Arzneimittel auf nüchternen Magen verabreicht werden können. 
Credit: Shutterstock

Dosierungsanpassung bei Neugeborenen

Das Fehlen entsprechender Daten ist dafür verantwortlich, dass die maßgeschneiderte Anpassung antibiotischer Behandlungen für Neugeborene zur Herausforderung wird. Vor dem Hintergrund der oben erläuterten Umstände ist es offensichtlich, dass hierbei eine ganze Reihe verschiedener Faktoren eine wichtige Rolle spielen kann, und entweder dazu führt, dass Dosierungen erhöht werden müssen (z. B. größeres Verteilungsvolumen) oder umgekehrt niedrigere Dosierungen oder längere Applikationsintervalle erforderlich sind (z. B. verzögerte Clearance). In Anbetracht der Tatsache, dass der Metabolismus und die Ausscheidung von Arzneistoffen bei jungen Individuen nicht vorhersehbar sein können und je nach Alter während der ersten Lebensmonate sowie individuell von Tier zu Tier in ganz erheblichem Maße variieren können, ist eine zuverlässige Vorhersage der Pharmakokinetik auf der Ebene des einzelnen Patienten sehr schwierig, und letztlich gibt es diesbezüglich bis heute keine evidenzbasierten Empfehlungen für Hunde- und Katzenwelpen. Für stark wasserlösliche Arzneistoffe mit breiten Sicherheitsspannen (z. B. Beta-Laktame) sind Dosierungen im oberen Bereich der Dosierungsspanne für adulte Tiere und adulte Applikationsintervalle angemessen, insbesondere, wenn die zu behandelnden Welpen vier Wochen alt oder älter sind. Historische Literaturempfehlungen, die sich für eine (gelegentlich substanzielle) Reduzierung adulter Dosierungen aussprechen, haben dagegen keine evidenzgestützte Grundlage und sollten daher vermieden werden. Tabelle 1 listet häufig angewendete Antibiotika auf und schlägt Dosierungen für Neugeborene vor. Sobald Hunde- und Katzenwelpen ein Alter von sechs Wochen erreicht haben, können die meisten Antibiotika wahrscheinlich jedoch problemlos in den üblichen adulten Dosierungen verabreicht werden.

Tabelle 1. Strategien für die Dosierung von Antibiotika bei jungen Hunde- und Katzenwelpen.

Arzneistoff und Dosierung bei adulten Tieren  Überlegungen zur Dosierung bei Neugeborenen
Amikacin
10-15 (Katzen) oder 15-30 (Hunde) mg/kg IV/SC/IM alle 24h
Höhere Verteilung als bei adulten Individuen. Verringerte renale Ausscheidung. Risiko der Oto- und Nephrotoxizität.
Variable Dosierungsempfehlungen bei Kleinkindern. Verlängerung der Applikationsintervalle bei Hunde- und Katzenwelpen in Erwägung ziehen. Überwachung des therapeutischen Wirkstoffspiegels wäre ideal. Reservieren für hochgradige Infektionen.
Amoxicillin
11-20 mg/kg PO alle 8-12h
Höhere Verteilung und breite Sicherheitsspanne. Breite Dosierungsspanne bei Kleinkindern, also sollten Dosierungen von 20-50 mg/kg alle 12h in Betracht gezogen werden, aber alle 8 Stunden und niedrigere Dosierungen bei älteren Individuen (> 1 Monat). 
Amoxicillin + Clavulansäure 
13,75-20 mg/kg PO alle 12h 
Über die Pharmakokinetik von Clavulansäure ist nur wenig bekannt. 
15 mg/kg PO alle 12h wird bei Menschen empfohlen, aber in der Regel werden höhere Amoxicillin-Dosen eingesetzt. In Anbetracht der potenziellen Nebenwirkungen von Clavulansäure sind für die Kombination niedrigere Dosen angemessen, als für Amoxicillin allein (z. B. 15-20 mg/kg PO alle 12h).
Ampicillin 
20-40 mg/kg IV alle 4-8h
Höhere Verteilung und breite Sicherheitsspanne.
50 mg/kg IV alle 4-6h. In einigen Situationen können höhere Dosierungen gerechtfertigt sein.
Ceftiofur-Natrium
2,2 mg/kg IV/SC/IM alle 12-24h
2,5 mg/kg SC alle 12h.
Verschiedene Ceftiofur-Präparate sind erhältlich. Ceftiofur als kristalline freie Säure sollte nicht angewendet werden, da die Pharmakokinetik dieser Langzeit-Formulierung unbekannt ist und bei jungen Hunde-/Katzenwelpen unvorhersagbar sein kann. 
Cephalexin
22-30 mg/kg PO alle 12h
Adulte Dosierungen sind wahrscheinlich geeignet; oberer Bereich der Dosierungsspanne ist wahrscheinlich ideal.
Cefotaxim
40-50 mg/kg IV/SC/IM alle 8h
Gute Wahl für die systemische Breitspektrumabdeckung bei kritisch kranken Patienten. Oberer Bereich der adulten Dosierungsspanne ist wahrscheinlich geeignet. Bei Tieren < 1 Woche verlängerte Applikationsintervalle (alle 12 h) in Erwägung ziehen.
Clindamycin 
10-15 mg/kg PO/IV alle 12h
Adulte Dosierungen sind wahrscheinlich geeignet, bei sehr jungen Tieren (< 1 Woche) sollten aber Dosierungen im unteren Bereich der adulten Dosierungsspanne in Betracht gezogen werden.
Doxycyclin
5-10 mg/kg PO/IV alle 12-24h
Zahnverfärbungen sind kein Grund zur Sorge. 
Übliche adulte Dosierungen sind wahrscheinlich geeignet.
Fluoroquinolone 
Enrofloxacin
Hunde: 5-20 mg/kg IV/PO alle 24h 
Marbofloxacin
2,75-5,5 mg/kg PO alle 24h 
Orbifloxacin
2,5-7,5 mg/kg PO alle 24h 
Pradofloxacin
Hunde: 3-4,5 mg/kg PO alle 24h; Katzen: 7,5 mg/kg PO alle 24h
Höhere Verteilung. Verringerte renale Ausscheidung.
Bei im Wachstum befindlichen Tieren vermeiden, wenn keine absolute Indikation vorliegt. 
Kurzzeitanwendung in üblichen Dosierungen bringt wahrscheinlich nur ein begrenztes Risiko mit sich, das Risiko für Arthropathie oder Tendinopathie bleibt aber bestehen.
Enrofloxacin bei Katzenwelpen vermeiden wegen Risiko der Retinopathie. 
Der untere Bereich der üblichen Dosierungen alle 24 Stunden kann bei sehr jungen (< 1 Woche) Individuen am besten geeignet sein.

 

Arzneimittelspezifische Probleme

Aminoglykoside

Aminoglykoside haben eine hervorragende Wirksamkeit gegen Gram-negative Bakterien (einschließlich der meisten multiresistenten Bakterien und Pseudomonas spp.) und eine gute Wirksamkeit gegen Staphylokokken, aber eine nur begrenzte Effektivität gegen andere Gram-positive Erreger und keine Wirksamkeit gegen anaerobe Bakterien. Sie müssen parenteral verabreicht werden und können nephrotoxisch und ototoxisch wirken, wobei die entsprechenden Toxizitätsrisiken bei Amikacin geringer sind als bei Gentamycin. Das höchste Nephrotoxizitätsrisiko besteht bei Patienten mit Dehydratation oder schlechter Durchblutung, die tatsächliche Toxizitätsinzidenz ist jedoch nicht bekannt. Häufig hört man Aussagen, dass Aminoglykoside bei Hunde- und Katzenwelpen nicht angewendet werden sollten, letztlich liegen aber keine Daten vor, die solche Empfehlungen unterstützen würden, und diese Antibiotikaklasse wird nach Bedarf durchaus auch bei Neugeborenen verschiedener anderer Spezies eingesetzt, einschließlich Mensch. So ist Berichten zufolge Gentamycin in der Tat das in humanmedizinischen Intensivstationen für Neugeborene am zweithäufigsten eingesetzte Antibiotikum nach Ampicillin 1. Aminoglykoside werden zwar nicht für die routinemäßige Anwendung empfohlen, sie können aber für die gezielte kulturgestützte Behandlung zahlreicher multiresistenter Bakterien eingesetzt werden sowie als empirische Wahl zur Abdeckung Gram-negativer Erreger bei Hochrisikopatienten (z. B. Sepsis), wo das Toxizitätsrisiko niedriger angesetzt wird als das unmittelbare Todesrisiko infolge der Infektion. Durch die Sicherstellung einer guten Durchblutung und Hydratation des Patienten können diese Risiken zusätzlich reduziert werden. An dieser Stelle muss aber angemerkt werden, dass die bei adulten Tieren zu beobachtenden frühen Symptome einer Toxizität (Entwicklung granulärer Zylinder) bei Neugeborenen nicht in derselben Regelmäßigkeit festgestellt werden können, wodurch die Überwachung in solchen Fällen zusätzlich erschwert wird.

Über die Dosierung von Aminoglykosiden bei jungen Hunde- und Katzenwelpen ist nur wenig bekannt. Bei Neugeborenen beobachtet man eine ausgedehntere Verteilung des Arzneistoffes aber gleichzeitig eine geringere renale Ausscheidung. Bei Fohlen werden höhere Dosierungen eingesetzt als bei adulten Pferden (z. B. Amikacin 20-25 mg/kg alle 24 Std. vs. 10-15 mg/kg alle 24 Std.), während man in der Humanmedizin bei neugeborenen Babys tendenziell dieselbe Dosierung einsetzt wie bei Erwachsenen, wenn auch mit ausgedehnteren Applikationsintervallen – bei Babys unter einer Woche mit normalem Geburtsgewicht wird eine Verabreichung alle 30 bis 36 Stunden empfohlen 1, wobei sich aber sowohl die Dosierung als auch die Applikationsintervalle in der Regel an der Überwachung der Wirkstoffkonzentrationen orientieren. Zumindest in der Theorie können die Beurteilung der Peak- und Talkonzentrationen des Arzneistoffes eine maßgerechtere individuelle Dosierung von Aminoglykosiden ermöglichen, mit einer höheren Dosierung des Wirkstoffes (aufgrund der höheren Verteilung) und längeren Applikationsintervallen (aufgrund der geringeren renalen Ausscheidung).

Doxycyclin

Doxycyclin ist ein Breitspektrumantibiotikum mit Wirksamkeit gegen eine Reihe von Gram-positiven, Gram-negativen, vektorenübertragenen und atypischen Bakterien. Während Tetracyclin bei im Wachstum befindlichen Tieren zu Zahnverfärbungen führen kann 3, besteht dieses Risiko bei Doxycyclin nicht, da Letzteres eine geringere Bindungsaffinität für Calcium aufweist als Tetracyclin. Bei jungen Kindern ist Doxycyclin deshalb nicht kontraindiziert*, und auch bei Hunde- und Katzenwelpen muss auf Doxycyclin aufgrund von Bedenken hinsichtlich einer Verfärbung oder der Entwicklung von Zähnen nicht verzichtet werden. Frühere Bedenken hinsichtlich Zahnverfärbungen bei Kindern sind wahrscheinlich ein Grund dafür, dass die Anwendung von Doxycyclin bei Neugeborenen bislang kaum untersucht wurde – bis heute liegen diesbezüglich nur wenige Daten vor. Bei zweijährigen und achtjährigen Kindern wurden keine signifikanten Unterschiede in der Pharmakokinetik gefunden 4, Daten für noch jüngere Kinder liegen allerdings nicht vor. Da Doxycyclin allgemein als sicher gilt – die Dosierung wird auch bei humanen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht verändert – erscheinen Dosierungen für adulte Tiere auch bei Hunde- und Katzenwelpen angemessen.

* https://www.cdc.gov/rmsf/doxycycline/index.html

Cephalosporine

Cephalosporine sind bei jungen Tieren im Allgemeinen sichere und wirksame antibiotische Optionen. Cephalexin wird häufig eingesetzt und führt zu einer hervorragenden Abdeckung Gram-positiver Erreger (z. B. Staphylokokken und Streptokokken), besitzt aber nur eine begrenzte Wirksamkeit gegen Gram-negative Bakterien. Aufgrund der oralen Verabreichbarkeit und einer breiten Sicherheitsspanne handelt es sich aber um eine gute Option für Situationen mit Fokus auf Gram-positiven Erregern.

Cephalosporine der dritten Generation wie Cefotaxim und Ceftiofur sind gute zulassungsüberschreitende Optionen für Situationen, in denen eine Breitspektrumabdeckung erforderlich ist. Diese Arzneimittelklasse zeigt eine hervorragende Wirksamkeit gegen Gram-negative Erreger und eine immer noch gute Wirksamkeit gegen Gram-positive Keime, aber keinen Effekt gegen Enterokokken. Zudem sind die meisten Vertreter dieser Arzneimittelgruppe nicht wirksam gegen Pseudomonas spp. (ausgenommen Anti-Pseudomonas-Cephalosporine wie Ceftazidim). Cephalosporine der dritten Generation sind eine gute Option für kulturgestützte Behandlungen und für die empirische Behandlung hochgradig erkrankter Patienten, bei denen eine zuverlässige Breitspektrumabdeckung erforderlich ist. Cefotaxim wird häufig bei Verdacht auf eine Infektion im Zentralnervensystem (ZNS) eingesetzt, da der Wirkstoff in angemessenem Maße die Blut-Hirn-Schranke überschreitet und auch in hohen Dosierungen sicher verabreicht werden kann. Orales Cefpodoxim kann ebenfalls eingesetzt werden.

J. Scott Weese

Penicilline haben eine breite Sicherheitsspanne bei Neugeborenen.

J. Scott Weese

Wie bei anderen Beta-Lactamen ist die renale Ausscheidung im der frühen Lebensphase herabgesetzt, was aufgrund der breiten Sicherheitsspanne von Cephalosporinen aber eher ein begrenztes Problem sein dürfte. Neugeborene Babys erhalten höhere Dosen in längeren Applikationsintervallen (50 mg/kg alle 12 Stunden im Alter von 0-7 Tagen und alle 8 Stunden im Alter von 7-28 Tagen), während Babys im Alter von über 28 Tagen 37,5 mg/kg alle 6 Stunden bekommen 1.

Cefovecin wird zur routinemäßigen Anwendung nicht empfohlen, da es sich um einen stark proteingebundenen Arzneistoff handelt, dessen pharmakokinetische Eigenschaften bei Neugeborenen recht variabel sein können. Zudem ist Cefovecin eine schlechte Wahl gegen E. coli, außer bei Infektionen der ableitenden Harnwege. Da aber Cefovecin am besten geeignet ist zur Behandlung der oberflächlichen Folliculitis und der bakteriellen Zystitis bei Patienten, bei denen die Verabreichung von Arzneimitteln problematisch ist, gibt es bei Hunde- und Katzenwelpen eigentlich nur begrenzte Indikationen für dieses Cephalosporin.

Clindamycin

Clindamycin ist eine weitere perorale Option mit hervorragender Wirksamkeit gegen Gram-positive und anaerobe Bakterien. Für Babys unter 28 Tagen werden Dosierungen von täglich 15-20 mg/kg empfohlen, und bei älteren Babys 20-40 mg/kg täglich (in beiden Fällen verteilt auf 3-4 Dosen), während für alle Kleinkinder mit normalem Geburtsgewicht 9 mg/kg alle 8 Stunden empfohlen werden 5. Für Hunde und Katzen liegen keine Daten vor, wahrscheinlich sind bei Welpen aber ähnliche Dosierungsschemata wie für adulte Tiere angemessen. Bei sehr jungen Individuen sollte dabei aufgrund der vermutlich langsameren Clearance jedoch eher das untere Ende der Dosierungsspanne in Betracht gezogen werden.

Fluoroquinolone

Fluoroquinolone sind hervorragende Antibiotika gegen Gram-negative Erreger, aber weniger wirksam gegen Gram-positive Keime und wirkungslos (außer Pradofloxacin) gegen Anaerobier. Die bekanntesten Bedenken im Zusammenhang mit der Anwendung von Fluoroquinolonen bei im Wachstum befindlichen Tieren ist das Risiko der Entwicklung von Knorpeldefekten. In vitro wurden toxische Effekte von Enrofloxacin auf canine Chondrozyten und Sehnenzellen nachgewiesen 6,7 und die US-amerikanische Packungsbeilage für Enrofloxacin gibt an, dass sich bei älteren Hundewelpen mit einer Dosierung von 5-25 mg/kg über 30 Tage mikroskopische Gelenkknorpelveränderungen entwickelten. Bei zwei Wochen oder 29-34 Wochen alten Hundewelpen, die über 30 Tage Enrofloxacin in einer Dosierung von 25 mg/kg/Tag erhielten, werden klinische Anomalien jedoch nicht beschrieben Zwei neuere Studien bei Fohlen konnten keine Knorpelläsionen nach der Behandlung von Stuten mit Enrofloxacin während der späten Trächtigkeit nachweisen 8,9, Bei zwei von zwei Fohlen, die postnatal mit Enrofloxacin in Standarddosierungen behandelt worden waren, wurden jedoch hochgradige Knorpelläsionen nachgewiesen 9. Dies deckt sich mit einem früheren Bericht (nur als Abstract veröffentlicht), der Gelenkknorpelschäden bei vier von vier entsprechend behandelten neugeborenen Fohlen feststellte 10. Die begrenzte Anzahl und die geringe Größe entsprechender Studien verkompliziert die Beurteilung der Sicherheit von Enrofloxacin, ebenso wie das vollständige Fehlen von Feldstudien, in denen klinisch anwendbare Dosierungen in verschiedenen Altersklassen eingesetzt werden. Darüber hinaus kann es Bedenken hinsichtlich von Sehnenrupturen geben (basierend auf einer caninen Zellkulturstudie 7), deren Inzidenz bei Jugendlichen in der Humanmedizin jedoch sehr niedrig ist 11 und über entsprechende Risiken bei Hunden und Katzen ist letztlich nichts bekannt.

Bekannt ist zudem eine Retinopathie bei dieser Arzneimittelklasse und wird bei Katzen, die mit Enrofloxacin behandelt werden als dosisabhängiges Problem beschrieben 12. Um dieses Risiko zu verringern, werden niedrigere Dosierungen von Enrofloxacin empfohlen (5 mg/kg alle 24 Stunden), was bei jungen Tieren mit potenziell reduzierter renaler Clearance unter Umständen jedoch nicht ausreicht. Unerwünscht sind niedrigere Dosierungen auch bei konzentrationsabhängigen Antibiotika, bei denen hohe Peakkonzentrationen und AUC:MIC-Verhältnisse* wichtige Faktoren für die bakterizide Wirkung sind.

* AUC- area under curve; MIC = minimum inhibitory concentration 

Insgesamt sind die Risiken durch eine kurzzeitige Anwendung klinisch relevanter Dosen von Fluoroquinolonen bei Hunde- und Katzenwelpen nach wie vor unklar, obgleich sie bei sehr jungen Individuen wahrscheinlich höher liegen dürften. Letztlich gibt es bei Hunde- und Katzenwelpen aber nur wenige Indikationen für Fluoroquinolone, da andere, sicherere Wirkstoffe mit ähnlichem antimikrobiellem Spektrum (z. B. Cephalosporine der dritten Generation) zur Verfügung stehen. In Betracht ziehen kann man die Anwendung von Fluoroquinolonen – idealerweise über eine kurze Dauer – insbesondere in einigen begrenzten Situationen, in denen andere Routineantibiotika aufgrund von bestimmten Faktoren auf Seiten der beteiligten Bakterien oder beim betroffenen Patienten nicht angezeigt sind, da in solchen Fällen die Vorteile die potenziellen Risiken durchaus überwiegen können. Niedrigere Dosierungen könnten die Risiken senken, sind aber unter Umständen aus der Sicht der bakteriziden Wirksamkeit nicht erstrebenswert. Der Fokus sollte in diesen Fällen also wahrscheinlich eher auf einer Minimierung der Behandlungsdauer liegen und weniger auf einer Reduzierung der Dosis.

Penicilline

Antibiotika aus dieser Gruppe, einschließlich potenzierter Penicilline, werden bei Neugeborenen vielfach angewendet, insbesondere Amoxicillin und Clavulansäure peroral und Ampicillin intravenös. Ihre Anwendung ist auch bei Neugeborenen anderer Spezies weit verbreitet, wobei in humanmedizinischen Intensivstationen für neugeborene Babys am häufigsten Ampicillin zum Einsatz 1. Bei Neugeborenen kann die Pharmakokinetik der Penicilline von einer höheren Verteilung und einer langsameren Ausscheidung geprägt sein. Bei Hundewelpen ist dies bereits nachgewiesen worden, so dass für sechs Wochen alte Individuen eine Dosierung von 50 mg/kg IV alle 4-6 Stunden empfohlen wird 13. Bei jüngeren Welpen sollten dagegen höhere Dosierungen in Betracht gezogen werden. In der Humanmedizin werden bei neugeborenen Babys Dosierungen von bis zu 200 mg/kg alle 6 Stunden angewendet, im Unterschied zu 20-40 mg/kg alle 4-6 Stunden bei Erwachsenen. Wenn ein Venenzugang nicht verfügbar ist, kann Ampicillin bei Hunde- und Katzenwelpen auch intraossär verabreicht werden in derselben Dosierung wie bei der intravenösen Gabe 13,14.

Eine ähnliche Herangehensweise empfiehlt sich für Amoxicillin, einen weitgehend zum Ampicillin analogen Wirkstoff, aber mit hervorragender oraler Bioverfügbarkeit. In Anbetracht des höheren Verteilungsvolumens und der höheren Sicherheit werden bei neugeborenen Babys höhere Dosierungen empfohlen (50 mg/kg PO, alle 12 Stunden) 15. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit sollten bei älteren Hunde- und Katzenwelpen (> 1 Monat) aber kürzere Applikationsintervalle (alle 8 Stunden) in Betracht gezogen werden. Amoxicillin/Clavulansäure wird bei Neugeborenen sehr häufig eingesetzt und ist als anwenderfreundliche orale Suspension erhältlich. Pharmakokinetische Aspekte im Zusammenhang mit Amoxicillin werden oben beschrieben, während über die Clavulansäure diesbezüglich nur wenig bekannt ist. Insgesamt erscheinen aber Dosierungen im oberen Bereich der normalen Dosierungsspannen angemessen.

Antibiotika und die kommensalische Mikrobiota

Der Körper beherbergt eine riesige mikrobielle Population (die Mikrobiota) und deren kollektives Genom (das Mikrobiom). Heute gibt es zwar enorme Fortschritte bei der Fähigkeit zur Untersuchung dieser komplexen mikrobiellen Populationen im Darm, im Atemtrakt, auf der Haut und in anderen Lokalisationen, nach wie vor ist aber unklar, auf welche Weise diese bakteriellen Populationen mit dem Wirt interagieren und welche wechselseitigen Einflüsse hierbei eine Rolle spielen. Unbestreitbar ist, dass die Mikrobiota (und hier insbesondere die intestinale Fraktion) tiefgreifende und komplexe Interaktionen mit dem Körper des Wirts hat, und zwar sowohl auf lokaler Ebene im Darm, als auch weit darüber hinaus.

Bei der Geburt wird ein Welpe geradezu überflutet von mikrobiellen Organismen und zwar vom Zeitpunkt der Geburt an (wenn nicht schon vorher) und anschließend weiter über das gesamte Leben. Exponiert werden Neugeborene zunächst gegenüber der mütterlichen Mikrobiota der Vagina, der Haut, der Milch, des Atmungstraktes und des Intestinaltraktes, sowie gegenüber der Mikrobiota aus der Umwelt, der an der Versorgung beteiligten Menschen und anderer Kontakte (Abbildung 3). Diese frühen Expositionen gestalten die Entwicklung der Mikrobiota des Individuums, und einige dieser frühen Expositionen können lang anhaltende Auswirkungen auf das Individuum und seine Mikrobiota haben. So entwickeln zum Beispiel per Kaiserschnitt auf die Welt geholte Babys eine andere Mikrobiota als Babys, die auf natürlichem vaginalem Weg geboren werden, und diese Unterschiede können über Monate persistieren 16. Den tiefgreifendsten Einfluss auf die Mikrobiota eines Individuums hat aber wahrscheinlich eine Exposition gegenüber Antibiotika, nicht zuletzt weil antibiotische Behandlungen signifikante Auswirkungen insbesondere auf die Darmmikrobiota haben 17,18,19. Diese Effekte können lange Zeit über das Ende der antibiotischen Therapie hinaus persistieren. So können antibiotische Behandlungen die wichtige Entwicklung der kommensalischen Mikrobiota stören und deren komplexe Interaktionen mit dem Körper beeinflussen. 

Die Mikrobiota eines Hunde- oder Katzenwelpen wird ab dem Augenblick der Geburt (wenn nicht schon vorher) beeinflusst, und Ereignisse wie eine Geburt per Kaiserschnitt können Langzeitauswirkungen auf das Mikrobiom eines Tieres haben

Abbildung 3. Die Mikrobiota eines Hunde- oder Katzenwelpen wird ab dem Augenblick der Geburt (wenn nicht schon vorher) beeinflusst, und Ereignisse wie eine Geburt per Kaiserschnitt können Langzeitauswirkungen auf das Mikrobiom eines Tieres haben.
Credit: Shutterstock

Ein Schlüsselaspekt der immunologischen Entwicklung ist die Toleranz. Dabei lernt der Körper, wie er seine Immunantwort regulieren muss, um nicht auf die massive kommensalische Antigenlast zu reagieren (oder überzureagieren). Bei Kleinkindern wird zum Beispiel der Antibiotikaeinsatz mit einem erhöhten Asthmarisiko im Zusammenhang mit Veränderungen der Darmmikrobiota in Verbindung gebracht 20. Andere Studien berichten von Zusammenhängen zwischen der Anwendung von Antibiotika bei Kindern und nachfolgendem Risiko für allergische Erkrankungen, einschließlich Asthma, Atopie und Nahrungsmittelallergien 21,22,23. Bei Hunden und Katzen gibt es zwar keine entsprechenden Studien, man kann aber auch bei diesen Spezies vermuten, dass Veränderungen der Darmmikrobiota durch einen frühen Antibiotikaeinsatz das Risiko für immunvermittelte Erkrankungen wie Atopie und Futtermittelallergie auf ähnliche Weise beeinflussen können. Bei Menschen (und vermutlich auch bei anderen Spezies) kann die Anwendung von Antibiotika bei der Mutter während der Gravidität ebenfalls Auswirkungen auf die Mikrobiota haben. So ist zum Beispiel eine pränatale Antibiotikaexposition bei Menschen nachweislich mit einem erhöhten Risiko für allergische Erkrankungen assoziiert 23. Während also Antibiotika in vielen Fällen zweifellos wichtig sind für die wirksame Behandlung bakterieller Erkrankungen, unterstreichen diese Zusammenhänge eindrücklich die Notwendigkeit eines guten Antimicrobial Stewardship, also eines verantwortungsvollen Einsatzes von Antibiotika. Maßnahmen zur Reduzierung des Krankheitsrisikos (z. B. gutes Management, gute postnatale Versorgung) und eine strikte Beschränkung des Einsatzes von Antibiotika auf Fälle mit eindeutiger Indikation haben auf lange Sicht vermutlich erhebliche Vorteile für die Gesundheit von Hunde- und Katzenwelpen.

Beispiele für die Anwendung von Antibiotika bei Neugeborenen 

Erkrankungen des Atmungstraktes

Infektiöse Erkrankungen des Atmungstraktes treten bei Welpen häufig auf, insbesondere in Zwingern und in Tierheimen, wo eine hohe Bewegung und Durchmischung verschiedener Tiere an der Tagesordnung ist. Eine ganze Reihe verschiedener pathogener Erreger kann an solchen Atemwegsinfektionen beteiligt sein, wovon letztlich nur eine Untergruppe bakterieller Natur ist. Selbst wenn pathogene Bakterien beteiligt sind, ist eine antibiotische Behandlung nicht immer erforderlich. Die Entscheidung pro oder contra Antibiotikaeinsatz richtet sich im Einzelfall nach dem Schweregrad und der Chronizität der Erkrankung, aber auch nach der Frage, ob der untere Atemtrakt einbezogen ist, und schließlich nach dem Alter des Patienten.

Doxycyclin ist eine gute Option für Infektionen der oberen Atemwege, wenn von einer bakteriellen Komponente auszugehen ist, oder wenn Bedenken hinsichtlich eines Fortschreitens der Erkrankung in Richtung einer Pneumonie bestehen. Ferner ist Doxycyclin angezeigt, wenn der Verdacht auf eine Beteiligung von Mycoplasma spp. besteht, obgleich es im Einzelfall eine Herausforderung sein kann, die tatsächliche Relevanz dieses Erregers für das Krankheitsgeschehen festzustellen. Amoxicillin/Clavulansäure kann bei gering- bis mittelgradiger Erkrankung der Atemwege in Erwägung gezogen werden, ist aber im Vergleich zu Doxycyclin als suboptimal zu bewerten, da einige wichtige pathogene Erreger resistent sein können (z. B. Bordetella spp.), weil keine Wirksamkeit gegen Mycoplasma spp. besteht, da eine relativ schwache Wirksamkeit gegen Beta-Lactamase bildende Gram-negative Bakterien vorliegt sowie eine relativ schwache Penetration der Epithelauskleidungsflüssigkeit zu erwarten ist.

Bei hochgradiger oder schnell fortschreitender Erkrankung ist eine Breitspektrumabdeckung angezeigt. In der Regel besteht in diesen Fällen eine Indikation für eine parenterale Behandlung (z. B. Cefotaxim, Ceftiofur, Ampicillin + Amikacin, Clindamycin + Amikacin), wobei von den hier genannten Wirkstoffen lediglich Clindamycin eine gewisse – wenn auch nur marginale – Wirksamkeit gegen Mykoplasmen aufweist. Da Mykoplasmen bei Patienten mit hochgradiger Erkrankung im besten Falle aber wahrscheinlich lediglich eine Co-Infektion darstellen, sind alle genannten Antibiotika eine gute Option für Patienten mit hochgradiger bakterieller Pneumonie, mit oder ohne begleitende Sepsis. Eine perorale Behandlung kommt bei Patienten mit guter gastrointestinaler Motilität in Frage. Cefpodoxim ist eine perorale Option, sollte aber bei schwer erkrankten Patienten nicht eingesetzt werden. Wenn das klinische Hauptproblem eine Beteiligung der Augen ist, kann eine Behandlung mit topischen Antibiotika ausreichen.

Septikämie

Eine Septikämie ist ein akut lebensbedrohender Zustand, der eine sofortige und hochwirksame antibiotische Therapie erfordert. Ideal ist eine kulturgestützte Behandlung auf der Basis von Blutproben oder entsprechenden Proben aus anderen betroffenen Lokalisationen, die Ergebnisse von Kultur und Empfindlichkeitstest liegen in der Regel aber erst nach einigen Tagen vor. Aus diesem Grund ist eine sofortige und wirksame empirische Behandlung erforderlich, und außer in konkreten Verdachtsfällen (z. B. Entwicklung einer Sepsis aus einem bekannten septischen Herd, von dem bereits kulturelle Ergebnisse vorliegen), ist in diesen Fällen eine Breitspektrumabdeckung angezeigt mit besonderer Wirksamkeit gegen Enterobacteriaceae, Staphylokokken und Streptokokken. Aufgrund der bei diesen Patienten potenziell schlechten Absorption nach oraler Eingabe ist eine parenterale Verabreichung angezeigt, und wenn immer möglich sollte hierfür der intravenöse Weg gewählt werden. Die verschiedenen Optionen für eine Breitspektrumabdeckung sind ein Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaxim, Ceftiofur) oder Kombinationen von Clindamycin + Amikacin oder Ampicillin + Amikacin. Bei hochgradig beeinträchtigten Patienten sind Cefotaxim oder Ceftiofur initial wahrscheinlich sicherere Optionen aufgrund des bei dehydrierten oder aus anderen Gründen schlecht durchbluteten Patienten erhöhten Nephrotoxizitäts- und Ototoxizitätsrisikos. Cefotaxim und Ceftiofur werden zudem auch in der Humanmedizin bei neonataler Sepsis üblicherweise empfohlen, mit oder ohne Ampicillin. Nicht angezeigt bei Patienten mit Septikämie ist dagegen Cefovecin aufgrund seiner mangelnden Wirksamkeit gegen E. coli im Gewebe und aufgrund der bei Neugeborenen unklaren Pharmakokinetik. Bei Verdacht auf eine Beteiligung von Enterokokken – meist ein Thema bei klinikassoziierten Infektionen – sollte Ampicillin ein Teil des Behandlungsschemas sein (z. B. Ampicillin + Cefotaxim, Ampicillin + Amikacin). 

Neonatale Diarrhoe 

Neonatale Diarrhoe ist eine bei den meisten Spezies häufig auftretende Erkrankung und kann unzählige infektiöse und nicht-infektiöse (z. B. diätetisch) Ursachen haben. Eine Diarrhoe an sich ist noch keine Indikation für eine antibiotische Therapie, die aufgrund ihrer potenziell schädlichen Auswirkungen auf die Mikrobiota in der Tat sogar kontraindiziert sein kann. Entscheidungen pro oder contra antibiotische Therapie sollten stets auf dem systemischen Status des Patienten basieren und der Einschätzung, ob der Patient bereits septisch ist, oder ein hohes Risiko hat, eine Sepsis zu entwickeln. Ein veränderter mentaler Zustand, eine abnorme Körpertemperatur und eine blutige Diarrhoe wären Hinweise auf eine mögliche Translokation von Bakterien und eine Sepsis. Alle drei Befunde gelten daher als klinische Indikatoren, die die Einleitung einer antibiotischen Therapie rechtfertigen. Da die eingesetzten Antibiotika auch hier in erster Linie eine Sepsis behandeln oder verhindern sollen, gelten dieselben therapeutischen Empfehlungen wie bei der Septikämie (z. B. Cefotaxim, Ceftiofur)

Schlussfolgerung

Antibiotika sind potenziell lebensrettende Arzneimittel, sie können aufgrund ihrer Nebenwirkungen und ihrer Langzeiteffekte auf die Entwicklung aber auch lebensverändernd wirken. Erschwert wird die richtige und wirksame Anwendung antibiotischer Arzneimittel bei Hunde- und Katzenwelpen insbesondere durch das Fehlen evidenzbasierter Daten, wodurch die Wahl der Dosierungen vielfach auf Annahmen beruhen muss. Bei der Wahl von Arzneimitteln und Dosierungsschemata müssen Unterschiede zwischen jungen Tieren und ihren adulten Pendants berücksichtigt werden, um die Wahrscheinlichkeit einer guten Wirksamkeit zu maximieren und gleichzeitig das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. In erster Linie sollten jedoch alle Anstrengungen unternommen werden, um die Gesundheit von Mutter und Neugeborenen zu optimieren, mit dem Ziel, den Antibiotikabedarf insgesamt zu senken und dadurch Probleme wie die Unsicherheiten bei der Dosierung und bei Langzeiteffekten zu verhindern.

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J. Scott Weese

J. Scott Weese

J. Scott Weese ist Professor am Ontario Veterinary College und Mikrobiologe für Zoonosen /Public Health am Centre for Public Health und Zoonosen Mehr lesen

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